JudikaturVwGH

Ra 2022/04/0104 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
06. September 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Pollak sowie den Hofrat Dr. Mayr und die Hofrätin Mag. Dr. Pieler als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Vonier, über die Revision 1. der B KG in V und 2. des H L in A, beide vertreten durch Ing. Dr. Stefan Krall und Dr. Oliver Kühnl, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Anton Melzer Straße 9, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Kärnten vom 24. Jänner 2022, KLVwG 2042 2043/11/2021, betreffend Widerruf der Bestellung zum gewerberechtlichen Geschäftsführer und Entziehung der Gewerbeberechtigung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Stadt Villach), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Die Erstrevisionswerberin ist eine Personengesellschaft, welche das reglementierte Gewerbe Bestattung betreibt und sich dazu des Zweitrevisionswerbers als gewerberechtlichem Geschäftsführer bedient.

2 Mit Bescheid vom 9. September 2021 widerrief die belangte Behörde die Bestellung des Zweitrevisionswerbers zum gewerberechtlichen Geschäftsführer und entzog der Erstrevisionswerberin „das reglementierte Bestattung“ an einem näher genannten Standort. Als Rechtsgrundlagen wurden die §§ 91 Abs. 1 und 2 iVm § 87 Abs. 1 Z 3 und § 361 GewO 1994 angeführt.

3 Gegen diesen Bescheid erhoben die Erstrevisionswerberin und der Zweitrevisionswerber Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Kärnten.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung die Beschwerde mit der Maßgabe ab, dass der Spruch des angefochtenen Bescheides insofern korrigiert werde, als es „Gewerbeberechtigung für das reglementierte Gewerbe Bestattung“ an einem näher genannten Standort heißen müsse. Die Revision wurde nicht zugelassen.

Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, dass die Erstrevisionswerberin das Bestattungsgewerbe ausübe. Der Zweitrevisionswerber sei gewerberechtlicher Geschäftsführer und einzig unbeschränkt haftender Gesellschafter. Betreffend den Zweitrevisionswerber lägen drei rechtskräftige Straferkenntnisse vor, welche alle mit der Ausübung des Bestattungsgewerbes in Zusammenhang stünden und deren Rechtskraft von den Revisionswerbern auch nicht bestritten werde. Der Aufforderung der belangten Behörde, den Zweitrevisionswerber zu entfernen, sei die Erstrevisionswerberin bislang nicht nachgekommen. Die vom Zweitrevisionswerber gesetzten Übertretungen seien als nicht bloß geringfügig zu bewerten, zumal sie den Kernbereich des Bestattungsgewerbes, nämlich die Lagerung und Aufbewahrung der Toten, beträfen. Auch sei gegen die Standesregeln für Bestatter verstoßen worden, und dies sei geeignet, das Ansehen des Berufszweiges herabzusetzen. Der Zweitrevisionswerber sei somit nicht mehr als zuverlässig anzusehen. Der Eingriff in die Erwerbsfreiheit sei verhältnismäßig. Der Widerruf der Bestellung des Zweitrevisionswerbers zum gewerberechtlichen Geschäftsführer gemäß § 91 Abs. 1 GewO 1994 sei daher zu Recht erfolgt. Da nach dem Setzen einer dreimonatigen Frist der Zweitrevisionswerber von der Erstrevisionswerberin nicht entfernt worden sei, sei die Entziehung der Gewerbeberechtigung gemäß § 91 Abs. 2 GewO 1994 geboten gewesen.

5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, über die das Vorverfahren eingeleitet wurde. Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie die Zurückweisung, in eventu die Abweisung der Revision beantragte. Ein Antrag auf Aufwandersatz wurde nicht gestellt.

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Nach § 34 Abs. 3 VwGG ist ein Beschluss nach Abs. 1 in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.

