Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Lehofer sowie die Hofräte Mag. Samm und Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des H H in S, vertreten durch die Hopmeier Wagner Kirnbauer Rechtsanwälte OG in 1010 Wien, Rathausstraße 15, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 15. Juni 2022, Zl. LVwG 70.7 3402/2021 9, betreffend Ausstellung eines Waffenpasses (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Hartberg Fürstenfeld), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht durch Abweisung der Beschwerde gegen einen Bescheid der belangten Behörde vom 21. September 2021 einen Antrag des Revisionswerbers auf Ausstellung eines Waffenpasses gemäß § 21 Abs. 2 iVm § 22 Abs. 2 Waffengesetz 1996 (WaffG) ab und sprach aus, dass eine Revision dagegen nicht zulässig sei.
2 Dazu traf es zusammengefasst folgende Feststellungen: Der Revisionswerber habe in seinem Antrag ausgeführt, er sei Inhaber eines Einzelunternehmens, habe die Unternehmerprüfung positiv absolviert und die Befähigungsprüfung für das Gewerbe Überlassung von Arbeitskräften erfolgreich abgelegt. Im Zuge seines Einzelunternehmens betreibe er unter anderem einen Order Service für Großveranstaltungen, stelle dabei seinen Kunden ein mobiles Kassensystem zur Verfügung und verfüge somit letztendlich über die gesamte Tageslosung der Großveranstaltung. In weiterer Folge (sowie im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht) habe der Revisionswerber seine Tätigkeit als Einzelunternehmer genauer ausgeführt und eine allgemeine Gefahrenlage bzw. eine konkrete unmittelbar drohende Gefährdung seiner Person geortet.
Er leite ein Unternehmen, das im Wesentlichen ein sogenanntes „Order Service“ darstelle, verfüge über acht MitarbeiterInnen und unterstütze bei Großveranstaltungen die Veranstalter, indem er unter anderem auch Kellnerleistungen anbiete und vor allem das nahtlose Registrierkassensystem installiert habe. Am Ende jeder Veranstaltung kämen die Kellner zu ihm und lieferten das eingenommene Geld bei ihm ab. Er zähle es, prüfe die Banknoten auf Echtheit und bündle das Bargeld mit Schleifen. Die Geldbeträge schwankten je nach Veranstaltung, aber im Mittelwert nehme der Revisionswerber zwischen € 60.000,00 und € 80.000,00 ein. Nach Ende der Veranstaltung verständige er den Auftraggeber bzw. Veranstalter und übergebe ihm das Geld. Da jedoch der Veranstalter sehr oft bei Abschluss der Veranstaltung, meist in den frühen Morgenstunden, nicht mehr anwesend sei, müsse der Revisionswerber das eingenommene Geld mitnehmen bzw. sich darum kümmern. Darin sehe der Revisionswerber ein Bedrohungsszenario, denn vom Veranstaltungsort bis zu seinem PKW müsse er die Geldmittel sozusagen ungeschützt transportieren.
Der Beschwerdeführer räume ein, er sei „zum Glück und Gott sei Dank“ noch nie bedroht worden, aber es gehe in erster Linie nicht nur darum, einen Überfall möglicherweise abzuwehren, sondern bei einem solchen auch nicht an Leib und Leben verletzt zu werden. Er gebe an, mit Waffen grundsätzlich keine Erfahrung zu haben, aber bereit zu sein, sich dementsprechend ausbilden zu lassen.
3 Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung führte das Verwaltungsgericht unter Bezugnahme auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes aus, es liege grundsätzlich am Waffenpasswerber, das Vorliegen eines Bedarfes zum Führen von Faustfeuerwaffen nachzuweisen bzw. die nach § 22 Abs. 2 WaffG geforderte besondere Gefahrenlage glaubhaft zu machen. Der Antragsteller müsse durch konkrete Angaben die für die Beantwortung der Bedarfsfrage wesentlichen tatsächlichen Umstände aufzeigen. Bloße Vermutungen und Befürchtungen einer möglichen Bedrohung reichten zur Dartuung einer Gefährdung nicht aus, solange sich Verdachtsgründe nicht derart verdichteten, dass sich schlüssig eine konkrete Gefährdung ergebe. Wenn der Revisionswerber eine besondere Gefahrenlage bei den Großveranstaltungen, die er betreut, darin sehe, dass er höhere Bargeldbeträge von seiner als „Kassenstelle“ bezeichneten Lokalität bis zu seinem PKW bringe, so reiche dies zur Begründung eines Bedarfs nicht aus.
