Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler sowie die Hofräte Dr. Zens und Mag. Feiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Artmann, über die außerordentliche Revision des B S in S, vertreten durch Dr. Norbert Moser, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Pfarrplatz 5/III, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Juli 2016, W188 2112834-1/7E, betreffend Verletzung der Entscheidungspflicht in einer Angelegenheit nach dem Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde: Personalamt Klagenfurt der Österreichischen Post Aktiengesellschaft in 9020 Klagenfurt, Bahnhofplatz 2), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
1 Der Revisionswerber steht in einem öffentlichen Dienstrechtsverhältnis zum Bund und ist der Österreichischen Post Aktiengesellschaft zur Dienstleistung zugewiesen. Seine Dienststelle ist eine bestimmte Zustellbasis.
2 Mit dem als "schriftliche Weisung" übertitelten Schreiben vom 17. September 2014 teilte die im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde dem Revisionswerber mit, dass er ab sofort in der Personalreserve seiner Zustellbasis seinen Dienst zu versehen habe. Dies bedeute, dass er nicht nur auf einem fixen Zustellrayon, sondern auf allen Zustelltouren seiner Zustellbasis eingesetzt werden könne. Die Befolgung dieser Weisung gehöre zu seinen Dienstpflichten.
3 Mit Schreiben vom 6. Oktober 2014 teilte der rechtsanwaltlich vertretene Revisionswerber der belangten Behörde mit, dass diese Weisung rechtswidrig sei, weil die Abberufung von einem fixen Rayon unter gleichzeitiger Versetzung in die Personalreserve eine Verwendungsänderung darstelle, die einer Versetzung gleichzuhalten sei. Da er mit dieser einseitigen Versetzung nicht einverstanden sei, begehre er eine bescheidmäßige Erledigung. Es werde festzustellen sein, dass er auf Grund der rechtsunwirksamen Weisung vom 17. September 2014 nicht verpflichtet sei, als Springer seinen Dienst in der Personalreserve der Zustellbasis zu versehen.
4 Mit der Begründung, dass die belangte Behörde über seinen Antrag nicht bescheidmäßig abgesprochen habe, erhob der Revisionswerber mit dem am 12. Mai 2015 bei der belangten Behörde eingelangten Schriftsatz vom 11. Mai 2015 Säumnisbeschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.
5 In der Folge wiederholte die belangte Behörde mit Schreiben vom 14. Juli 2015 die Weisung vom 17. September 2014. Sie verwies dazu auf das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. Juli 2015, W106 2013777-1/6E, wonach vor dem Hintergrund der Funktion des dienstrechtlichen Feststellungsbescheids als subsidiärer Rechtsbehelf die Erlassung eines Bescheids darüber, ob ein Beamter zu künftigen weisungsgemäßen Dienstleistungen verpflichtet werden könne, jedenfalls so lange ausscheide, als nicht die Klärung der strittigen Fragen im Wege des § 44 Abs. 3 BDG 1979 versucht worden sei. Im Hinblick auf die Wiederholung der Weisung habe der Revisionswerber nunmehr die Möglichkeit, einen Antrag auf (bescheidmäßige) Feststellung einzubringen, ob die Befolgung dieser Weisung zu seinen Dienstpflichten zähle. Im Hinblick darauf, dass vor Wiederholung der Weisung eine bescheidmäßige Absprache nicht möglich sei und die Dienstbehörde somit ihre Entscheidungspflicht nicht verletzt habe, ersuchte die belangte Behörde den Revisionswerber um Mitteilung, ob er die Säumnisbeschwerde zurückziehe. Andernfalls werde sie dem Bundesverwaltungsgericht mit dem Antrag vorgelegt, die Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen.
6 Mit Schreiben vom 22. Juli 2015 erklärte der Revisionswerber, die Säumnisbeschwerde nicht zurückzuziehen. Er habe bereits mehrfach gegen die Weisung, seinen Dienst in der Personalreserve der Zustellbasis anzutreten, remonstriert. Aus diesem Grund sei bereits die schriftliche Weisung erteilt worden, sodass die Rückziehungsfiktion des letzten Satzes des § 44 Abs. 3 BDG 1979 nicht mehr eintreten könne. Die nochmalige schriftliche Weisung vom 14. Juli 2015 sei daher nicht nachvollziehbar.
7 Am 6. August 2015 stellte der Revisionswerber einen weiteren Antrag auf bescheidmäßige Feststellung, dass er auf Grund der rechtsunwirksamen Weisung vom 14. Juli 2015 nicht verpflichtet sei, als Springer in der Personalreserve der Zustellbasis Dienst zu versehen.
8 Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Bundesverwaltungsgericht die Säumnisbeschwerde gemäß § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG als unzulässig zurück. Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte es für nicht zulässig.
