Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rosenmayr und die Hofräte Dr. Doblinger, Dr. Hofbauer und Mag. Feiel sowie die Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schreiber, über die Revision des F D in I, vertreten durch Mag. Egon Stöger, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Bürgerstraße 20, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 29. September 2015, Zl. LVwG-2015/37/0349-12, betreffend Disziplinarstrafe nach dem Ärztegesetz 1998 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Disziplinarrat der Österreichischen Ärztekammer, Disziplinarkommission für Tirol; weitere Partei:
Bundesministerin für Gesundheit),
Spruch
I. zu Recht erkannt:
Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang der Bestätigung des Schuldspruches zu Spruchpunkt I. des Disziplinarerkenntnisses des Disziplinarrates der Österreichischen Ärztekammer, Disziplinarkommission für Tirol, vom 5. November 2013 sowie in seinen Aussprüchen über die Strafe und Kosten wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Österreichische Ärztekammer hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Die Revisionsbeantwortung des Disziplinaranwalt-Stellvertreters wird zurückgewiesen.
II. den Beschluss gefasst:
Die Revision wird, soweit sie sich gegen die Bestätigung der Schuldsprüche zu den Spruchpunkten II. und III. des genannten Disziplinarerkenntnisses richtet, zurückgewiesen.
1 Der im Jahr 1961 geborene Revisionswerber ist als approbierter Arzt in die Ärzteliste eingetragen und gehört der Ärztekammer für Tirol an.
2 Mit Disziplinarerkenntnis des Disziplinarrates der Österreichischen Ärztekammer, Disziplinarkommission für Tirol, vom 5. November 2013 wurde der Revisionswerber wie folgt für schuldig erkannt (Anonymisierungen durch den Verwaltungsgerichtshof):
"(Der Revisionswerber) hat in I.
I. 2005 bis 2011 zu näher nicht feststellbaren Zeitpunkten an eine ziffernmäßig nicht feststellbare Anzahl von Patienten das in der Europäischen Union als Arzneimittel nicht zugelassene Mittel ‚Ukrain', das in Österreich weder hergestellt, eingeführt, noch verkauft und auch außerhalb von klinischen Prüfungen nicht angewendet werden darf, verabreicht und damit seine Berufspflicht nach § 49 Abs 1 ÄrzteG verletzt.
II. Auf seiner Homepage (...) zumindest im Dezember 2012 seine Ordination als niedergelassener approbierter Arzt in I. (...) unter Verstoß gegen § 43 Abs 4, § 53 Abs 1 ÄrzteG und die Artikel 1 und 2 Abs 2 der Richtlinie ‚Arzt und Öffentlichkeit' als ‚P. T.-Zentrum' und sich selbst als Leitenden Arzt bezeichnet,
III. sich auf der Homepage (...) zumindest seit Dezember 2012 unter Verstoß gegen die § 43 Abs 4 und § 53 Abs 1 ÄrzteG sowie die Artikel 1 und Artikel 2 Abs 2 der Richtlinie ‚Arzt und Öffentlichkeit' als Gastprofessor an der staatlichen Universität für ‚Management/Psycho-Onkologie, Sektion Gesundheitswesen in M.' und als ‚Prof. (RF) F. D.' bezeichnet, während er tatsächlich Gastprofessor an der staatlichen Universität für Management in M. am dortigen Departement für Management im Gesundheitswesen war."
3 Der Revisionswerber habe dadurch Disziplinarvergehen nach § 136 Abs. 1 Z 2 Ärztegesetz 1998 (ÄrzteG 1998) begangen, weshalb über ihn eine Geldstrafe von EUR 4.000,-- verhängt werde, die gemäß § 139 Abs. 3 ÄrzteG 1998 unter Bestimmung einer Bewährungsfrist von drei Jahren bedingt nachgesehen werde. Weiters habe der Revisionswerber gemäß § 163 Abs. 1 ÄrzteG 1998 die mit EUR 900,-- bestimmten Kosten des Disziplinarverfahrens zu ersetzen.
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 29. September 2015 wurde eine dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass in Spruchpunkt III. die Wortfolge "seit Dezember 2012" durch die Wortfolge "im Zeitraum vom Dezember 2012 bis 05.11.2013" ersetzt werde. Weiters wurde ausgesprochen, dass die ordentliche Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei.
5 Begründend ging das Verwaltungsgericht nach Darstellung des Verfahrensganges - soweit für das gegenständliche Verfahren von Relevanz - auszugsweise von folgenden Sachverhaltsannahmen aus:
"1. Allgemeine Feststellungen:
Der (Revisionswerber) ist als approbierter Arzt unter der Adresse (... in) I., als Wahlarzt tätig und betreibt zudem in B. A./Deutschland eine Tagesklinik für chronische Krankheiten mit Schwerpunkt Krebserkrankungen. (...)
Der Disziplinarbeschuldigte hat am Standort (...) I., eine private Krankenanstalt mit der Bezeichnung ‚P. L. C. - Privatklinik für onkologische Rehabilitation- und Regeneration' betrieben. Diese private Krankenanstalt ist seit 15.01.2011 geschlossen.
(...)
4. Verabreichung des Mittels ‚Ukrain' an Patienten:
4.1. Allgemeines zum Mittel ‚Ukrain':
Beim Mittel ‚Ukrain' handelt es sich um ein Mischpräparat aus Alkaloiden des Schöllkrautes und Thiotepan, einem Zytostatikum. Die genaue Zusammensetzung ist allerdings nicht bekannt.
