Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. Dr. Zehetner und die Hofrätinnen Mag. Liebhart Mutzl und Dr. in Sembacher als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Tichy, in der Revisionssache des H S in A, vertreten durch die Anwälte Mandl Mitterbauer GmbH in 4950 Altheim, Wiesnerstraße 2, gegen das am 27. September 2022 mündlich verkündete und am 18. Oktober 2022 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich, LVwG 153490/11/KHu, betreffend einen baupolizeilichen Auftrag (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Marktgemeinde R; weitere Partei: Oberösterreichische Landesregierung), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Der Antrag der Oberösterreichischen Landesregierung auf Aufwandersatz wird abgewiesen.
1 Mit Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde R. (belangte Behörde) vom 27. Jänner 2022 wurde der Revisionswerber gemäß § 49 Abs. 1 Oö. Bauordnung 1994 (Oö. BauO 1994) „aufgefordert, den Neubau auf dem Grundstück [...] mit den Abmessungen von [...] und einer Höhe von [...] binnen zwölf Wochen ab Zugang dieses Bescheides zu beseitigen und den vorigen Zustand wiederherzustellen“.
2 Begründend führte die belangte Behörde unter anderem aus, das in Rede stehende Gebäude sei gegenüber der erteilten Baubewilligung vom 26. Mai 2020 um 1,1 m zu lang ausgeführt worden, wodurch der Abstand zum (als Grünland gewidmeten) Nachbargrundstück nicht eingehalten werde. Die Änderung wäre gemäß § 24 Abs. 1 Z 1 Oö. BauO 1994 bewilligungspflichtig, in der gegebenen Ausführung sei sie jedoch nicht bewilligungsfähig.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (LVwG) die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit einer hier nicht näher relevanten Maßgabe als unbegründet ab und setzte die Leistungsfrist mit 6 Monaten ab Erlassung dieser Entscheidung neu fest (I.). Gleichzeitig wurde eine Revision für unzulässig erklärt (II.).
4 Nach Wiedergabe des Verfahrensganges führte das LVwG zusammengefasst aus, der Revisionswerber sei Alleineigentümer des in Rede stehenden, im Grenzkataster eingetragenen Grundstückes. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 14. Mai 2020 sei dem Revisionswerber für zwei näher bezeichnete Grundstücke in der KG U. (darunter das verfahrensgegenständliche Grundstück) eine Bauplatzbewilligung erteilt worden. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 26. Mai 2020 sei dem Revisionswerber für diese beiden Grundstücke gemäß der zugrundliegenden Einreichpläne vom 11.Mai 2020 die Baubewilligung für den „Neubau von 2 Mehrfamilienwohnhäusern mit je 3 Wohneinheiten und 1 Carport“ erteilt worden. Das auf dem verfahrensgegenständlichen Grundstück vorgesehene Gebäude sei dabei mit Außenabmessungen von 11,3 m x 21,1 m in einem Abstand zur nördlichen Bauplatzgrenze von 3,3 m (an der geringsten Stelle) bewilligt. Das tatsächlich errichtete Gebäude habe demgegenüber Außenabmessungen von 11,34 m x 22,15 m mit einer Gebäudehöhe von 10,9 m. Der Abstand zur nördlichen Bauplatzgrenze betrage rund 2 m, zusätzlich würden Balkone auskragen.
5 Ein Verfahren zur Änderung von Bauplätzen und bebauten Grundstücken nach § 9 Oö. BauO 1994 oder ein sonstiges Verfahren, das die Änderung der Grundgrenze oder des Bauplatzes zum Gegenstand habe, sei nicht anhängig. Die Gebäudehöhe sei von der belangten Behörde mit „ca. 11,0 m“ und vom Revisionswerber mit 10,9 m angegeben; da bereits der gesetzliche Mindestabstand von 3 m offenkundig deutlich unterschritten werde, sei nicht mehr weiter entscheidungsrelevant, „ob der sich aus der Abstandsbestimmung ‚Höhe/3‘ ergebende Mindestabstand nun 3,63 m (bei einer Gebäudehöhe von 10,9 m, wie vom Bf vorgebracht) oder 3,67 m (bei einer Gebäudehöhe von 11,0 m)“ betrage.
