Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Samm und die Hofrätin MMag. Ginthör, den Hofrat Dr. Faber sowie die Hofrätinnen Dr. in Oswald und Dr. Kronegger als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Janitsch, über die Revision der Österreichischen Zahnärztekammer in Wien, vertreten durch die Haslinger / Nagele Rechtsanwälte GmbH in 4020 Linz, Roseggerstraße 58, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 28. September 2022, Zl. LVwG 2022/37/0103 46, betreffend Vorabfeststellung des Bedarfs für ein selbständiges Zahnambulatorium (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Tiroler Landesregierung; mitbeteiligte Partei: Dr. S H in I, vertreten durch Dr. Hanspeter Feix und Dr. Renate Palma, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Anichstraße 17/III), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
1 1.1. Mit Bescheid vom 2. Oktober 2021 stellte die belangte Behörde gemäß § 4b Abs. 9 iVm. § 4b Abs. 2 lit. a und Abs. 3 Tiroler Krankenanstaltengesetz Tir KAG fest, dass durch das vom Mitbeteiligten beantragte selbständige Ambulatorium mit der Bezeichnung „ZMG Zahn- und Mundgesundheit“ am Standort 6020 Innsbruck zur Behandlung von Mund- und Kiefererkrankungen im Ausmaß von neun Behandlungsstühlen (davon sechs Zahnbehandlungsstühle und drei Stühle für Mundhygiene) eine wesentliche Verbesserung des Versorgungsangebots im Einzugsgebiet erreicht werden könne.
2 1.2. Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Tirol nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung die Beschwerde der Revisionswerberin gegen diesen Bescheid ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
3 Das Verwaltungsgericht stellte als „Leistungsspektrum“ sechs Behandlungsstühle, drei Stühle für Mundhygiene, einen zahnärztlichen OP mit Narkoseeinrichtung und Aufwachraum sowie Kinderzahnheilkunde fest. Weiters traf es nähere Feststellungen zur Diagnostik, zum Leistungsangebot und zum Leistungsumfang (betreffend Prophylaxe, Röntgendiagnostik, Füllungstherapie, Endodontie, Parodontalbehandlung, technische Arbeiten, Prothetik und Chirurgie).
4 Als Personal stellte das Verwaltungsgericht die ärztliche Leitung, drei Zahnärzte in Vollzeit, drei Zahnarztassistenten, drei Prophylaxeassistenten, einen Kieferchirurgen, zwei Rezeptionisten, einen Kieferorthopäden und einen Anästhesisten fest. Für den Bereich Kieferchirurgie werde jedenfalls ein Facharzt tätig sein. Der Kieferorthopäde werde zusätzlich zu den im Zahnambulatorium tätigen Zahnärzten eingesetzt. Die Fachärzte für den Bereich Kieferchirurgie, Kieferorthopädie und Anästhesie würden zunächst als Konsiliarärzte tätig sein; das genaue Ausmaß lasse sich derzeit nicht abschätzen. Voraussichtlich würden im geplanten Zahnambulatorium pro Tag höchstens 60 Patienten behandelt. Als Öffnungszeiten wurden Montag bis Freitag jeweils von 7:00 bis 19:00 Uhr und Samstag von 7:00 bis 12:00 Uhr festgestellt.
5 Die im Leistungsangebot enthaltenen zahnmedizinischen Leistungen seien weitgehend sozialversicherungsrechtlich erstattungsfähig. Ihr überwiegender Anteil werde häufig in Anspruch genommen, was insbesondere für näher genannte zahnmedizinische Behandlungen gelte. Der Mitbeteiligte sei bestrebt, mit jedem öffentlichen Krankenversicherungsträger einen Kassenvertrag abzuschließen. Es sei jedenfalls kein ausschließliches Wahlzahnarztambulatorium geplant.
6 Das Leistungsspektrum sei „nicht zur Gänze“ in den durch eine Verordnung für verbindlich erklärten Teilen des Österreichischen Strukturplanes Gesundheit 2017 (ÖSG VO 2020) und auch nicht im Tiroler Krankenanstaltenplan 2019 vorgesehen.
7 Zum Einzugsgebiet stellte das Verwaltungsgericht zunächst fest, ausgehend von dem im Österreichischen Strukturplan Gesundheit 2017 (ÖSG 2017) definierten Planungsrichtwert für den Fachbereich Zahn , Mund- und Kieferheilkunde (ZMK) ergebe sich das Einzugsgebiet anhand des Erreichbarkeitswertes bei 30 Minuten Reisezeit im Straßen Individualverkehr. Dieses Einzugsgebiet setze sich aus 63 im Einzelnen genannten Gemeinden aus den Bezirken Innsbruck-Stadt, Innsbruck Land und Schwaz zusammen. In diesem Einzugsgebiet lebten 337.243 Menschen (Stand 2021).
8 Stelle man hingegen auf eine Erreichbarkeit innerhalb von 60 Minuten im Straßen Individualverkehr ab, seien ergänzend im Einzelnen genannte (91) Gemeinden auch der Bezirke Imst, Landeck und Kufstein zu berücksichtigen. In diesem Einzugsgebiet lebten 572.026 Menschen (Stand 2021).
9 Das geplante Ambulatorium solle innerhalb der Stadtgemeinde Innsbruck entstehen. Dazu traf das Verwaltungsgericht Feststellungen hinsichtlich der Erreichbarkeit im öffentlichen Verkehr und im Individualverkehr.
10 Zu den bestehenden Anbietern stellte das Verwaltungsgericht fest, innerhalb des 30 minütigen Einzugsgebietes bestünden im Fachbereich Zahn , Mund und Kieferheilkunde (ZMK) vier Zahnambulatorien, je eines der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) in Innsbruck und Schwaz, eines der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahn und Bergbau (BVAEB) in Innsbruck sowie im spitalsambulanten Bereich das Department für ZMK der Universität Innsbruck, welches aus den Universitätskliniken für Zahnersatz/Zahnerhaltung, Kieferorthopädie sowie Mund , Kiefer- und Gesichtschirurgie bestünde. Die Zahnambulatorien der ÖGK erbrächten sämtliche Leistungen aus der mit der Revisionswerberin vereinbarten und bundesweit geltenden Honorarordnung und die sog. „Gratiszahnspange“ gemäß § 153a ASVG sowie im Einzelnen aufgezählte Leistungen, für die keine vertraglichen Regelungen bestünden. Das Zahnambulatorium der BVAEB erbringe im Einzelnen aufgezählte Kassen- und Privatleistungen.
