JudikaturVwGH

Ra 2022/07/0182 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
29. August 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Mag. Stickler und Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Bamer, über die Revision des P D in F, vertreten durch Mag. Martin Reichegger, Rechtsanwalt in 6811 Göfis, Wiesenweg 1, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg vom 9. Februar 2022, LVwG 360 1/2021 R7, betreffend eine Angelegenheit nach dem Vorarlberger Güter und Seilwege Landesgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Vorarlberger Landesregierung; mitbeteiligte Partei: Güterwegegenossenschaft Fontanella Staffelalpe), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Die Mitbeteiligte ist eine Güterwegegenossenschaft nach dem Vorarlberger Güter- und Seilwege-Gesetz (GSLG). Gemeinsam mit der Anerkennung der Mitbeteiligten und der Genehmigung ihrer Satzung mit Bescheid vom 20. September 1971 wurde der Mitbeteiligten das Recht zur Errichtung und Erhaltung des Güterwegs FS eingeräumt. Der Revisionswerber ist als Eigentümer eines in die Genossenschaft einbezogenen Grundstücks Mitglied der Mitbeteiligten.

2 Mit Bescheid vom 22. Juni 2021 sprach die Vorarlberger Landesregierung aus, der Streit zwischen der Mitbeteiligten und dem Revisionswerber werde gemäß § 13 Abs. 5 und 6 und § 11 Abs. 1 GSLG dahingehend entschieden, dass der Revisionswerber verpflichtet werde, binnen 14 Tagen den ursprünglichen und rechtskräftig festgestellten Zustand des Güterwegs FS wiederherzustellen, indem er sämtliche Parkplätze auf der Liegenschaft Grundstück Nr. 876/4, KG F, an der Grenze zur Liegenschaft Nr. 891/2, KG F, durch die das mit Bescheid vom 20. September 1971 eingeräumte Bringungsrecht beeinträchtigt werde, restlos (Markierungen, Pfosten, Kette etc.) entferne. Weiters habe er hinkünftig alle Maßnahmen zu unterlassen, die das Bringungsrecht zugunsten der Mitbeteiligten und den Verkehr des Güterwegs beeinträchtigen könnten.

3 Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg (Verwaltungsgericht) die Beschwerde des Revisionswerbers mit der Maßgabe ab, dass der Spruch des Bescheids der Vorarlberger Landesregierung dahingehend zu lauten habe, dass der Revisionswerber im Streit zwischen ihm und der Mitbeteiligten verpflichtet werde, bis spätestens 16. Mai 2022 den ursprünglichen und rechtskräftig genehmigten Zustandes des Güterwegs FS, so wie sich dessen Trasse (Verlauf) aus der Anlage B der Verhandlungsschrift des Verwaltungsgerichts vom 22. Dezember 2021, welche einen integrierten Bestandteil dieser Entscheidung bilde, ergebe, wiederherzustellen. Die Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes habe dadurch zu erfolgen, dass sämtliche Parkplatzmarkierungen, die auf dem Grundstück Nr. 876/4, KG F, im Bereich der in der Anlage B ersichtlichen grün verlaufenden Güterwegtrasse eingezeichnet seien, zu entfernen seien. Auch seien sämtliche Pfosten sowie Ketten, die auf dem Grundstück Nr. 876/4, KG F, entlang der Grundstücksgrenze zum Grundstück Nr. 891/2 aufgestellt worden seien, zu entfernen. Im Weiteren werde der Revisionswerber verpflichtet, zukünftig alle Maßnahmen zu unterlassen, die das Bringungsrecht zugunsten der Mitbeteiligten bzw. deren Mitglieder sowie auch den darüber hinausgehenden zulässigen Verkehr auf dem gegenständlichen Güterweg beeinträchtigen könnten. Die Revision erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7 Zur Zulässigkeit der Revision wird zunächst vorgebracht, dem Einschreiten der Vorarlberger Landesregierung sei kein Antrag auf Streitschlichtung vorangegangen. Bloße Unstimmigkeiten innerhalb der Mitbeteiligten hätten die Behörde nicht berechtigt, aus eigenem amtswegig einzuschreiten. Auch sei der Entscheidung kein „förmliches Streitschlichtungsverfahren“ vorausgegangen.