Bei den vom Revisionswerber vorgebrachten Gründen liege mit Rücksicht auf die maßgebenden örtlichen und zeitlichen Umstände (unbeschadet der für jedermann bestehenden Gefahr, auch zur Tageszeit und in Gebieten mit günstigen Sicherheitsverhältnissen allenfalls Opfer eines räuberischen Überfalls zu werden) kein erhöhtes Sicherheitsrisiko vor, es fehle an einem Bedarf zum Führen von Faustfeuerwaffen.
Der Revisionswerber habe nicht glaubhaft machen können, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Ziel eines Angriffes bei den Geldtransaktionen werde bzw. dass die Gefahr von anderen durchgeführten Geldtransporten erheblich abweiche, zum anderen der Gebrauch einer genehmigungspflichtigen Schusswaffe im Fall eines Überfalles zweckmäßig bzw. erforderlich sei. Daran könne auch der gute Eindruck, den der Beschwerdeführer hinterlassen habe, nichts ändern.
Zusammengefasst sei es ihm nicht gelungen, das Vorliegen eines Bedarfes zum Führen genehmigungspflichtiger Schusswaffen nachzuweisen und glaubhaft zu machen, dass der in § 22 Abs. 2 WaffG geforderten besonderen Gefahrenlage, am zweckmäßigsten mit Waffengewalt wirksam begegnet werden könne.
4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die sich zu ihrer Zulässigkeit einerseits darauf stützt, dass Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage fehle, ob die vom Revisionswerber dargestellte Gefahr von jener erheblich abweiche, die bei anderen Geldtransporten bestehe (und daher einen Bedarf zur Führen von Schusswaffen der Kategorie B begründe). Andererseits habe das Verwaltungsgericht einen Verfahrensfehler begangen, indem es einen Beweisantrag des Revisionswerbers ignoriert habe.
5 Nach Einleitung des Vorverfahrens durch den Verwaltungsgerichtshof wurde keine Revisionsbeantwortung eingebracht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
6 Die Revision ist zulässig, weil das Verwaltungsgericht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Nichtaufnahme beantragter Beweise abgewichen ist. Sie ist im Ergebnis auch begründet.
7 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es allein Sache des Waffenpasswerbers, das Vorliegen eines Bedarfes zum Führen genehmigungspflichtiger Schusswaffen nachzuweisen und im Anwendungsbereich des § 22 Abs. 2 WaffG die dort geforderte besondere Gefahrenlage, der am zweckmäßigsten mit Waffengewalt wirksam begegnet werden kann, glaubhaft zu machen. Der Waffenpasswerber hat daher im Verwaltungsverfahren konkret und in substanzieller Weise im Einzelnen darzutun, woraus er für seine Person die geforderte besondere Gefahrenlage ableite, dass diese Gefahr für ihn gleichsam zwangsläufig erwachse und dass es sich hiebei um eine solche qualifizierte Gefahr handle, der am zweckmäßigsten mit Waffengewalt wirksam begegnet werden könne. Bloße Vermutungen und Befürchtungen einer möglichen Bedrohung reichen zur Dartuung einer Gefährdung nicht aus, solange sich Verdachtsgründe nicht derart verdichten, dass sich schlüssig eine konkrete Gefährdung ergibt. Es reicht also nicht aus, dass in bestimmten Situationen das Führen einer genehmigungspflichtigen Schusswaffe zweckmäßig sein kann, vielmehr ist zum einen glaubhaft zu machen, dass in derartigen Situationen eine genehmigungspflichtige Schusswaffe geradezu erforderlich ist und dass auf andere Weise der Bedarf nicht befriedigt, das bedarfsbegründende Ziel nicht erreicht werden kann; zum anderen ist erforderlich, dass der Antragsteller selbst mit einer hohen Wahrscheinlichkeit in die bedarfsbegründende Situation kommt (vgl. etwa VwGH 26.4.2011, 2010/03/0109, und 15.5.2023, Ra 2022/03/0281, je mwN).
8 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in einer Vielzahl von Erkenntnissen dargelegt, dass die Durchführung von Geldtransporten auch in den Abendstunden und selbst das Mitführen sehr hoher Geldbeträge nicht schon an sich eine solche Gefahr darstellt. Liegt mit Rücksicht auf die maßgebenden örtlichen und zeitlichen Umstände (unbeschadet der für jedermann bestehenden Gefahr, auch zur Tageszeit und in Gebieten mit günstigen Sicherheitsverhältnissen allenfalls das Opfer eines räuberischen Überfalls zu werden) kein erhöhtes Sicherheitsrisiko vor, fehlt es an einem Bedarf zum Führen von Faustfeuerwaffen (vgl. etwa VwGH 26.4.2007, 2007/03/0057, 26.4.2011, 2010/03/0109, 9.9.2015, Ra 2015/03/0050, und 10.12.2021, Ra 2021/03/0294, je mwN; zum Geldtransport von einem Restaurationsbetrieb in einem Schigebiet ins Tal vgl. VwGH 30.9.1998, 98/20/0358).