11 In den Bezirken Innsbruck Land, Innsbruck Stadt und Schwaz befänden sich mit Stand 26. Juli 2022 insgesamt 224 niedergelassene Zahnärzte, die jedenfalls häufig in Anspruch genommene zahnmedizinische Leistungen erbrächten.
12 Zur Entwicklungstendenz in der Zahnmedizin stellte das Verwaltungsgericht fest, das Angebot des geplanten Ambulatoriums sei umfassend und beinhalte Diagnostik, Implantologie, Paradontologie etc.
13 Hinsichtlich des Inanspruchnahmeverhaltens, der Auslastung und der Belastung der bestehenden Leistungsanbieter stellte das Verwaltungsgericht zunächst (anhand näherer Angaben) fest, dass die Wohnbevölkerung in Tirol in den letzten Jahren nur geringfügig gewachsen sei. Die Alterspyramide zeige keine Auffälligkeiten im Vergleich zu Restösterreich.
14 Zur Kapazitäts- und Versorgungsdichte traf das Verwaltungsgericht folgende Feststellungen: Mit Stand Ende 2021 betrage die Kapazitätsdichte im 30 minütigen Einzugsgebiet 1.629 Einwohner pro niedergelassenem Zahnarzt bzw. 3.441 Einwohner pro Zahnarzt mit Kassenvertrag. Die Kapazitätsdichte der Zahnärzte im Einzugsgebiet liege damit deutlich über dem Bundesdurchschnitt von 2.314 Einwohnern pro niedergelassenem Zahnarzt, die Kapazitätsdichte der Zahnärzte mit Kassenvertrag sei vergleichbar mit dem Bundesdurchschnitt (3.423 Einwohner).
15 Im 30 minütigen Einzugsgebiet betrage die Versorgungsdichte für den Fachbereich ZMK 47,1 ärztliche ambulante Versorgungseinheiten (ÄAVE) pro 100.000 Einwohner und liege somit über dem Bundesdurchschnitt ohne Wien von 34,6 ÄAVE und über dem Tirol Durchschnitt von 37,8 ÄAVE. Für den Fachbereich Kieferorthopädie (KFO) betrage die Versorgungsdichte 3,0 ÄAVE, was dem Bundesdurchschnitt ohne Wien entspreche und geringfügig über dem Tirol Durchschnitt von 2,6 ÄAVE liege.
16 Sodann traf das Verwaltungsgericht vergleichbare (jeweils näher bezifferte) Feststellungen zur Kapazitäts- und Versorgungsdichte im 60 minütigen Einzugsgebiet.
17 Für die Bezirke Innsbruck Stadt, Innsbruck Land und Schwaz stellte das Verwaltungsgericht sodann die Versorgungs-(gemeint wohl: Kapazitäts )dichte für die Vertragszahnärzte der ÖGK anhand der Anzahl von Patienten in diesen Bezirken fest. Daraus ergebe sich für die drei genannten Bezirke (Versorgungsregion 71) eine Kapazitätsdichte von 2.075 Patienten. Die vergleichbaren Kapazitätsdichten für das Bundesland Tirol lägen bei 2.343 Patienten und für das Bundesgebiet bei 2.309 Patienten.
18 Sodann traf das Verwaltungsgericht tabellenförmig dargestellte Feststellungen zur Versorgungsdichte in ÄAVE je 100.000 Einwohner, nach Leistungserbringern (niedergelassene Vertragszahnärzte, sonstige Sachleistungsversorgung und Wahlärzte) unterschieden, jeweils für die Bezirke Innsbruck Stadt, Innsbruck Land und Schwaz, die Versorgungsregion 71, das Bundesland Tirol und das Bundesgebiet.
19 Zu den Vertragszahnärzten der Sozialversicherung der Selbständigen (SVS) traf das Verwaltungsgericht Feststellungen hinsichtlich der durchschnittlichen Anzahl an Patientenkontakten der gesamten SVS pro Quartal für die Bezirke Innsbruck Stadt, Innsbruck Land und Schwaz, die Versorgungsregion 71, das Bundesland Tirol und das Bundesgebiet.
20 Zur Situation der Zahnärzte im Bundesland Tirol stellte das Verwaltungsgericht fest, es seien derzeit 397 niedergelassene Zahnärzte tätig sowie fünf Kassenzahnambulatorien in Betrieb (vier Zahnambulatorien der ÖGK in Innsbruck, Schwaz, Wörgl und Reutte sowie eines der BVAEB in Innsbruck). Zudem bestehe die Schmerzambulanz in Innsbruck.
21 Von den insgesamt 228 Kassenstellen seien mit Stand 26. Juli 2022 54 Stellen frei. In Innsbruck Stadt betreffe dies sieben von 54 Kassenstellen, in Innsbruck Land acht von 46 Kassenstellen und in Schwaz zwölf von 22 Kassenstellen. 27 derzeit tätige Vertragszahnärzte der ÖGK würden „in nächster Zeit“ in Pension gehen. Die letzten Ausschreibungen von Kassenzahnarztstellen seien „weitgehend ergebnislos“ verlaufen.
22 Zur Auslastung traf das Verwaltungsgericht die Feststellungen, dass im ersten Halbjahr 2022 im 30 minütigen Einzugsgebiet 56 Zahnärzte nach Wartezeiten für Normalpatienten und für Schmerzpatienten befragt worden seien, wobei lediglich 14 die Anfrage beantwortet hätten. Von diesen hätten zwölf angegeben, dass Akut Schmerzpatienten sofort oder am nächsten Tag behandelt würden, bei den beiden weiteren Zahnärzten innerhalb von drei Tagen bzw. einer Woche. Termine für Normalpatienten würden bei 13 Zahnärzten binnen einer Frist „zwischen 31 und 126 Tagen“ vergeben.
23 Neuaufnahmen seien bei vier der befragten Zahnärzten grundsätzlich möglich, wobei drei eine Vereinbarung mit der ÖGK hätten, bei vier weiteren nach mehreren Monaten, wobei wiederum drei eine Vereinbarung mit der ÖGK hätten, bei fünf Zahnärzten sei eine Neuaufnahme nicht mehr möglich. In den von der ÖGK in Innsbruck Stadt und Schwaz betriebenen Zahnambulatorien würden laufend neue Patienten aufgenommen, wobei Schmerzpatienten am gleichen Tag oder am Folgetag und Normalpatienten in Innsbruck Stadt innerhalb von zwei Monaten und in Schwaz innerhalb von drei Monaten einen Termin bekämen. Im Zahnambulatorium der BVAEB in Innsbruck Stadt würden neue Patienten aufgenommen. Schmerzpatienten würden noch am selben Tag oder am Folgetag aufgenommen, Normalpatienten innerhalb von einem bis eineinhalb Monaten behandelt.
