JudikaturVwGH

Ra 2022/07/0164 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
22. April 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Dr. Bachler und Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Bamer, über die Revision der e gesellschaft m.b.H. in M, vertreten durch die Haslinger/Nagele Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Mölker Bastei 5, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 7. April 2022, Zl. LVwG AV 1761/001 2021, betreffend Vorschreibung von Maßnahmen nach § 21a WRG 1959 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptfrau von Niederösterreich), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die revisionswerbende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

1 Die revisionswerbende Partei verfügt über ein unbefristetes Wasserbenutzungsrecht an einer Wehranlage in der T. bei Flusskilometer 35,570 aufgrund der wasserrechtlichen Bewilligung laut Kommissionsprotokoll der kk Bezirkshauptmannschaft St. Pölten vom 13. Jänner 1890. Die Anlage wurde mit Bescheid vom 9. April 1892 wasserrechtlich überprüft.

2 Mit ihrem Bescheid vom 27. August 2021 verpflichtete die belangte Behörde die revisionswerbende Partei gemäß § 21a WRG 1959, bei der bewilligten Wehranlage (Wasserbuch Postzahl) jedes Jahr von Oktober bis Februar eine Restwassermenge von 1.000 l/s und von März bis September eine solche von 1.500 l/s in die T. abzugeben. Zur Herstellung der Einrichtungen für diese Restwasserabgabe räumte die belangte Behörde der revisionswerbenden Partei eine Frist bis 30. November 2021 ein.

3 Dagegen erhob die revisionswerbende Partei Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (Verwaltungsgericht).

4 Nach Ergänzung des Ermittlungsverfahrens und Durchführung einer mündlichen Verhandlung wies das Verwaltungsgericht mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom 7. April 2022 die Beschwerde der revisionswerbenden Partei als unbegründet ab (Spruchpunkt 1.). Die Bauvollendungsfrist wurde gemäß § 112 Abs. 1 WRG 1959 mit 31. August 2022 neu festgelegt (Spruchpunkt 2.). Die Revision erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig (Spruchpunkt 3.).

5 In seinen Entscheidungsgründen ging das Verwaltungsgericht von folgendem Sachverhalt aus:

6 In der T. befinde sich bei Flusskilometer 35,570 etwa 80 m oberhalb der T. Brücke eine Wehranlage zum Aufstau des anfließenden Wassers. Für diese Anlage (E. Wehr) zur Ausleitung des T. wassers in einen rechtsseitig abzweigenden Werkskanal bestehe zugunsten der revisionswerbenden Partei ein im Wasserbuch für den Verwaltungsbezirk St. Pölten eingetragenes unbefristetes Wasserbenutzungsrecht mit der Wasserbuchpostzahl. Das in den Werkskanal abgeleitete Wasser diene zwei an diesem Kanal bestehenden Wasserkraftanlagen zur Stromerzeugung. Das Wasser fließe zunächst zum Kraftwerk O. und anschließend zum Kraftwerk N. Beide Anlagen würden von der revisionswerbenden Partei betrieben und wiesen jeweils einen unbefristeten Konsens auf. Die Abgabe einer Restwassermenge in die T. sei im Konsens zur Postzahl nicht festgelegt worden.

7 Zur Erreichung des Zielzustandes eines guten ökologischen Zustandes für das Sanierungsgebiet des NGP 2015, in welchem die gegenständliche Restwasserstrecke liege, sei sowohl eine ausreichende Restwasserführung als auch eine Umgestaltung der Gewässermorphologie notwendig. Derzeit erfolge eine freiwillige Restwasserabgabe beim E. Wehr durch die revisionswerbende Partei im Ausmaß von 350 l/s.

8 Bei bewilligungskonformem Betrieb (kein Restwasser in die T.) komme es in der gegenständlichen Restwasserstrecke zu geringen Wassertiefen und geringen Fließgeschwindigkeiten, die zu einer Erwärmung des Wassers führten. Es würden dadurch standorttypische, temperatur und sauerstoffempfindliche Tierarten, nämlich Makrozoobenthos und Fische, verdrängt.