9 Es ist damit nicht erkennbar, dass das Verwaltungsgericht ausgehend von dem im Erkenntnis wiedergegebenen und damit der Entscheidung zu Grunde gelegten Antragsvorbringen von der diesbezüglich bestehenden, umfangreichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wäre.
10 Allerdings hat das Verwaltungsgericht wie die Revision zu Recht geltend macht übergangen, dass der Revisionswerber versucht hat, im Sinne der dargelegten Rechtsprechung ein ihn betreffendes erhöhtes Sicherheitsrisiko auf der Basis nicht bloß von Vermutungen und Befürchtungen, sondern verdichteter Verdachtsmomente darzulegen:
11 So hat er in der Beschwerde an das Verwaltungsgericht vorgebracht, auch bei der Großveranstaltung „B“ in B mit seinem Abrechnungs und Bargeldsystem tätig gewesen zu sein. Auf der B sei „neuerlich ein Überfall von Afghanen versucht“ worden. Zu diesem Vorbringen beantragte er ausdrücklich die Beischaffung der „entsprechenden Akten und Unterlagen, insbesondere des Abschlussberichts der für die B zuständigen Polizeibehörde zu jenem kürzlich geplanten Überfall von Afghanen auf die B“. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht sagte der Revisionswerber aus, dass er zwar selbst noch nicht bedroht worden sei, jedoch auf den Vorfall auf der B im September 2021 verweise, „wo eben tatsächlich so ein Überfall“ geplant gewesen, aber rechtzeitig vereitelt worden sei.
12 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist Beweisanträgen grundsätzlich zu entsprechen, wenn die Aufnahme des darin begehrten Beweises im Interesse der Wahrheitsfindung notwendig erscheint. Dementsprechend dürfen Beweisanträge nur dann abgelehnt werden, wenn die Beweistatsachen als wahr unterstellt werden, es auf sie nicht ankommt oder das Beweismittel an sich ungeeignet ist, über den Gegenstand der Beweisaufnahme einen Beweis zu liefern und damit zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhalts beizutragen (vgl. VwGH 30.1.2019, Ra 2018/03/0131, und 13.9.2023, Ra 2022/14/0221, je mwN).
13 Weil das Verwaltungsgericht die Nichtaufnahme des beantragten Beweises nicht begründet, sondern den Beweisantrag schlicht übergangen hat, ist für den Verwaltungsgerichtshof nicht überprüfbar, warum dem Beweisantrag nicht entsprochen worden ist. Schon auf Grund der fehlenden Begründung liegt daher ein Verfahrensmangel vor, dessen Relevanz für das Verfahrensergebnis im vorliegenden Fall nicht völlig ausgeschlossen werden kann und der daher zur Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses zu führen hat. Das Verwaltungsgericht wird somit im fortgesetzten Verfahren entweder dem Beweisantrag nachzukommen oder dessen Ablehnung entsprechend zu begründen haben.
14 Darüber hinaus leidet das angefochtene Erkenntnis an einer vorrangig aufzugreifenden inhaltlichen Rechtswidrigkeit:
15 Das Verwaltungsgericht hat - ebenso wie zuvor die belangte Behörde - die Antragsabweisung alleine darauf gestützt, dass der Revisionswerber keinen Bedarf zum Führen von Schusswaffen der Kategorie B iSd § 21 Abs. 2 erster Satz (iVm § 22 Abs. 2) WaffG nachgewiesen habe.
16 Wird das Vorliegen eines Bedarfs zum Führen von Schusswaffen der Kategorie B verneint, ist die Behörde wie auch das Verwaltungsgericht verpflichtet, auch ohne besonderes Vorbringen noch gesondert zu prüfen, ob nicht im Wege des § 10 iVm § 21 Abs. 2 letzter Satz WaffG, also im Rahmen einer Ermessensentscheidung, ein Waffenpass auszustellen ist. Fehlt die erforderliche Ermessensentscheidung, belastet dies eine einen Antrag auf Ausstellung eines Waffenpasses abweisende Entscheidung schon deshalb mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes (vgl. etwa VwGH 18.1.2021, Ra 2020/03/0125, und 16.11.2021, Ra 2021/03/0114, Rn 49, je mwN).
17 Indem das Verwaltungsgericht keine gesonderte Ermessensentscheidung getroffen und keine in deren Rahmen zu erfolgende Interessenabwägung vorgenommen hat, hat es das angefochtene Erkenntnis mit prävalierender Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet. Dieses war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
18 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 30. November 2023