24 Sodann enthält das angefochtene Erkenntnis nähere Ausführungen zur Beweiswürdigung hinsichtlich der einzelnen Feststellungen.
25 Rechtlich folgerte das Verwaltungsgericht, die Revisionswerberin habe hinsichtlich der Errichtungsbewilligungsvoraussetzung der wesentlichen Verbesserung des Versorgungsangebots gemäß § 4a Abs. 5 Tir KAG auch in einem Vorabfeststellungsverfahren nach § 4b Abs. 9 Tir KAG Parteistellung und das Beschwerderecht. Durch diese gesonderte Entscheidung würden die Parteirechte der Revisionswerberin nicht eingeschränkt, weswegen sie hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen für eine Vorabfeststellung nicht in ihren Rechten verletzt sein könne.
26 Zum Einzugsgebiet führte das Verwaltungsgericht aus, nach der (näher genannten) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei die Größe bei häufig in Anspruch genommenen Leistungen kleiner anzusetzen als bei selten in Anspruch genommenen Leistungen, bei welchen Patienten eine längere Anreise zuzumuten sei. Das Leistungsangebot des geplanten Zahnambulatoriums umfasse in erster Linie standardmäßige Zahn- und Schmerzbehandlungen und somit häufig in Anspruch genommene zahnmedizinische Leistungen, weswegen der Bedarfsprüfung als Einzugsgebiet jenes Gebiet, das innerhalb von 30 Minuten erreichbar sei, zu Grunde zu legen sei. Auch der im ÖSG 2017 enthaltene Richtwert der 30 minütigen Erreichbarkeit beim Fachbereich ZMK stelle auf das standardmäßige zahnmedizinische Leistungsspektrum ab. Dass auch eher selten in Anspruch genommene Leistungen angeboten würden, führe noch nicht dazu, dass ein größeres Einzugsgebiet anzusetzen sei.
27 Hinsichtlich der örtlichen Verhältnisse (§ 4b Abs. 3 lit. a Tir KAG) und der Verkehrsverbindungen (§ 4b Abs. 3 lit. b Tir KAG) bestünden keine Unterschiede gegenüber Restösterreich, weswegen insoweit kein besonderer Bedarf am geplanten Ambulatorium begründet sei. Auch im Hinblick auf die Entwicklungstendenzen der Zahnmedizin (§ 4b Abs. 3 lit. e Tir KAG) sei kein solcher Bedarf begründet.
28 Wichtigster Indikator für den Bedarf sei nach der (näher genannten) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die durchschnittliche Wartezeit der Patienten im Einzugsgebiet. Von einem Bedarf könne demnach keine Rede sein, wenn im Großen und Ganzen die Wartezeit zwei Wochen nicht übersteige und Akutpatienten noch am selben Tag behandelt würden.
29 Die Versorgungsdichte gemessen an den ÄAVE, die auch den wahlzahnärztlichen Bereich inkludierten, lägen im Einzugsgebiet für den Bereich ZMK deutlich über dem Bundes- und auch über dem Tirol Durchschnitt. Für den Fachbereich KFO ergäben sich im Einzugsgebiet hingegen keine maßgeblichen Abweichungen zum Bundes- und zum Tirol Durchschnitt. Die ermittelten Kapazitätsdichten lägen bei den Anbietern mit Kassenvertrag im Einzugsgebiet über dem Tirol Durchschnitt und nur geringfügig unter dem Bundesdurchschnitt. Die Versorgungsdichte bei Zahnärzten mit Kassenvertrag in Innsbruck Stadt liege über dem Bundes- und dem Tirol Durchschnitt, bei Wahlzahnärzten in den Bezirken Innsbruck Stadt, Innsbruck Land und Schwaz über dem Bundesdurchschnitt. Die Fallzahlen je Vertragspartner der ÖGK lägen in den Bezirken Innsbruck Stadt, Innsbruck Land und Schwaz deutlich unter dem Landes- und dem Bundesdurchschnitt. Sodann führte das Verwaltungsgericht die festgestellten Wartezeiten zusammenfassend an.
30 Ausgehend von der Versorgungsdichte sei bezogen auf die Fachbereiche ZMK und KFO innerhalb des Einzugsgebietes von keiner mangelnden Versorgung auszugehen. Allerdings sei im Einzugsgebiet eine erhebliche Anzahl von Kassenstellen nicht besetzt. Allein im Bezirk Schwaz sei dies bei zwölf von 22 Kassenstellen der Fall. Bestehe eine derartige Unterbesetzung über einen längeren Zeitraum, seien längere Wartezeiten, aber auch Überbelastungen von Kassenzahnärzten nicht auszuschließen. Dies gelte umso mehr, als in nächster Zeit Pensionierungen von 27 Kassenzahnärzten anstünden.
31 Die vorgesehene Anzahl von Kassenstellen solle die zahnmedizinische Versorgung der bei der ÖGK versicherten Patienten sicherstellen und eine Direktverrechnung mit der ÖGK ermöglichen. Eine relevante Anzahl an offenen Kassenstellen, wie sie derzeit gegeben sei, sei als Unterversorgung für die bei der ÖGK versicherten Patienten und damit einen Großteil der Versicherten zu qualifizieren. Der vom Mitbeteiligten geplante Vertragsabschluss mit der ÖGK verbessere diese Unterversorgung. Dieser besondere Umstand rechtfertige den Bedarf am geplanten Ambulatorium.
32 1.3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende (außerordentliche) Revision der Österreichischen Zahnärztekammer. Der Mitbeteiligte erstattete im Vorverfahren eine Revisionsbeantwortung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
33 2.1. Das Tiroler Krankenanstaltengesetz Tir KAG, LGBl. Nr. 5/1958, in der im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses geltenden Fassung LGBl. Nr. 161/2021, lautet (auszugsweise):
„§ 4a
Errichtungsbewilligung für selbstständige Ambulatorien
(1) Die Errichtung eines selbstständigen Ambulatoriums bedarf der Bewilligung der Landesregierung (Errichtungsbewilligung). Um die Erteilung der Errichtungsbewilligung ist schriftlich anzusuchen.