8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9 Die Revision bringt zur Begründung ihrer Zulässigkeit vor, dass keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Entziehung der Berechtigung für das Bestattergewerbe existiere. Die Frage, ob drei, für sich jeweils nicht bedeutende Verwaltungsübertretungen bereits ausreichen würden, um als schwerwiegender Verstoß gegen die im Zusammenhang mit dem Bestattergewerbe zu beachtenden Rechtsvorschriften und Schutzinteressen sowie die Wahrung des Standes der Bestatter qualifiziert werden zu können, sei eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung für die Ausübung des Bestattergewerbes. Das Verwaltungsgericht sei zudem von näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, weil es das Gebot der Verhältnismäßigkeit nicht beachtet habe. Auch sei keine Prognose angestellt worden.

10 Gemäß § 87 Abs. 1 Z 3 GewO 1994 ist die Gewerbeberechtigung zu entziehen, wenn der Gewerbeinhaber infolge schwerwiegender Verstöße gegen die im Zusammenhang mit dem betreffenden Gewerbe zu beachtenden Rechtsvorschriften und Schutzinteressen, insbesondere auch zur Wahrung des Ansehens des Berufsstandes, die für die Ausübung dieses Gewerbes erforderliche Zuverlässigkeit nicht mehr besitzt. Die Bestellung des Geschäftsführers ist gemäß § 91 Abs. 1 GewO 1994 zu widerrufen, wenn sich unter anderem der in § 87 Abs. 1 Z 3 GewO 1994 genannte Entziehungsgrund auf die Person des Geschäftsführers bezieht. Nach § 91 Abs. 2 GewO 1994 hat die Behörde dem Gewerbetreibenden eine Frist bekanntzugeben, innerhalb der der Gewerbetreibende diese Person zu entfernen hat, wenn der Gewerbetreibende eine juristische Person ist und sich die im § 87 GewO 1994 angeführten Entziehungsgründe auf eine natürliche Person, der ein maßgebender Einfluss auf den Betrieb der Geschäfte zusteht, beziehen. Hat der Gewerbetreibende die genannte natürliche Person innerhalb der gesetzten Frist nicht entfernt, so hat die Behörde die Gewerbeberechtigung zu entziehen.

11 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 87 Abs. 1 Z 3 GewO 1994 setzt das Tatbestandsmerkmal der „schwerwiegenden Verstöße“ voraus, dass sich aus den Verstößen unter Berücksichtigung der Art der verletzten Schutzinteressen und der Schwere ihrer Verletzung der Schluss ziehen lässt, der Gewerbetreibende sei nicht mehr als zuverlässig anzusehen (VwGH 27.7.2023, Ra 2023/04/0090, Rn. 19, mwN).

12 Nach den Gesetzesmaterialien zum Entziehungstatbestand des § 87 Abs. 1 Z 3 GewO 1994 ist ein Verstoß dann als schwerwiegend anzusehen, wenn er geeignet ist, das Ansehen des betreffenden Berufszweiges herabzusetzen; außerdem muss es sich um Verstöße gegen Rechtsvorschriften und Schutzinteressen handeln, die bei der Ausübung gerade des gegenständlichen Gewerbes „besonders“ zu beachten sind, wozu etwa Verstöße gegen die Ausübungs- und Standesregeln (vgl. § 69 Abs. 2 GewO 1994) gehören (vgl. VwGH 18.6.2012, 2012/04/0026, mwN).

13 Die Beurteilung, ob das Vorliegen bestimmter Verstöße zur Schlussfolgerung zu führen hat, dass der Gewerbetreibende die für die Ausübung dieses Gewerbes erforderliche Zuverlässigkeit nicht mehr besitzt (§ 87 Abs. 1 Z 3 GewO 1994), hängt jeweils von den Umständen des Einzelfalles ab (vgl. VwGH 17.6.2019, Ra 2019/04/0067, Rn. 10).

14 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach klargestellt, dass die Erstellung der Prognose, von den Umständen des Einzelfalls abhängt, die jeweils einer Gesamtbetrachtung zu unterziehen sind. Eine schematische Festlegung betreffend die Dauer des erforderlichen Wohlverhaltens ist in diesem Zusammenhang ebenso wenig angebracht, wie eine schematische Festlegung der Umstände des Einzelfalles betreffend die Strafzumessung oder die Gründe für die Verhängung einer bedingten Nachsicht oder Teilnachsicht der verhängten Strafe. Wenn das Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung die jeweiligen fallbezogenen Umstände im Rahmen der bestehenden Rechtsprechung gewürdigt hat und ihm im Rahmen dieser fallbezogenen Beurteilung keine krasse Fehlbeurteilung unterlaufen ist, kann ein solches Erkenntnis nicht erfolgreich mit Revision angefochten werden (VwGH 20.1.2022, Ra 2021/04/0226, Rn. 10, mwN).

