JudikaturVwGH

Ra 2016/16/0072 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
25. April 2017

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und den Hofrat Dr. Mairinger sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Baumann, über die Revision der Mag. R K in B, vertreten durch Dr. Robert Fuchs, Rechtsanwalt in 4300 St. Valentin, Hauptplatz 1, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 9. Juni 2016, Zl. RV/7100455/2016, betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen für den Zeitraum Mai bis September 2014 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Finanzamt Hollabrunn Korneuburg Tulln), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

1 Mit Bescheid vom 28. Oktober 2014 forderte das Finanzamt von der Revisionswerberin die für ihre ältere Tochter im Zeitraum Mai bis September 2014 bezogene Familienbeihilfe sowie Kinderabsetzbeträge iHv insgesamt EUR 1.330,66 zurück.

2 In der dagegen erhobenen Beschwerde vom 23. November 2014 brachte die Revisionswerberin zusammengefasst vor, ihre Tochter habe sich im strittigen Zeitraum in Berufsausbildung befunden. Ihre Tochter habe keine Kenntnis davon gehabt, dass sie von der Universität Wien exmatrikuliert worden sei. Daher habe sie auch noch in den Monaten Mai und Juni 2014 Vorlesungen an der rechtswissenschaftlichen Fakultät besucht. Darüber hinaus habe sie am 4. Juni 2014 am Institut für Römisches Recht eine Prüfung erfolgreich abgelegt. Dies habe sie dem Finanzamt auch bekannt gegeben. Die strittigen Beträge habe sie gutgläubig für Ausgaben ihrer Tochter verwendet.

3 Mit Beschwerdevorentscheidung vom 25. August 2015 wies das Finanzamt die Beschwerde der Revisionswerberin ab. Die Tochter der Revisionswerberin habe es verabsäumt, sich fristgerecht zur Fortsetzung des Studiums zu melden. Daher sei es ihr nicht möglich gewesen, beim Finanzamt eine Fortsetzungsbestätigung für das Sommersemester 2014 vorzulegen. Zumindest nach Ablauf der Nachfrist, in der eine Meldung der Fortsetzung noch möglich gewesen wäre, liege keine Berufsausbildung iSd Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 mehr vor.

4 Im Vorlageantrag vom 24. September 2015 wandte sich die Revisionswerberin u.a. gegen die Ansicht des Finanzamts, wonach sich ihre Tochter nicht fristgerecht zur Fortsetzung des Studiums gemeldet habe. Die Einzahlung des vorgeschriebenen Studierendenbeitrags für das Sommersemester 2014 sei laut beigelegter Kontoinformation am 5. Februar 2014 erfolgt. Daher sei die Tochter auch im Sommersemester 2014 zum dritten Mal zur "STEOP-Prüfung" zugelassen worden. Diese Prüfung habe die Tochter am 9. April 2014 schriftlich abgelegt. Am 2. Mai 2014 sei das negative Ergebnis bekannt gegeben und die Tochter, wie dies der beigelegten Bestätigung des StudienServiceCenters vom 18. September 2015 zu entnehmen sei, vom Studium der Rechtswissenschaften abgemeldet worden. Da die Fortsetzung des Studiums der Rechtswissenschaften an der Universität Wien zumindest zwei Semester lang nicht möglich gewesen sei, habe die Tochter der Revisionswerberin im Wintersemester 2014 an der Fachhochschule das Bachelor-Studium "Europäische Wirtschaft und Unternehmensführung" aufgenommen.

5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde der Revisionswerberin ab. Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens führte das Bundesfinanzgericht aus, es sei "unbestritten", dass die Tochter der Revisionswerberin ihrer Verpflichtung, sich fristgerecht zur Fortsetzung des Studiums zu melden, nicht entsprochen habe. Ebenso "stehe außer Streit", dass sie im Sommersemester 2014 nicht mehr an der Universität Wien inskribiert gewesen sei. Die Exmatrikulation sei mit Ende des Wintersemesters 2013/2014 erfolgt, sodass sich die Tochter der Revisionswerberin ab diesem Zeitpunkt nicht mehr in Berufsausbildung befunden habe. Daran könne auch die Einzahlung des Studienbeitrags und die Ablegung einer Prüfung am 19. Juni 2014 nichts ändern, sei doch nach § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 die Aufnahme als ordentlicher Hörer Voraussetzung für den Anspruch auf Familienbeihilfe im ersten Studienjahr. Die Einzahlung des Studienbeitrags ersetze nicht die gesetzlich geforderte Meldung zur Studienfortsetzung nach § 62 Abs. 2 Z 1 Universitätsgesetz 2002 (UG). Die Unterlassung der rechtzeitigen Fortsetzungsmeldung führe nach § 68 UG zur automatischen Exmatrikulation. Da die Tochter der Revisionswerberin im Oktober 2014 das Studium gewechselt habe, sei davon auszugehen, dass im Zusammenhang mit der unterlassenen Fortsetzungsmeldung im Sommersemester 2014 auch der Wille, die Ausbildung an der Universität Wien im Zeitraum ab Mai 2014 ernsthaft und zielstrebig zu verfolgen, nicht mehr bestanden habe.

6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verfahrensakten - eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

7 In der Revision wird zur Zulässigkeit u.a. vorgebracht, das Bundesfinanzgericht setze sich über den klaren Wortlaut des § 4 Abs. 1 Universitäts-Studienevidenzverordnung 2004 (UnivStEV 2004) hinweg, wonach die Einzahlung des Studienbeitrages die Meldung der Fortsetzung bewirke, sofern diese nicht studienrechtlich unzulässig sei.

8 Die Revision ist zulässig und berechtigt.

9 Nach § 62 Abs. 1 Universitätsgesetz 2002 (UG), BGBl. I Nr. 120/2002, sind die Studierenden verpflichtet, innerhalb der allgemeinen Zulassungsfrist oder der Nachfrist jedes Semesters der Universität, an der eine Zulassung zum Studium besteht, die Fortsetzung des Studiums zu melden.

10 § 4 Abs. 1 Universitäts-Studienevidenzverordnung 2004 (UniStEV 2004), BGBl. II 288/2004, bestimmt, dass die ordnungsgemäße Einzahlung des Studienbeitrages und des Studierendenbeitrages einschließlich allfälliger Sonderbeiträge an jener Universität, auf deren Studienbeitragskonto eingezahlt wurde, die Meldung der Fortsetzung für jedes Studium der oder des betreffenden Studierenden bewirkt, sofern nicht die Fortsetzungsmeldung studienrechtlich unzulässig ist.

11 Der Ansicht des Bundesfinanzgerichts, wonach die Tochter der Revisionswerberin neben der Einzahlung des vorgeschriebenen Studierendenbeitrags eine gesonderte Meldung der Studienfortsetzung hätte vornehmen müssen, ist aufgrund der insoweit eindeutigen Rechtslage des § 4 Abs. 1 UniStEV 2004 nicht zu folgen (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 25. November 2015, Ro 2015/10/0032).

12 Da das Bundesfinanzgericht die Rechtslage verkannt und es daher nicht für erforderlich erachtet hat, sich mit dem Vorbringen der Revisionswerberin, wonach sie erst nach Bekanntgabe des negativen Ergebnisses der "STEOP-Prüfung" am 2. Mai 2014 vom Studium der Rechtswissenschaften abgemeldet worden sei, auseinander zu setzen, war das angefochtenen Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

13 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 25. April 2017

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