Das Mittel ‚Ukrain' war und ist weder in Österreich noch in einem anderen EU-Staat zugelassen. In Berichten über Einzelfälle aus den Jahren 1996 und 1997 haben die jeweils behandelnden Ärzte positive ‚Wirkungen des Mittels Ukrain' beschrieben. Allerdings existieren keine wissenschaftlichen Studien, die eine Wirksamkeit dieses Mittels belegen. Das Mittel ‚Ukrain' ist daher eine Substanz mit einem negativen ‚Risiko-/Nutzen-Profil'.
Der (Revisionswerber) hat keine Bescheinigung eines zur selbstständigen Berufsausübung in Österreich berechtigten Arztes und/oder Zahnarztes vorgelegt, wonach das Mittel ‚Ukrain' zur Abwehr einer Lebensbedrohung oder schweren gesundheitlichen Schädigung dringend benötigt wird und dieser Erfolg mit einer zugelassenen und verfügbaren Arzneispezialität nach dem Stand der Wissenschaft voraussichtlich nicht erzielt werden kann (vgl § 8 Abs. 1 Z 2 Arzneimittelgesetz - AMG).
Das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen hat mit Bescheid vom 06.09.2009 (...) der Firma ‚N. P.' jede weitere Herstellung und Inverkehrbringung von Arzneimitteln, insbesondere von ‚Ukrain' untersagt. Die dagegen erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 24.10.2011, Zl 2009/10/0217, als unbegründet abgewiesen.
4.2. Anwendung des Mittels ‚Ukrain' durch den (Revisionswerber):
Der (Revisionswerber) hat in den Jahren 2005 bis 2011 das Mittel ‚Ukrain' im Rahmen der von ihm betriebenen Wahlarztordination in I. an Patienten verabreicht. Einer solchen Behandlung gingen intensive Gespräche mit den jeweiligen Patienten voraus, in denen der Disziplinarbeschuldigte eine umfassende Aufklärung vorgenommen hat.
In der bis 15.01.2011 betriebenen Privatklinik hat der (Revisionswerber) beginnend ab dem Jahr 2009 ein Forschungslabor aufgebaut, um darin die Wirksamkeit des Mittels ‚Ukrain' an Krebszellkulturen zu testen. Ziel war es zu erforschen, bei welchen Krebsarten "Ukrain" eine positive Wirkung erzeugt.
Die Ergebnisse dieser Forschungstätigkeit haben den (Revisionswerber) dazu bewogen, ‚Ukrain' nicht mehr anzuwenden.
Im Zeitraum von 2005 bis 2011 hat der (Revisionswerber) 9070 Ampullen des Mittels ‚Ukrain' über W. N. bezogen. Der Großteil dieser Ampullen wurde zu Forschungszwecken eingesetzt, ein weiterer Teil zur Verabreichung an Patienten in B. A. und ein kleiner Teil zur Verabreichung an Patienten in I."
6 Im Rahmen seiner beweiswürdigenden Überlegungen führte das Verwaltungsgericht unter anderem Folgendes aus:
"Die Feststellungen (...) zur Anwendung des Mittels ‚Ukrain' in der Wahlarztpraxis am Standort (...) I., und zu der in der Privatklinik durchgeführte Forschungstätigkeit sowie zum Bezug des Mittels ‚Ukrain' über W. N. stützen sich auf die Aussagen des (Revisionswerbers) anlässlich der mündlichen Verhandlung am 26.08.2015. Der (Revisionswerbers) hat bestätigt, im Zeitraum von 2005 bis 2011 9070 Ampullen des Mittels ‚Ukrain' über W. N. bezogen zu haben. Laut den Angaben des Disziplinarbeschuldigten wurden diese vorwiegend in dem von ihm in den Jahren 2009 bis 2011 in I. betriebenen Forschungslabor eingesetzt, aber auch an Patienten in der Wahlarztpraxis am Standort (...) I., angewendet. Strittig war nur, in welchem Zeitraum die Verabreichung des Mittels ‚Ukrain' an Patienten erfolgt ist.
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 26.08.2015 hat der (Revisionswerber) die Anwendung des Mittels ‚Ukrain' im Zeitraum 2005 bis 2008 eingeräumt, allerdings behauptet, neben seiner im Jahr 2009 begonnenen Forschungstätigkeit das Mittel ‚Ukrain' an Patienten nicht verabreicht zu haben. Demgegenüber hat dessen (damaliger) Rechtsanwalt in einem am Landesrat B. T. gerichteten Schreiben vom 20.9.2012 ausdrücklich festgehalten, sein Mandant (...) habe ‚vor mehr als einem Jahr' entschieden, das Arzneimittel ‚Ukrain' nicht mehr zu verabreichen. Im Zuge der mündlichen Verhandlung am 05.11.2013 hat der Disziplinarbeschuldigte ausdrücklich angeführt, das Mittel ‚Ukrain' hauptsächlich in den Jahren 2004 und 2005 verabreicht und ‚nach dem Jahre 2011' nicht mehr verwendet zu haben.
Insbesondere unter Berücksichtigung der Aussagen des Disziplinarbeschuldigten anlässlich der mündlichen Verhandlung am 05.11.2013 und aufgrund der an Landesrat B. T. gerichteten Mitteilung des damaligen Rechtsvertreters des (Revisionswerbers)vom 20.09.2012 geht das Landesverwaltungsgericht davon aus, dass in der Wahlarztordination am Standort (...) I., im Zeitraum zwischen 2004 und 2011 an Patienten das Mittel ‚Ukrain' verabreicht worden ist."
