JudikaturVwGH

Ra 2022/10/0202 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
20. März 2023

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grünstäudl und die Hofrätin Dr. Leonhartsberger sowie den Hofrat Dr. Eisner als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Stoisser, über die Revision des Magistrats der Stadt Wien, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 28. September 2022, Zl. VGW 141/081/8480/2022 6, betreffend Kostenersatz für Leistungen der Mindestsicherung (mitbeteiligte Partei: R A in W), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

1 Mit Bescheid des Magistrats der Stadt Wien (des Amtsrevisionswerbers) vom 20. Mai 2022 wurde die mitbeteiligte Partei gemäß § 24 Abs. 2 Wiener Mindestsicherungsgesetz WMG verpflichtet, die für den Zeitraum von 1. April 2019 bis 31. März 2022 aufgewendeten Kosten für Leistungen der Mindestsicherung in der Höhe von € 19.419,70 zu ersetzen, weil sie laut Einantwortungsbeschluss vom 10. Dezember 2021 die Hälfte des reinen Nachlasses in der Höhe von € 171.533,96 geerbt habe und ihr somit nach Abzug des Vermögensfreibetrages eine Summe von € 80.070,22 verbleibe, welche gegen die aus dem Titel der Mindestsicherung erhaltene Leistung aufzurechnen sei.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 28. September 2022 gab das Verwaltungsgericht der dagegen erhobenen Beschwerde der mitbeteiligten Partei teilweise statt und verpflichtete diese gemäß § 24 WMG „in der geltenden Fassung“, die für den Zeitraum von 1. Jänner 2020 bis 31. März 2022 aufgewendeten Kosten für Leistungen der Mindestsicherung in der Höhe von € 14.873,45 zu ersetzen. Die Revision gegen dieses Erkenntnis wurde gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zugelassen.

3 Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, gemäß § 24 Abs. 2 WMG seien jene Kosten zu ersetzen, die dem Träger der Bedarfsorientierten Mindestsicherung durch Hilfegewährungen in den letzten drei Jahren der Hilfeleistung entstanden seien, wobei Stichtag für die Berechnung der Frist der letzte Tag des Jahres sei, in dem Leistungen an die Ersatzpflichtige oder den Ersatzpflichtigen geflossen seien. Da die mitbeteiligte Partei zuletzt im Jahr 2022 Leistungen der Mindestsicherung zuerkannt erhalten habe, seien lediglich jene Kosten von ihr zu ersetzen, welche dem Sozialhilfeträger durch die Auszahlung der Mindestsicherung ab Jänner 2020 entstanden seien. Es könne daher ein Kostenersatzanspruch bezüglich der von 1. April 2019 bis 31. Dezember 2019 ausbezahlten Leistungen der Wiener Mindestsicherung nicht mehr erfolgen. Im Zeitraum von 1. Jänner 2020 bis 31. März 2022 habe die mitbeteiligte Partei Leistungen der Mindestsicherung in der Höhe von € 14.873,45 ausbezahlt erhalten. Da das ererbte Vermögen den Kostenersatzanspruch bei Weitem übersteige, könne sie den Kostenersatzanspruch in der Höhe von € 14.873,45 zur Gänze abdecken.

4 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die das Verwaltungsgericht samt den Akten des Verfahrens vorgelegt hat.

5 Eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem nach § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

6 Die vorliegende außerordentliche Revision, die die Heranziehung einer im Entscheidungszeitpunkt nicht mehr in Kraft befindlichen Gesetzesnorm durch das Verwaltungsgericht rügt, erweist sich als zulässig und begründet.

7 Der Verwaltungsgerichtshof hat in Zusammenhang mit der Frage einer Kostenersatzpflicht nach § 24 WMG bereits ausgesprochen, dass hierbei die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Entscheidung maßgeblich ist, zumal es nicht um den Abspruch geht, was zu einem bestimmten Zeitpunkt (etwa jenem der Erlassung des verwaltungsbehördlichen Bescheides) oder in einem bestimmten Zeitraum rechtens war, sondern um die aktuelle Begründung einer Zahlungsverpflichtung der Bezieher von Mindestsicherungsleistungen (vgl. VwGH 28.2.2018, Ra 2016/10/0055, mwN).

8 Zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses (am 3. Oktober 2022) war § 24 WMG, LGBl. Nr. 38/2010 in der Fassung des LGBl. Nr. 2/2018, zu beachten. Diese Bestimmung, die nach § 44 Abs. 4 WMG in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 2/2018 mit 1. Februar 2018 in Kraft trat, lautet:

„Kostenersatz bei Vermögen oder Einkommen, das nicht aus eigener Erwerbstätigkeit stammt

§ 24. (1) Für Kosten, die dem Land Wien als Träger der Mindestsicherung durch die Zuerkennung von Leistungen zur Mindestsicherung entstehen, ist dem Land Wien als Träger der Mindestsicherung nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen Ersatz zu leisten. Ein Anspruch auf Mindestsicherung schließt dabei einen Kostenersatzanspruch des Trägers der Wiener Mindestsicherung nicht aus.

(2) Ersatzpflichtig sind alle Personen, die Leistungen der Mindestsicherung bezogen haben, soweit sie nach Zuerkennung der Leistung zu Vermögen oder Einkommen, das nicht aus eigener Erwerbstätigkeit stammt, gelangen, unabhängig davon, ob sie Hilfe empfangen oder das Vermögen noch vorhanden ist. Es sind jene Kosten zu ersetzen, die dem Träger der Mindestsicherung durch Hilfegewährungen in den letzten drei Jahren der Hilfeleistung entstanden sind. Stichtag für die Berechnung der Frist ist der letzte Tag des Monats, in dem Leistungen an die Ersatzpflichtige oder den Ersatzpflichtigen geflossen sind.

(3) ...“

9 Die Kostenersatzpflicht nach § 24 WMG in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 2/2018 sieht als Stichtag für die Berechnung des dreijährigen Kostenersatzzeitraums im Unterschied zu der vom Verwaltungsgericht herangezogenen Vorgängerbestimmung (§ 24 in der bis zum 31. Jänner 2018 in Kraft gestandenen Stammfassung des LGBl. Nr. 38/2010) den letzten Tag des Monats (und nicht: des Jahres) vor, in dem Leistungen an den Ersatzpflichtigen geflossen sind.

10 Indem das Verwaltungsgericht dies verkannt und eine im Entscheidungszeitpunkt nicht (mehr) geltende Fassung einer gesetzlichen Bestimmung herangezogen hat, hat es das angefochtene Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

11 Für das fortgesetzte Verfahren wird auf die hg. Judikatur hingewiesen, wonach § 24 Abs. 2 WMG die Ersatzpflicht des Hilfeempfängers insoweit beschränkt, als dieser Ersatz nur aus (verwertbarem) Vermögen oder Einkommen zu leisten hat, welches er nach Empfang der Leistungen aus der Mindestsicherung erhalten hat; insofern ist das Wort „gelangen“ im Sinne von „nachträglich erwerben“ zu verstehen (vgl. VwGH 29.9.2022, Ra 2021/10/0039; 29.3.2017, Ra 2015/10/0108; sowie neuerlich VwGH 28.2.2018, Ra 2016/10/0055).

12 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am 20. März 2023

Rückverweise