9 Nach derzeitiger Datenlage sei im Zeitraum von Oktober bis Februar eine Restwassermenge von 1.000 l/s und in der Zeit von März bis September eine solche von 1.500 l/s in die T. erforderlich, um das Zwischenziel des NGP 2015 zu erreichen.

10 Es komme bei den genannten Restwasserdotationen zu einer merklichen Verbesserung für das flusstypische Makrozoobenthos, für Fischbrut und Jungfische der temperaturempfindlichen Arten. Auch werde der Lebensraum verbessert. Zur Abgabe der Restwassermenge von 1.000 l/s bzw. 1.500 l/s werde die Doppelhubschützanlage beim E. Wehr von einem Fachmann entsprechend einzustellen sein. Eine bauliche Umgestaltung der Wehranlage sei dabei nicht erforderlich.

11 Das Kraftwerk O. erzeuge eine durchschnittliche Strommenge von 4.011.000 kWh. Bei einer Restwasserabgabemenge von 1.000 l/s im Winterhalbjahr und von 1.500 l/s im Sommerhalbjahr träten in einem Durchschnittsjahr jährlich 7 % an Erzeugungseinbußen (274.000 kWh) ein. Bei dem am Werkskanal abwärts gelegenen Kraftwerk N. betrage die durchschnittlich im Jahr erzeugte Strommenge bei den genannten Restwassermengen 3.626.000 kWh. Es ergebe sich beim Kraftwerk N. bei genannter Restwassermengenabgabe ein jährlicher Verlust von etwa 5 % (181.300 kWh).

12 In rechtlicher Hinsicht verwies das Verwaltungsgericht zum Vorbringen der revisionswerbenden Partei, es wären andere Ursachen für den nicht zufriedenstellenden Gewässerzustand verantwortlich und müssten die Mitverursacher anteilig zur Maßnahmensetzung herangezogen werden, darauf, dass es keinen gesetzlichen Anspruch auf zeitgleiche Verpflichtung aller Verursacher gebe.

13 Es erfordere die Verbesserung der gesamten Gewässersituation an der T. ein Vorgehen gegen jeden einzelnen Verursacher. Dafür sei das Instrument des § 21a WRG 1959 ein taugliches Mittel. Die Anwendbarkeit dieser Bestimmung sei nicht dadurch ausgeschlossen, dass zur Erreichung des Ziels in § 30a WRG 1959 auch Maßnahmen von dritter Seite erforderlich seien.

14 Unbestritten sei, dass bei konsensgemäßem Betrieb (ohne Restwasserabgabe) öffentliche Interessen nicht hinreichend geschützt würden. Dies habe auch jedenfalls die fachliche Erörterung durch den gewässerbiologischen Amtssachverständigen in der Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 3. März 2022 ergeben. Dass öffentliche Interessen nicht hinreichend geschützt würden, habe der gewässerbiologische Amtssachverständige in der genannten Verhandlung dargelegt. Das wasserwirtschaftliche Planungsorgan als die für die Wahrung der wasserwirtschaftlichen Interessen zuständige Amtspartei habe in der Verhandlung am 3. März 2022 vorgebracht, dass für das „Überleben“ des Gewässers die Vorschreibung einer Restwassermenge jedenfalls erforderlich sei.

15 Damit seien die Tatbestandsmerkmale des § 21a Abs. 1 WRG 1959, die ein Einschreiten der Behörde rechtfertigten, erfüllt.

16 Zu prüfen sei aber, in welchem Ausmaß eine Abgabe von Restwasser in die T. auferlegt werden dürfe. Dafür sehe § 21a Abs. 3 WRG 1959 eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vor. Im Rahmen dieser Prüfung sei eine Interessenabwägung vorzunehmen, wobei nach den in der genannten Bestimmung angeführten Grundsätzen vorzugehen sei.