7 Im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung führte das Verwaltungsgericht nach Darstellung der maßgeblichen Rechtsvorschriften zum Schuldspruch gemäß Spruchpunkt I. des angefochtenen Disziplinarerkenntnisses im Wesentlichen aus, der Revisionswerber bringe vor, ihm werde vorgeworfen, das Mittel "Ukrain" verabreicht zu haben; nur dieser Vorwurf sei Gegenstand des Verfahrens. Es sei allerdings nicht gelungen, einen einzigen konkreten Fall der Verabreichung hinreichend deutlich darzustellen. Es sei völlig unklar, an welchen Patienten, unter welchen Voraussetzungen und innerhalb welchen Zeitraums eine Verabreichung erfolgt sei. Dem Revisionswerber sei beizupflichten, dass die belangte Behörde ihm vorgeworfen habe, im Zeitraum von 2005 bis 2011 zu näher nicht feststellbaren Zeitpunkten an einer ziffernmäßig nicht feststellbare Anzahl von Patienten das nicht zugelassene Mittel "Ukrain" verabreicht und damit seine Berufspflicht nach § 49 Abs. 1 ÄrzteG 1998 verletzt zu haben. Entscheidungsrelevant sei aber allein, ob der Revisionswerber in dem angeführten Zeitraum das Mittel "Ukrain" angewendet habe. An welche konkreten Patienten eine Verabreichung dieses Mittels erfolgt sei, sei für den verfahrensgegenständlichen Schuldvorwurf rechtlich ohne Belang. Mit seinem Vorbringen, es sei nicht ermittelt worden, an welchen konkreten Patienten er aufgrund welcher Indikationen das Mittel "Ukrain" angewendet habe, zeige er somit keine Rechtswidrigkeit auf. Entscheidend sei, dass er das Mittel "Ukrain" im Rahmen seiner Tätigkeit als Wahlarzt am Standort in I. verabreicht habe.
8 Der Revisionswerber bringe unter Hinweis auf die Bestimmungen des Arzneimittelgesetzes (AMG) vor, die von ihm gehandhabte Anwendung des Mittels "Ukrain" sei als zulässiger "Unlicensed-" bzw. "Off-label-use" zu qualifizieren. Darüber hinaus könne jeder Arzt im Rahmen eines "individuellen Heilversuchs" ein nicht zugelassenes Medikament selbst dann anwenden, wenn die Kriterien des § 8 Abs. 1 Z 2 AMG nicht erfüllt seien. Bei der von ihm gehandhabten Verabreichung des Mittels "Ukrain" sei jedenfalls von einem "individuellen Heilversuch" auszugehen. Dazu sei festzuhalten, dass das Produkt "Ukrain" als Arzneimittel iSd § 1 Abs. 5 AMG zu qualifizieren sei. Trotz entsprechender Anträge habe es weder in Österreich noch auf europäischer Ebene eine Zulassung erhalten. Der Revisionswerber habe das Produkt "Ukrain" über die Firma N. P., die über keine arzneimittelrechtliche Bewilligung zur Herstellung und zum Inverkehrbringen von Arzneimitteln verfügt habe, bezogen. Dieser Firma sei mit Bescheid vom 6. August 2009 die Herstellung und das Inverkehrbringen insbesondere des Mittels "Urkrain" untersagt worden. Der Revisionswerber habe das in Österreich, aber auch in anderen EU-Staaten nicht zugelassene Mittel "Ukrain" an Krebspatienten verabreicht. Das Produkt "Ukrain" habe er nicht über eine Apotheke, sondern über ein Unternehmen bezogen, das zur Herstellung und zum Inverkehrbringen dieses Arzneimittels mangels der erforderlichen Bewilligung nicht befugt gewesen sei. In den vom Revisionswerber vorgelegten Schriftstücken berichteten 16 Ärzte über ihre Erfahrungen bei der Anwendung von "Ukrain" bei ihren Patienten. Darüber hinaus enthalte ein Großteil dieser Berichte die Empfehlung, dieses Mittel in Österreich zuzulassen. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 8 Abs. 1 Z 2 AMG sei durch eine förmliche Bestätigung nachweislich Klarheit darüber zu schaffen, dass in dem betreffenden Fall vor der Abgabe des Präparates ein zur Berufsausübung im Inland berechtigter Arzt, Zahnarzt oder Tierarzt das Vorliegen der Voraussetzungen nach dieser Gesetzesstelle geprüft und bejaht habe (Verweis auf das hg. Erkenntnis vom 28. Februar 1992, 92/10/0017). Die vom Revisionswerber vorgelegten Berichte hätten keinerlei Bezug zu den von ihm im Zeitraum 2005 bis 2011 vorgenommenen Anwendungen des Mittels und würden somit nicht als Bescheinigung iSd § 8 Abs. 1 Z 2 AMG gelten. Die vom Revisionswerber praktizierte Anwendung des Mittels "Ukrain" im relevanten Zeitraum sei daher nicht als zulässiger "Off-label-use" iSd § 8 Abs. 1 Z 2 AMG zu qualifizieren. Entgegen den Ausführungen des Revisionswebers sei auch nicht von einem zulässigen "individuellen Heilversuch" auszugehen, auch wenn der Revisionswerber die Patienten entsprechend aufgeklärt habe. Er habe das Mittel "Ukrain" und somit eine Substanz mit einem negativen "Risiko-/Nutzen-Profil" eingesetzt, das nicht geeignet gewesen sei, eine positive Wirkung, das heiße zumindest eine Verbesserung des Gesundheitszustandes, herbeizuführen. Die Verabreichung des Mittels "Ukrain" sei, wie eben dargestellt, nur "unter Missachtung bestehender gesetzlicher Verpflichtungen" möglich gewesen. Dieses dem Revisionswerber vorzuwerfende Verhalten sei als Verstoß gegen § 49 Abs. 1 ÄrzteG 1998 zu qualifizieren.
