Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. Dr. Zehetner sowie die Hofräte Dr. Schwarz und Dr. Terlitza als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des A G in S, vertreten durch Mag. Carolin Seifriedsberger, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Spiegelgasse 19/23, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. April 2021, L512 1430459 5/2E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl),
Spruch
1. zu Recht erkannt:
Das angefochtene Erkenntnis wird insoweit, als damit die gegen den zugrunde liegenden Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10. März 2021 erhobene Beschwerde auch hinsichtlich Spruchpunkt V. dieses Bescheides (Verhängung eines befristeten Einreiseverbotes) abgewiesen wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
2. den Beschluss gefasst:
Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
1 Der Revisionswerber, ein pakistanischer Staatsangehöriger, stellte am 3. Oktober 2012 erstmals einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 6. November 2012 wurde der Antrag abgewiesen.
2 Die dagegen erhobene Beschwerde wies der Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 12. September 2013 als unbegründet ab.
3 Am 19. Mai 2014 stellte der Revisionswerber einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 17. Mai 2017 abgewiesen wurde. Unter einem erteilte das BFA dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen. Zudem erließ das BFA gegen den Revisionswerber eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Pakistan zulässig sei, und legte die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.
4 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Erkenntnis vom 28. September 2020 als unbegründet ab.
5 Der Revisionswerber kam seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach, sondern stellte am 28. Dezember 2020 einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 Abs. 1 AsylG 2005. Im Verfahren vor dem BFA beantragte der Revisionswerber zudem die Nachsicht von der Vorlage eines Reisedokumentes gemäß § 4 Abs. 1 Asylgesetz Durchführungsverordnung 2005 (AsylG DV 2005) ein.
6 Mit Bescheid des BFA vom 10. März 2021 wurden der Antrag auf Mängelheilung abgewiesen, der Antrag auf Erteilung des Aufenthaltstitels gemäß § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG 2005 zurückgewiesen, eine Rückkehrentscheidung erlassen und die Zulässigkeit der Abschiebung nach Pakistan festgestellt (Spruchpunkte I. bis IV.). Unter einem erließ das BFA ein auf die Dauer von 18 Monaten befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt V.). Schließlich wurde einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt und demzufolge keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkte VI. und VII.).
7 Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das BVwG mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab. Weiters sprach es aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
8 Das BVwG traf Feststellungen zum Aufenthalt des Revisionswerbers in Österreich, seinem Privat und Familienleben, seiner beruflichen Tätigkeit und der Situation in seinem Herkunftsstaat Pakistan. Der Revisionswerber sei strafrechtlich unbescholten. Weiters habe der Revisionswerber weder im Antrag auf Mängelheilung noch im Beschwerdeverfahren stichhaltige und nachvollziehbare Gründe für das Vorliegen einer Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Erlangung der erforderlichen Urkunden angeführt.
9 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Durchführung eines Vorverfahrens, in dessen Rahmen keine Revisionsbeantwortung erstattet wurde, erwogen hat:
10 Das Verwaltungsgericht stützte das Einreiseverbot auf § 53 Abs. 2 Z 3 FPG. In der Zulässigkeitsbegründung der Revision wird das Vorliegen der Voraussetzungen des § 53 Abs. 2 Z 3 FPG bestritten.
11 Nach dieser Bestimmung ist - unter weiteren Voraussetzungen - ein Einreiseverbot für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen, wenn der Drittstaatsangehörige wegen einer Übertretung dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist. Dazu finden sich jedoch keine Feststellungen im angefochtenen Erkenntnis.
12 Schon aus diesem Grund war das angefochtene Erkenntnis in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat insoweit, als damit die Beschwerde gegen Spruchpunkt V. des Bescheides der belangten Behörde (Verhängung eines befristeten Einreiseverbotes) abgewiesen wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
13 Im Übrigen erweist sich die Revision jedoch als nicht zulässig.
14 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
15 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
16 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
17 In der gesonderten Zulässigkeitsbegründung ist konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht und konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat. Lediglich pauschale Behauptungen erfüllen diese Voraussetzungen nicht (vgl. VwGH 31.8.2022, Ra 2022/17/0116, mwN).
18 Soweit der Revisionswerber zunächst vorbringt, dass eine Belehrung nach § 58 Abs. 11 AsylG 2005 nicht erfolgt sei, ist darauf zu verweisen, dass das Verwaltungsgericht ohnehin davon ausgegangen ist, dass der Revisionswerber einen Heilungsantrag betreffend die Vorlage eines Reisepasses gestellt habe.
19 Gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG DV 2005 ist dem Antrag auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels ein gültiges Reisedokument anzuschließen. Nach § 4 Abs. 1 AsylG DV 2005 kann die Behörde auf begründeten Antrag von Drittstaatsangehörigen die Heilung eines Mangels ua. nach § 8 zulassen, und zwar ua. zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinn des Art. 8 EMRK (Z 2) oder im Fall der Nichtvorlage erforderlicher Urkunden oder Nachweise, wenn deren Beschaffung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war (Z 3).
20 Mit den Ausführungen in der Zulassungsbegründung, dass die Identität des Revisionswerbers ohnehin feststehe, legt die Revision nicht dar, inwiefern die Voraussetzungen gemäß § 4 Abs. 1 AsylG DV 2005 vorlägen.
21 Soweit der Revisionswerber die vom Verwaltungsgericht durchgeführte Interessenabwägung gemäß Art. 8 EMRK bestreitet, ist auszuführen, dass eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG (vgl. VwGH 13.7.2022, Ra 2022/17/0035, mwN) ist.
22 In der Revision wird nicht aufgezeigt, dass sich das BVwG von diesen Leitlinien entfernt hätte oder die im Einzelfall ohnehin unter Einbeziehung der vom Revisionswerber ins Treffen geführten Umstände vorgenommene Abwägung unvertretbar erfolgt wäre (vgl. schon VwGH 9.2.2021, Ra 2021/01/0039).
23 Zudem ist darauf hinzuweisen, dass immer dann, wenn Verfahrensmängel als Zulässigkeitsgründe ins Treffen geführt werden, auch schon in der Zulässigkeitsbegründung die Relevanz, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden muss. Dies setzt voraus, dass - auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist in konkreter Weise darzulegen (vgl. VwGH 14.3.2022, Ra 2021/17/0176 bis 0179, mwN).
24 Diesen Anforderungen wird die Zulässigkeitsbegründung der Revision nicht gerecht. Es werden allgemein Verfahrensfehler für das Vorliegen einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung ins Treffen geführt, jedoch ohne konkret anzugeben, welche Tatsachen bei deren Vermeidung erwiesen worden wären und weshalb ein für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können.
25 Somit zeigt die Revision, soweit sie sich gegen die Abweisung der Beschwerde gegen die übrigen Spruchpunkte des angefochtenen Bescheides richtet, keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf. Sie war daher in dem soeben bezeichneten Umfang gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
26 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere auf § 50 VwGG, in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 19. April 2023