Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pfiel sowie die Hofräte Mag. Eder und Dr. Eisner als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Herrmann Preschnofsky, in der Rechtssache der Revision des T N in W, vertreten durch Dr. Walter H. Anderl, Rechtsanwalt in 1180 Wien, Wallrißstraße 72/1, dieser vertreten durch Mag. a Nadja Lindenthal, Rechtsanwältin in 1070 Wien, Siebensterngasse 23/3, gegen das am 16. September 2021 mündlich verkündete und mit 29. Oktober 2021 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts, W280 2231035 1/24E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Der Revisionswerber ist serbischer Staatsangehöriger und stellte am 1. März 2016 nach vorangegangenen Anträgen auf Gewährung von Asyl in den Jahren 2002 und 2005 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).
2 Mit Bescheid vom 24. März 2020 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Revisionswerbers ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Serbien zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.
3 Nach Einbringung einer gegen diesen Bescheid gerichteten Beschwerde gab der bisherige Vertreter bekannt, dass das bestehende Vollmachtsverhältnis spätestens mit Schreiben vom 29. April 2020 aufgelöst worden sei.
4 Das Bundesverwaltungsgericht beraumte für den 16. September 2021 eine Verhandlung an, zu der es den Revisionswerber mit Ladung vom 5. August 2021 persönlich lud. Die Zustellung der Ladung erfolgte an einer näher angeführten Adresse, bei der es sich nach vom Bundesverwaltungsgericht eingeholter Auskunft aus dem Zentralen Melderegister vom 2. August 2021 um die (damalige) Unterkunft des Revisionswerbers handelte. In der Folge wurde das Schriftstück bei einer Postgeschäftsstelle hinterlegt. Eine Verständigung über die Hinterlegung wurde in der Abgabeeinrichtung an dieser Adresse eingelegt. Bis zum Ablauf der Abholfrist am 31. August 2021 wurde das Schriftstück nicht behoben und am darauffolgenden Tag an das Bundesverwaltungsgericht zurückgesendet.
5 Am 16. September 2021 führte das Bundesverwaltungsgericht eine Verhandlung in Abwesenheit des Revisionswerbers durch. In der Verhandlung wurden die Tochter und die vom Revisionswerber geschiedene Ehefrau vernommen.
6 Das Bundesverwaltungsgericht verkündete im Anschluss an die Verhandlung das Erkenntnis, mit dem es soweit für das gegenständliche Revisionsverfahren maßgeblich die Beschwerde des Revisionswerbers als unbegründet abwies (Spruchpunkt II.) und aussprach, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei. Über Antrag des Revisionswerbers wurde das Erkenntnis mit 29. Oktober 2021 schriftlich ausgefertigt.
7 Das Bundesverwaltungsgericht traf die Feststellungen, dass der Revisionswerber „seit Mai 2021“ bei seiner Schwester gelebt habe und er „ca. im Juni 2021“ zu seiner Großtante gezogen sei. Im Zusammenhang mit der Zustellung der Ladung zur Verhandlung stellte das Bundesverwaltungsgericht fest, der Revisionswerber habe die „ihm an seiner zum Zustellzeitpunkt aktuellen behördlichen Meldeadresse zugestellte Ladung“ nicht behoben. Der Revisionswerber habe weder gegenüber dem Bundesverwaltungsgericht noch der Behörde eine Änderung des Wohnsitzes oder der Abgabestelle bekanntgegeben.
8 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.
Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
10 Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit der Revision vor, das Bundesverwaltungsgericht sei aufgrund der Durchführung der Verhandlung in Abwesenheit des Revisionswerbers, obwohl diesem die entsprechende Ladung nicht zugestellt worden sei, von näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen. Der Revisionswerber sei zum Zeitpunkt der Ladung nicht an der Abgabestelle anwesend gewesen und habe nicht von der Hinterlegung verständigt werden können. Er sei nicht nur kurz vorübergehend abwesend gewesen, sondern sei „vielmehr überhaupt nicht mehr an jene Adresse, an die die Ladung gerichtet war, zurückgekehrt.“
11 Das Bundesverwaltungsgericht stellte disloziert fest, dass der Revisionswerber seine Abgabestelle während des Beschwerdeverfahrens geändert hat. Dieser Annahme tritt die Revision nicht entgegen.
12 Dass das Bundesverwaltungsgericht in diesem Zusammenhang vgl. § 8 Zustellgesetz von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wäre, macht der Revisionswerber nicht geltend. Das Vorbringen in der Revision erschöpft sich vielmehr in der Wiedergabe von Judikaturzitaten zur Frage, wann eine Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht unterbleiben darf, ohne aber konkret darzulegen, weshalb von keiner wirksamen Zustellung im vorliegenden Fall auszugehen sei.