9 Zum Einwand des Revisionswerbers, die vorgenommenen Anwendungen des Mittels "Ukrain" seien gemäß § 137 Abs. 2 ÄrzteG 1998 verjährt, sei festzuhalten, dass er dieses Mittel jedenfalls bis 2011 angewendet habe, dies auch in Österreich. Durch die wiederholte Anwendung dieses Mittels habe der Revisionswerber mehrere gleichartige, in einem zeitlichen und räumlichen Zusammenhang stehende Verletzungshandlungen, die sich gegen dasselbe Rechtsgut richteten und von einem einheitlichen Gesamtvorsatz getragen seien, gesetzt. Dieses Verhalten sei als fortgesetztes Disziplinarvergehen zu qualifizieren. Bei einem solchen beginne die Frist für die Verfolgungsverjährung in jenem Zeitpunkt, in dem das Verhalten aufhöre. Der Revisionswerber habe "ab dem Jahr 2011 keine Behandlung von Patienten" mit dem Mittel "Ukrain" vorgenommen. Ab diesem Zeitpunkt habe die fünfjährige Frist des § 137 Abs. 2 ÄrzteG 1998 zu laufen begonnen. Im "Zeitpunkt des Einleitungsbeschlusses im Jahr 2012" sei das dem Revisionswerber vorgeworfene Verhalten nicht verjährt gewesen. Die vom Revisionswerber behauptete Verjährung wäre selbst dann nicht eingetreten, wenn die letzte Behandlung mit "Ukrain", wie vom Revisionswerber anlässlich der mündlichen Verhandlung am 26. August 2015 behauptet, im Jahr 2008 erfolgt wäre. Der "Einleitungsbeschluss im Jahr 2012" wäre auch dann innerhalb der fünfjährigen Verjährungsfrist des § 137 Abs. 2 ÄrzteG 1998 ergangen.
10 Dem Revisionswerber habe im Hinblick auf die von ihm vorgenommene Anwendung des Mittels "Ukrain" bewusst sein müssen, dass eine Bescheinigung iSd § 8 Abs 1 Z 2 AMG nicht vorgelegen sei und mangels entsprechender wissenschaftlicher Erkenntnisse von einem positiven "Risiko-/Nutzen-Profil" nicht auszugehen sei. Insbesondere habe der Revisionswerber selbst im Jahr 2009 begonnen, die Wirksamkeit des Mittels "Ukrain" zu erforschen, dieses aber dennoch bereits vorher eingesetzt.
11 Der Revisionswerber habe damit im Zeitraum von 2005 bis 2011 das Produkt "Ukrain" bei der Behandlung von Patienten angewendet, obwohl dieses Mittel nicht zugelassen gewesen sei, keine Bescheinigung iSd § 8 Abs. 1 Z 2 AMG vorgelegen und mangels wissenschaftlich fundierter (gemeint:) Erkenntnisse das Mittel kein positives "Risiko-/Nutzen-Profil" aufgewiesen habe. Damit habe er in vorwerfbarer Weise gegen § 49 Abs. 1 ÄrzteG 1998 verstoßen und damit das Disziplinarvergehen nach § 136 Abs. 1 Z 2 ÄrzteG 1998 begangen.
12 Die Zulassung der ordentlichen Revision begründete das Verwaltungsgericht damit, dass bei der dem Revisionswerber vorgeworfenen Anwendung des Mittels "Ukrain" Rechtsfragen im Zusammenhang mit dem AMG und dem ÄrzteG 1998 zu beurteilen gewesen seien, die über den vorliegenden Fall hinaus Bedeutung hätten. Zwar habe sich der Verwaltungsgerichtshof mit der Frage des Vorliegens einer Bescheinigung im Sinne der arzneimittelrechtlichen Bestimmungen bereits befasst, allerdings nicht im Kontext eines Disziplinarverfahrens. Darüber hinaus mangle es an Judikatur zu dem vom Revisionswerber behaupteten "individuellen Heilversuch". Es sei darauf hinzuweisen, dass sich das Verwaltungsgericht bei der Beurteilung des dem Revisionswerber zur Last gelegten Vorwurfs, mit den auf seiner Homepage verwendeten Bezeichnungen gegen die Bestimmungen des ÄrzteG 1998 iVm der Richtlinie "Arzt und Öffentlichkeit" verstoßen zu haben, an der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes orientiert habe.
13 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende, vom Verwaltungsgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens vorgelegte (ordentliche) Revision.
14 Der Disziplinaranwalt-Stellvertreter erstattete eine Revisionsbeantwortung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
15 Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
16 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.
17 Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit der Revision vor, diese ergebe sich aus den vom Verwaltungsgericht angeführten Umständen. Die Ausführungen des Verwaltungsgerichtes im Zusammenhang mit der Frage des "individuellen Heilversuchs" seien sehr kurz, es werde lediglich behauptet, dass nicht von einem zulässigen "individuellen Heilversuch" auszugehen sei, da das Mittel "Ukrain" ein negatives Risiko-/Nutzen-Profil besitzen würde. Es sei daher eine Rechtsfrage von grundlegender Bedeutung zu klären, zu der keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliege.
18 Zu Spruchpunkt I.:
19 Die Revision erweist sich im Hinblick auf die vom Verwaltungsgericht und vom Revisionswerber angesprochenen Fragen bezüglich der Bestätigung des Schuldspruches zu Spruchpunkt I. des vor dem Verwaltungsgericht angefochtenen Disziplinarerkenntnisses, auf dem in weiterer Folge auch die Aussprüche über die Strafe und Kosten aufbauen, als zulässig.