8 Mit diesem Vorbringen vermag die Revision schon deshalb keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufzuzeigen, weil sie nicht vom festgestellten Sachverhalt ausgeht. Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts, denen die Revision nicht konkret entgegentritt, lag dem Verfahren der Vorarlberger Landesregierung ein vom Obmann der Mitbeteiligten nachdem eine interne Streitschlichtung innerhalb der Mitbeteiligten erfolglos geblieben war gestellter Antrag auf Streitschlichtung zugrunde und wurde der Revisionswerber im darauf von der Vorarlberger Landesregierung geführten Verfahren im Sinn von § 16 Abs. 2 GSLG zu einem Lokalaugenschein zur Streitschlichtung geladen.

9 Soweit die Revision geltend macht, dem Revisionswerber sei im Verfahren der Vorarlberger Landesregierung nicht ordnungsgemäß Gehör gewährt worden, reicht es darauf hinzuweisen, dass eine im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde erfolgte Verletzung des Parteiengehörs durch die mit Beschwerde an das Verwaltungsgericht verbundene Möglichkeit einer Stellungnahme saniert werden kann (vgl. VwGH 28.2.2022, Ra 2021/09/0251, mwN). In Hinblick auf das im Verfahren des Verwaltungsgerichts jedenfalls gegebene rechtliche Gehör bedarf es somit keiner Erörterung, ob das Verfahren der Vorarlberger Landesregierung insoweit tatsächlich mangelhaft geblieben ist.

10 Der Revisionswerber bringt unter dem Gesichtspunkt einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Weiteren vor, im Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 20. September 1971 sei der Verlauf des Güterwegs nur rudimentär beschrieben worden. Die Kompetenz zur Festlegung des Weges falle allerdings ausschließlich in die Zuständigkeit der Landesregierung; daher nicht in die des Verwaltungsgerichts. Das Verwaltungsgericht habe nunmehr aber indem es die Anlage B der Verhandlungsschrift zum integrierten Bestandteil seiner Entscheidung erklärt habe - den Verlauf des Weges neu festgelegt und dadurch seine Entscheidungskompetenz überschritten.

11 Der Verwaltungsgerichtshof judiziert in ständiger Rechtsprechung, dass das Verwaltungsgericht nicht nur die gegen einen verwaltungsbehördlichen Bescheid eingebrachte Beschwerde, sondern auch die Angelegenheit zu erledigen hat, die von der Verwaltungsbehörde zu entscheiden war. Eine Auslegung des § 27 VwGVG dahingehend, dass die Prüfbefugnis der Verwaltungsgerichte stark eingeschränkt zu verstehen wäre, ist demnach unzutreffend. Allerdings stellt die „Sache“ des bekämpften Bescheids den äußersten Rahmen für die Prüfbefugnis des Verwaltungsgerichts dar. „Sache“ des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht ist jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs der vor dem Verwaltungsgericht belangten Verwaltungsbehörde gebildet hat (vgl. etwa VwGH 7.1.2021, Ra 2020/18/0491, mwN; sowie grundlegend zur Kognitionsbefugnis der Verwaltungsgerichte VwGH 17.12.2014, Ro 2014/03/0066, mwH).

12 Sache des beim Verwaltungsgericht bekämpften Bescheids der Vorarlberger Landesregierung vom 22. Juni 2021 war die auf § 13 Abs. 5 und 6 und § 11 Abs. 1 GSLG gegründete Verpflichtung des Revisionswerbers einerseits zur Wiederherstellung des früheren Zustandes des Güterwegs insbesondere durch Entfernung von Parkplätzen und sonstigen Hindernissen und andererseits zur Unterlassung der Störung des Bringungsrechts über diesen Güterweg (vgl. insoweit zu den materiellrechtlichen Voraussetzungen eines solchen Ausspruchs VwGH 30.9.2010, 2007/07/0104).

13 Mit dem angefochtenen Erkenntnis hat das Verwaltungsgericht den Spruch des Bescheids der Vorarlberger Landesregierung neu gefasst und konkretisiert (vgl. zur Verpflichtung der Richtigstellung eines fehlerhaften Bescheidspruchs durch das Verwaltungsgericht etwa VwGH 15.6.2023, Ro 2021/02/0009 und 0010, mwN). Dem dient auch die konkretere Bezeichnung des Verlaufs der Trasse des Güterwegs im verfahrensgegenständlichen, von der Störung betroffenen Bereich durch die einen integrierten Bestandteil der Entscheidung darstellende Anlage B. Seine Kognitionsbefugnis hat das Verwaltungsgericht damit nicht überschritten.