(2) Im Ansuchen um die Erteilung der Errichtungsbewilligung sind die Bezeichnung der Krankenanstalt, der Anstaltszweck und das in Aussicht genommene Leistungsangebot (Leistungsspektrum, Öffnungszeiten unter Berücksichtigung von Tagesrand- und Nachtzeiten, Samstagen, Sonntagen und Feiertagen sowie Leistungsvolumen einschließlich vorgesehener Personalausstattung, insbesondere vorgesehene Anzahl von Ärzten bzw. Zahnärzten) und allenfalls vorgesehene Leistungsschwerpunkte genau anzugeben. Dem Ansuchen sind folgende Unterlagen anzuschließen:
a) die zur Beurteilung des Vorhabens erforderlichen Planunterlagen, wie Lagepläne, Baupläne, Baubeschreibungen und dergleichen, jeweils in dreifacher Ausfertigung; für den Inhalt und die Form dieser Planunterlagen gelten die baurechtlichen Vorschriften betreffend den Inhalt und die Form der Planunterlagen in ihrer jeweils geltenden Fassung sinngemäß;
b) ein Verzeichnis, aus dem die Anzahl der Anstaltsräume, getrennt nach ihrem Verwendungszweck, ersichtlich ist;
c) Pläne und Beschreibungen für die technischen Einrichtungen sowie ein Verzeichnis der wesentlichen medizinisch technischen Apparate, jeweils in dreifacher Ausfertigung.
(3) Zum Vorliegen der Voraussetzungen nach § 4b Abs. 3 ist im Errichtungsbewilligungsverfahren bzw. im Verfahren nach § 4b Abs. 9 eine planungsfachliche Stellungnahme der Gesundheit Österreich GmbH oder eines vergleichbaren Gesundheitsplanungsinstitutes sowie eine begründete Stellungnahme der Gesundheitsplattform des Tiroler Gesundheitsfonds einzuholen, sofern das verfahrensgegenständliche Leistungsspektrum nicht in den durch eine Verordnung nach § 62a Abs. 2 für verbindlich erklärten Teilen des ÖSG oder des Regionalen Strukturplanes Gesundheit Tirol vorgesehen ist.
(4) Vor der Entscheidung über ein Ansuchen um die Erteilung der Errichtungsbewilligung ist der Landessanitätsrat zu hören. Der Landessanitätsrat hat seine Stellungnahme innerhalb von zwei Monaten abzugeben.
(5) Im Verfahren zur Erteilung der Errichtungsbewilligung einschließlich eines allfälligen Verfahrens nach § 4b Abs. 9 haben hinsichtlich der nach § 4b Abs. 2 lit. a in Verbindung mit Abs. 3 oder nach § 4b Abs. 3a oder nach § 4b Abs. 3c zu prüfenden Voraussetzungen
a) die gesetzliche Interessenvertretung der privaten Krankenanstalten,
b) die betroffenen Sozialversicherungsträger und
c) die Ärztekammer für Tirol, bei selbstständigen Zahnambulatorien auch die Österreichische Zahnärztekammer
Parteistellung im Sinn des § 8 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 und das Recht, Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht und Revision an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben. ...
§ 4b
Voraussetzungen für die Erteilung der Errichtungsbewilligung für selbstständige Ambulatorien
(1) Die Landesregierung hat über ein Ansuchen um die Erteilung der Errichtungsbewilligung mit schriftlichem Bescheid zu entscheiden.
(2) Die Errichtungsbewilligung ist, soweit in den Abs. 4 und 7 nichts anderes bestimmt ist, zu erteilen, wenn:
a) nach dem angegebenen Anstaltszweck und dem in Aussicht genommenen Leistungsangebot im Hinblick auf das bereits bestehende Versorgungsangebot durch öffentliche, private gemeinnützige und sonstige Krankenanstalten mit Kassenverträgen sowie im Hinblick auf das Versorgungsangebot durch Ambulanzen der genannten Krankenanstalten und kasseneigene Einrichtungen, niedergelassene Ärzte, Gruppenpraxen und selbstständige Ambulatorien, soweit diese sozialversicherungsrechtlich erstattungsfähige Leistungen erbringen, bei selbstständigen Zahnambulatorien auch im Hinblick auf niedergelassene Zahnärzte, Dentisten und zahnärztliche Gruppenpraxen, soweit diese sozialversicherungsrechtlich erstattungsfähige Leistungen erbringen,
1. zur Aufrechterhaltung einer qualitativ hochwertigen, ausgewogenen und allgemein zugänglichen Gesundheitsversorgung und
2. zur Wahrung des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherheit
eine wesentliche Verbesserung des Versorgungsangebots im Einzugsgebiet erreicht werden kann und
b) die Voraussetzungen nach § 3a Abs. 2 lit. b bis f vorliegen.
(3) Bei der Beurteilung, ob eine wesentliche Verbesserung des Versorgungsangebotes im Einzugsgebiet erreicht werden kann, sind ausgehend von den Planungsergebnissen des Regionalen Strukturplanes Gesundheit Tirol folgende Voraussetzungen zu berücksichtigen:
a) die örtlichen Verhältnisse (regionale rurale oder urbane Bevölkerungsstruktur und Besiedlungsdichte),
b) die für die Versorgung bedeutsamen Verkehrsverbindungen,
c) das Inanspruchnahmeverhalten und die Auslastung von bestehenden Leistungsanbietern, die sozialversicherungsrechtlich erstattungsfähige Leistungen erbringen, durch Patienten,
d) die durchschnittliche Belastung bestehender Leistungsanbieter nach lit. c und
e) die Entwicklungstendenzen in der Medizin bzw. Zahnmedizin.
(3a) Von einer wesentlichen Verbesserung des Versorgungsangebots im Einzugsgebiet ist auszugehen, wenn das verfahrensgegenständliche Leistungsspektrum in den durch eine Verordnung nach § 62a Abs. 2 für verbindlich erklärten Teilen des ÖSG oder des Regionalen Strukturplanes Gesundheit Tirol vorgesehen ist. In diesem Fall ist hinsichtlich des Vorliegens einer wesentlichen Verbesserung des Versorgungsangebots im Einzugsgebiet die Übereinstimmung mit der Verordnung zu prüfen.
...
(4) Sollen im selbstständigen Ambulatorium nach dem vorgesehenen Leistungsangebot ausschließlich sozialversicherungsrechtlich nicht erstattungsfähige Leistungen erbracht werden, so müssen die Voraussetzungen nach Abs. 2 lit. a in Verbindung mit Abs. 3 nicht vorliegen. Die Landesstelle der Österreichischen Gesundheitskasse ist zur Frage, ob es sich beim Leistungsangebot um ausschließlich sozialversicherungsrechtlich nicht erstattungsfähige Leistungen handelt, zu hören.
...
