JudikaturVwGH

Ro 2016/11/0030 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
13. Februar 2017

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler und die Hofräte Dr. Schick und Dr. Grünstäudl als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Soyer, über die Revision des M W in O, vertreten durch Mag. Gottfried Hudl, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Wallgasse 14/34, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 24. Mai 2016, Zl. LVwG-650570/14/MZ, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung und Anordnung begleitender Maßnahmen (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Urfahr Umgebung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Revisionswerber hat dem Bund Aufwendungen in Höhe von EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

1 1. Mit Bescheid vom 29. Dezember 2015 entzog die belangte Behörde dem Revisionswerber gemäß § 26 Abs. 2 Z. 1 des Führerscheingesetzes (FSG) die Lenkberechtigung für sämtliche ihm erteilte Klassen (Spruchpunkt I.) für die Dauer von sechs Monaten, gerechnet ab 2. August 2015. Unter einem wurde eine Nachschulung angeordnet (Spruchpunkt II.) und dem Revisionswerber aufgetragen, eine verkehrspsychologische Stellungnahme und ein amtsärztliches Gutachten über seine gesundheitliche Eignung gemäß § 8 FSG beizubringen (Spruchpunkt III.). Überdies wurde dem Revisionswerber gemäß § 30 FSG das Recht aberkannt, während der Dauer der Entziehung von einer ausländischen Lenkberechtigung Gebrauch zu machen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG wurde schließlich einer allfälligen Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.).

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 24. Mai 2016 gab das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde insofern Folge, als Spruchpunkt IV. des Bescheids der belangten Behörde ersatzlos behoben wurde, wies im Übrigen aber die Beschwerde ab. Unter einem wurde eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß § 25a VwGG für zulässig erklärt. Die Zustellung dieses Erkenntnisses erfolgte nach Ausweis der Verfahrensakten und nach dem Revisionsvorbringen am 31. Mai 2016.

3 Am 11. Juli 2016 gab der Revisionswerber einen an das Verwaltungsgericht gerichteten Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Erhebung einer (ordentlichen) Revision an den Verwaltungsgerichtshof zur Post.

4 Mit Verfügung vom 26. Juli 2016 forderte das Verwaltungsgericht den Revisionswerber unter Hinweis auf § 66 Abs. 1 ZPO auf, bis spätestens 26. August 2016 ein vollständig ausgefülltes Vermögensbekenntnis unter Verwendung des vom Bundesminister für Justiz aufgelegten Formblattes samt umfassenden Nachweisen betreffend seine Vermögenssituation zu übersenden, widrigenfalls sein Antrag zurückzuweisen sei. Die Zustellung dieser Verfügung erfolgte nach Ausweis der Verfahrensakten am 28. Juli 2016.

5 Mit Beschluss vom 30. August 2016 wies das Verwaltungsgericht den Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zurück. Begründend wurde ausgeführt, dem Antrag sei kein Vermögensbekenntnis iSd. § 61 Abs. 1 und 2 VwGG iVm. § 66 Abs. 1 ZPO beigelegen. Der Aufforderung vom 26. Juli 2016, bis zum 26. August 2016 unter Verwendung des in § 66 Abs. 1 ZPO genannten, dem Schreiben beiliegenden Formblattes ein Vermögensbekenntnis vorzulegen, widrigenfalls der Antrag zurückzuweisen sei, sei "bis dato" nicht entsprochen worden. Gemäß § 66 Abs. 1 ZPO sei für das Vermögensbekenntnis ein vom Bundesminister für Justiz aufzulegendes und im Amtsblatt der österreichischen Justizverwaltung kundzumachendes Formblatt zu verwenden. Der Revisionswerber habe seinem Antrag kein Vermögensbekenntnis iSd.

§ 66 Abs. 1 ZPO vorgelegt und auf den Auftrag, den Mangel zu beheben, nicht reagiert. Gemäß § 13 Abs. 3 AVG sei der Antrag daher zurückzuweisen gewesen. Die Zustellung dieses Beschlusses erfolgte nach Ausweis der Verfahrensakten und dem Revisionsvorbringen am 5. September 2016.