15 Die vorliegende Revision zeigt in ihrer Zulässigkeitsbegründung nicht auf, inwiefern die einzelfallbezogene Beurteilung durch das Verwaltungsgericht, das in seiner Begründung die Umstände der wiederholten Tathandlungen und der verletzten Normen, unter anderem der Verordnung des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit über Standesregeln für Bestatter, BGBl. II Nr. 476/2004, und des Kärntner Bestattungsgesetzes, LGBl. Nr. 61/1971, sowie die der Strafzumessung jeweils zugrundeliegenden Umstände berücksichtigte, unvertretbar sei.

16 Soweit in der Revision vorgebracht wird, dass konkret in Bezug auf das Gewerbe der Bestatter noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliegt, wird damit nicht aufgezeigt, warum die oben dargelegte Rechtsprechung mit ihren allgemeinen Leitlinien zu § 87 Abs. 1 Z 3 GewO 1994 nicht auch auf das Gewerbe der Bestatter und den vorliegenden Fall anwendbar sein soll.

17 Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass die Behörde bei der Entziehung der Gewerbeberechtigung das Gebot der Verhältnismäßigkeit eines Eingriffs in die Erwerbsfreiheit (nach Art. 6 StGG) zu berücksichtigen hat. Die Verhältnismäßigkeit der Gewerbeentziehung kann sich daraus ergeben, dass die Zuverlässigkeit des Gewerbeinhabers schon durch Verurteilungen oder Sanktionen aufgrund von schwerwiegenden Verstößen gegen einschlägige Vorschriften zwingend nicht mehr gegeben ist und das Gesetz deshalb die Entziehung der Berechtigung als einzig mögliche Rechtsfolge anordnet (VwGH 21.2.2022, Ra 2022/03/0038, Rn. 21, mwN).

18 Im vorliegenden Fall hat sich das Verwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit den herangezogenen Straferkenntnissen ausführlich auseinandergesetzt und sowohl Feststellungen zu den verhängten Strafen und den verletzten Rechtsvorschriften getroffen als auch auf die Art der verletzten Schutzinteressen und die Schwere ihrer Verletzung Bedacht genommen. Im Hinblick darauf, dass das Verwaltungsgericht zulässigerweise das Vorliegen schwerwiegender Verstöße annahm, war eine ausdrücklich gesonderte Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht mehr geboten (vgl. erneut VwGH 21.2.2022, Ra 2022/03/0038, Rn. 22, mwN).

19 In der Revision wird zur Begründung der Zulässigkeit zudem vorgebracht, das Verwaltungsgericht habe keine Erhebungen und Feststellungen zum Gebot der Verhältnismäßigkeit vorgenommen. Auch fehle eine Begründung dafür, dass die Verwaltungsübertretungen den Schluss zuließen, der Zweitrevisionswerber sei nicht mehr zuverlässig. Damit macht die Revision Verfahrensmängel geltend.

20 Die Zulässigkeit einer Revision im Zusammenhang mit einem eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG aufwerfenden Verfahrensmangel setzt voraus, dass die Revision von der Lösung dieser geltend gemachten Rechtsfrage abhängt. Davon kann bei einem Verfahrensmangel aber nur dann ausgegangen werden, wenn auch die Relevanz des Mangels für den Verfahrensausgang dargetan wird, das heißt, dass im Fall der Durchführung eines mängelfreien Verfahrens abstrakt die Möglichkeit bestehen muss, zu einer anderen für den Revisionswerber günstigeren Sachverhaltsgrundlage zu gelangen (vgl. VwGH 3.7.2024, Ra 2022/04/0164, Rn. 16, mwN). Da die vorliegende Revision keine diesbezüglichen Ausführungen enthält, gelingt es ihr nicht, die Relevanz eines solchen Verfahrensmangels aufzuzeigen.

21 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 6. September 2024

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