Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Lehofer sowie die Hofrätin Mag. Rehak und den Hofrat Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision der A T in M, vertreten durch Dr. Josef Pfurtscheller, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Templstraße 1, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 15. Mai 2019, LVwG 2017/42/2545 2, betreffend einen baupolizeilichen Auftrag (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Gemeinde Mutters; weitere Partei: Tiroler Landesregierung), den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Soweit für den gegenständlichen Revisionsfall relevant, wurde mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol (LVwG) die Beschwerde der Revisionswerberin gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bürgermeisters der Gemeinde Mutters (belangte Behörde) vom 13. September 2017, mit dem der Revisionswerberin gemäß § 39 Abs. 1 Tiroler Bauordnung 2011 (TBO 2011) die Abtragung und gänzliche Entfernung des auf einem näher genannten, in ihrem Eigentum stehenden Grundstück der KG M. errichteten Mehrfamilienhauses mit Garage aufgetragen worden war, unter Neufestlegung der Leistungsfrist als unbegründet abgewiesen. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für unzulässig erklärt.
2 In seinen rechtlichen Erwägungen hielt das LVwG unter anderem fest, unstrittig habe für das verfahrensgegenständliche Wohnhaus samt Garage weder zum Zeitpunkt der Erlassung der bekämpften behördlichen Entscheidung ein Baukonsens bestanden noch bestehe zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses ein Baukonsens. Der baupolizeiliche Auftrag gemäß § 39 Abs. 1 TBO 2011, nunmehr wortgleich § 46 Abs. 1 Tiroler Bauordnung 2018 (TBO 2018), in Spruchpunkt I. des Bescheides der belangten Behörde sei sohin zu Recht ergangen und diesem komme auch nach wie vor Berechtigung zu.
3 Zum Antrag der Revisionswerberin, das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung über ein neuerliches Bauansuchen der Revisionswerberin (ohne Freitreppenanlage und mit korrigierter Höhe der Stützmauer) zur Erzielung eines Baukonsenses auszusetzen, verwies das LVwG auf § 46 Abs. 3 TBO 2018, aus dessen klarem Wortlaut sich ergebe, dass für die Behörde ein Zuwarten bzw. Aussetzen des Verfahrens nach § 46 Abs. 1 TBO 2018 nicht gesetzlich geboten sei, sondern es sich dabei um eine „Kann-Bestimmung“ handle.
4 Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zur Prüfung eines baupolizeilichen Auftrages nach § 46 Abs. 1 TBO 2018 stelle die Frage des Vorliegens bzw. Nichtvorliegens einer erforderlichen Baubewilligung keine Vorfrage nach § 38 AVG dar, sodass für das LVwG die Voraussetzungen für eine Aussetzung gegenständlich nicht vorlägen; es könne daher dem diesbezüglichen Antrag keine Berechtigung zukommen.
5 Im Übrigen könnten nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes Beseitigungsaufträge zwar ungeachtet eines anhängigen Bewilligungsverfahrens erlassen, aber erst nach rechtskräftiger Abweisung oder Zurückweisung des Ansuchens vollstreckt werden.
6 Gegen das angefochtene Erkenntnis (im dargestellten Spruchumfang) richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
10 In der Zulässigkeitsbegründung der Revision wird vorgebracht, im vorliegenden Fall gehe es um die Erlassung eines Beseitigungsauftrages für ein bereits errichtetes Bauwerk, dem jedoch nachträglich die baubehördliche Bewilligung entzogen worden sei. Zwischenzeitlich sei hinsichtlich des errichteten Bauprojekts (mit Abänderungen) ein neuerliches Bewilligungsansuchen bei der Erstbehörde eingebracht worden. Es sei daher die Rechtsfrage zu beurteilen, ob die Erlassung eines Entfernungsauftrages durch die belangte Behörde bei der gegebenen Sachlage überhaupt zulässig gewesen sei und die belangte Behörde verpflichtet gewesen wäre, das Beseitigungsverfahren bis zur rechtskräftigen Erledigung über das Bauansuchen auszusetzen. Diese Rechtsfrage habe das LVwG entgegen der herrschenden Judikatur entschieden.