9 Das Bundesverwaltungsgericht begründete seinen Beschluss nach Darstellung des Verfahrensgangs, Wiedergabe von Gesetzesbestimmungen und Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs im Wesentlichen damit, dass die Weisung am 17. September 2014 erteilt worden sei und der Revisionswerber seine rechtlichen Bedenken gegen diese Weisung mit Schreiben vom 6. Oktober 2014 in einem vertretbaren zeitlichen Zusammenhang geltend gemacht habe. Zum Zeitpunkt des Einlangens der gegenständlichen Säumnisbeschwerde am 12. Mai 2015 sei daher davon auszugehen gewesen, dass die Weisung gemäß § 44 Abs. 3 BDG 1979 als zurückgezogen anzusehen gewesen sei. Damit sei aber auch jegliches Feststellungsinteresse des Revisionswerbers hinsichtlich der Weisung vom 17. September 2014 weggefallen gewesen, weil diese gemäß § 44 Abs. 3 BDG 1979 nicht mehr dem Rechtsbestand angehört habe. Die belangte Behörde habe daher keine Entscheidungspflicht getroffen, weshalb auch keine Säumigkeit gegeben gewesen sei. Daran ändere auch die schriftliche Wiederholung der Weisung durch die belangte Behörde mit Schreiben vom 14. Juli 2015 nichts. Wenn auch dem Gesetz keine Frist zu entnehmen sei, innerhalb der eine Weisung vom Vorgesetzten gemäß § 44 Abs. 3 BDG 1979 wiederholt werden müsse, sei doch davon auszugehen, dass auch dies in einem vertretbaren zeitlichen Zusammenhang zur Erteilung der Weisung bzw. der dagegen eingebrachten Remonstration zu erfolgen habe. Im vorliegenden Fall sei bis zum 14. Juli 2015 keine Reaktion von Seiten des Dienstgebers erfolgt. Angesichts dieser Sachlage sei zwingend davon auszugehen, dass die verfahrensgegenständliche Weisung gemäß § 44 Abs. 3 BDG 1979 als zurückgezogen gelte und nicht mehr zu befolgen gewesen sei. Eine im April 2013 an den Revisionswerber ergangene Weisung, ab 2. Mai 2013 als Springer im Personalreservepool Dienst zu versehen, auf die der Revisionswerber rekurriere, sei mangels zeitnaher schriftlicher Wiederholung rechtsunwirksam gewesen. Die hier zu beurteilende Weisung vom 17. September 2014 sei nicht als schriftliche Wiederholung der Weisung vom April 2013 anzusehen gewesen.
10 Die Unzulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG begründete das Verwaltungsgericht mit dem Fehlen einer grundsätzlichen Rechtsfrage.
11 Gegen diesen Beschluss richtet sich die Revision wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit, die eine Verletzung im Recht auf Fällung einer Sachentscheidung geltend macht. Der Revisionswerber begründet deren Zulässigkeit zusammengefasst unter anderem damit, dass das Verwaltungsgericht verkannt habe, dass er einen zulässigen Feststellungsantrag gestellt habe, der meritorisch zu behandeln gewesen wäre.
12 Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag, die Revision als unzulässig zurückzuweisen; hilfsweise wird die Abweisung der Revision als unbegründet beantragt.
13 Die Revision ist im Hinblick auf die mit dem Zulässigkeitsvorbringen zutreffend aufgezeigte Verkennung der Rechtslage hinsichtlich der Unterscheidung zwischen der Zulässigkeit des Antrags im Verwaltungsverfahren einerseits und der Zulässigkeit der Säumnisbeschwerde andererseits zulässig; sie ist auch berechtigt.
14 Gemäß § 8 Abs. 1 VwGVG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG erhoben werden, wenn die Behörde die Sache nicht innerhalb von sechs Monaten (sofern andere Entscheidungsfristen nicht vorgesehen sind) entschieden hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war. Die Säumnisbeschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.
15 Die Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG dient damit dem Rechtsschutz gegen Säumnis der Behörden. Zweck der Säumnisbeschwerde ist es, demjenigen, der durch die Untätigkeit einer Behörde beschwert ist, ein rechtliches Instrument zur Verfügung zu stellen, um eine Entscheidung in der Sache zu erlangen (vgl. das Erkenntnis vom 25. November 2015, Ra 2015/08/0102).
16 Im vorliegenden Fall hat der Revisionswerber am 6. Oktober 2014 unstrittig die Erlassung eines Feststellungsbescheids beantragt.
17 Am 11. Mai 2015 erhob der Revisionswerber die im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht gegenständliche Säumnisbeschwerde. Weder bis zu diesem Zeitpunkt noch bis zur Vorlage der Säumnisbeschwerde an das Bundesverwaltungsgericht entschied die belangte Behörde - auch dies ist unstrittig - über den Antrag auf Erlassung eines Feststellungsbescheids. Bei der am 14. Juli 2015 erfolgten schriftlichen Wiederholung der Weisung handelt es sich zweifellos um keinen Feststellungsbescheid.
