Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Lehofer und die Hofrätinnen Mag. Rehak und Mag. Bayer als Richter und Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, in der Revisionssache des Dr. C S in G, vertreten durch Dr. Gerhard Hackenberger und Mag. Jürgen Greilberger, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Kaiserfeldgasse 27/IV, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 17. März 2022, LVwG 50.38 3676/2021 5, betreffend einen Beseitigungsauftrag (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Stadtsenat der Stadt Graz; mitbeteiligte Partei: Dr. M T in G, vertreten durch Dr. Johannes Dörner und Dr. Alexander Singer, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Brockmanngasse 91/1; weitere Partei: Steiermärkische Landesregierung), den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Steiermark (im Folgenden: Verwaltungsgericht) die Beschwerde des Revisionswerbers gegen den über Antrag der mitbeteiligten Partei ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 16. November 2021, mit dem diesem aufgetragen worden war, das auf der näher bezeichneten Liegenschaft errichtete Wohngebäude binnen zwölf Monaten ab Rechtskraft des Bescheides zu beseitigen, als unbegründet mit der Maßgabe ab, dass die Beseitigung binnen zwölf Monaten ab Rechtskraft des Erkenntnisses durchzuführen sei. Gleichzeitig sprach es aus, dass die Erhebung einer ordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG unzulässig sei.
2 Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, für das gegenständliche vom Revisionswerber errichtete Gebäude sei keine baurechtliche Genehmigung vorhanden. Der Baubewilligungsbescheid vom 8. April 2011 sei nie konsumiert worden und nach Ablauf von fünf Jahren erloschen. Das errichtete Gebäude weiche außerhalb von Messungenauigkeiten vom bewilligten Gebäude ab und sei sohin ein „Aliud“. Das gegenständliche Gebäude verletze den Grenzabstand im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung sowie im Zeitpunkt der Antragstellung der mitbeteiligten Nachbarin gemäß § 41 Abs. 6 Steiermärkisches Baugesetz (Stmk. BauG).
3 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
4 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
5 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
6 Zur Begründung ihrer Zulässigkeit bringt die Revision vor, das Verwaltungsgericht unterliege bei seinem Erkenntnis einer grob fehlerhaften Beurteilung. Es gehe bei der Abstandsberechnung im Sinne des § 13 Stmk. BauG von einer Nachbargrenze aus, die „zum Zeitpunkt der Baubewilligung bzw. zum Zeitpunkt der Errichtung des Bauwerks (rechtlich) nicht vorhanden“ gewesen sei. Diese Nachbargrenze sei erst seit der grundbücherlichen Eintragung der Grundstücksteilung am 20. Dezember 2011 vorhanden. Das subjektive Nachbarrecht könne sich daher bloß auf die „alte“ Grenze beziehen, die von der östlichen Gebäudefront rund 30 Meter entfernt gewesen sei. Eine Nord Süd Verschiebung des gegenständlichen Gebäudes könne daher auf die Abstandsregeln keinen Einfluss haben und eine im Vergleich zum Einreichplan marginale Abweichung des Abstandes des Gebäudes zur damaligen Grenze des seinerzeitig östlichen Grundstückes, die immerhin 30 Meter betragen habe, sei unbeachtlich. Es bestehe somit keine Antragslegitimation des Nachbarn auf Erteilung eines baupolizeilichen Auftrags, weil der Bau keine Nachbarrechte verletze.
7 Soweit die Revision die Argumentation zur Begründung ihrer Zulässigkeit darauf stützt, hinsichtlich der Prüfung der Abstandsbestimmungen sei auf die tatsächlichen Gegebenheiten der Nachbargrenze zum Zeitpunkt der Baubewilligung des gegenständlichen Bauwerks abzustellen, entfernt sie sich insofern vom festgestellten Sachverhalt des verwaltungsgerichtlichen Erkenntnisses, als dort basierend auf den Ausführungen eines bautechnischen Sachverständigen festgestellt wurde, der Baubewilligungsbescheid vom 8. April 2011 sei nie konsumiert worden und erloschen, das errichtete Gebäude weiche außerhalb von Messungenauigkeiten vom bewilligten Gebäude ab und sei sohin als „Aliud“ zu sehen. Der diesbezüglichen Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts ist die Revision in der Sache nicht entgegengetreten, weshalb vom festgestellten Sachverhalt auszugehen war (vgl. VwGH 22.3.2021, Ra 2019/05/0303, mwN).
8 Wenn die Revision moniert, das Verwaltungsgericht hätte die Gegebenheiten zum Zeitpunkt der (konsenslosen) Errichtung des Gebäudes heranziehen müssen, ist dem entgegen zu halten, dass das Verwaltungsgericht wenn es in der Sache selbst entscheidet seine Entscheidung grundsätzlich an der zum Zeitpunkt seiner Entscheidung maßgeblichen Sach und Rechtslage auszurichten hat (vgl. VwGH 10.6.2021, Ra 2017/06/0106 und 0107, mwN); dies gilt insoweit auch für die Erlassung eines baubehördlichen Auftrages gemäß § 41 Abs. 3 Stmk. BauG als es sich nicht um fallbezogen nicht relevante Sachverhaltsänderungen handelt, die der Herstellung der dem baupolizeilichen Auftrag entsprechenden Zustand dienen (vgl. VwGH 7.8.2013, 2013/06/0075, mwN). Das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts, das die Verletzung der Abstandsbestimmungen durch das konsenslos errichtete Gebäude zum Zeitpunkt der Erlassung seines Erkenntnisses fallbezogen unter Berücksichtigung der durch die Grundstücksteilung veränderten Grenzsituation beurteilte, weicht insofern nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab. Im Übrigen tritt der Revisionswerber der vom Verwaltungsgericht getroffenen Feststellung, wonach das konsenslos errichtete Gebäude auch zum Zeitpunkt der Antragstellung durch die revisionswerbende Nachbarin die Abstandsbestimmungen verletzt habe, nicht entgegen.
9 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 6. Oktober 2022
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