Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pfiel sowie die Hofräte Mag. Eder und Dr. Horvath als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Herrmann-Preschnofsky, in den Rechtssachen der Revisionen von 1. K A, 2. Z J, 3. M A, 4. M A und 5. M A, alle in W, alle vertreten durch die Dr. Wilhelm Schlein Rechtsanwalt GmbH in 1010 Wien, Kohlmarkt 5/3, gegen die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts je vom 6. Juli 2021, 1. W240 2181842 1/26E, 2. W240 2220503 1/20E, 3. W240 2181843 1/17E, 4. W240 2220498 1/16E, und 5. W240 2220500 1/17E, jeweils betreffend Anerkennung als Flüchtling nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revisionen werden zurückgewiesen.
1 Der Erstrevisionswerber und die Zweitrevisionswerberin sind miteinander verheiratet und die Eltern des im Jahr 2007 geborenen Drittrevisionswerbers sowie der in den Jahren 2010 und 2011 geborenen Viert- und Fünftrevisionswerberin. Sie alle sind Staatsangehörige Afghanistans. Der Erst- und der Drittrevisionswerber stellten nach unrechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet am 29. November 2015 Anträge auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) mit der Begründung, der Vater des Erstrevisionswerbers habe einen jener Nomaden, die regelmäßig Felder und Vieh der Landwirtschaft der Familie geschädigt und deren Grundstücke in Beschlag genommen hätten, erschlagen, weswegen den Familienmitgliedern seither Rachehandlungen drohten.
2 Die übrigen Revisionswerberinnen wurden nach der Dublin III Verordnung am 5. März 2018 von Griechenland nach Österreich überstellt und stellten am selben Tag Anträge auf internationalen Schutz nach dem AsylG 2005. Die Zweitrevisionswerberin verwies zur Begründung der Anträge auf die Fluchtgründe ihres Ehemannes und brachte zudem vor, nach dessen Ausreise in Afghanistan von Männern misshandelt worden zu sein.
3 Mit den Bescheiden vom 17. November 2017 (betreffend den Erst- und Drittrevisionswerber) sowie vom 29. Mai 2019 (betreffend die übrigen Revisionswerberinnen) wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Anträge ab, erteilte jeweils keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen die revisionswerbenden Parteien jeweils eine Rückkehrentscheidung und stellte jeweils fest, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise legte die Behörde jeweils mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.
4 Die revisionswerbenden Parteien erhoben dagegen jeweils Beschwerden. Die gegen die Nichtzuerkennung des Status von Asylberechtigten erhobenen Beschwerden wies das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer Verhandlung mit den angefochtenen Erkenntnissen als unbegründet ab. Es erkannte den revisionswerbenden Parteien allerdings den Status von subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte jedem eine befristete Aufenthaltsberechtigung. Unter einem sprach es aus, dass die Erhebung einer Revision nach Art. 133 Abs. 4 B VG jeweils nicht zulässig sei.
5 Gegen die Nichtzuerkennung des Status von Asylberechtigten brachten die revisionswerbenden Parteien zunächst Beschwerden beim Verfassungsgerichtshof ein. Dieser lehnte deren Behandlung mit Beschluss vom 29. November 2021, E 2907 2911/2021 14, ab und trat sie unter einem dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
6 In der Folge wurden die vorliegenden Revisionen erhoben.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.
9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
10 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser als Rechtsinstanz tätig und im Allgemeinen nicht zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Einzelfall berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat. Der zur Rechtskontrolle berufene Verwaltungsgerichtshof ist nicht berechtigt, eine Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. VwGH 26.1.2023, Ra 2022/20/0410, mwN).
Dass die Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichtes insgesamt unvertretbar wäre, zeigt die Revision mit ihrer Kritik an einzelnen Ausführungen, weswegen es das Vorbringen von drohenden Rachehandlungen der Nomaden für unglaubwürdig erachte, nicht auf. Das gilt auch in Bezug auf die Erwägungen zum von der Zweitbeschwerdeführerin erstatteten Vorbringen.
11 Werden Verfahrensmängel wie hier Ermittlungs- und Begründungsmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass in der gesonderten Begründung der Zulässigkeit der Revision zumindest auf das Wesentliche zusammengefasst jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensmangels als erwiesen ergeben hätten. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist in konkreter Weise darzulegen (vgl. VwGH 24.1.2023, Ra 2022/20/0328, mwN).
Diesen Erfordernissen werden die vorliegenden Revisionen nicht gerecht. Denn es wird nicht hinreichend konkret dargelegt, welcher Sachverhalt bei Vermeidung der behaupteten Fehler hätte festgestellt werden können und inwiefern in rechtlicher Hinsicht für die revisionswerbenden Parteien ein günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können.
Vor diesem Hintergrund hängt das Schicksal der Revision von der Richtigkeit der weiteren, im Rahmen einer „Wahrunterstellung“ vorgenommenen (alternativen) Begründung nicht ab, sodass sich auch daraus die Zulässigkeit der Revision nicht ergibt (vgl. zur Unzulässigkeit der Revision bei einer tragfähigen Alternativbegründung VwGH 15.3.2021, Ra 2021/20/0043).
12 In den Revisionen werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revisionen waren daher gemäß § 34 Abs. 1 und Abs. 3 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 19. April 2023