14 Die Revision macht schließlich als Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung geltend, die Anlage B, auf die die Entscheidung des Verwaltungsgerichts verweise, sei hinsichtlich des Verlaufs des Güterwegs nicht maßstabgetreu und lasse eine Übertragung in die Natur nicht zu. Die dem Revisionswerber auferlegten Verpflichtungen seien daher nicht ausreichend bestimmt.

15 Gemäß § 59 Abs. 1 AVG, der nach § 17 VwGVG im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten sinngemäß anzuwenden ist, hat der Spruch (eines Erkenntnisses) die in Verhandlung stehende Angelegenheit in möglichst gedrängter deutlicher Fassung zu erledigen. Die Entscheidung muss dem Gebot der hinreichenden Bestimmtheit entsprechen (vgl. etwa VwGH 21.9.2017, Ra 2016/22/0068 und 0069). Dem wird entsprochen, wenn nach dem Inhalt des Spruchs, zu dessen Auslegung im Zweifelsfall die Begründung des Bescheids heranzuziehen ist, einerseits dem Bescheidadressaten die überprüfbare Möglichkeit gegeben wird, dem Leistungsauftrag zu entsprechen und andererseits, ohne weiteres Ermittlungsverfahren und neuerliche Entscheidung eine Vollstreckungsverfügung ergehen kann. Ein Auftrag, Maßnahmen zur Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes zu setzen, entspricht den Bestimmtheitsanforderungen des § 59 Abs. 1 AVG, wenn weder beim Bescheidadressaten, noch bei der Vollstreckungsbehörde Zweifel über Art und Umfang der vorgeschriebenen Maßnahmen auftreten können (vgl. VwGH 26.9.2011, 2009/10/0230, mwN). Freilich dürfen, wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat, die Anforderungen an die Bestimmtheit des Spruchs auch nicht überspannt werden (vgl. VwGH 9.11.2023, Ra 2021/11/0030, mwN).

16 Der Verwaltungsgerichtshof hat zur Verpflichtung auf Wiederherstellung des früheren Zustandes und Unterlassung der Störung eines landwirtschaftlichen Bringungsrechtes im Weiteren bereits hinsichtlich der Frage, wann ein hinreichend bestimmter Exekutionstitel vorliegt, darauf hingewiesen, dass im Unterschied etwa zur Exekution zur Hereinbringung einer Geldforderung, in der sich die geschuldete Leistung immer ziffernmäßig ausdrücken lässt, im Rahmen der Vollstreckung zur Erwirkung von (unvertretbaren) Handlungen oder Unterlassungen (vgl. § 5 VVG) die vielfältigsten Arten von Ansprüchen in Betracht kommen, die sich oft nicht bis ins kleinste Detail umschreiben lassen. Um nicht jegliche Vollstreckung solcher Ansprüche unmöglich zu machen, richten sich daher in diesen Fällen die Anforderungen an die Umschreibung der geschuldeten Leistung im Exekutionstitel nach der Natur des jeweiligen Anspruches. Entscheidend ist, dass in einer für die Behörde und die Partei des Vollstreckungsverfahrens unverwechselbaren Weise feststeht, was geschuldet wird (vgl. VwGH 23.3.2006, 2004/07/0151; 27.4.2006, 2005/07/0137).

17 Ob der Spruch ausreichend bestimmt ist, bemisst sich im Übrigen nach den Umständen des Einzelfalls (vgl. VwGH 13.7.2022, Ra 2020/11/0016, mwN). Es liegt insoweit nur dann eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, wenn vom Verwaltungsgericht diesbezüglich ein unvertretbares und die Rechtssicherheit beeinträchtigendes Ergebnis erzielt wurde (vgl. VwGH 12.3.2024, Ra 2022/10/0045, mwN). Vorliegend vermag die Revision nicht aufzuzeigen, dass das Verwaltungsgericht unvertretbar davon ausgegangen ist, dass anhand des Spruches des Erkenntnisses und der in diesen integrierten Plandarstellung „Anlage B“ fallbezogen erkennbar ist, zu welchen Handlungen zur Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes und (dem folgend) zu welchen Unterlassungen der Revisionswerber verpflichtet ist (vgl. zur Zulässigkeit der Verwendung einer Plandarstellung zur Konkretisierung eines derartigen Spruchs auch nochmals VwGH 2004/07/0151).

18 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 29. August 2024

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