6 Das Gebäude sei vom bautechnischen Amtssachverständigen in Augenschein genommen worden; dieser sei zu dem Ergebnis gekommen, dass die Angaben in der Vermessungsurkunde mit dem hergestellten Baukörper übereinstimmten. Das Gebäude sei in größerer Abmessung in geänderter Situierung als im Baubescheid vom 26. Mai 2020 bewilligt, hergestellt worden. Für jedes Verrücken eines Bauvorhabens bedürfe es einer neuerlichen Baubewilligung; zwar seien Einzelfälle denkbar, in denen durch eine geringfügige Verschiebung eines Bauwerkes nicht von einem rechtlichen „aliud“ auszugehen sei; die Nichteinhaltung von Abstandsvorschriften sei aber jedenfalls als wesentliche Änderung anzusehen (Verweis auf VwGH 29.4.2015, 2013/05/0025, und 26.3.2021, Ra 2021/06/0011, mwN).
7 Gegenständlich betrage der Abstand des Gebäudes zur nördlichen Grundgrenze nur rund 2 m und liege damit deutlich unter dem im bewilligten Projekt vorgesehenen Abstand von 3,3 m sowie dem gesetzlichen Mindestabstand von 3 m. Der sich aus der größeren Gebäudehöhe ergebende Mindestabstand von 3,63 m sei daher ebenfalls nicht eingehalten. Der geforderte Mindestabstand zur Grundgrenze werde durch die Lageänderung deutlich unterschritten, sodass ein „aliud“ vorliege. Der Bestand des Gebäudes könne sich daher nicht auf eine aufrechte Baubewilligung stützen; folglich sei ein Beseitigungsauftrag zu erteilen gewesen, der bei einem einheitlichen Bauwerk das gesamte Gebäude zu umfassen habe.
8 Zur Frage, ob ein bedingter oder ein unbedingter Beseitigungsauftrag zu ergehen habe, ob also dem Revisionswerber im Bescheid die Möglichkeit einzuräumen gewesen wäre, binnen einer festzusetzenden Frist einen Antrag auf Erteilung einer Baubewilligung oder Bauanzeige einzubringen, sei auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach die Verwaltungsgerichte anhand der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung vorzugehen hätten. Daher sei zu beurteilen, ob aktuell die Voraussetzungen für die Erteilung einer Baubewilligung vorliegen würden. Darauf, ob allenfalls Voraussetzungen noch hergestellt werden könnten, komme es nicht an (Verweis auf VwGH 28.4.1992, 92/05/0043, und 31.7.2006, 2005/05/0199). Sei ein Grundstück im Grenzkataster eingetragen, sei der verbindliche Nachweis über die Grundstücksgrenzen gegeben (Verweis auf VwGH 29.9.2016, Ro 2014/05/0091, mwN), die im Grenzkataster eingetragene derzeitige Grundstücksgrenze sei daher der Beurteilung zu Grunde zu legen. Das Gebäude habe zur nördlichen Grundstücksgrenze einen Abstand von rund 2 m. In Anbetracht der Dimensionierung des Gebäudes sei bei dieser Sachlage auch keine Ausnahmebestimmung des § 41 Oö. Bautechnikgesetz 2013 einschlägig; das Gebäude sei daher nach der aktuellen Sach- und Rechtslage nicht bewilligungsfähig, weshalb die belangte Behörde zu Recht einen unbedingten Beseitigungsauftrag erlassen habe.
9 Die Angaben zur nötigen Zeitdauer für die Beseitigung des Gebäudes ergäben sich aus den unbestritten gebliebenen Ausführungen des Amtssachverständigen in der mündlichen Verhandlung; die festgesetzte Beseitigungsfrist erweise sich als ausreichend lange. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei bei der Festsetzung der Erfüllungsfrist auf die technische Durchführbarkeit der Arbeiten Bedacht zu nehmen, während es auf in der Person des Beschwerdeführers gelegene Umstände nicht ankomme.