18 Das Bundesverwaltungsgericht begründete die Zurückweisung der Säumnisbeschwerde nun damit, dass der Revisionswerber in seinem Schreiben vom 6. Oktober 2014 (auch) seine rechtlichen Bedenken gegen die Weisung vom 17. September 2014 dargelegt habe. Da die Weisung in der Folge nicht wiederholt worden und deshalb gemäß § 44 Abs. 3 BDG 1979 außer Kraft getreten sei, sei auch das Feststellungsinteresse des Revisionswerbers hinsichtlich der Weisung weggefallen. Die belangte Behörde habe daher keine Entscheidungspflicht getroffen.
19 Damit hat das Bundesverwaltungsgericht die Rechtslage und die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs verkannt: Aus dem Umstand, dass die Erlassung des beantragten Bescheids beispielsweise auf Grund der Rechtsprechung zur Zulässigkeit eines Feststellungsbescheids nicht (mehr) geboten gewesen wäre, lässt sich nämlich noch nicht darauf schließen, dass keine Säumnis der Behörde vorgelegen hätte. Unter bestimmten Voraussetzungen besteht nämlich ein Anspruch des Antragstellers auf Zurückweisung seines Antrags. Auch dieser Anspruch ist mit Säumnisbeschwerde verfolgbar (siehe das Erkenntnis vom 27. Jänner 2004, 2000/10/0062, VwSlg 16269 A/2004, mwH auf die ständige Rechtsprechung). Eine Verwaltungsbehörde verletzt ihre Entscheidungspflicht daher nicht nur dann, wenn sie (beispielsweise) über ein Rechtsmittel nicht rechtzeitig eine Sachentscheidung trifft, sondern auch dann, wenn sie eine gebotene Zurückweisung eines Rechtsmittels verabsäumt (siehe den Beschluss vom 21. September 2005, 2005/13/0064).
20 Bei der Entscheidung über die Frage, ob die belangte Behörde mit der Erlassung eines Bescheids säumig war, war im vorliegenden Fall daher nicht darauf abzustellen, ob der Feststellungsantrag inhaltlich berechtigt ist oder mangels Feststellungsinteresse zurückzuweisen gewesen wäre. Gerade in einer Konstellation wie der vorliegenden, bei der die Dienstbehörde mehrfach Weisungen erteilt, über Feststellungsanträge jedoch nicht (bescheidmäßig) abspricht, sondern bloß die Weisung wiederholt oder eine neue, inhaltsgleiche Weisung erteilt, kann der Beamte ein rechtliches Interesse daran haben, dass über seinen Antrag ein bekämpfbarer Bescheid erlassen wird.
21 Im vorliegenden Fall war die belangte Behörde daher sowohl zum Zeitpunkt der Erhebung der Säumnisbeschwerde wie auch noch bei der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht säumig. Der Revisionswerber war daher zur Erhebung der Säumnisbeschwerde berechtigt und das Bundesverwaltungsgericht hätte diese nicht zurückweisen dürfen.
22 Das Bundesverwaltungsgericht wird daher im weiteren Säumnisverfahren über den Antrag des Revisionswerbers auf Erlassung eines Feststellungsbescheids abzusprechen haben (siehe zum Gegenstand eines solchen Feststellungsverfahrens etwa das Erkenntnis vom 22. Mai 2012, 2011/12/0170, VwSlg 18412 A/2012, sowie im Zusammenhang mit einer Dienstzuteilung das Erkenntnis vom 5. September 2008, 2007/12/0078).
23 Soweit sich das Verwaltungsgericht in der Begründung auf sein Erkenntnis vom 25. Juni 2015, W106 2013777-1/6E, stützte, das seinerseits wieder auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 3. Juli 2008, 2007/12/0118, verweist, übersieht es, dass insoweit ein nicht vergleichbarer Sachverhalt vorliegt. In den beiden genannten Verfahren wurde ein Antrag auf Erlassung eines Feststellungsbescheids nur eventualiter für den Fall gestellt, dass die Weisung nicht zurückgezogen werde. Nur auf Grund dieser Antragsgestaltung war im Hinblick auf die Rückziehungsfiktion des § 44 Abs. 3 BDG 1979 mangels Wiederholung der Weisung nicht mehr über den bloß hilfsweise gestellten Antrag zu entscheiden. Im vorliegenden Fall wurde der Antrag jedoch ohne eine solche Bedingung gestellt.
24 Der angefochtene Beschluss war somit in einem nach § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.
25 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 27. Juni 2017