Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. Dr. Zehetner sowie die Hofrätinnen Dr. Leonhartsberger und Dr. in Gröger als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Tichy, über die Revision des Magistrats der Stadt Wien gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 28. April 2022, VGW 011/030/6720/2020 6, betreffend Übertretung der Bauordnung für Wien (mitbeteiligte Partei: Dr. F M in R), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
1 Mit Straferkenntnis des Amtsrevisionswerbers vom 7. Mai 2020 wurde über den Mitbeteiligten gemäß § 135 Abs. 1 iVm § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien (im Folgenden: BO) eine Strafe in der Höhe von € 1.800, (Ersatzfreiheitsstrafe: 12 Stunden) verhängt und der Mitbeteiligte zu einem Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens in der Höhe von € 180, verpflichtet. Er habe als Miteigentümer einer näher bezeichneten Liegenschaft und der darauf befindlichen Anlagen und als Wohnungseigentümer zu verantworten, dass im Zeitraum vom 14. Dezember 2019 bis zum 20. Jänner 2020 näher bezeichnete Abweichungen von den Bauvorschriften und einem Bewilligungsbescheid des Amtsrevisionswerbers vom 20. Mai 1959 nicht behoben worden seien.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht Wien (im Folgenden: Verwaltungsgericht) der Beschwerde des Mitbeteiligten gegen dieses Straferkenntnis nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung teilweise Folge, setzte die über den Mitbeteiligten verhängte Strafe auf € 450, (Ersatzfreiheitsstrafe 3 Stunden) herab, passte den dem Mitbeteiligten auferlegten Kostenbeitrag zum behördlichen Verwaltungsstrafverfahren entsprechend an und sprach aus, dass gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG keine Kosten für das verwaltungsgerichtliche Verfahren anfallen würden. Eine ordentliche Revision erklärte das Verwaltungsgericht gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG für unzulässig.
3 Das Verwaltungsgericht stellte in seiner Begründung den Verfahrensgang durch wörtliche Wiedergabe des Spruchs des „gegenständlichen“ Straferkenntnisses, der Beschwerde sowie von Auszügen aus dem Verhandlungsprotokoll über Ausführungen anderer Beschuldigter in deren Beschwerdeverfahren, die es zum Teil als „Beschwerdeergänzung“ des Mitbeteiligten bezeichnete, dar. Als Sachverhalt stellte es auszugsweise den Wortlaut des bereits im Verfahrensgang wiedergegebenen Straferkenntnisses fest. Beweiswürdigend stützte sich das Verwaltungsgericht ausschließlich darauf, dass das Vorliegen des festgestellten Sachverhaltes in keinem Stande des Verfahrens bestritten worden sei; bestritten worden sei lediglich das vom Amtsrevisionswerber angenommene Verschulden, weshalb vom Vorliegen des inkriminierten Sachverhaltes zur Tatzeit auszugehen gewesen sei. Das Verschulden des Mitbeteiligten sei erwiesen, da weder hervorgekommen sei, noch auf Grund der Tatumstände anzunehmen gewesen sei, dass die Einhaltung der Vorschrift eine besondere Aufmerksamkeit erfordert habe oder dass die Verwirklichung des Tatbestandes aus besonderen Gründen nur schwer hätte vermieden werden können.
4 Zur Strafhöhe führte das Verwaltungsgericht aus, der Unrechtsgehalt der Tat sei als hoch einzustufen. Eine Herabsetzung der Geld- und Ersatzfreiheitsstrafe erscheine lediglich deshalb vertretbar, weil sich der Mitbeteiligte um eine zielführende Durchführung „des Verfahrens“ bemüht habe. Demgegenüber seien jedoch die Tatzeiten lang und die inkriminierten Mängel als erheblich anzusehen. „Die Straferkenntnisse“ seien deshalb dem Grunde nach zu bestätigen gewesen, wenngleich eine entsprechende Reduktion „der Strafmaße“ angezeigt gewesen sei.
5 Dagegen richtet sich die vorliegende Amtsrevision, in der zur Zulässigkeit unter anderem vorgebracht wird, das Verwaltungsgericht habe gegen näher bezeichnete ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Begründungspflicht verstoßen. Es habe in den „Feststellungen“ nicht nur lediglich den Spruch eines Straferkenntnisses, sondern darüber hinaus aktenwidrig jenen eines Straferkenntnisses einer anderen Partei aus einem Parallelverfahren wörtlich wiedergegeben, der aber nicht mit der Sache des Mitbeteiligten übereinstimme. Das Verwaltungsgericht habe es zudem unterlassen, Feststellungen zum Verschulden des Mitbeteiligten zu treffen. Die Beweiswürdigung erschöpfe sich in einem Satz. Ausgehend davon sei die Überprüfung der auf einem aktenwidrig angenommenen Sachverhalt fußenden rechtlichen Beurteilung des Erkenntnisses nicht möglich.