6 Mit Schriftsatz seines Rechtsvertreters, zur Post gegeben am 30. September 2016, erhob der Revisionswerber (ordentliche) Revision gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes. Zur Rechtzeitigkeit der Revision wurde ausgeführt, der Revisionswerber habe binnen offener Frist einen Antrag auf Verfahrenshilfe gestellt, der mangels rechtzeitiger Vorlage eines Vermögensbekenntnisses iSd. § 61 Abs. 1 und 2 VwGG iVm. § 66 Abs. 1 ZPO mit Beschluss zurückgewiesen worden sei. Dieser Beschluss sei dem Revisionswerber am 5. September 2016 zugestellt worden. Das Verwaltungsgericht verkenne, dass "in derartigen Konstellationen (nicht rechtzeitige Vorlage eines Vermögensbekenntnisses) der Antrag nicht zurückzuweisen, sondern abzuweisen" sei. Ein Zurückweisungsbeschluss sei in solchen Fällen als abweisender Beschluss zu deuten (Hinweis auf Judikatur des OGH). Das bedeute, dass "mit Zustellung des entsprechenden erstgerichtlichen Beschlusses" die Revisionsfrist gemäß § 464 Abs. 3 ZPO neu zu laufen beginne und die Revision sohin binnen offener Frist eingebracht werde.

7 Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie die Auffassung vertrat, dass die Revision infolge der Zurückweisung des Verfahrenshilfeantrags verfristet ist. Die Revisionsbeantwortung wurde dem Revisionswerber nach Ausweis der Verfahrensakten am 7. Dezember 2016 zugestellt.

8 Die Revision wurde dem Verwaltungsgerichtshof gemeinsam mit der Revisionsbeantwortung und den Akten des Verfahrens vorgelegt.

9 2. Die Revision ist entgegen dem Revisionsvorbringen zur vermeintlichen Rechtzeitigkeit derselben verspätet, wie die belangte Behörde in ihrer Revisionsbeantwortung zutreffend hervorhebt.

10 2.1. § 26 VwGG lautet auszugsweise:

"§ 26. (1) Die Frist zur Erhebung einer Revision gegen ein Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes (Revisionsfrist) beträgt sechs Wochen. Sie beginnt

1. in den Fällen des Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG dann, wenn das Erkenntnis dem Revisionswerber zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung, wenn das Erkenntnis dem Revisionswerber bloß mündlich verkündet wurde, mit dem Tag der Verkündung;

...

(3) Hat die Partei innerhalb der Revisionsfrist die Bewilligung der Verfahrenshilfe beantragt (§ 61), so beginnt für sie die Revisionsfrist mit der Zustellung des Bescheides über die Bestellung des Rechtsanwaltes an diesen. Wird der rechtzeitig gestellte Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe abgewiesen, so beginnt die Revisionsfrist mit der Zustellung des abweisenden Beschlusses an die Partei."

Gemäß § 61 Abs. 1 erster Satz VwGG gelten für die Voraussetzungen und die Wirkungen der Bewilligung der Verfahrenshilfe die Vorschriften über das zivilgerichtliche Verfahren sinngemäß.

11 2.2.1. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Beschluss vom 11. Dezember 2007, Zl. 2007/18/0316 (Slg. Nr. 17332/A) Folgendes ausgeführt:

"2. Der Beschwerdeführer bringt in seiner Stellungnahme vom 25. Juni 2007 gegen die Annahme der Versäumung der Beschwerdefrist vor, dass die §§ 63 ff ZPO sinngemäß anzuwenden seien, gemäß § 73 Abs. 2 ZPO die in dieser Bestimmung angeführten Fristen frühestens mit der Zustellung des Bescheides, mit dem der Rechtsanwalt bestellt werde, bzw. mit dem Eintritt der Rechtskraft des Beschlusses, mit dem die Beigebung eines Rechtsanwaltes versagt werde, zu laufen begännen und mit dem hg. Beschluss vom 10. Mai 2007 die Beigebung eines Rechtsanwaltes versagt worden sei. Dieser Beschluss und die ihm angeschlossene Rechtsmittelbelehrung indizierten zweifelsohne, dass die Frist zur Beschwerdeerhebung jedenfalls erst mit der Zustellung des Beschlusses über die Bestellung bzw. ‚Versagung (Zurückweisung, Abweisung) der Beigebung eines Rechtsanwalts' zu laufen beginne. Auch sei es rechtlich verfehlt, den Verfahrenshilfeantrag zurückzuweisen, werde doch zwischen der (gänzlichen) Nichtvorlage und einer unvollständigen oder verspäteten Vorlage des Vermögensbekenntnisses unterschieden. Nur im erstgenannten Fall komme es zu einer Zurückweisung eines Verfahrenshilfeantrages, während eine verspätete Vorlage (des Vermögensbekenntnisses) gemäß § 381 ZPO der freien Beweiswürdigung unterliege und entweder zur Bewilligung oder zur Abweisung des Antrages führe. Im Fall der Abweisung des Verfahrenshilfeantrages z.B. wegen verspäteter Vorlage oder wegen Unvollständigkeit des Vermögensbekenntnisses komme § 26 Abs. 3 letzter Satz VwGG zum Tragen. Da im gegenständlichen Fall das Vermögensbekenntnis verspätet mit Schriftsatz vom 16. Mai 2007 vorgelegt worden sei, handle es sich bei der Zurückweisung des Verfahrenshilfeantrages offensichtlich um ein Versehen und hätte es im Beschluss vom 10. Mai 2007 anstelle ‚zurückgewiesen' richtigerweise ‚abgewiesen' lauten müssen. Dieser Zurückweisungsbeschluss sei daher in eine abweisende Entscheidung umzudeuten, sodass die Frist zur Erhebung der Beschwerde mit Zustellung dieses Beschlusses am 21. Mai 2007 neu zu laufen begonnen habe und die Beschwerde fristgerecht eingebracht worden sei.

3. Diesem Vorbringen ist zu erwidern, dass die Frage, in welchen Fällen ein rechtzeitig gestellter Verfahrenshilfeantrag eine laufende Beschwerdefrist unterbricht, nach dem VwGG - und nicht gemäß § 73 Abs. 2 ZPO - zu beurteilen ist (vgl.  etwa den hg. Beschluss vom 19. November 1997, Zl. 97/09/0318) und nach der hg. Judikatur (vgl. etwa die Beschlüsse vom 29. Juni 2000, Zl. 2000/20/0232, vom 28. April 2005, Zl. 2005/07/0051, und vom 27. September 2005, Zl. 2005/18/0583, mwN) die Beschwerdefrist, wenn innerhalb der zur Verbesserung des Antrages auf Bewilligung der Verfahrenshilfe durch Vorlage eines Vermögensbekenntnisses gesetzten Frist kein zur meritorischen Behandlung tauglicher (das heißt formal vollständiger) Verfahrenshilfeantrag gestellt und der Antrag deshalb zurückgewiesen wurde, nicht neuerlich zu laufen beginnt, weil dies in § 26 Abs. 3 letzter Satz VwGG nur für den Fall eines den Verfahrenshilfeantrag abweisenden Beschlusses vorgesehen ist. Die Begriffe ‚abgewiesen' und ‚abweisender Beschluss' in dieser Gesetzesbestimmung schließen angesichts der Terminologie des VwGG (vgl. § 34 VwGG über die Fälle der ‚Zurückweisung' von Beschwerden im Vergleich zu jenen der ‚Abweisung' nach § 35 Abs. 1 und § 42 Abs. 1 VwGG) die Fälle der Zurückweisung des Begehrens auf Verfahrenshilfe wegen des Mangels eines zur meritorischen Behandlung tauglichen - das heißt rechtzeitigen bzw. rechtzeitig verbesserten und formell vollständigen - Verfahrenshilfeantrages vom Anwendungsbereich dieser Bestimmung aus. Wurde also nicht fristgerecht (innerhalb der Mängelverbesserungsfrist) ein zur meritorischen Behandlung tauglicher Verfahrenshilfeantrag gestellt und deswegen zurückgewiesen, so wird die Beschwerdefrist nicht neuerlich in Gang gesetzt, würde doch ansonsten die Bestimmung des § 26 Abs. 1 VwGG über die Beschwerdefrist unterlaufen (vgl. dazu auch den hg. Beschluss vom 27. Februar 1986, Zlen. 86/08/0008 bis 0010, und nochmals den vorzitierten Beschluss, Zl. 2000/20/0232, mwN; ferner zum Ganzen den hg. Beschluss vom 13. November 2007, Zl. 2007/18/0637).