10 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in der zu deren Zulässigkeit zusammengebracht vorgebracht wird, das LVwG sei „hinsichtlich der wesentlichen Rechtsfrage, ob im gegenständlichen Fall eine nachträgliche Baubewilligung erteilt werden kann“, von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen. Dieser habe „in seiner Entscheidung 2013/05/0039“ (Anmerkung: vom 10. Dezember 2013) ausdrücklich klargestellt, dass gemäß § 49 Abs. 1 letzter Satz Oö. BauO 1994 im Rahmen eines Verfahrens zur Erlassung eines Bauauftrages die Möglichkeit, nachträglich die Baubewilligung zu beantragen, nur dann nicht einzuräumen sei, wenn nach der maßgeblichen Rechtslage eine Baubewilligung nicht erteilt werden könne. Das LVwG übersehe hierbei die ausdrückliche Bestimmung des § 5 Abs. 5 Oö. BauO 1994, „wonach sich die Grenzen eines Bauplatzes zu Gänze mit den Grundstücksgrenzen decken müssen“. „Allerdings“ könne ein Bauplatz dabei auch eine geringfügige Fläche, die als Grünland gewidmet sei, umfassen. Im gegenständlichen Fall ergebe sich aus den Feststellungen, dass die zur Einhaltung des Mindestabstandes zur Grundstücksgrenze notwendige Fläche von 20 m² des als Grünland gewidmeten, näher bezeichneten (Nachbar )Grundstückes nur ganz geringfügig sei und daher im Sinne des § 5 Abs. 5 Oö. BauO 1994 „insgesamt auch nur eine ganz geringfügige Fläche des Grünlandes von den Bauwerken und somit vom Bauplatz umfasst wäre, um die Konsensfähigkeit herzustellen.“ Im Hinblick darauf sei es rechtlich möglich und zulässig, „den Bauplatz des Grundstückes Nr. [...], KG U[...], geringfügig auch auf das Grundstück Nr. [...], welches als Grünland gewidmet ist, auszudehnen und dadurch im Sinne der oben zitierten Gesetzesbestimmung eine geringfügige Grünlandfläche in Anspruch zu nehmen“. Die Erteilung einer Bauplatzbewilligung für die geringe Grünlandfläche sei möglich, daher sei „in weiterer Folge naturgemäß auch die Erteilung einer entsprechenden nachträglichen Baubewilligung möglich.“ In diesem Zusammenhang sei festzuhalten, dass der Revisionswerber bereits am 10. März 2022 bei der Marktgemeinde R. einen Antrag „auf baubehördliche Bewilligung des Bauplatzes auf den Grundstücken Nr. [...] und [...], je KG U[...]“ gestellt habe, mit welchem die „zur Einhaltung der Abstandsvorschriften notwendige geringfügige Fläche von 20 m² in den Bauplatz einbezogen werden“ solle. Über diesen Antrag sei seitens der Gemeinde noch nicht entschieden worden. „Somit“ sei für das Wohngebäude eine nachträgliche Baubewilligung möglich, was das LVwG in seiner Entscheidung rechtsirrig verkannt habe; dieses hätte den Abbruchbescheid der belangten Behörde vom 27. Jänner 2022 derart abändern müssen, dass die Möglichkeit einer nachträglichen Beantragung einer Baubewilligung für das Wohnhaus eingeräumt werde und kein Abbruchauftrag erteilt werde.
11 Weiters verkenne das LVwG die Rechtslage, wenn es die Rechtsansicht vertrete, dass Gegenstand des baupolizeilichen Auftrages nicht nur jene Teile des Wohnhauses seien, die innerhalb des Mindestabstandes zur Grundgrenze lägen. In seiner „Entscheidung 2013/05/0025“ (Anmerkung: vom 29. April 2015) habe der Verwaltungsgerichtshof ausdrücklich ausgesprochen, dass sich ein Abbruchauftrag auf Teile eines Bauvorhabens beziehen könne, wenn die konsenswidrigen oder konsenslosen Teile von diesem trennbar seien; eine Trennbarkeit sei im gegenständlichen Fall gegeben, auch wenn dies „naturgemäß mit einem gewissen Aufwand verbunden“ sei. Das LVwG habe hierzu keine Beweise aufgenommen oder Feststellungen getroffen; es sei damit von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen. Zudem hätte die belangte Behörde hinsichtlich des Wohnhauses, „für welches grundsätzlich ein Baukonsens besteht“, gar keinen Abbruchbescheid erlassen dürfen. Im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei „in dem Fall, dass eine Baubewilligung vorliegt und der bewilligte Zustand durch bloße Rückführung erreicht werden kann, nur der bewilligte Zustand herzustellen und nicht das gesamte Gebäude abzutragen“ (Verweis auf VwGH 2009/05/0102; Anmerkung: vom 16. März 2012).
12 Die belangte Behörde und die Oberösterreichische Landesregierung erstatteten im vom Verwaltungsgerichtshof durchgeführten Vorverfahren jeweils eine Revisionsbeantwortung, letztere in Verbindung mit einem Antrag auf Aufwandersatz.
13 Die Revision ist unzulässig.
14 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
15 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
16 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
17 Die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision erfolgt dabei ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulässigkeitsbegründung. Der Verwaltungsgerichtshof ist weder verpflichtet, Gründe für die Zulässigkeit einer Revision anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit einer Revision hätten führen können, aufzugreifen (vgl. für viele etwa VwGH 18.1.2024, Ra 2023/05/0262, mwN).