17 Unter Verweis auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes führte das Verwaltungsgericht in seinen Entscheidungsgründen weiter aus, dass es für die Verhältnismäßigkeitsprüfung auf eine objektive Wirtschaftlichkeit, also auf ein angemessenes Verhältnis zwischen einzusetzenden Mitteln und zu erreichendem Erfolg, ankomme.

18 Bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung gemäß § 21a Abs. 3 WRG 1959 sei der Aufwand, der meist in Geld bezifferbar sein werde, dem (ganz oder teilweise) nicht in Geld bezifferbaren Erfolg gegenüberzustellen. Einen gemeinsamen Nenner für monetäre und nicht monetäre Größen finde man naturgemäß kaum. Die Heranziehung des mit einem Prozentsatz des jährlichen Energiegewinns bewerteten Energieverlustes als Vergleichsgröße auf der Aufwandseite begegne keinen Bedenken und erscheine als Darstellung der Intensität des Eingriffs in die bestehenden Rechte des Konsensinhabers und zur Gewinnung eines tauglichen Parameters für die folgende Verhältnismäßigkeitsprüfung besser geeignet als der Barwert dieser Verluste. In diesem Zusammenhang bestehe bei der Quantifizierung des dem Konsensinhaber erwachsenden Aufwandes durch die ihm erwachsenden Kosten in der Regel keine Notwendigkeit, diese „auf den Cent genau“ zu berechnen.

19 Nicht alle denkmöglichen Auswirkungen betriebs und volkswirtschaftlicher sowie umwelttechnischer Art seien bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung nach § 21a Abs. 3 WRG 1959 zu berücksichtigen.

20 Unter anderem könne auch die Besorgnis einer wesentlichen Beeinträchtigung der ökologischen Funktionsfähigkeit des Gewässers einen Auftrag nach § 21a WRG 1959 nach sich ziehen.

21 Im Verfahren nach § 21a WRG 1959 gehe es nicht um die Erhaltung eines Ist Zustandes, sondern darum, Beeinträchtigungen des öffentlichen Interesses zu beseitigen oder zu mildern, die aus einem durch eine wasserrechtliche Bewilligung hervorgerufenen Ist Zustand resultierten.

22 Mit der aufgetragenen Restwasserdotation der T. solle dieser Ist Zustand verbessert werden, wobei dies ein Schritt hin zur Erreichung des Ziels eines „guten ökologischen Zustandes“ sei.

23 Der gewässerbiologische Amtssachverständige habe in der Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 3. März 2022 die Forderung nach einer Restwasserdotation von 1.000 bzw. 1.500 l/s klar begründet. Er habe dabei auch auf die spezielle Situation an der T. im Hinblick auf eine Abweichung von der nach dem NGP 2015 vorgesehenen Basisrestwassermenge in der Höhe von 50 % des MJNQT im konkreten Fall mit 2.845 l/s hingewiesen.

24 Weiters habe er die Verbesserung der gegenständlichen Ausleitungsstrecke bei der geforderten Abgabemenge damit dargestellt, dass in etwa 70 % dieser Strecke fischpassierbar würden und der Lebensraum maßgeblich verbessert werde. Es erfolge zudem eine Verbesserung der Zustandsklasse nach dem Fischindex Austria um eine halbe Klasse.

25 Er habe dann weiter näher erläutert, dass durch die Entschärfung der Temperatursituation bei der geforderten Restwassermenge eine merkliche Verbesserung beim flusstypischen Makrozoobenthos, der Fischbrut und den Jungfischen temperaturempfindlicher Arten eintreten werde.

26 Daraus erschließe sich, dass bei konsensgemäßem Betrieb ohne Restwasserabgabe die Ausleitungsstrecke nicht fischpassierbar und der ökologische Zustand der T. dort massiv beeinträchtigt sei. Es stehe dann (in Anlehnung an das Vorbringen des wasserwirtschaftlichen Planungsorganes in der Verhandlung) das „Überleben“ des Gewässers auf dem Spiel.