20 Die Revision ist insofern auch begründet:
21 Das Ärztegesetz 1998, BGBl. I Nr. 169/1998 (ÄrzteG 1998), lautet - in der jeweils nachfolgend angegebenen Fassung - auszugsweise wie folgt:
§ 49 Abs. 1 ÄrzteG 1998 idF BGBl. I Nr. 140/2003:
"Behandlung der Kranken und Betreuung der Gesunden
§ 49. (1) Ein Arzt ist verpflichtet, jeden von ihm in ärztliche Beratung oder Behandlung übernommenen Gesunden und Kranken ohne Unterschied der Person gewissenhaft zu betreuen. Er hat sich laufend im Rahmen anerkannter Fortbildungsprogramme der Ärztekammern in den Bundesländern oder der Österreichischen Ärztekammer oder im Rahmen anerkannter ausländischer Fortbildungsprogramme fortzubilden und nach Maßgabe der ärztlichen Wissenschaft und Erfahrung sowie unter Einhaltung der bestehenden Vorschriften und der fachspezifischen Qualitätsstandards das Wohl der Kranken und den Schutz der Gesunden zu wahren."
§ 49 Abs. 1 ÄrzteG 1998 idF BGBl. I Nr. 61/2010, in Kraft getreten am 19. August 2010:
"Behandlung der Kranken und Betreuung der Gesunden
§ 49. (1) Ein Arzt ist verpflichtet, jeden von ihm in ärztliche Beratung oder Behandlung übernommenen Gesunden und Kranken ohne Unterschied der Person gewissenhaft zu betreuen. Er hat sich laufend im Rahmen anerkannter Fortbildungsprogramme der Ärztekammern in den Bundesländern oder der Österreichischen Ärztekammer oder im Rahmen anerkannter ausländischer Fortbildungsprogramme fortzubilden und nach Maßgabe der ärztlichen Wissenschaft und Erfahrung sowie unter Einhaltung der bestehenden Vorschriften und der fachspezifischen Qualitätsstandards, insbesondere aufgrund des Gesundheitsqualitätsgesetzes (GQG), BGBl. I Nr. 179/2004, das Wohl der Kranken und den Schutz der Gesunden zu wahren."
§ 136 Abs. 1 Z 2 ÄrzteG 1998 idF BGBl. I Nr. 110/2001:
"Disziplinarvergehen
§ 136. (1) Ärzte machen sich eines Disziplinarvergehens schuldig, wenn sie im Inland oder im Ausland
...
2. die Berufspflichten verletzen, zu deren Einhaltung sie sich anläßlich der Promotion zum Doctor medicinae universae oder zum Doctor medicinae dentalis verpflichtet haben oder zu deren Einhaltung sie nach diesem Bundesgesetz oder nach anderen Vorschriften verpflichtet sind.
..."
§ 136 Abs. 1 Z 2 ÄrzteG 1998 idF BGBl. I Nr. 156/2005:
"Disziplinarvergehen
§ 136. (1) Ärzte machen sich eines Disziplinarvergehens schuldig, wenn sie im Inland oder im Ausland
...
2. die Berufspflichten verletzen, zu deren Einhaltung sie sich anläßlich der Promotion zum Doctor medicinae universae verpflichtet haben oder zu deren Einhaltung sie nach diesem Bundesgesetz oder nach anderen Vorschriften verpflichtet sind."
§ 137 Abs. 1 Z 2 ÄrzteG 1998 in der Stammfassung:
"§ 137. (1) Durch Verjährung wird die Verfolgung eines Arztes oder außerordentlichen Kammerangehörigen ausgeschlossen, wenn
...
2. innerhalb von fünf Jahren nach der Beendigung eines disziplinären Verhaltens kein Einleitungsbeschluß gefaßt oder ein rechtskräftig beendetes Disziplinarverfahren nicht zu seinem Nachteil wiederaufgenommen worden ist."
22 Das Arzneimittelgesetz, BGBl. Nr. 185/1983 (AMG), lautet - in der jeweils nachfolgend angegebenen Fassung - auszugsweise wie folgt:
§ 12 Abs. 1 Z 2 AMG idF BGBl. I Nr. 35/2004:
"§ 12. (1) Arzneispezialitäten bedürfen keiner Zulassung, wenn
...
2. ein zur selbständigen Berufsausübung im Inland berechtigter Arzt, Zahnarzt oder Tierarzt bescheinigt, daß die Arzneispezialität zur Abwehr einer Lebensbedrohung oder schweren gesundheitlichen Schädigung dringend benötigt wird und dieser Erfolg mit einer zugelassenen und verfügbaren Arzneispezialität nach dem Stand der Wissenschaft voraussichtlich nicht erzielt werden kann, oder
..."
§ 8 Abs. 1 Z 2 AMG idF BGBl. I Nr. 153/2005:
"§ 8. (1) Arzneispezialitäten bedürfen keiner Zulassung, wenn
...
2. ein zur selbständigen Berufsausübung im Inland berechtigter Arzt, Zahnarzt oder Tierarzt bescheinigt, dass die Arzneispezialität zur Abwehr einer Lebensbedrohung oder schweren gesundheitlichen Schädigung dringend benötigt wird und dieser Erfolg mit einer zugelassenen und verfügbaren Arzneispezialität nach dem Stand der Wissenschaft voraussichtlich nicht erzielt werden kann, oder
..."
23 Der Revisionswerber wurde mit dem angefochtenen Erkenntnis eines Disziplinarvergehens nach § 136 Abs. 1 Z 2 ÄrzteG 1998 für schuldig erkannt, weil er in I. von "2005 bis 2011 zu näher nicht feststellbaren Zeitpunkten an eine ziffernmäßig nicht feststellbare Anzahl von Patienten das in der Europäischen Union als Arzneimittel nicht zugelassene Mittel ‚Ukrain', das in Österreich weder hergestellt, eingeführt, noch verkauft und auch außerhalb von klinischen Prüfungen nicht angewendet werden darf, verabreicht" und damit seine Berufspflicht nach § 49 Abs. 1 ÄrzteG 1998 verletzt habe.
