Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger und die Hofräte Dr. Mayr sowie Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Vonier, über die Revision der Datenschutzbehörde in 1030 Wien, Barichgasse 40-42, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. Mai 2020, Zl. W274 2230639 1/3E, betreffend Zurückverweisung nach § 28 Abs. 3 VwGVG in einer datenschutzrechtlichen Angelegenheit (weitere Partei: Bundesministerin für Justiz; mitbeteiligte Parteien: 1. Mag. C B in S und 2. F P in W, vertreten durch Mag. Dr. Reinhard Selendi Rechtsanwalts KG in 4600 Wels, Freiung 14), den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Der Erstmitbeteiligte erhob am 30. August 2019 bei der Datenschutzbehörde (Amtsrevisionswerberin) eine Datenschutzbeschwerde, in der er zusammengefasst eine Verletzung im Recht auf Geheimhaltung durch den Zweitmitbeteiligten durch Betreiben einer auf einer Holzhütte auf einem näher genannten Grundstück angebrachten Videokamera, die regelmäßig das am Parkplatz einer näher genannten Wohnhausanlage abgestellte Fahrzeug des Erstmitbeteiligten sowie den Erstmitbeteiligten beim Vorbeigehen bzw. auf dem Weg vom Parkplatz zu seiner Wohnung erfasst habe, geltend machte.
2 Der Zweitmitbeteiligte bestritt eine Videoüberwachung. Tatsächlich habe er für kurze Zeit eine „Radaranlage“ betrieben, die keine Videoaufnahmen mache. Selbst wenn es eine Videoüberwachung gegeben hätte, hätte diese nur seine Einfahrt überwacht.
3 Mit Bescheid vom 19. Mai 2020 wies die Amtsrevisionswerberin ausschließlich auf Basis der schriftlichen Stellungnahmen der beiden Mitbeteiligten und der damit vorgelegten Lichtbilder ohne weiteres Ermittlungsverfahren die Datenschutzbeschwerde ab und begründete dies im Wesentlichen damit, es könne nicht festgestellt werden, „dass es sich bei dem an der vom Beschwerdeführer [wohl richtig gemeint: vom Beschwerdegegner] verwendeten Holzhütte installierten und mittlerweile entfernten Gerät um eine funktionstüchtige Kamera gehandelt“ habe. Mangels Vorhandensein einer Bildverarbeitungsanlage könne nicht festgestellt werden, dass Daten des Erstmitbeteiligten verarbeitet worden seien. Das „erforderliche Beweismaß für eine Feststellung gemäß § 45 Abs. 2 AVG, dass [d]eine funktionstüchtige Kamera tatsächlich vorhanden“ gewesen sei „und in weiterer Folge Daten des Beschwerdeführers erfasst“ habe, sei nicht erreicht worden.
4 Der gegen diesen Bescheid vom Erstmitbeteiligten erhobenen Beschwerde gab das Bundesverwaltungsgericht (Verwaltungsgericht) mit dem angefochtenen Beschluss Folge, hob den Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG auf, verwies die Angelegenheit zur Verfahrensergänzung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Amtsrevisionswerberin zurück und sprach aus, dass die Revision unzulässig sei.