13 Soweit der Revisionswerber auf § 17 Abs. 3 Zustellgesetz und § 24 Abs. 2 AsylG 2005 verweist, entfernt er sich vom festgestellten Sachverhalt, wonach er während des Verfahrens die Abgabestelle geändert und er es unterlassen hat, dem Bundesverwaltungsgericht diese Änderung unverzüglich mitzuteilen.
14 Mit dem bloßen Verweis auf „keine ausreichenden Feststellungen zum Zustellvorgang der Ladung“ vermag der Revisionswerber nicht aufzuzeigen, dass sich das angefochtene Erkenntnis infolge einer grundsätzlichen Verkennung der für verwaltungsgerichtliche Entscheidungen gemäß § 29 VwGVG maßgeblichen Begründungspflicht einer nachprüfenden Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof entzöge.
15 Werden so wie hier betreffend die in der Revision als Ermittlungs , Feststellungs und Begründungsmängel ins Treffen geführten Aspekte Verfahrensmängel als Zulassungsgründe geltend gemacht, so muss die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, bereits in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung dargetan werden. Dies setzt voraus, dass jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. etwa VwGH 21.6.2023, Ra 2023/20/0229, mwN).
16 Eine konkrete Relevanzdarstellung ist der Revision nicht zu entnehmen.
17 Der Revisionswerber macht in der Begründung für die Zulässigkeit der von ihm erhobenen Revision auch eine mangelhafte Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichtes in Zusammenhang mit den Feststellungen zu seinem Gesundheitszustand geltend.
18 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Beurteilung einer möglichen Verletzung des Art. 3 EMRK eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr („real risk“) einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat. Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK reicht nicht aus. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen.
19 Soweit es Erkrankungen betrifft, hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung festgehalten, dass im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, allerdings muss der Betroffene auch tatsächlich Zugang zur notwendigen Behandlung haben, wobei die Kosten der Behandlung und Medikamente, das Bestehen eines sozialen und familiären Netzwerks und die für den Zugang zur Versorgung zurückzulegende Entfernung zu berücksichtigen sind. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK. Solche liegen jedenfalls vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben, aber auch dann, wenn stichhaltige Gründe dargelegt werden, dass eine schwerkranke Person mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Zielstaat der Abschiebung oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ausgesetzt zu sein, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt.
20 Zum Erkrankungen betreffenden Aspekt hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) im Urteil (der Großen Kammer) vom 7. Dezember 2021, Savran/Dänemark, 57467/15 (auszugsweise in deutscher Sprache wiedergegeben in NLMR 6/2021, 508 ff), neuerlich (unter Hinweis auf EGMR [Große Kammer] 13.12.2016, Paposhvili/Belgien , 41738/10) betont, dass es Sache des Fremden ist, Beweise vorzulegen, die zeigen, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, er werde im Fall der Durchführung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme einem realen Risiko einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung ausgesetzt sein. Erst wenn solche Beweise erbracht werden, ist es Sache der Behörden des ausweisenden Staates, im Zuge der innerstaatlichen Verfahren jeden dadurch aufgeworfenen Zweifel zu zerstreuen und die behauptete Gefahr einer genauen Prüfung zu unterziehen, im Zuge derer die Behörden im ausweisenden Staat die vorhersehbaren Konsequenzen der Ausweisung auf die betroffene Person im Empfangsstaat im Lichte der dort herrschenden allgemeinen Lage und der persönlichen Umstände des Betroffenen erwägen müssen (Rn. 130). Die Verpflichtungen des ausweisenden Staats zur näheren Prüfung werden somit erst dann ausgelöst, wenn die oben genannte (hohe) Schwelle überwunden wurde und infolge dessen der Anwendungsbereich des Art. 3 EMRK eröffnet ist (Rn. 135; vom EGMR in der Rn. 140 auch als „Schwellentest “ [„threshold test“] bezeichnet, der bestanden werden muss, damit die weiteren Fragen, wie etwa nach der Verfügbarkeit und Zugänglichkeit einer angemessenen Behandlung, Relevanz erlangen (vgl. zum Ganzen etwa VwGH 25.4.2022, Ra 2022/20/0088, mwN, vgl. weiters umfänglich zur Prüfung, ob eine Verletzung des Art. 3 EMRK droht, VwGH 25.4.2022, Ra 2021/20/0448, mwN).
21 Dass derart außergewöhnliche Umstände gegeben sein könnten, wurde vom Revisionswerber allerdings nicht dargetan. Weitergehende Ermittlungen oder Feststellungen zur Erkrankung des Revisionswerbers stellten sich daher nicht als entscheidungswesentlich dar.
22 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und Abs. 3 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 18. Jänner 2024
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