(9) Die Landesregierung kann im Errichtungsbewilligungsverfahren durch Bescheid über das Vorliegen der Voraussetzung nach Abs. 2 lit. a (wesentliche Verbesserung des Versorgungsangebots im Einzugsgebiet) gesondert entscheiden, wenn der Bewilligungswerber glaubhaft macht, dass die Vorlage der Unterlagen nach § 4a Abs. 2 lit. a, b und c mit einem erheblichen wirtschaftlichen Aufwand verbunden wäre und die Entscheidung über das Vorliegen der Voraussetzung nach Abs. 2 lit. a auch ohne diese Unterlagen erfolgen kann. Eine Entscheidung, mit der das Vorliegen der Voraussetzung nach Abs. 2 lit. a festgestellt wird, tritt mit dem Ablauf von fünf Jahren nach ihrer Erlassung außer Kraft.“
34 2.2. Der durch § 4a Abs. 5 Tir KAG ausgeführte § 3a Abs. 8 Krankenanstalten- und Kuranstaltengesetz (KAKuG), BGBl. Nr. 1/1957 in der Fassung BGBl. I Nr. 79/2022, lautete bis zum Ablauf des 31. Dezember 2023:
„(8) Weiters hat die Landesgesetzgebung vorzusehen, dass in Verfahren zur Erteilung der Bewilligung zur Errichtung eines selbständigen Ambulatoriums ausgenommen im Fall des Abs. 4 betroffene Sozialversicherungsträger, die gesetzliche Interessenvertretung privater Krankenanstalten und die zuständige Landesärztekammer bzw. bei selbstständigen Zahnambulatorien die Österreichische Zahnärztekammer hinsichtlich des Bedarfs Parteistellung im Sinne des § 8 AVG und das Recht der Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht gemäß Art. 132 Abs. 5 B VG und gegen Erkenntnisse und Beschlüsse des Landesverwaltungsgerichts das Recht der Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 1 B VG haben. Dies gilt auch für Verfahren zur Vorabfeststellung zu den Voraussetzungen des Abs. 3.“
35 Durch das Vereinbarungsumsetzungsgesetz 2024 VUG 2024, BGBl. I Nr. 191/2023, erhielt § 3a Abs. 8 KAKuG folgende Fassung:
„(8) Weiters hat die Landesgesetzgebung vorzusehen, dass in Verfahren zur Erteilung der Bewilligung zur Errichtung eines selbständigen Ambulatoriums ausgenommen in den Fällen des Abs. 4 betroffene Sozialversicherungsträger, hinsichtlich des Bedarfs Parteistellung im Sinne des § 8 AVG und das Recht der Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht gemäß Art. 132 Abs. 5 B VG und gegen Erkenntnisse und Beschlüsse des Landesverwaltungsgerichts das Recht der Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 1 B VG haben. Dies gilt auch für Verfahren zur Vorabfeststellung zu den Voraussetzungen des Abs. 3. Die Stellungnahmen der Sozialversicherungsträger zur Frage des Bedarfs haben im Wege des Dachverbandes zu erfolgen. Die gesetzliche Interessenvertretung privater Krankenanstalten und die zuständige Landesärztekammer bzw. bei selbstständigen Zahnambulatorien die Österreichische Zahnärztekammer haben die Möglichkeit, eine Stellungnahme in angemessener Frist abzugeben.“
36 Gemäß § 65b Abs. 14 KAKuG ist diese Änderung mit 1. Jänner 2024 in Kraft getreten. Gemäß § 65b Abs. 15 KAKuG hat die Landesgesetzgebung die Ausführungsbestimmungen zu den Änderungen des § 3a KAKuG innerhalb von sechs Monaten zu erlassen und mit 1. Jänner 2024 in Kraft zu setzen.
37 2.3. Die Änderung des KAKuG durch das VUG 2024 wurden durch die Novelle des Tir KAG LGBl. Nr. 58/2024 ausgeführt. § 4a Abs. 5 Tir KAG in der Fassung dieser Novelle lautet:
„(5) Die betroffenen Sozialversicherungsträger haben, ausgenommen in Fällen des § 4b Abs. 3a, im Verfahren zur Erteilung der Errichtungsbewilligung einschließlich eines allfälligen Verfahrens nach § 4b Abs. 7 hinsichtlich der nach § 4b Abs. 2 lit. a in Verbindung mit Abs. 3 oder nach § 4b Abs. 3c zu prüfenden Voraussetzungen Parteistellung im Sinn des § 8 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 und das Recht, Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht und Revision an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben. Die Stellungnahmen der Sozialversicherungsträger zur Frage des Bedarfs haben im Wege des Dachverbandes der Sozialversicherungsträger zu erfolgen. Die gesetzliche Interessenvertretung privater Krankenanstalten und die zuständige Landesärztekammer bzw. bei selbstständigen Zahnambulatorien die Österreichische Zahnärztekammer haben die Möglichkeit, eine Stellungnahme innerhalb einer behördlich festzulegenden Frist abzugeben.“
38 Gemäß Art. III Abs. 1 der Novelle LGBl. Nr. 58/2024 ist diese Änderung (rückwirkend) mit 1. Jänner 2024 in Kraft getreten. Art. III Abs. 5 dieser Novelle bestimmt Folgendes:
„(5) Auf die im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes anhängigen Beschwerdeverfahren vor dem Landesveraltungsgericht und Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist das Tiroler Krankenanstaltengesetz [in] der Fassung des Gesetzes LGBl. Nr. 96/2023 weiter anzuwenden.“
39 In den Gesetzesmaterialien wird dazu Folgendes ausgeführt (RV 413/2024, 1, 4 f.):
„I.
Allgemeines
...
- Ersatz der Parteistellung von Ärzte , Zahnärzte- und Wirtschaftskammer bei der Bedarfsprüfung durch ein qualifiziertes Stellungnahmerecht.
...
II.
Bemerkungen zu den einzelnen Bestimmungen
Zu Artikel I (Änderung des Tiroler Krankenanstaltengesetzes):
...
Zu Z 16 (§ 4a Abs. 5):
Es wird auf die obigen Ausführungen zu § 3 Abs. 8 (Z 8) verwiesen. Im Verfahren zur Erteilung einer Errichtungsbewilligung für selbstständige Ambulatorien soll die jeweilige Landesärztekammer bzw. die Österreichische Zahnärztekammer lediglich ein Recht auf Stellungnahme zur Frage des Bedarfs haben. Selbiges gilt für die sonstigen gesetzlichen Interessenvertretungen privater Krankenanstalten. Eine Parteistellung (§ 8 AVG) und das Recht, gegen die bedarfsrechtliche Beurteilung Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht zu erheben, kommt den genannten Interessenvertretungen hingegen nicht mehr zu. Der Entfall der Parteistellung für die betreffenden Amtsparteien soll grundsätzlich rückwirkend mit 1. Jänner 2024 (vgl. Art. III Abs. 1) erfolgen (vgl. hierzu aber die Übergangsbestimmung in Art. III Abs. 5) und gilt somit auch für jene Verfahren, in denen der verfahrenseinleitende Antrag vor diesem Zeitpunkt bei der Behörde eingebracht wurde.