5 Begründend führte das Verwaltungsgericht zusammengefasst aus, vorliegend sei wesentlich, ob der Erstmitbeteiligte [richtig wohl gemeint: Zweitmitbeteiligte] eine Videokamera betrieben habe. Die Amtsrevisionswerberin habe ihre Ermittlungen dazu auf mehrmaliges Einholen von Stellungnahmen beschränkt. Entgegen der Auffassung der Amtsrevisionswerberin, sie habe dem Erstmitbeteiligten die Möglichkeit gegeben, geeignete Beweise vorzulegen bzw. das Vorbringen des Zweitmitbeteiligten substantiiert zu widerlegen, seien vorliegend nicht Fragen der freien Beweiswürdigung bzw. des Beweismaßes relevant, sondern des Umfangs der Ermittlungspflicht. Diese sei im Einzelfall aufgrund des Tatsachenvorbringens sowie des „Bestreitungsvorbringens“ und der Überlegung, welche Beweisaufnahmen möglich seien, zu bestimmen. Regelmäßig werde einem Beschwerdeführer zum Beweis der Unzulässigkeit einer Bildverarbeitung kein anderes Beweismittel zur Verfügung stehen, als Lichtbilder der Anlage bzw. die Vernehmung der Parteien und von Zeugen über eine augenscheinlich zur Bildaufnahme geeignete Anlage. Die Amtsrevisionswerberin lasse offen, mit welchen Beweismitteln der Erstmitbeteiligte das bestreitende Vorbringen des Zweitmitbeteiligten substantiiert hätte widerlegen können. Näher dargelegte Zweifel am Vorbringen des Zweitmitbeteiligten hätte die Amtsrevisionswerberin dazu veranlassen müssen, das Ermittlungsverfahren nicht auf die Einholung von Stellungnahmen zu beschränken, sondern Beweise aufzunehmen und zumindest die beiden Mitbeteiligten zu befragen. Die Unterlassung dieser erforderlichen Ermittlungsschritte begründe „krasse bzw. besonders gravierende Ermittlungslücken“ iSd § 28 Abs. 3 VwGVG. Die Frage des Beweismaßes bzw. der freien Beweiswürdigung stelle sich erst auf Basis der Erfüllung der Verpflichtung zur amtswegigen Wahrheitserforschung. Insbesondere im Hinblick auf die durch die erforderliche Gerichtsbesetzung des Verwaltungsgerichts schwierige Terminfindung zur Durchführung solcher Beweisaufnahmen liege die Nachholung dieser Ermittlungsschritte auch im Interesse der Raschheit iSd § 28 Abs. 3 VwGVG.
6 Dagegen richtet sich die Amtsrevision der Datenschutzbehörde verbunden mit einem Aufhebungsantrag. Der Erstmitbeteiligte beantragte in der nach Einleitung des Vorverfahrens durch den Verwaltungsgerichtshof eingebrachten eigenhändigen Revisionsbeantwortung die Abweisung der Revision.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B VG).
8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
10 Zur Zulässigkeit der Revision bringt die Amtsrevisionswerberin zusammengefasst vor, der angefochtene Beschluss weiche von näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Vorliegen der Voraussetzungen der Zurückverweisung der Sache an die entscheidende Behörde gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG ab. Es lägen keine derart krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken vor, die nur durch eine Zurückverweisung geschlossen werden könnten. Vielmehr hätten die vom Verwaltungsgericht geforderten Ermittlungsschritte von diesem selbst ohne großen Aufwand gesetzt werden können.
11 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis steht diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 VwGVG verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (vgl. zu alldem VwGH 28.5.2020, Ra 2019/11/0135, Rn. 22, mwN).
12 Die fallbezogene Anwendung des § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG berührt unter Berücksichtigung der vom Verwaltungsgerichtshof vorgegebenen Auslegung dieser Bestimmung dann keine grundsätzliche Rechtsfrage, wenn sich das vom Verwaltungsgericht solcherart erzielte Ergebnis als vertretbar erweist (vgl. VwGH 8.8.2019, Ra 2018/04/0115, Rn. 18, mwN).
13 Vorliegend hat die Amtsrevisionswerberin trotz einander widersprechender Behauptungen der Mitbeteiligten zur zentralen, im Verfahren über die Datenschutzbeschwerde des Erstmitbeteiligten zu klärenden Tatfrage des Betriebs einer Videokamera durch den Zweitmitbeteiligten unter Einbeziehung öffentlicher Verkehrsflächen bzw. des privaten Bereichs des Erstmitbeteiligten entgegen der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Unzulänglichkeit bloßer schriftlicher Stellungnahmen zu strittigen Tatfragen (vgl. etwa VwGH 9.5.2017, Ro 2014/08/0065; 10.11.2022, Ra 2021/08/0095, Rn. 13, jeweils mwN) sich mit den schriftlichen Stellungnahmen der Mitbeteiligten begnügt und lediglich diese beweisgewürdigt. Davon ausgehend ist das Verwaltungsgericht von der in Rn. 11 wiedergegebenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG nicht abgewichen, wenn es zum Ergebnis gelangte, dass die Amtsrevisionswerberin zum maßgeblichen Sachverhalt bestenfalls bloß ansatzweise ermittelt hat. Hingegen konnte die Amtsrevision mit der lediglich allgemeinen Behauptung eines Abweichens des angefochtenen Beschlusses von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in ihrer Zulässigkeitsbegründung nicht aufzeigen, dass das Verwaltungsgericht die Leitlinien der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht beachtet hätte.
14 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 10. März 2023
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