JudikaturVwGH

Ra 2021/17/0075 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
03. Juni 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. Dr. Zehetner sowie die Hofräte Mag. Berger und Dr. Horvath als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des Bundesministers für Finanzen in 1010 Wien, Johannesgasse 5, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 1. April 2021, 1. LVwG S 2843/001 2019, und 2. LVwG S 2844/001 2019, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Mistelbach; mitbeteiligte Partei: H F in N, vertreten durch Dr. Patrick Ruth und MMag. Daniel Pinzger, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Am 26. November 2018 führten Organe der Finanzpolizei in den Räumlichkeiten der F GmbH eine glücksspielrechtliche Kontrolle durch.

2 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Mistelbach (belangte Behörde) vom 29. Oktober 2019 wurde dem Mitbeteiligten zur Last gelegt, während der genannten Kontrolle gegen die Mitwirkungspflicht gemäß § 50 Abs. 4 Glücksspielgesetz GSpG verstoßen zu haben. Er habe in seiner Eigenschaft als das zur Vertretung nach außen hin berufene Organ (handelsrechtlicher Geschäftsführer) der F GmbH, der Inhaberin von Glücksspieleinrichtungen (zwei Spielautomaten), den Organen der Abgabenbehörde die Durchführung von Testspielen nicht ermöglicht, weil er die Stromzufuhr zu diesen Glücksspielgeräten unterbrochen und die Datenleitung mit einem Seitenschneider durchtrennt habe. Dadurch habe er eine umfassende Überprüfung nicht ermöglicht. Gemäß § 52 Abs. 1 Z 5 GSpG verhängte die belangte Behörde über den Mitbeteiligten eine Geldstrafe (samt Ersatzfreiheitsstrafe) und schrieb ihm einen Beitrag zu den Verfahrenskosten vor.

3 Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (Verwaltungsgericht) wies mit dem angefochtenen Erkenntnis die dagegen gerichtete Beschwerde des Mitbeteiligten nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ab, wobei es den Spruch des Straferkenntnisses dahingehend änderte, dass dem Mitbeteiligten ausschließlich vorgeworfen wurde, die „Stromzufuhr zu den zu kontrollierenden Geräten nicht hergestellt zu haben“. Das Verwaltungsgericht setzte die Geldstrafe (sowie die Ersatzfreiheitsstrafe) und den Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens herab, präzisierte die herangezogene Sanktionsnorm und schrieb dem Mitbeteiligten keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens vor. Die Revision erklärte das Verwaltungsgericht nach Art. 133 Abs. 4 B VG für nicht zulässig.

4 Begründend führte das Verwaltungsgericht dazu aus, es habe nicht mit der für ein Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit festgestellt werden können, dass der Mitbeteiligte im Zuge der Kontrolle ein die Glücksspielgeräte versorgendes Datenkabel durchtrennt habe bzw. ob die Glücksspielgeräte überhaupt über eine Internetverbindung verfügt hätten. Laut den Zeugenaussagen der die Kontrolle durchführenden Organe seien die (keine spielbaren Glücksspiele anzeigenden) Monitore der Glücksspielgeräte nämlich unverändert geblieben, nachdem der Mitbeteiligte (in einem anderen Raum) ein Kabel durchgeschnitten habe. Es habe weiters nicht festgestellt werden können, ob es sich dabei überhaupt um ein Internetkabel gehandelt habe, weil dies ein erfahrenes Kontrollorgan zwar angenommen habe, dieses jedoch über keine einschlägige Ausbildung verfüge und nicht habe ausschließen können, dass es sich um ein anderes Kabel gehandelt habe. Es erscheine keineswegs ausgeschlossen, dass die Angabe des Mitbeteiligten, er habe ein Kabel seiner Satelliten TV Anlage (ohne Auswirkung auf die glücksspielrechtliche Kontrolle) durchgeschnitten, zuträfe, zumal dieser eine deren Installation betreffende Rechnung vom 27. November 2018 vorgelegt habe.