6 Eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
7 Die Amtsrevision erweist sich im Hinblick auf deren Zulässigkeitsbegründung als zulässig. Sie ist auch begründet.
8 Gemäß § 29 Abs. 1 VwGVG sind die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtes zu begründen. Diese Begründung hat, wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, jenen Anforderungen zu entsprechen, die in seiner Rechtsprechung zu den §§ 58 und 60 AVG entwickelt wurden. Auch in Verwaltungsstrafsachen ist gemäß § 38 VwGVG in Verbindung mit § 24 VStG die Begründungspflicht im Sinn des § 58 AVG von Bedeutung (vgl. VwGH 30.7.2019, Ra 2017/05/0001; 26.2.2019, Ra 2018/03/0134, jeweils mwN).
9 Demnach sind in der Begründung eines Erkenntnisses die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die für die Beweiswürdigung maßgeblichen Erwägungen sowie die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erfordert dies im ersten Schritt die eindeutige, eine Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichende und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugängliche konkrete Feststellung des der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhaltes, in einem zweiten Schritt die Angabe jener Gründe, welche das Verwaltungsgericht im Fall des Vorliegens widerstreitender Beweisergebnisse in Ausübung der freien Beweiswürdigung dazu bewogen haben, gerade jenen Sachverhalt festzustellen, und in einem dritten Schritt die Darstellung der rechtlichen Erwägungen, deren Ergebnisse zum Spruch der Entscheidung geführt haben. Diesen Erfordernissen werden die Verwaltungsgerichte zudem (nur) dann gerecht, wenn sich die ihre Entscheidungen tragenden Überlegungen zum maßgebenden Sachverhalt, zur Beweiswürdigung sowie zur rechtlichen Beurteilung aus den verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen selbst ergeben (vgl. etwa VwGH 14.12.2022, Ra 2022/05/0137, mwN).
10 Der Verwaltungsgerichtshof hat weiters bereits wiederholt ausgesprochen, dass die Darstellung des Verwaltungsgeschehens die fehlende Begründung der Entscheidung eines Verwaltungsgerichts nicht zu ersetzen vermag (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes beispielsweise VwGH 5.11.2019, Ra 2019/06/0107, oder auch VwGH 7.9.2017, Ra 2016/06/0148, jeweils mwN). Jedenfalls zu einem Begründungsmangel einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtes führt das Unterlassen jeglicher argumentativer Auseinandersetzung mit einem Beschwerdevorbringen (vgl. VwGH 22.11.2018, Ro 2017/07/0033).
11 Ein Begründungsmangel führt nach der hg. Rechtsprechung dann zur Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und in weiterer Folge zur Aufhebung durch den Verwaltungsgerichtshof, wenn er entweder die Parteien des Verwaltungsverfahrens und des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens an der Verfolgung ihrer Rechte oder den Verwaltungsgerichtshof an der Überprüfung der angefochtenen Entscheidung auf deren inhaltliche Rechtmäßigkeit hindert. Wird das Verwaltungsgericht den Anforderungen an die Begründung von Erkenntnissen der Verwaltungsgerichte nicht gerecht, so liegt ein Begründungsmangel vor, welcher einen revisiblen Verfahrensmangel darstellt (vgl. VwGH 7.12.2022, Ra 2022/05/0112, mwN).
12 Das angefochtene Erkenntnis genügt den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Begründung nicht. Es erschöpft sich wie bereits oben ausgeführt in der Darstellung des Verfahrensganges allein durch wörtliche Wiedergabe des Spruchs eines noch dazu ein anderes Verfahren betreffenden Straferkenntnisses, der vom Mitbeteiligten eingebrachten Beschwerde sowie Teilen des Verhandlungsprotokolls, wobei daraus die Aussage einer vom Mitbeteiligten verschiedenen Person aktenwidrig als „Beschwerdeergänzung“ des Mitbeteiligten angeführt wurde. Darauf folgt ein Auszug aus dem genannten, nicht den Mitbeteiligten betreffenden, Straferkenntnis als „Feststellungen“, eine „Beweiswürdigung“, die sich in der Aussage, der Sachverhalt sei nicht bestritten worden, erschöpft und die aufgrund des Fehlens entsprechender, den Mitbeteiligten betreffenden Feststellungen nicht überprüfbare rechtliche Beurteilung. Dies entspricht nicht den in der angeführten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes dargestellten Anforderungen an eine ordnungsgemäße Begründung eines verwaltungsgerichtlichen Erkenntnisses.
13 Der Mitbeteiligte hat in seiner Beschwerde auch vorgebracht, dass ihn hinsichtlich der ihm vorgehaltenen Tatsache, dass näher bezeichnete Bauanzeigen nach § 62 BO nicht erstattet und nicht nachgeholt worden seien, kein Verschulden treffe. Das Verwaltungsgericht ging jedoch inhaltlich mit keinem Wort auf das im Text der Entscheidung wörtlich wiedergegebene Beschwerdevorbringen ein und traf keine Feststellungen zum behaupteten Bemühen um Erwirkung einer Baubewilligung.
14 Aufgrund der dargestellten Begründungsmängel entzieht sich das Erkenntnis insgesamt der nachprüfenden Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof. Das angefochtene Erkenntnis erweist sich daher schon aus diesem Grund als rechtswidrig infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und war gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. a und b VwGG aufzuheben. Bei diesem Ergebnis war auf das weitere Revisionsvorbringen nicht mehr einzugehen.
Wien, am 5. März 2024