27 Dem für diese drei aus gewässerbiologischer Sicht zu schützenden öffentlichen Interessen (im Sinne des § 105 Abs. 1 lit. e, f und m WRG 1959) und für das zu erreichende Ziel nach § 30a WRG 1959 stehe als Aufwand der von der revisionswerbenden Partei dargelegte Energieverlust bei den beiden Kraftwerken entgegen. Die revisionswerbende Partei habe in der im Behördenverfahren abgegebenen Stellungnahme vom 20. April 2021 unter Angabe der in einem Regeljahr erzeugten gesamten Strommenge (4.011.000 kWh) beim Kraftwerk O. den Verlust mit 7 % dieser Menge in einem Durchschnittsjahr (Regeljahr) angegeben. Betreffend das Kraftwerk N. habe die revisionswerbende Partei die durchschnittlich erzeugte Strommenge in einem solchen Jahr mit 3.626.000 kWh und den Verlust mit 5 % von diesem Wert bei Einhaltung der aufgetragenen Restwassermenge von 1.000 l bzw. 1.500 l/s beziffert. In der Verhandlung am 3. März 2022 seien die Energieeinbußen in einem Regeljahr für beide Kraftwerke mit einer Menge von 450.000 kWh ausgewiesen worden. Somit errechne sich in Bezug auf die bekanntgegebenen Jahresstrommengen der beiden Kraftwerke (gesamt 7.637.000 kWh) ein Gesamtverlust von in etwa 5,9 % (450.000 dividiert durch 1 % der Gesamtstrommenge). Es stünden daher dem dargestellten Erfolg energiewirtschaftliche Einbußen der revisionswerbenden Partei von knapp 6 % gegenüber sowie darüber hinaus bloß eine erforderliche Einstellung vorhandener Einrichtungen beim Wehr ohne bauliche Maßnahmen.

28 Das Verwaltungsgericht komme so führte es in seinen Entscheidungsgründen weiter aus bei Abwägung dieser beiden einander gegenüberstehenden Positionen zum Ergebnis, dass der Aufwand nicht unverhältnismäßig gegenüber dem mit der Restwasservorschreibung angestrebten Erfolg sei.

29 Eine Unrentabilität des Weiterbetriebes der beiden Kraftwerke könne nicht erkannt werden.

30 Zum Vorbringen, es bestünde ein öffentliches Interesse an einer möglichst vollständigen wirtschaftlichen Ausnutzung der in Anspruch genommenen Wasserkraft und der sinnvollen Verwendung des Wassers, sei darauf hinzuweisen, dass diese Forderung nur soweit zu Recht bestehe, als die Ressource Wasser auch zur Verfügung stehe. Eine zum Schutz öffentlicher Interessen erforderliche Restwasserdotationsmenge sei davon in Abzug zu bringen.

31 Zu prüfen sei nach § 21a Abs. 3 WRG 1959 weiters, ob die gewählte Maßnahme (Restwasserdotation mit 1.000 bzw. 1.500 l/s) das gelindeste Mittel darstelle. Als technische Maßnahme habe der wasserbautechnische Amtssachverständige in der Verhandlung am 3. März 2022 die Abgabe über die vorhandene Doppelhubschützenanlage angeführt und festgehalten, dass keine bauliche Umgestaltung des E. Wehrs erforderlich sei. Es werde lediglich die Arbeitszeit für durchzuführende Messungen zu vergüten sein. Das Ausmaß dafür betrage ein bis zwei Tage. Dabei sei der technische Aufwand nicht relevant, weil die Restwassermengen neu eingestellt und markiert werden müssten.

32 Die aufgetragene Restwasserabgabemenge sei daher verhältnismäßig.

33 Schließlich merkte das Verwaltungsgericht unter Verweis auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes an, dass auch Umstände, die bereits bei der Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung bestanden und durch entsprechende Vorschreibungen hätten berücksichtigt werden müssen, aber aus welchen Gründen auch immer nicht berücksichtigt worden seien, Anlass für Maßnahmen nach § 21a WRG 1959 sein könnten.

34 Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision gab das Verwaltungsgericht ohne weitere Begründung lediglich den Inhalt des Art. 133 Abs. 4 B VG wieder.