24 Nach § 49 Abs. 1 ÄrzteG 1998 (in beiden Fassungen, die im vorgeworfenen Tatzeitraum in Geltung standen) ist ein Arzt verpflichtet, jeden von ihm in ärztliche Beratung oder Behandlung übernommenen Gesunden und Kranken ohne Unterschied der Person gewissenhaft zu betreuen und "nach Maßgabe der ärztlichen Wissenschaft und Erfahrung sowie unter Einhaltung der bestehenden Vorschriften und der fachspezifischen Qualitätsstandards" das Wohl der Kranken und den Schutz der Gesunden zu wahren.
25 Zum hier vorliegenden Schuldvorwurf ist zunächst anzumerken, dass weder aus dem Spruch des angefochtenen Erkenntnisses noch aus dessen Begründung ersichtlich wird, aus welchen Gründen nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes die Verabreichung eines "in der Europäischen Union als Arzneimittel nicht zugelassenen Mittels" - als solches - eine Berufspflichtverletzung nach § 49 Abs. 1 ÄrzteG 1998 darstellen sollte. Darlegungen dahin, dass die Verabreichung von in der Europäischen Union (nach Maßgabe der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 des Europäischen Parlaments und Rates vom 31. März 2004) bzw. in Österreich (nach Maßgabe des AMG) nicht zugelassener Arzneimittel dem behandelnden Arzt schlechthin untersagt und sohin bereits als solches als Berufspflichtverletzung zu disziplinieren wäre, sind dem angefochtenen Erkenntnis nicht zu entnehmen.
26 Der Verwaltungsgerichtshof vermag eine Rechtsgrundlage für eine derartige Annahme auch nicht zu erkennen. Insbesondere kann den Bestimmungen des AMG ein den behandelnden Arzt treffendes generelles Anwendungsverbot nicht zugelassener Arzneimittel nicht entnommen werden (vgl. Kopetzki , "Off-label-use" von Arzneimitteln, in: Ennöckl/Raschauer/Schulev-Steindl/Wessely , Über Struktur und Vielfalt im Öffentlichen Recht, FS Raschauer, 2008, 73 ff (77) , Haas/Plank/Unterkofler , Arzneimittelgesetz, 2. Auflage 2015, 128; vgl. schon das hg. Erkenntnis vom 22. April 1991, 89/12/0246) . Dies ergibt sich schon daraus, dass die "Verabreichung" bzw. "Anwendung" eines Arzneimittels durch den behandelnden Arzt - der nach § 2 Abs. 1 AMG als "Anwender" bestimmt wird, soweit er zur Erfüllung seiner Aufgaben Arzneimittel benötigt - keine "Abgabe" im Sinne des § 2 Abs. 11 AMG darstellt (vgl. Mayer/Michtner/Schober , Kommentar zum Arzneimittelgesetz, 1987, S. 33 f, Kopetzki , aaO, S. 77 und 81 f; so auch zur dt. Rechtslage bei insofern gleicher Begrifflichkeit etwa Kloesel/Cyran , Arzneimittelrecht, 119. Lfg. 2011, Anm. 57 f zu § 4, Schiwy , Dt. Arzneimittelgesetz, 284. Lfg. 2016, Anm. 17 zu § 4).
27 Auch wenn nach dem Gesagten der Vorwurf der Verabreichung eines nicht zugelassenen Arzneimittels demnach - als solches - noch keine Berufspflichtverletzung nach § 49 Abs. 1 ÄrzteG 1998 darstellt, wird im Spruch des angefochtenen Erkenntnisses auch ausgeführt, das Arzneimittel, dessen Verabreichung dem Revisionsweber zur Last gelegt wurde, dürfe "in Österreich weder hergestellt, eingeführt, noch verkauft und auch außerhalb von klinischen Prüfungen nicht angewendet werden". Damit geht das Verwaltungsgericht offenbar davon aus, dass die "Anwendung" des in Rede stehenden Arzneimittels außerhalb klinischer Prüfungen und somit auch dessen "Verabreichung" durch den behandelnden Arzt - nur diese wurde dem Revisionswerber zur Last gelegt - in genereller Form durch Rechtsvorschriften untersagt ist. Worauf das Verwaltungsgericht diese Annahme für den angenommenen Tatzeitraum zu stützen können glaubt, ist allerdings weder dem Spruch noch der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses zu entnehmen. Das Verwaltungsgericht macht sich insofern zwar nicht die Begründung des bei ihm angefochtenen Bescheides zu eigen, wonach durch einen "Erlass des Bundesministers für Gesundheit" (gemeint sind offenbar aktenkundige Erlässe aus dem Jahr 1994 bzw. 1986) die Anwendung des in Rede stehenden Arzneimittels "für unzulässig erklärt" worden sei, es enthält aber keinerlei Ausführungen dazu, welche generelle Rechtsnorm, deren Missachtung dem Revisionsweber bereits als solche als Verletzung der "Einhaltung der bestehenden Vorschriften" im Sinne des § 49 Abs. 1 ÄrzteG 1998 vorwerfbar wäre, insoweit dem Spruch des angefochtenen Erkenntnisses zugrunde liegt (vgl. zu generellen Anwendungsverboten Kopetzki , aaO, 83). In der Begründung - nicht aber im Spruch - des angefochtenen Erkenntnisses stützt sich das Verwaltungsgericht vielmehr darauf, dass bei der Verabreichung "keine Bescheinigung iSd § 8 Abs. 1 Z 2 AMG vorgelegen" sei und das Arzneimittel
"mangels wissenschaftlich fundierter Erkenntnisse ... kein
positives ‚Risiko-/Nutzen-Profil'" aufgewiesen habe.