18 Vorauszuschicken ist, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes einer Rechtsfrage nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl. etwa VwGH 24.3.2022, Ra 2020/05/0081, mwN). Der Verwaltungsgerichtshof ist nach dem Revisionsmodell nicht dazu berufen, die Einzelfallgerechtigkeit in jedem Fall zu sichern - diese Aufgabe obliegt den Verwaltungsgerichten (vgl. etwa VwGH 31.8.2023, Ra 2023/05/0056, mwN). Welche über den Revisionsfall hinausgehende konkrete Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG, von der die Entscheidung über die vorliegende Revision abhängt, vom Verwaltungsgerichtshof beantwortet werden sollte, wird in der vorliegenden Zulässigkeitsbegründung, die in weiten Teilen (bloß) Revisionsgründe (§ 28 Abs. 1 Z 5 VwGG) enthält, nicht formuliert (vgl. zu diesem Erfordernis für viele etwa VwGH 20.6.2023, Ra 2023/06/0084, mwN).
19 Die Frage, ob eine bestimmte bauliche Anlage ein „aliud“ darstellt oder nicht, unterliegt grundsätzlich der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichtes; eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung läge in diesem Zusammenhang nur dann vor, wenn diese Beurteilung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre (vgl. VwGH 27.10.2023, Ra 2021/05/0135). Derartiges wird in den Zulässigkeitsgründen der Revision, in welchen die Beurteilung des LVwG nicht bestritten wird, der im gegenständlichen Fall einzuhaltende Mindestabstand zur nördlichen Grundgrenze werde durch die gegenüber der Baubewilligung vom 26. Mai 2020 abweichende Errichtung des Gebäudes deutlich unterschritten, sodass ein „aliud“ vorliege und sich das bestehende Gebäude nicht auf eine aufrechte Baubewilligung stützen könne, nicht darlegt.
20 Soweit die Revision zu ihrer Zulässigkeit eine Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 10.12.2013, 2013/05/0039; 29.4.2015, 2013/05/0025, und 16.3.2012, 2009/05/0102) vorbringt, ist darauf hinzuweisen, dass ein Revisionswerber im Fall der behaupteten Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bereits in der gesonderten Zulässigkeitsbegründung konkret darzulegen hat, inwiefern der der gegenständlich angefochtenen Entscheidung zu Grunde liegende Sachverhalt jenem in der von ihm ins Treffen geführten höchstgerichtlichen Entscheidung gleicht, das Verwaltungsgericht im gegenständlichen Fall dennoch anders entschieden hat und es damit von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen ist (vgl. etwa VwGH 23.10.2023, Ra 2023/05/0253, mwN). Auch diesem Erfordernis genügt die Zulässigkeitsbegründung der Revision nicht.
21 Mit dem bloßen Hinweis auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. Dezember 2013, 2013/05/0039, wird nämlich noch nicht dargetan, dass und aus welchem Grund sich das LVwG mit seiner Beurteilung, im gegenständlichen Fall könne nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Sinne des § 49 Abs. 1 Oö. BauO 1994 eine nachträgliche Baubewilligung nicht erteilt werden (weshalb fallbezogen die Möglichkeit zu einer diesbezüglichen Antragstellung nach der genannten Gesetzesbestimmung nicht einzuräumen gewesen sei), von den Leitlinien des Verwaltungsgerichtshofes entfernt hätte. Wenn die Revision hierzu die Bestimmung des § 5 Abs. 5 Oö. BauO 1994 ins Treffen führt, übersieht sie, dass sich nach deren klarem (in der Revision im Übrigen wiedergegebenen) Wortlaut die Grenzen eines Bauplatzes zur Gänze mit den Grundstücksgrenzen decken müssen; die Revision bringt selbst vor, dass der Bauplatz des verfahrensgegenständlichen Grundstückes „geringfügig“ auf das nördlich gelegene Nachbargrundstück „ausgedehnt“ werden müsste, womit eindeutig ist, dass, jedenfalls zum maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses, eine Deckung der Grenzen des vom Revisionswerber zur Einhaltung des Mindestabstandes offenbar angedachten Bauplatzes mit den gegebenen Grundstücksgrenzen nicht erreicht werden konnte. Gegen die Feststellung des LVwG, gegenständlich sei ein Verfahren zur Änderung von Bauplätzen und bebauten Grundstücken nach § 9 Oö. BauO 1994 oder ein sonstiges Verfahren, das die Änderung der Grundgrenze zum Gegenstand habe, nicht anhängig, bringt die Revision in ihrer Zulässigkeitsbegründung nichts vor. Auch wird weder die rechtliche Beurteilung des LVwG, der Beantwortung der Frage, ob nachträglich eine Baubewilligung überhaupt erteilt werden könne, sei die im Entscheidungszeitpunkt maßgebliche Sach- und Rechtslage und damit die im Grenzkataster eingetragene derzeitige Grundstücksgrenze zu Grunde zu legen, bekämpft, noch setzt sich die Revision mit der unter Nennung näherer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dargelegten Rechtsansicht des LVwG auseinander, für die Frage der nachträglichen Bewilligungsfähigkeit sei zu beurteilen, ob aktuell die Voraussetzungen für die Erteilung einer Baubewilligung vorliegen, und nicht, ob allenfalls Voraussetzungen noch hergestellt werden könnten. Insgesamt wird daher weder dargetan noch ist ersichtlich, aus welchem Grund im Zusammenhang damit, dass das LVwG seine Entscheidung nicht auf § 5 Abs. 5 Oö. BauO 1994 stützte, für den Revisionsfall eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegen sollte.