35 Dagegen richtet sich die vorliegende Revision, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

36 Nach Einleitung des Vorverfahrens durch den Verwaltungsgerichtshof haben die belangte Behörde und der Bundesminister für Land und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft Revisionsbeantwortungen erstattet. Die Erstgenannte beantragt, der Revision unter Kostenzuspruch keine Folge zu geben. Der Zweitgenannte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

37 Dazu erstattete die revisionswerbende Partei eine Urkundenvorlage und Replik.

38 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

39 Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

40 Nach § 34 Abs. 1 a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

41 Nach § 34 Abs. 3 VwGG ist ein Beschluss nach Abs. 1 in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.

42 Die Bestimmungen des § 21a, § 104a und §105 WRG 1959 lauten auszugsweise wie folgt:

„Abänderung von Bewilligungen

§ 21a. (1) Ergibt sich nach Erteilung der Bewilligung insbesondere unter Beachtung der Ergebnisse der Bestandaufnahme (§ 55d), dass öffentliche Interessen (§ 105) trotz Einhaltung der im Bewilligungsbescheid oder in sonstigen Bestimmungen enthaltenen Auflagen und Vorschriften nicht hinreichend geschützt sind, hat die Behörde vorbehaltlich § 52 Abs. 2 zweiter Satz die nach dem nunmehrigen Stand der Technik (§ 12a) zur Erreichung dieses Schutzes erforderlichen anderen oder zusätzlichen Auflagen vorzuschreiben, Anpassungsziele festzulegen und die Vorlage entsprechend der Projektunterlagen über die Anpassung aufzutragen, Art und Ausmaß der Wasserbenutzung vorübergehend oder auf Dauer einzuschränken oder die Wasserbenutzung vorübergehend oder auf Dauer zu untersagen.

(2) Für die Erfüllung von Anordnungen nach Abs. 1 sowie für die Planung der erforderlichen Anpassungsmaßnahmen und die Vorlage von diesbezüglichen Projektsunterlagen sind von der Behörde jeweils angemessene Fristen einzuräumen; hinsichtlich des notwendigen Inhalts der Projektsunterlagen gilt § 103. Diese Fristen sind zu verlängern, wenn der Verpflichtete nachweist, dass ihm die Einhaltung der Frist ohne sein Verschulden unmöglich ist. Ein rechtzeitig eingebrachter Verlängerungsantrag hemmt den Ablauf der Frist. Bei fruchtlosem Ablauf der Frist findet § 27 Abs. 4 sinngemäß Anwendung.

(3) Die Behörde darf Maßnahmen nach Abs. 1 nicht vorschreiben, wenn diese Maßnahmen unverhältnismäßig sind. Dabei gelten folgende Grundsätze:

a) der mit der Erfüllung dieser Maßnahmen verbundene Aufwand darf nicht außer Verhältnis zu dem damit angestrebten Erfolg stehen, wobei insbesondere Art, Menge und Gefährlichkeit der von der Wasserbenutzung ausgehenden Auswirkungen und Beeinträchtigungen sowie die Nutzungsdauer, die Wirtschaftlichkeit und die technische Besonderheit der Wasserbenutzung zu berücksichtigen sind;

b) bei Eingriffen in bestehende Rechte ist nur das jeweils gelindeste noch zum Ziele führende Mittel zu wählen;

c) verschiedene Eingriffe können nacheinander vorgeschrieben werden.

...

Vorhaben mit Auswirkungen auf den Gewässerzustand

§ 104a. (1) Vorhaben, bei denen

1. durch Änderungen der hydromorphologischen Eigenschaften eines Oberflächenwasserkörpers oder durch Änderungen des Wasserspiegels von Grundwasserkörpern

a) mit dem Nichterreichen eines guten Grundwasserzustandes, eines guten ökologischen Zustandes oder gegebenenfalls eines guten ökologischen Potenzials oder

b) mit einer Verschlechterung des Zustandes eines Oberflächenwasser- oder Grundwasserkörpers zu rechnen ist,

2. durch Schadstoffeinträge mit einer Verschlechterung von einem sehr guten zu einem guten Zustand eines Oberflächenwasserkörpers in der Folge einer neuen nachhaltigen Entwicklungstätigkeit zu rechnen ist, sind jedenfalls Vorhaben, bei denen Auswirkungen auf öffentliche Rücksichten zu erwarten sind (§§ 104 Abs. 1, 106).