...
Zu Artikel III:
Die Abs. 1 bis 5 regeln das Inkrafttreten.
...
Im Abs. 5 wird für Verfahren, in denen der verfahrensabschließende Bescheid bekämpft wurde und die bis zum 31. Dezember 2023 noch nicht rechtskräftig abgeschlossen sind, ua. zur Vermeidung von frustrierten Prozesskosten (insbesondere mehrjähriger Gerichtsverfahren) eine Übergangsbestimmung geschaffen. Jene Verfahren, welche vor dem 1. Jänner 2024 gerichtsanhängig wurden (Beschwerde vor dem Landesverwaltungsgericht), sollen nach jener Rechtslage abgeschlossen werden, die bis einschließlich 31. Dezember 2023 in Kraft war. Alle anderen Verfahren sind hingegen nach der neuen Rechtslage fortzuführen und abzuschließen, um insbesondere den geänderten Vorgaben nach § 4b Abs. 2 des Tiroler Krankenanstaltengestzes (Art. 1 Z 17) zu entsprechen.“
40 3. Die Revision ist zulässig.
41 3.1. Zur Revisionslegitimation der Revisionswerberin:
42 3.1.1. Die Revisionswerberin stützt ihre Legitimation zur Erhebung einer Revision auf Art. 133 Abs. 8 B VG iVm. § 4a Abs. 5 lit. c Tir KAG, erkennbar in der im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses und der Einbringung der vorliegenden Revision geltenden Fassung LGBl. Nr. 161/2021.
43 Durch die Änderung des § 4a Abs. 5 Tir KAG durch die Novelle LGBl. Nr. 58/2024 haben bei selbständigen Zahnambulatorien im Verfahren zur Erteilung der Errichtungsbewilligung einschließlich eines Verfahrens zur Vorabfeststellung des Bedarfs hinsichtlich der nach § 4b Abs. 2 lit. a iVm. Abs. 3 Tir KAG zu prüfenden Voraussetzungen also hinsichtlich des Bedarfs Parteistellung im Sinn des § 8 AVG und das Recht, Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht und Revision an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben, (nur noch) die betroffenen Sozialversicherungsträger. Die gesetzliche Interessenvertretung privater Krankenanstalten und die zuständige Landesärztekammer bzw. bei selbständigen Zahnambulatorien die Österreichische Zahnärztekammer haben (nur noch) die Möglichkeit, eine Stellungnahme abzugeben.
44 Es stellt sich nunmehr die Frage, ob diese Regelung, die gemäß Art. III Abs. 1 der Novelle LGBl. Nr. 58/2024 (rückwirkend) mit 1. Jänner 2024 in Kraft getreten ist, im anhängigen Revisionsverfahren bereits anzuwenden ist, was zu einem Wegfall der Revisionslegitimation der Revisionswerberin führen würde.
45 Der Verwaltungsgerichtshof hat den Parteien des Revisionsverfahrens dazu gemäß § 41 zweiter Satz VwGG Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Die Revisionswerberin brachte vor, dass die Änderungen durch die Novelle LGBl. Nr. 58/2024 ohne Auswirkungen auf den Revisionsfall, in dem die Revision vor dem 1. Jänner 2024 eingebracht wurde, blieben. Die belangte Behörde verwies auf die Übergangsbestimmung des Art. III Abs. 5 der Novelle LGBl. Nr. 58/2024, aus der sich die aufrechte Revisionslegitimation der Revisionswerberin ergebe. Der Mitbeteiligte vertrat hingegen die Auffassung, dass sich die Änderungen betreffend die Parteistellung und das Revisionsrecht auch auf anhängige Verfahren wie das Revisionsverfahren auswirkten.
46 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes richtet sich die Beurteilung der Zulässigkeit eines Rechtsmittels bei Fehlen anders lautender Übergangsbestimmungen nach der in dem für den Eintritt der Rechtskraft maßgeblichen Zeitpunkt des Ablaufes der Rechtsmittelfrist geltenden Rechtslage (vgl. VwGH 7.6.2000, 99/03/0422; 23.2.2005, 2001/08/0070; 24.3.2015, Ro 2014/09/0066, zu einer Amtspartei). Diese Rechtsprechung, die sich auf die Rechtsmittellegitimation im administrativen Instanzenzug und vor dem Verwaltungsgericht bezieht, ist im Kern auch auf die Frage der Zulässigkeit einer Revision an den Verwaltungsgerichtshof übertragbar. Die Beurteilung der Zulässigkeit einer Revision an den Verwaltungsgerichtshof richtet sich somit nach der Rechtslage im Zeitpunkt der (fristgerechten) Revisionserhebung (vgl. VwGH 14.10.2021, Ra 2020/11/0125).
47 Eine anders lautende Übergangsvorschrift, also eine Übergangsvorschrift des Inhalts, dass die Revisionslegitimation auch in anhängigen Revisionsverfahren nach der mit 1. Jänner 2024 in Kraft getretenen Rechtslage zu beurteilen wäre, besteht nicht. Im Gegenteil bestätigt Art. III Abs. 5 der Novelle LGBl. Nr. 58/2024, was sich schon aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergibt, dass nämlich für die Zulässigkeit der bereits mit Schriftsatz vom 9. November 2022 eingebrachten Revision der Österreichischen Zahnärztekammer das Tir KAG in der im Zeitpunkt der (fristgerechten) Revisionserhebung geltenden Fassung LGBl. Nr. 161/2021 weiterhin maßgeblich ist.
48 Gemäß § 4a Abs. 5 Tir KAG in der Fassung LGBl. Nr. 161/2021 hatte die Österreichische Zahnärztekammer das Recht, gegen Entscheidungen der Verwaltungsgerichte in einem Verfahren zur Vorabfeststellung des Bedarfs an einem selbständigen Zahnambulatorium Revision an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben. Ihre Revisionslegitimation besteht nach dieser Rechtslage auch in einem Verfahren zur Vorabfeststellung des Bedarfs nach § 4b Abs. 9 Tir. KAG, allerdings (nur) hinsichtlich der Frage, ob an dem geplanten selbständigen Zahnambulatorium ein Bedarf besteht (vgl. VwGH 18.9.2023, Ra 2022/11/0085).