11 Damit stützt die vorliegende Revision ihre Ausführungen zur Zulässigkeit auf ein behauptetes Abweichen des angefochtenen Erkenntnisses von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes.
12 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wird den an die gesetzmäßige Ausführung der Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gestellten Anforderungen nicht entsprochen, wenn die revisionswerbende Partei bloß allgemein behauptet, das Verwaltungsgericht sei von höchstgerichtlicher Rechtsprechung abgewichen, ohne konkret bezogen auf den Sachverhalt unter Angabe zumindest einer nach Datum und Geschäftszahl bezeichneten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes darzutun, von welcher hg. Rechtsprechung ihrer Ansicht nach das Verwaltungsgericht in welchen Punkten abgewichen sein soll (vgl. etwa VwGH 8.11.2021, Ra 2021/05/0146; 25.5.2022, Ra 2022/06/0069, jeweils mwN). Eine derartige Darlegung fehlt in der vorliegenden Revision.
13 Die Revisionswerberin bestreitet im Übrigen nicht, dass fallbezogen die Voraussetzungen gemäß § 39 Abs. 1 TBO 2011 bzw. § 46 Abs. 1 TBO 2018 zur Erteilung eines Beseitigungsauftrages vorliegen.
14 Mit seinen Darlegungen, dass nach ständiger hg. Rechtsprechung Beseitigungsaufträge zwar ungeachtet eines anhängigen Bewilligungsverfahrens erlassen, aber erst nach rechtskräftiger Abweisung oder Zurückweisung des Ansuchens vollstreckt werden könnten, ist das LVwG nicht von der hg. Judikatur abgewichen (vgl. VwGH 23.11.2010, 2008/06/0070; 12.11.2012, 2012/06/0124, jeweils mwN).
15 Hinsichtlich der in Rede stehenden Bestimmung des § 39 Abs. 3 TBO 2011 (bzw. § 46 Abs. 3 TBO 2018) ist anzumerken, dass sich der Gesetzgeber anlässlich der Novellierung der Bauordnung im Jahre 2011 mit der Problematik des Verfahrensablaufes im Falle des Vorliegens der Voraussetzungen des § 39 TBO 2011 zur Erteilung eines Bauauftrages ausdrücklich auseinandergesetzt und § 39 Abs. 3 TBO 2011 durch die Einfügung der Möglichkeit des Zuwartens mit der Einleitung des Auftragsverfahrens oder seiner Aussetzung, wenn nachträglich um Baubewilligung angesucht wurde, ergänzt hat (vgl. dazu in anderem Zusammenhang auch VwGH 25.4.2018, Ra 2018/06/0044, mwN). Dabei handelt es sich um eine „Kann-Bestimmung“.
16 Die Frage des gemäß § 39 Abs. 3 TBO 2011 bzw. § 46 Abs. 3 TBO 2018 grundsätzlich möglichen Zuwartens oder Aussetzens des Verfahrens nach § 39 Abs. 1 TBO 2011 bzw. § 46 Abs. 1 TBO 2018 bis zum rechtskräftigen Abschluss des Bauverfahrens ist in jedem Einzelfall zu beurteilen. Fragen, die nur den Einzelfall betreffen, berühren keine Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung würde nur dann vorliegen, wenn die im Einzelfall vorgenommene Beurteilung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise erfolgt wäre bzw. wenn eine krasse Fehlbeurteilung im Sinne eines Missbrauches oder eines Überschreitens des eingeräumten Ermessens vorläge (vgl. etwa VwGH 30.9.2021, Ro 2018/06/0013 und 0014, mwN; vgl. ferner erneut VwGH 8.11.2021, Ra 2021/05/0146, mwN). Derartiges wird in der Zulässigkeitsbegründung der Revision jedoch nicht vorgebracht.
17 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 27. Juli 2022
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