22 Soweit die Revision zu ihrer Zulässigkeit darüber hinaus eine Abweichung vom Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. April 2015, 2013/05/0025, vorbringt, übersieht sie, dass es im dortigen Fall um die Frage der Trennbarkeit „von Hauptgebäude und Garage, Garage und Sanitäranlage sowie von Garage und überdachtem Abstellraum“ ging, während das LVwG im gegenständlichen Fall von einem einheitlichen Bauwerk ausging. Betreffend ein „einheitliches Bauwerk“ wurde auch in der genannten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes ausgeführt, dass bei einem solchen grundsätzlich der gesamte Bau Gegenstand eines baupolizeilichen Auftrags zu sein hat; bei einem einheitlichen Bau ist die Frage der Trennbarkeit in einen bewilligungsfähigen und einen nicht bewilligungsfähigen Teil nicht aufzuwerfen (vgl. dazu auch VwGH 25.11.2022, Ra 2021/05/0030, mwN). Dass und aus welchen Gründen es sich beim verfahrensgegenständlichen Gebäude entgegen der Beurteilung des LVwG nicht um einen einheitlichen Bau handeln sollte, wird in der Zulässigkeitsbegründung der Revision nicht dargelegt (vgl. dazu, dass die Frage der Trennbarkeit von Teilen eines Bauvorhabens nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes grundsätzlich der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichtes unterliegt und eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung in diesem Zusammenhang nur dann vorliegen könnte, wenn diese Beurteilung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre, was in den Revisionszulässigkeitsgründen darzustellen wäre, etwa VwGH 14.12.2023, Ra 2023/05/0227, mwN).
23 Wenn die Revision zu ihrer Zulässigkeit schließlich unter Berufung auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. März 2012, 2009/05/0102, behauptet, es sei in dem Fall, in dem eine Baubewilligung vorliege und der bewilligte Zustand durch bloße Rückführung erreicht werden könne, nur der bewilligte Zustand herzustellen und nicht das gesamte Gebäude abzutragen, übersieht sie mit diesem Zulässigkeitsvorbringen - abgesehen davon, dass auch in diesem Zusammenhang nicht dargetan wird, inwiefern der gegenständliche Sachverhalt jenem der dortigen Entscheidung gleichen sollte und das LVwG daher von der dortigen Entscheidung abgewichen sein sollte - dass nach der unbekämpft gebliebenen Beurteilung des LVwG gegenständlich von einem rechtlichen „aliud“ auszugehen ist und das bestehende einheitliche Gebäude dementsprechend nicht über eine aufrechte Baubewilligung verfügt (vgl. oben Rn. 19). Die Frage, ob „der bewilligte Zustand durch bloße Rückführung erreicht werden kann“, stellt sich daher fallbezogen nicht.
24 In der Revision werden somit insgesamt keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
25 Das Kostenbegehren der Oberösterreichischen Landesregierung war abzuweisen, weil gemäß § 58 Abs. 1 VwGG jede Partei den ihr im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erwachsenden Aufwand selbst zu tragen hat, soweit die §§ 47 bis 56 leg. cit. nicht anderes bestimmen. Einen Anspruch auf Ersatz des Aufwandes, der mit der Einbringung der Revisionsbeantwortung verbunden war, sehen die §§ 47 bis 56 VwGG in Ansehung einer Partei nach § 21 Abs. 1 Z. 3 VwGG aber nicht vor (vgl. etwa VwGH 15.3.2021, Ra 2020/05/0011, oder auch 1.6.2017, Ro 2014/06/0079, jeweils mwN).
Wien, am 25. März 2024