(2) Eine Bewilligung für Vorhaben gemäß Abs. 1, die einer Bewilligung oder Genehmigung aufgrund oder in Mitanwendung wasserrechtlicher Bestimmungen bedürfen, kann nur erteilt werden, wenn die Prüfung öffentliche Interessen (§§ 104, 105) ergeben hat, dass

1. alle praktikablen Vorkehrungen getroffen wurden, um die negativen Auswirkungen auf den Zustand des Oberflächenwasser oder Grundwasserkörpers zu mindern und

2. die Gründe für die Änderungen von übergeordnetem öffentlichen Interesse sind und/oder, dass der Nutzen, den die Verwirklichung der im § 30a, c und d genannten Ziele für die Umwelt und die Gesellschaft hat, durch den Nutzen der neuen Änderungen für die menschliche Gesundheit, die Einhaltung der Sicherheit der Menschen oder die nachhaltige Entwicklung übertroffen wird und

3. die nutzbringenden Ziele, denen diese Änderungen des Oberflächenwasser- oder Grundwasserkörpers dienen sollen, aus Gründen der technischen Durchführbarkeit oder aufgrund unverhältnismäßiger Kosten nicht durch andere Mittel, die eine wesentlich bessere Umweltoption darstellen, erreicht werden können.

...

Öffentliche Interessen

§ 105. (1) Im öffentlichen Interesse kann ein Antrag auf Bewilligung eines Vorhabens insbesondere dann als unzulässig angesehen werden oder nur unter entsprechenden Auflagen und Nebenbestimmungen bewilligt werden, wenn:

...

i) sich ergibt, dass ein Unternehmen zur Ausnutzung der motorischen Kraft eines öffentlichen Gewässers einer möglichst vollständigen wirtschaftlichen Ausnutzung der in Anspruch genommenen Wasserkraft nicht entspricht;

...

m) eine wesentliche Beeinträchtigung des ökologischen Zustandes der Gewässer zu besorgen ist;

n) sich eine wesentliche Beeinträchtigung der sich aus anderen gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften resultierenden Zielsetzungen ergibt.

...“

43 Die revisionswerbende Partei begründet die Zulässigkeit ihrer Revision mit dem Fehlen von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der revisionsgegenständlich relevanten Frage, ob die zuständige Behörde zur Vorschreibung von Maßnahmen nach § 21a Abs. 1 WRG 1959 bereits dann legitimiert sei, wenn bestimmte öffentliche Interessen beeinträchtigt würden, ohne dass eine Berücksichtigung und Abwägung der für einen unveränderten Weiterbetrieb der Wasserkraftanlage sprechenden öffentlichen Interessen zu erfolgen habe. Das Verwaltungsgericht weiche durch die Berücksichtigung lediglich eines einzigen öffentlichen Interesses im Rahmen des § 21a Abs. 1 WRG 1959 vom klaren Gesetzeswortlaut ab.

44 Mit diesem Vorbringen gelingt es der revisionswerbenden Partei nicht, eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufzuzeigen.

Schon aus dem Wortlaut des § 21a Abs. 1 WRG 1959 ergibt sich, dass keine Abwägung verschiedener öffentlicher Interessen zu erfolgen hat, sondern dass der nicht hinreichende Schutz bereits eines öffentlichen Interesses im Sinne des § 105 WRG 1959 ein Vorgehen nach § 21a Abs. 1 WRG 1959 bewirken kann.

45 So kann eine Besorgnis einer wesentlichen Beeinträchtigung der ökologischen Funktionsfähigkeit der Gewässer nach § 105 Abs. 1 lit. m WRG 1959 wie im vorliegenden Revisionsfall einen Auftrag nach § 21a WRG 1959 nach sich ziehen (VwGH 7.12.2006, 2005/07/0115).