28 Soweit das Verwaltungsgericht diesbezüglich die Ansicht vertritt, die Verabreichung eines nicht zugelassenen Arzneimittels durch den behandelnden Arzt stelle dann, wenn keine Bescheinigung iSd § 8 Abs. 1 Z 2 AMG vorliege, eine Berufspflichtverletzung nach § 49 Abs. 1 ÄrzteG 1998 dar, so ist dem nicht zu folgen. Wie bereits ausgeführt, beruht diese Ansicht auf der vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilten Annahme, die "Verabreichung" eines Arzneimittels durch den behandelnden Arzt stelle eine "Abgabe" im Sinne des § 2 Abs. 11 AMG dar. Die Bestimmung des § 8 Abs. 1 Z 2 AMG stellt eine Ausnahme von der Zulassungspflicht dar, die sich wie diese im hier relevanten Zusammenhang nicht an Ärzte - es sei denn, diese treten als "Abgeber" im Sinne des § 2 Abs. 11 AMG auf - richtet, sodass diese Bestimmung auch dann, wenn deren Kriterien nicht erfüllt sind, einer ärztlichen Anwendung eines nicht zugelassenen Arzneimittels nicht hindernd entgegensteht (vgl. nochmals Kopetzki , aaO, 77 und 80). Soweit der Schuldspruch vom Verwaltungsgericht somit auf das Fehlen einer Zulassung bzw. Bescheinigung iSd § 8 Abs. 1 Z 2 AMG gestützt wird, beruht dieser auf eine Verkennung der Rechtslage.
29 Das angefochtene Erkenntnis stützt sich in seiner Begründung - wie ausgeführt - allerdings auch darauf, dass das verabreichte Arzneimittel "mangels wissenschaftlich fundierter Erkenntnisse ... kein positives ‚Risiko-/Nutzen-Profil'" aufgewiesen habe. Damit wird in der Sache erkennbar auf die in § 49 Abs. 1 ÄrzteG 1998 normierte Berufspflicht des Arztes Bezug genommen, jeden von ihm in ärztliche Behandlung übernommenen Kranken "gewissenhaft zu betreuen" und "nach Maßgabe der ärztlichen Wissenschaft und Erfahrung" das Wohl des Kranken zu wahren. Stellt sich die Verabreichung eines nicht zugelassenen Arzneimittels demnach als Verletzung dieser Verpflichtung dar, kommt eine disziplinäre Verantwortung des betreffenden Arztes in Betracht. Die Annahme, dass der Revisionswerber eine solche Pflichtverletzung zu verantworten habe, stützt das Verwaltungsgericht im Wesentlichen auf ein im Verfahren vor der belangten Behörde eingeholtes Gutachten eines medizinischen Sachverständigen vom 15. Februar 2013 sowie eine im Beschwerdeverfahren eingeholte Stellungnahme einer medizinischen/pharmakologischen Sachverständigen vom 28. April 2015, wonach die Verschreibung von "Ukrain" nicht auf medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhe, keine wissenschaftlichen Studien existierten, die dessen Wirksamkeit belegten, und dieses Mittel daher ein negatives "Risiko-/Nutzen-Profil" aufweise, wobei diese Beurteilung "jedenfalls auch für den Zeitraum beginnend ab 2004" zutreffe.
30 Ob das Verwaltungsgericht im Revisionsfall - zumindest im Ergebnis - zu Recht von einer derartigen Pflichtverletzung ausgegangen ist, bedarf allerdings hier keiner weiteren Erörterung, weil sich der Schuldspruch zu Spruchpunkt I. des vor dem Verwaltungsgericht bekämpften Disziplinarerkenntnisses schon aus folgenden Gründen als rechtswidrig erweist:
31 Das Verwaltungsgericht vertritt zum Verjährungseinwand des Revisionswerbers die Auffassung, dass durch die wiederholte Anwendung dieses Mittels der Revisionswerber mehrere gleichartige, in einem zeitlichen und räumlichen Zusammenhang stehende Verletzungshandlungen gesetzt habe, die sich gegen dasselbe Rechtsgut richteten und von einem einheitlichen Gesamtvorsatz getragen seien. Dieses Verhalten sei als fortgesetztes Disziplinarvergehen zu qualifizieren, bei dem die Frist für die Verfolgungsverjährung in jenem Zeitpunkt beginne, in dem das Verhalten aufhöre. Der Revisionswerber habe "ab dem Jahr 2011 keine Behandlung von Patienten" mehr vorgenommen. Ab diesem Zeitpunkt habe die fünfjährige Frist des § 137 Abs. 2 ÄrzteG 1998 zu laufen begonnen, sodass im Zeitpunkt des Einleitungsbeschlusses das dem Revisionswerber vorgeworfene Verhalten nicht verjährt gewesen sei.
32 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes treten bei einem "fortgesetzten Delikt", bei welchem eine Reihe von gleichartigen Einzelhandlungen von einem einheitlichen Willensentschluss umfasst sind, die äußeren Begleitumstände im Rahmen eines erkennbaren zeitlichen Zusammenhangs zu einer Einheit zusammen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 2012, 2010/09/0075, mwN). Wie groß der Zeitraum zwischen den einzelnen Tathandlungen sein darf, um noch von einem fortgesetzten Delikt sprechen zu können, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. September 2006, 2004/04/0185, Slg. Nr. 17.000 A). Im Bereich des Disziplinarrechtes wurde ein derartiger zeitlicher Zusammenhang beispielsweise bei Dienstpflichtverletzungen nach dem BDG 1979 bei einer Unterbrechung in der Dauer von etwas mehr als zwei Jahren verneint (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Jänner 1993, 92/09/0286).