49 Die Österreichische Zahnärztekammer war und bleibt daher zur Erhebung der vorliegenden Revision legitimiert.
50 3.1.2. Bei diesem Ergebnis war, was hier nur der Vollständigkeit halber angemerkt wird, die in der Stellungnahme der Revisionswerberin nach § 41 VwGG aufgeworfene Frage, ob sich aus dem in § 4a Abs. 5 Tir KAG in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 58/2024 vorgesehenen Stellungnahmerecht der Österreichische Zahnärztekammer nicht ohnedies auch ihre Parteistellung und Revisionsberechtigung ableiten lässt, im vorliegenden Fall nicht mehr zu beurteilen.
51 Auch auf die verfassungs- und unionsrechtlichen Bedenken, welche die Revisionswerberin in dieser Stellungnahme nur für den Fall äußert, dass es durch die Novelle LGBl. Nr. 58/2024 zu einem Wegfall ihrer Revisionslegitimation käme, braucht nicht mehr eingegangen zu werden.
52 3.2. Wenn der Mitbeteiligte in seiner Revisionsbeantwortung rügt, die Revisionswerberin habe die Rechte, in denen sie sich verletzt erachtet, nicht genau angegeben, ist ihm zu entgegen, dass es sich im vorliegenden Fall um eine sog. Amtsrevision iSd. Art. 133 Abs. 8 B VG handelt, bei der gemäß § 28 Abs. 2 VwGG an die Stelle der Bezeichnung der Revisionspunkte die Erklärung über den Umfang der Anfechtung tritt. Die Revisionswerberin hat in Entsprechung dieser Vorgabe erklärt, das Erkenntnis seinem gesamten Umfang nach anzufechten.
53 3.3. Im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG zulässig ist die Revision, weil sie zutreffend vorbringt, dass das Verwaltungsgericht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Bedarfsprüfung bei selbständigen (Zahn)Ambulatorien abgewichen ist.
54 4. Die Revision ist auch begründet.
55 4.1. Vorauszuschicken ist zunächst, dass angesichts der auf die Frage eines Bedarfs am geplanten selbständigen Zahnambulatorium beschränkten Revisionslegitimation der Revisionswerberin auf das Revisionsvorbringen, dass im vorliegenden Fall die Erlassung eines Feststellungsbescheides gemäß § 4b Abs. 9 Tir KAG nicht zulässig gewesen sei, schon deshalb nicht einzugehen ist, weil es außerhalb der Grenzen der Revisionslegitimation der Revisionswerberin liegt (vgl. VwGH 18.9.2023, Ra 2022/11/0085).
56 4.2. Vorauszuschicken ist weiters, dass das festgestellte verfahrensgegenständliche Leistungsspektrum des geplanten selbständigen Zahnambulatoriums im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt des Verwaltungsgerichts nicht in einem durch eine Verordnung nach § 62a Abs. 2 Tir KAG für verbindlich erklärten Teil des ÖSG oder eines Regionalen Strukturplanes Gesundheit Tirol vorgesehen war.
57 Der Vollständigkeit halber wird angemerkt, dass es für das vorliegende Revisionsverfahren irrelevant ist, ob einzelne Leistungen des geplanten Ambulatoriums im Tiroler Krankenanstaltenplan 2019, LGBl. Nr. 147, vorgesehen waren, wie dies die Revisionswerberin in einer Stellungnahme (vom 26. Juni 2022) behauptet hat, weil § 4b Abs. 3a Tir KAG eine Regelung über die Bedarfsprüfung lediglich für den Fall enthält, dass das verfahrensgegenständliche Leistungsspektrum in den durch eine Verordnung nach § 62a Abs. 2 Tir KAG für verbindlich erklärten Teilen des ÖSG oder des Regionalen Strukturplanes Gesundheit Tirol vorgesehen ist. Keine Anwendung findet diese Regelung hingegen dann, wenn dieses Leistungsspektrum durch den Tiroler Krankenanstaltenplan, der gemäß § 62a Abs. 4 Tir KAG für den Fall eines fehlenden Einvernehmens über die für verbindlich zu erklärenden Teile der Strukturpläne zu erlassen ist, vorgesehen wäre.
58 Im Ergebnis hat das Verwaltungsgericht zutreffend den Bedarf nicht anhand des § 4b Abs. 3a Tir KAG, sondern ausschließlich anhand der gemäß § 4b Abs. 9 Tir KAG auch im Vorabfeststellungsverfahren anwendbaren inhaltlichen Kriterien des § 4b Abs. 3 Tir KAG geprüft.
59 4.3.1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein Bedarf nach einem selbständigen Ambulatorium dann gegeben, wenn dadurch die ärztliche Betreuung der Bevölkerung wesentlich erleichtert, beschleunigt, intensiviert oder in anderer Weise wesentlich gefördert wird. Als wichtigster Indikator für die Beantwortung der Bedarfsfrage betreffend selbständige Ambulatorien ist nach dieser Rechtsprechung die durchschnittliche Wartezeit anzusehen, die der Patient im Einzugsbereich in Kauf nehmen muss. Eine Wartezeit von etwa zwei Wochen in nicht dringenden Fällen hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner Judikatur für durchaus zumutbar gehalten und selbst bei einem Überschreiten dieses Richtwertes in einzelnen Fällen um einige Tage noch kein unzumutbares Versorgungsdefizit gesehen. Von einem Bedarf nach einem beabsichtigten Ambulatorium kann der Judikatur zufolge dann nicht die Rede sein, wenn im Großen und Ganzen die Wartezeiten zwei Wochen nicht übersteigen und Akutpatienten noch am selben Tag behandelt werden. Als unabdingbare Voraussetzung für die Feststellung des Bedarfs wurde freilich angesehen, dass das Einzugsgebiet für das zu bewilligende Ambulatorium klar umrissen ist, wobei eine Bindung an Bezirks- und Landesgrenzen nicht gegeben sei. Bei der Bedarfsprüfung sind die im Einzugsgebiet des Ambulatoriums gelegenen bestehenden Behandlungseinrichtungen zu berücksichtigen, die sozialversicherungsrechtlich erstattungsfähige Leistungen erbringen (vgl. § 4b Abs. 3 lit. c Tir KAG). Die Größe des Einzugsgebietes hängt unter anderem wesentlich vom jeweiligen medizinischen Fachgebiet in der Weise ab, dass bei häufig in Anspruch genommenen Leistungen (z.B. allgemein- oder zahnmedizinischen Leistungen) das Einzugsgebiet kleiner anzusetzen ist als bei selten in Anspruch genommenen Facharztleistungen; bei solchen sei den Patienten eine längere Anreise zuzumuten als bei Inanspruchnahme von allgemeinmedizinischen Leistungen. Vor diesem Hintergrund, so die Judikatur, erfordert die Prüfung der Bedarfslage mängelfreie Feststellungen hinsichtlich des in Frage kommenden Einzugsgebietes des Ambulatoriums sowie darüber, in welchem Umfang ein Bedarf der in Frage kommenden Bevölkerung nach den angebotenen medizinischen Leistungen besteht und inwieweit er durch das vorhandene Angebot befriedigt werden kann. Dazu sind insbesondere Feststellungen hinsichtlich der Anzahl, der Verkehrsverhältnisse (Erreichbarkeit) insbesondere hinsichtlich öffentlicher Verkehrsmittel und Betriebsgröße der in angemessener Entfernung gelegenen bestehenden Behandlungseinrichtungen sowie deren Ausstattung und Auslastung (Ausmaß der Wartezeiten) erforderlich (vgl. zuletzt VwGH 18.9.2023, Ra 2022/11/0085, mwN).