5 Die vorliegende Amtsrevision des Bundesministers für Finanzen (Amtsrevisionswerber) wendet sich dagegen, dass das Verwaltungsgericht das Durchtrennen der Datenleitung der Glücksspielgeräte vom Tatvorwurf ausgeschieden hat, sowie dagegen, dass daran anknüpfend die verhängte Strafe sowie der Beitrag des Mitbeteiligten zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens herabgesetzt wurden und dem Mitbeteiligten kein Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens vorgeschrieben wurde.

6 Der Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der er die kostenpflichtige Zurück , in eventu Abweisung der Revision beantragt.

7 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

10 Die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision erfolgt ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulassungsbegründung (vgl. VwGH 19.4.2023, Ra 2023/17/0061, mwN).

11 In den Ausführungen zur Zulässigkeit der Revision bringt der Amtsrevisionswerber vor, das Verwaltungsgericht hätte nicht davon ausgehen dürfen, dass der Tatvorwurf, wonach der Mitbeteiligte ein die Glücksspielgeräte versorgendes Datenkabel durchgeschnitten und (auch) dadurch seine Mitwirkungspflicht nach § 50 Abs. 4 GSpG verletzt habe, nicht habe hinreichend erwiesen werden können.

12 Im Einzelnen verweist der Amtsrevisionswerber darauf, dass nach näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Tatsache nicht erst dann als erwiesen anzunehmen sei, wenn sie mit „absoluter Sicherheit“ erweislich sei, sondern es genüge, wenn eine mögliche Feststellung andere Alternativen weniger wahrscheinlich erscheinen lasse.

13 Damit übersieht die Amtsrevision, dass im Verwaltungsstrafverfahren der aus § 45 Abs. 1 Z 1 VStG abgeleitete Grundsatz „in dubio pro reo“ anzuwenden ist.

14 Nach § 45 Abs. 1 Z 1 VStG ist von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet.

15 Der Grundsatz „in dubio pro reo“ gilt (nur) für jene Fälle, in denen im Wege des Beweisverfahrens und anschließender freier Würdigung der Beweise in dem entscheidenden Organ nicht mit Sicherheit die Überzeugung von der Richtigkeit des Tatvorwurfes erzeugt werden konnte; (nur) wenn nach Durchführung aller Beweise trotz eingehender Beweiswürdigung Zweifel an der Täterschaft des Beschuldigten verbleiben, hat nach dem genannten Grundsatz ein Freispruch zu erfolgen (vgl. VwGH 14.11.2018, Ra 2018/17/0165, mwN).

16 Im Revisionsfall hat das Verwaltungsgericht ein umfangreiches Ermittlungsverfahren samt Beweiswürdigung durchgeführt und die sich daraus ergebende Einschränkung des von der belangten Behörde erhobenen Tatvorwurfs damit begründet, dass zweifelhaft sei, ob der Mitbeteiligte während der glücksspielrechtlichen Kontrolle tatsächlich eine die vorgefundenen Glücksspielgeräte versorgende Datenleitung durchtrennt habe.

17 Damit hat das Verwaltungsgericht im Ergebnis den Grundsatz „in dubio pro reo“ angewendet. Dass dies zu Unrecht geschehen sei, vermag die Amtsrevision auch mit ihrem umfangreichen Vorbringen zur Beweiswürdigung nicht aufzuzeigen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt nämlich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 26.1.2024, Ro 2021/17/0013, mwN). Dass dies vorliegend der Fall wäre, zeigt die Amtsrevision jedoch nicht auf, zumal das Verwaltungsgericht seine Beurteilung, dass nicht hinreichend sicher sei, dass die Glücksspielgeräte bei Beginn der Kontrolle überhaupt mit dem Server verbunden waren, vertretbar auf Zeugenaussagen der Kontrollorgane in der mündlichen Verhandlung stützen konnte.

18 Dazu kommt, dass der an sich nur zur Rechtskontrolle berufene Verwaltungsgerichtshof nicht berechtigt ist, eine Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts auf ihre Richtigkeit hin zu beurteilen, das heißt sie mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Ablauf der Ereignisse bzw. ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. VwGH 15.12.2017, Ra 2017/17/0012, mwN).

19 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 3. Juni 2024

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