46 Der „Konsensträger“ und somit auch die revisionswerbende Partei im vorliegenden Verfahren haben im Rahmen ihrer Parteistellung im § 21a WRG 1959 Verfahren lediglich die Möglichkeit, dort das Fehlen der Voraussetzungen des § 21a Abs. 1 WRG 1959 geltend zu machen (vgl. VwGH 21.6.2018, Ra 2016/07/0071 bis 0072).

47 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dient das nach § 21a WRG 1959 durchgeführte Verfahren allein dem Schutz öffentlicher Interessen, auf deren Wahrung subjektiv öffentliche Rechte nicht eingeräumt sind (vgl. VwGH 14.9.2021, Ra 2020/07/0056 bis 0057; 22.11.2018, Ro 2017/07/0033 bis 0036; 23.4.2014, 2013/07/0228; 24.3.2011, 2007/07/0151; 11.9.1997, 94/07/0166, 0186, 0190; 19.9.1996, 96/07/0138).

48 Einem Vorgehen nach § 21a WRG 1959 können daher keineswegs die mit der betroffenen Wasserbenutzung bedienten Elemente des öffentlichen Interesses wie hier die Ausnutzung der Wasserkraft entgegengehalten werden (so auch Bachler in Oberleitner/Berger , Kommentar zum Wasserrechtsgesetz 1959 4 , 2018, § 21a Rz 11).

49 Die von der revisionswerbenden Partei intendierte Abwägung der beeinträchtigten öffentlichen Interessen etwa des ökologischen Zustandes eines Gewässers mit den „für einen unveränderten Weiterbetrieb der Wasserkraftanlage sprechenden öffentlichen Interessen“ widerspricht der dargestellten ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Damit macht die revisionswerbende Partei im Ergebnis ein subjektives Recht auf unveränderten Weiterbetrieb ihrer Wasserbenutzungsanlagen geltend, dessen Berücksichtigung dem Grundgedanken der ständigen hg. Rechtsprechung diametral zuwiderläuft, wonach auf die Wahrung öffentlicher Interessen subjektiv öffentliche Rechte eben nicht eingeräumt sind.

50 Die revisionswerbende Partei bringt vor, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Rechtsfrage, ob die Hintanstellung bestimmter öffentlicher Interessen zu Gunsten anderer öffentlicher Interessen im Sinne des § 104a WRG 1959 bei der Beurteilung nach § 21a Abs. 1 WRG 1959, ob ein hinreichender Schutz öffentlicher Interessen (§ 105 WRG 1959) gegeben sei, Berücksichtigung zu finden habe.

51 Auch damit gelingt es der revisionswerbenden Partei nicht, eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufzuzeigen.

52 Ist die Rechtslage nach den in Betracht kommenden Normen nämlich klar und eindeutig, dann liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG vor, und zwar selbst dann, wenn zu einer der anzuwendenden Normen noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergangen ist (vgl. VwGH 15.3.2024, Ra 2023/10/0019, mwN).

53 Der von der revisionswerbenden Partei eingenommene Rechtsstandpunkt widerspricht bereits dem klaren und eindeutigen Wortlaut des § 104a WRG 1959, wenn in dessen Abs. 1 von „Vorhaben“ und in dessen Abs. 2 von „Bewilligung von Vorhaben“ gesprochen wird. Demnach findet § 104a WRG 1959 auf Verfahren, die wie Verfahren nach § 21a WRG 1959 keine Bewilligungsverfahren sind, keine Anwendung (siehe auch Bumberger/Hinterwirth , Kommentar zum Wasserrechtsgesetz 3 , 2020, K7 zu § 104a).

54 Das Verfahren nach § 21a WRG 1959 ist nämlich ein eigenständiges und von einem Genehmigungsverfahren zu unterscheidendes Verfahren, das sich auf eine rechtskräftig erteilte Genehmigung bezieht und deren Änderung unter bestimmten Umständen möglich macht (VwGH 22.11.2018, Ro 2017/07/0033 bis 0036).