Wie oben (I.2.) dargestellt, wurde das dem Verfahrenshilfeantrag anzuschließende Vermögensbekenntnis nicht innerhalb der dem Beschwerdeführer mit hg. Verfügung vom 29. März 2007 gesetzten Mängelbehebungsfrist vorgelegt, sondern langte erst am 18. Mai 2007, nachdem der Zurückweisungsbeschluss vom 10. Mai 2007 bereits abgefertigt worden war, beim Verwaltungsgerichtshof ein. Da der Beschwerdeführer somit dem ihm erteilten Mängelbehebungsauftrag nicht entsprochen und kein Vermögensbekenntnis vorgelegt hatte, wurde sein Verfahrenshilfeantrag zutreffend - vom Berichter (§ 14 Abs. 2 VwGG) - zurückgewiesen und nicht abgewiesen (vgl. dazu nochmals den vorzitierten Beschluss, Zl. 2007/18/0637, mwN).

...

4. Mit der Zustellung des hg. Beschlusses vom 10. Mai 2007, mit dem der Verfahrenshilfeantrag des Beschwerdeführers wegen Nichtvorlage des Vermögensbekenntnisses zurückgewiesen wurde, begann somit die Beschwerdefrist nicht gemäß § 26 Abs. 3 VwGG neuerlich zu laufen.

Ergänzend sei noch bemerkt, dass auch nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. etwa die Beschlüsse vom 9. Juni 2004, B 591/04, vom 27. September 2005, B 673/05, und vom 6. Juni 2006, B 179/06, mwN) ein Verfahrenshilfeantrag bei Nichterfüllung eines zur Vorlage eines Vermögensbekenntnisses erteilten Verbesserungsauftrages nicht abzuweisen, sondern zurückzuweisen ist."

12 2.3.1. Diese Judikatur ist auf das seit 1. Jänner 2014 geltende Revisionsverfahren zu übertragen, und zwar auch für den Fall, dass die Zurückweisung eines Antrags auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Einbringung einer (ordentlichen) Revision bei Nichterfüllung eines vom Verwaltungsgericht erteilten Mängelbehebungsauftrag vom Verwaltungsgericht (vgl. § 61 Abs. 3 VwGG) ausgesprochen wird.

13 2.3.2. Im Revisionsfall hat das Verwaltungsgericht den Verfahrenshilfeantrag unter Berufung auf die trotz Aufforderung nicht erfolgte Vorlage eines Vermögensbekenntnisses iSd. § 61 Abs. 1 und 2 VwGG iVm. § 66 Abs. 1 ZPO zurückgewiesen, wie auch in der Revision selbst eingeräumt wird. Dieser Beschluss blieb unbekämpft. Entgegen den Revisionsausführungen ist aber im Lichte der dargestellten hg. Judikatur nicht davon auszugehen, dass sich das Verwaltungsgericht in der Wortwahl vergriffen hätte oder der Beschluss ungeachtet seines Wortlauts und seiner Begründung, die unzweifelhaft auf Zurückweisung gerichtet waren, in einen Abweisungsbeschluss umgedeutet werden müsste.

14 2.3.3. Entgegen der in der Revision, die der Frage der Rechtzeitigkeit breiten Raum gibt, aber ausschließlich auf die Rechtslage nach der ZPO abstellt, vertretenen Rechtsauffassung wurde mit Zustellung des Zurückweisungsbeschlusses am 5. September 2016 die Revisionsfrist ab Zustellung des angefochtenen Erkenntnisses am 31. Mai 2016 nicht wieder in Gang gesetzt (vgl. neuerlich den erwähnten hg. Beschluss vom 11. Dezember 2007, Zl. 2007/18/0316 (Slg. Nr. 17332/A)). Die erst nach der Zustellung des Zurückweisungsbeschlusses und damit außerhalb der mit Zustellung am 31. Mai 2016 in Gang gesetzten sechswöchigen Revisionsfrist eingebrachte Revision erweist sich demnach als verspätet.

15 2.4. Die Revision war gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen (vgl. zu Fällen der Verspätung ordentlicher Revisionen z.B. die hg. Beschlüsse vom 17. Dezember 2014, Zl. Ro 2014/10/0105, und vom 2. Juli 2015, Zl. Ro 2014/16/0074). Ein solcher Beschluss ist vom Verwaltungsgerichtshof gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.

16 2.5. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 51, VwGG iVm. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 13. Februar 2017

Rückverweise