60 4.3.2. Das Verwaltungsgericht begründete die Feststellung eines Bedarfs an dem geplanten Ambulatorium tragend mit dem „besonderen Umstand“, dass auf Grund einer „relevanten Anzahl“ offener Kassenstellen von einer Unterversorgung der bei der ÖGK Versicherten auszugehen sei, die durch das geplante Ambulatorium verbessert werden könne.
61 Unbesetzte Kassenvertragsstellen sind aber für sich allein genommen kein entscheidungsmaßgebliches Kriterium für die Beurteilung des Bedarfs. Nach § 4b Abs. 3 lit. c und d Tir KAG sind vielmehr das Inanspruchnahmeverhalten und die Auslastung bzw. Belastung von bestehenden Leistungsanbietern, die sozialversicherungsrechtlich erstattungsfähige Leistungen erbringen, zu berücksichtigen. Bereits „bestehend“ kann das Versorgungsangebot aber nur sein, wenn es von Patientinnen und Patienten auch tatsächlich in Anspruch genommen werden kann (vgl. VwGH 2.8.2019, Ra 2017/11/0021, Rn. 21, die Einbeziehung eines bloß geplanten Versorgungsangebots in die Bedarfsprüfung verneinend). Schon nach dem Wortlaut des Gesetzes kommt es demnach auf ein tatsächlich vorhandenes Versorgungsangebot an und nicht auf das Ausmaß der Erfüllung des Stellenplanes, der in einem Gesamtvertrag unter sozialversicherungsrechtlichen Gesichtspunkten vereinbart wird (vgl. § 338 Abs. 2 und § 342 Abs. 1 Z 1 ASVG). Auch widerspricht eine solche Betrachtungsweise, welche das Versorgungsangebot durch Kassenzahnärzte zum maßgeblichen Beurteilungskriterium für das Vorliegen eines Bedarfs erhebt, der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, nach der in die Bedarfsprüfung nicht nur das Leistungsangebot niedergelassener Ärzte mit Kassenvertrag oder von Einrichtungen mit Kassenvertrag, sondern auch jenes der Wahl(zahn)ärzte und Wahl(zahn)arzteinrichtungen einzubeziehen ist, soweit es sozialversicherungsrechtlich erstattungsfähig ist (vgl. VwGH 23.11.2017, Ra 2016/11/0145, Rn. 49; 4.4.2019, Ra 2016/11/0142, Rn. 19; 24.2.2022, Ra 2020/11/0204, Rn. 37; 7.4.2022, Ra 2018/11/0175, unter Darstellung der Rechtsentwicklung).
62 Schon aus diesem Grund ist das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet.
63 4.4. Die Revisionswerberin bringt auch zutreffend vor, dass es an nachvollziehbaren Feststellungen hinsichtlich des Standortes des geplanten Ambulatoriums fehlt. Der Mitbeteiligte hat diesen in seinem Antrag mit „6020 Innsbruck“, also mit einer Postleitzahl, angegeben und örtlich nicht näher konkretisiert. Die belangte Behörde stellt in ihrem Bescheid vom 2. Oktober 2021 den Bedarf an dem geplanten Ambulatorium am Standort „6020 Innsbruck“ fest. Das Verwaltungsgericht stellte als Standort die „Stadtgemeinde Innsbruck“ fest.
64 Die Bedarfsprüfung ist auch im Vorabfeststellungsverfahren eine Prüfung, die jeweils anhand des konkreten Projekts bezogen auf den geplanten Projektstandort durchzuführen ist (vgl. VwGH 2.8.2019, Ra 2017/11/0021, Rn. 20). Das im Antrag umschriebene Projekt wird neben dem geplanten Leistungsangebot insbesondere auch durch den beabsichtigten Standort definiert (vgl. VwGH 4.4.2019, Ro 2017/11/0017, Rn. 23). Ausgehend vom Standort des geplanten Ambulatoriums ist nämlich das jeweilige Einzugsgebiet zu bestimmen. In die Bedarfsprüfung sind wiederum, ausgehend vom Leistungsangebot (Leistungsspektrum) des geplanten Ambulatoriums, nur jene bestehenden Leistungsanbieter einzubeziehen, die innerhalb dieses Gebietes liegen (vgl. VwGH 24.2.2022, Ra 2019/11/0117, Rn. 35, mwN). Dass es vor diesem Hintergrund bei einer Stadt von der Größe Innsbrucks einer näheren Konkretisierung des Standortes bedarf, liegt auf der Hand.
65 4.5. Im Übrigen ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei der Abgrenzung des Einzugsgebietes die Erreichbarkeit bestehender Leistungsanbieter nicht nur im Straßen Individualverkehr, sondern auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu ermitteln (vgl. VwGH 24.2.2022, Ra 2019/11/0056, Rn. 13; 19.4.2022, Ra 2017/11/0209, Rn. 31).
66 4.6. Insoweit das Verwaltungsgericht in seiner Begründung auf Einwohnerrichtwerte (in Form von „Versorgungsdichte“ und „Kapazitätsdichte“) abstellt, ist daran zu erinnern, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Einwohnerrichtwerten bei der Bedarfsprüfung von selbständigen Ambulatorien keine erhebliche Entscheidungsrelevanz zukommt, weil es vielmehr auf das Ausmaß objektiv ermittelter Wartezeiten bei bestehenden Leistungsanbietern ankommt (vgl. VwGH 4.4.2019, Ro 2017/11/0017, Rn. 37, mwN).
67 Zur Art der Ermittlung der Wartezeiten wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die Begründung des hg. Erkenntnisses vom 24. Februar 2022, Ra 2019/11/0117, Rn. 30 ff., verwiesen.
68 5. Das angefochtene Erkenntnis war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen vorrangig wahrzunehmender Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Wien, am 10. September 2024