JudikaturVwGH

Ra 2022/08/0085 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
15. Juli 2022

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr. in Sporrer und die Hofräte Mag. Stickler und Mag. Tolar als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Schörner, über die Revision des P S in S, vertreten durch Dr. Thomas Krapf, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Andreas Hofer Straße 13, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 22. Februar 2022, LVwG 2022/24/0092 8 und LVwG 2022/24/0094 2, betreffend Bestrafung nach dem ASVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Innsbruck), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol wurde der Revisionswerber soweit im Revisionsverfahren von Bedeutung in Bestätigung eines Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck gemäß § 111 Abs. 1 Z 1 iVm. § 33 Abs. 1 und 2 ASVG bestraft, weil er es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen Berufener der H GmbH zu verantworten habe, dass es die genannte Gesellschaft als Dienstgeberin unterlassen habe, eine aufgrund ihrer Beschäftigung bei der H GmbH ab 29. Dezember 2018 in der Unfallversicherung pflichtversicherte Dienstnehmerin vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger zur Pflichtversicherung anzumelden. Es wurde nach dem zweiten Strafsatz des § 111 Abs. 2 ASVG eine Geldstrafe in der Höhe von € 2.180 verhängt. Die Revision erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.

2 Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, die Dienstnehmerin PL sei für die H GmbH ab 29. Dezember 2018 im Rahmen eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses tätig gewesen. Im Zuge einer Kontrolle sei am 19. Jänner 2019 festgestellt worden, dass eine Anmeldung beim zuständigen Krankenversicherungsträger unterblieben sei. Der Revisionswerber habe wohl bereits am 28. Dezember 2018 im System ELDA dem System für den elektronischen Datenaustausch mit den österreichischen Sozialversicherungsträgern eine Anmeldung der PL verfasst. Diese Meldung sei jedoch fehlerhaft bzw. nicht vollständig gewesen, weil ein Eingabefeld nicht ausgefüllt worden sei. Deshalb sei die Meldung über das System nicht an den zuständigen Krankenversicherungsträger weitergeleitet worden. Darüber sei der Revisionswerber durch Übermittlung eines „Fehlerprotokolls“ in Kenntnis gesetzt worden. Dennoch habe er erst am 26. Februar 2019 eine nunmehr vollständige und wirksame Anmeldung der PL vorgenommen. Entgegen seinem Vorbringen sei der Revisionswerber nicht durch eine Erkrankung in seiner Zurechnungsfähigkeit bzw. seiner Fähigkeit, eine Anmeldung zur Pflichtversicherung rechtzeitig am 28. Dezember 2018 vor Arbeitsantritt vorzunehmen, eingeschränkt gewesen. Verwaltungsübertretungen nach § 111 Abs. 1 Z 1 ASVG seien Ungehorsamsdelikte, sodass der Täter nach § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG selbst sein mangelndes Verschulden wie das etwa durch Darlegung eines wirksamen Kontrollsystems möglich sei glaubhaft zu machen habe. Die Glaubhaftmachung, dass ihn am Unterbleiben der Anmeldung kein Verschulden treffe, sei dem Revisionswerber nicht gelungen.

3 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

4 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

5 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

6 Zur Zulässigkeit der Revision wird geltend gemacht, die Begründung des Verwaltungsgerichts sei hinsichtlich der Frage, ob den Revisionswerber ein Verschulden treffe, mangelhaft geblieben. Der Revisionswerber habe nämlich in der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts das „in seinem Betrieb eingerichtete Kontrollsystem“ dargelegt. Dazu habe er ausgeführt, dass er aufgrund von verhängten Strafen wegen Verstößen nach dem AuslBG ein Kontrollsystem im Sinn eines „4 Augen Prinzips“ eingeführt habe. Dabei überprüfe zunächst seine Sekretärin, ob eine Beschäftigungsbewilligung vorliege. In einem zweiten Schritt überprüfe er selbst die Unterlagen. Durch dieses System werde abgesichert, dass „keine Ausländer beschäftigt“ würden und niemand im Betrieb ohne Anmeldung arbeite. Darüber habe sich das Verwaltungsgericht hinweggesetzt, indem es die Einrichtung eines Kontrollsystems verneint habe. Bei Vermeidung dieses Verfahrensfehlers hätte sich ergeben, dass der Revisionswerber sein mangelndes Verschulden glaubhaft gemacht habe.

7 Mit diesen Ausführungen verkennt der Revisionswerber, welche Bedeutung dem Bestehen eines „wirksamen Kontrollsystems“ hinsichtlich der Frage des Verschuldens eines Dienstgebers bzw. eines nach § 9 VStG zur Vertretung juristischer Personen nach außen Berufenen hinsichtlich Verwaltungsübertretungen nach § 111 Abs. 1 Z 1 ASVG nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zukommt. Nach dieser Rechtsprechung obliegt es einem Dienstgeber bzw. einem Vertreter einer juristischen Person insbesondere dem Geschäftsführer einer GmbH ein wirksames Kontrollsystem einzurichten, wenn er die selbstverantwortliche Besorgung einzelner Angelegenheiten wie die An- und Abmeldung von Dienstnehmern anderen Personen etwa Angestellten oder einem Steuerberater überlässt. Dabei hat er im Fall eines Verstoßes gegen die Verwaltungsvorschriften dieses System, das eine wirksame begleitende Kontrolle sicherstellen muss, im Einzelnen darzutun. Legt er ein derartiges (hinreichendes) Kontrollsystem nicht dar, so ist von einer schuldhaften Pflichtverletzung auszugehen (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung etwa VwGH 12.10.2017, Ra 2015/08/0082; 13.9.2017, Ra 2017/08/0076; jeweils mwN).

8 Im vorliegenden Fall hat der Revisionswerber nicht behauptet, die Durchführung der Anmeldung zur Pflichtversicherung beim zuständigen Krankenversicherungsträger anderen Personen überlassen zu haben bzw. über die Beschäftigung nicht in Kenntnis gewesen zu sein, sondern hat die Anmeldung der Dienstnehmerin nach seinem eigenen Vorbringen selbst vorgenommen. Das Verwaltungsgericht wirft dem Revisionswerber vor, obwohl ihm durch die Fehlermeldung am 28. Dezember 2018 mitgeteilt worden sei, dass die Anmeldung nicht wirksam beim zuständigen Krankenversicherungsträger erfolgt sei, dennoch eine Anmeldung erst am 26. Februar 2019 somit lange nach Arbeitsantritt am 29. Dezember 2018 durchgeführt zu haben. In dieser Konstellation kam es aber darauf, ob im dargestellten Sinn ein wirksames Kontrollsystem eingerichtet worden war, überhaupt nicht an. Diese Frage war auch nicht tragend für die Begründung des angefochtenen Erkenntnisses.

9 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 15. Juli 2022

Rückverweise