55 Die revisionswerbende Partei bringt weiters vor, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Rechtsfrage, ob § 21a WRG 1959 eine rechtliche Verpflichtung zur gleichzeitigen Festlegung gemeinsamer Maßnahmen für mehrere Mitverursacher im Sinne eines Gesamtkonzeptes enthalte, insbesondere, wenn bei Nichtfestlegung gemeinsamer Maßnahmen eine Maßnahme gegenüber einer Einzelanlage nach § 21a Abs. 3 WRG 1959 unverhältnismäßig wäre.

56 Auch damit vermag die revisionswerbende Partei eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nicht aufzuzeigen.

57 Wie noch zu zeigen sein wird, stellen sich die im Bezug auf die Wasserbenutzungsanlagen der revisionswerbenden Partei getroffenen Maßnahmen des Verwaltungsgerichtes nämlich im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof zustehenden Kognitionsbefugnis als nicht unverhältnismäßig dar.

58 Zudem ist das Verfahren zur Erlassung des Bescheides nach § 21a WRG 1959 ein Einparteienverfahren (VwGH 30.6.2016, Ro 2014/07/0028, mwN) und erfordert somit schon von seiner Ausgestaltung her naturgemäß ein Vorgehen gegen einen einzelnen Konsensinhaber. Auch bedingt die von der revisionswerbenden Partei in den Blick genommene Änderung der Gesamtsituation ein Vorgehen gegen jeden einzelnen „Mitverursacher“ (vgl. VwGH 19.4.2018, Ra 2017/07/0084 bis 0085; diese zu artesischen Brunnen in der Steiermark ergangene Entscheidung ist mit dem vorliegenden Revisionsfall vergleichbar).

59 Die revisionswerbende Partei behauptet, dass das angefochtene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Verhältnismäßigkeitsprüfung nach § 21a Abs. 3 WRG 1959 abweiche.

60 Dies ist nicht der Fall.

61 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes reichen allgemein gehaltene Erwägungen nicht aus, um eine dem § 21a Abs. 3 WRG 1959 entsprechende Verhältnismäßigkeitsprüfung anzustellen. Erforderlich sind ins Detail gehende Feststellungen über die mit dem Ist Zustand verbundenen negativen Auswirkungen sowie nachvollziehbare Auswirkungen von Aufwand und Erfolg der vorgeschriebenen Maßnahme, wobei die Besonderheiten jedes Einzelfalls zu berücksichtigen sind und aufgrund einer entsprechenden Interessenabwägung zu entscheiden ist (vgl. etwa VwGH 11.7.1996, 93/07/0180, mwN).

62 Die einzelfallbezogene Interessenabwägung nach § 21a Abs. 3 WRG 1959 unterliegt als Ergebnis einer alle maßgeblichen Umstände des Einzelfalles berücksichtigenden Abwägung grundsätzlich der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichtes. Wertungsfragen im Einzelfall stellen keine Rechtsfragen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG dar. Eine solche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge nur dann vor, wenn diese Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre und zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Ergebnis geführt hätte (vgl. zur insoweit vergleichbaren Rechtslage nach dem UIG VwGH 24.5.2018, Ra 2018/07/0346).

63 Eine solche Fehlerhaftigkeit ist dem Verwaltungsgericht nicht unterlaufen. Es stützte sich bei Anwendung des § 21a Abs. 3 WRG 1959 vielmehr in nachvollziehbarer Weise auf das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 7. Dezember 2006, 2005/07/0115. Die dort dargestellten Parameter einer Prüfung nach § 21a Abs. 3 WRG 1959 wandte das Verwaltungsgericht im Lichte des dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden Prüfungskalküls in nicht zu beanstandender Weise an. Auch bedurfte es dabei nicht der Einholung des von der revisionswerbenden Partei geforderten energiewirtschaftlichen Gutachtens.

64 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

65 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 51 VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 22. April 2024

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