Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler und den Hofrat Dr. Strohmayer als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision des Arbeitsmarktservice Wien, 1100 Wien, Laxenburger Straße 18, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 29. Jänner 2019, Zl. W141 2210270-1/5E, betreffend Einstellung der Notstandshilfe (mitbeteiligte Partei: I K in W, vertreten durch Mag. Heike Sporn, Rechtsanwältin in 1170 Wien, Taubergasse 64), zu Recht erkannt:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufgehoben.
1 Mit Bescheid vom 11. Jänner 2018 hat das revisionswerbende Arbeitsmarktservice (in der Folge: AMS) die Notstandshilfe an die Mitbeteiligte gemäß § 38 iVm § 24 Abs. 1 AlVG ab dem 1. Dezember 2017 eingestellt, weil diese in Anbetracht einer selbständigen Tätigkeit als Gastwirtin nicht verfügbar sei. Ihre selbständige Erwerbstätigkeit nehme sie täglich von mindestens 9:00 Uhr bis 16:00 Uhr in Anspruch.
2 Die Mitbeteiligte erhob Beschwerde.
3 Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis hat das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde stattgegeben und den angefochtenen Bescheid ersatzlos behoben. Der Revisionswerberin gebühre ab 1. Dezember 2017 Notstandshilfe im gesetzlichen Ausmaß. 4 Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Revision. Die Mitbeteiligte hat eine Revisionsbeantwortung erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Revision beantragt.
6 Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
7 Das AMS führt zur Zulässigkeit der Revision aus, das angefochtene Erkenntnis schildere nur den Verfahrensverlauf, treffe aber keine Sachverhaltsfeststellungen. Die Mitbeteiligte habe angegeben, grundsätzlich zwischen 9:00 Uhr und 16:00 Uhr in ihrem Lokal Cafe R. "aufhältig" gewesen zu sein. Sie habe sohin an sechs Tagen in der Woche jeweils zumindest sieben Stunden in ihrem Kaffeehaus verbracht. Gerade bei einer Betreiberin eines Kaffeehauses sei die Annahme gerechtfertigt, dass diese sich nicht zur Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung bereit halte und sie daher nicht verfügbar sei. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, wonach die Mitbeteiligte der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stehe, weiche "von der grundsätzlichen Sichtweise des VwGH zur erforderlichen Mindestverfügbarkeit selbständig erwerbstätiger Personen ab". 8 Die Revision ist aus den genannten Gründen zulässig. Sie ist auch berechtigt.
9 Das Bundesverwaltungsgericht schildert in dem angefochtenen Erkenntnis unter der Überschrift "Feststellungen (entscheidungswesentlicher Sachverhalt)" mit erheblichem Aufwand den (aus dem Verwaltungsakt ohnehin ersichtlichen) Verfahrensgang. Eigentliche Sachverhaltsfeststellungen werden nur rudimentär und über die gesamte Begründung verteilt getroffen (vgl. zu den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Entscheidungsbegründung VwGH 2.10.2018, Ra 2017/08/0090).
10 In seiner rechtlichen Beurteilung hebt das Bundesverwaltungsgericht hervor, dass sich für den erkennenden Senat "eindeutig" ergeben hätte, dass die Mitbeteiligte "ihr Lokal bei Aufnahme einer vollversicherungspflichtigen Beschäftigung sofort zurückgegeben hätte und die Beschäftigung auch angenommen hätte". Das Bundesverwaltungsgericht schließt dies daraus, dass die Mitbeteiligte an Kursen und Informationsveranstaltungen teilgenommen und sich um die Aufnahme von Beschäftigungen beworben habe. Die Mitbeteiligte habe sich trotz ihrer zeitlichen Inanspruchnahme durch die Führung eines Cafes iSd § 7 Abs. 3 Z 1 AlVG zur Aufnahme einer Beschäftigung bereit gehalten. 11 Demgegenüber hat der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen, dass sich das Fehlen der Verfügbarkeit (insbesondere bei faktischen Inanspruchnahmen freiwilliger Natur) aus Umständen ergibt, wonach in aller Regel angenommen werden kann, dass die Arbeitslose nicht an einer entsprechenden neuen Beschäftigung, sondern vorwiegend an anderen Zielen interessiert ist. Insbesondere bedeutet eine intensive Inanspruchnahme der Arbeitslosen durch eine selbständige Tätigkeit eine Bindung faktischer Art, die erst beseitigt werden müsste, damit eine die Arbeitslosigkeit beendende Beschäftigung aufgenommen werden könnte. Solange dies nicht tatsächlich geschehen ist, ist Verfügbarkeit nicht gegeben.
12 Für die Annahme einer Verfügbarkeit reicht es daher grundsätzlich nicht aus, die Arbeitswilligkeit dadurch begründen zu wollen, dass (im Zuge einer in Aussicht gestellten "Flexibilität" der Arbeitslosen) die Bereitschaft erklärt wird, die genannte Inanspruchnahme zu beenden und jede vom AMS vermittelte Beschäftigung anzunehmen, wenn auf Grund konkreter Umstände - wie hier auf Grund des Eigeninteresses der Mitbeteiligten an der Fortsetzung ihrer selbständigen Tätigkeit, das ihr Interesse an der Beendigung der Arbeitslosigkeit beeinträchtigt - Grund zur Annahme besteht, dass im Hinblick auf die anzunehmende zeitliche Beanspruchung der Arbeitslosen nicht die Eingliederung in den Arbeitsmarkt, sondern die Betätigung in anderen Bereichen das von ihr verfolgte Ziel ist (VwGH 23.6.2017, Ra 2016/08/0179).
13 Die Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes, die Mitbeteiligte habe sich iSd § 7 Abs. 3 Z 1 AlVG zur Aufnahme einer Beschäftigung bereit gehalten, ist verfehlt.
14 Das angefochtene Erkenntnis war gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufzuheben.
Wien, am 15. Mai 2019
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