33 Im vorliegenden Fall wurde dem Revisionswerber zur Last gelegt, dass er einer "ziffernmäßig nicht feststellbare Anzahl" von Patienten "zu näher nicht feststellbaren Zeitpunkten" im Zeitraum von 2005 bis 2011 das in Rede stehende Arzneimittel verabreicht hat, ohne dass konkrete Einzelhandlungen zeitlich bestimmt oder deren Anzahl festgestellt wurde. Auf Grundlage dieser Feststellungen ist aber eine Beurteilung dahin, dass die Einzelhandlungen infolge ihres zeitlichen Zusammenhangs zu einer Einheit zusammentreten, von vornherein nicht möglich, sodass das angefochtene Erkenntnis im genannten Umfang schon deshalb keinen Bestand haben kann. Es kann daher dahinstehen, ob die weiteren Voraussetzungen für die Annahme eines fortgesetzten Deliktes - etwa die Identität des Angriffsobjektes, sofern es sich um höchstpersönliche Rechtsgüter wie Leben, Ehre oder Gesundheit handelt (vgl. dazu nochmals das genannte hg. Erkenntnis vom 15. September 2006) - vorliegen, und ob überhaupt die einzelnen Handlungen ausreichend genau umschrieben wurden.
34 Soweit das Verwaltungsgericht zum Verjährungseinwand des Revisionswerbers ausführt, dass eine Verjährung selbst dann nicht eingetreten wäre, wenn die letzte Behandlung, wie vom Revisionswerber anlässlich der mündlichen Verhandlung am 26. August 2015 behauptet, im Jahr 2008 erfolgt wäre, weil der "Einleitungsbeschluss im Jahr 2012" auch dann innerhalb der fünfjährigen Verjährungsfrist des § 137 Abs. 2 ÄrzteG 1998 ergangen wäre, so beruht dies auf aktenwidrigen Annahmen. Der vorliegende Einleitungsbeschluss stammt der eindeutigen Aktenlage zufolge nicht aus dem Jahr 2012, sondern vom 27. Mai 2013; dieses Datum wird im Übrigen auch in der Darstellung des Verfahrensganges des angefochtenen Erkenntnisses angeführt. Damit kann aber ohne nähere Feststellungen dazu, wann nach den Behauptungen des Revisionswerbers im Jahr 2008 eine letztmalige Behandlung erfolgte, eine Verjährung gemäß § 137 Abs. 2 ÄrzteG 1998 nicht von vornherein verneint werden.
35 Anzumerken ist, dass der in Rede stehende Einleitungsbeschluss vom 27. Mai 2013 im Grunde des § 154 Abs. 2 ÄrzteG 1998 in der maßgeblichen Fassung vor der Novellierung BGBl. I Nr. 80/2013 keinem abgesonderten Rechtsmittel unterlag, sodass jene Erwägungen, die der Verwaltungsgerichtshof in seiner Judikatur zu disziplinarrechtlichen Bestimmungen, die eine Bekämpfbarkeit von Einleitungsbeschlüssen durch ordentliche Rechtsmittel vorsehen (vgl. dazu etwa die hg. Beschlüsse je vom 23. Februar 2017, Ra 2016/09/0113 und Ra 2016/09/0119, mwN), hier nicht zum Tragen kommen.
36 Das angefochtene Erkenntnis erweist sich im genannten Umfang demnach schon aus diesem Grund als inhaltlich rechtswidrig.
37 Der Revisionswerber bestreitet zudem in seiner Revision die Annahme des Verwaltungsgerichtes über einen Tatzeitraum der Verabreichungen in I. von 2005 bis 2011. Es lägen diesbezüglich nur die Aussagen des Revisionswerbers vor, dieser habe Behandlungen hauptsächlich in den Jahren 2004 und 2005 angegeben sowie eine Behandlung im Jahr 2008 zugestanden, die aber nicht in I., sondern in B. A. (Deutschland) stattgefunden habe.
38 Der Verwaltungsgerichtshof ist zwar als Rechtsinstanz tätig und zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Die Beweiswürdigung ist einer Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof aber insofern zugänglich, als es (insbesondere) um die Frage geht, ob die vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, also nicht den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut widersprechen (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 13. Dezember 2016, Ra 2016/09/0104).
39 Nach der oben wörtlich wiedergegebenen Begründung des angefochtenen Erkenntnisses stützt das Verwaltungsgericht seine Feststellungen über den Tatzeitraum auf die Aussage des Revisionswerbers vor der belangten Behörde am 5. November 2013 und das Schreiben des damaligen Rechtsvertreters an Landesrat B. T. vom 20. September 2012. Der Revisionswerber habe am 5. November 2013 "ausdrücklich angeführt, das Mittel ‚Ukrain' hauptsächlich in den Jahren 2004 und 2005 verabreicht und ‚nach dem Jahre 2011' nicht mehr verwendet" zu haben. Im genannten Schreiben des damaligen Rechtsvertreters vom 20. September 2012 habe dieser "ausdrücklich festgehalten", dass der Revisionswerber "vor mehr als einem Jahr" entschieden habe, das Arzneimittel "Ukrain" nicht mehr zu verabreichen.
40 Der vorliegenden Niederschrift vom 5. November 2013 lässt sich zwar die wiedergegebene Aussage des Revisionswerber entnehmen, diese wurde allerdings - was die Verabreichung anbelangt - in weiterer Folge ausdrücklich dahin relativiert, dass der Revisionswerber das Mittel das letzte Mal "im Frühjahr 2008 eingesetzt" habe. Aus dem vom Verwaltungsgericht zitierten Teil dieser Aussage lässt sich somit ohne beweiswürdigende Auseinandersetzung mit den gegenteiligen, ausdrücklich auf eine Verabreichung abstellenden Angaben des Revisionswerbers eine Tatbegehung in I. "bis 2011" nicht schlüssig ableiten. Gleiches gilt für das genannte Schreiben des damaligen Rechtsvertreters des Revisionswerbers vom 20. September 2012, wird darin doch lediglich zugestanden, dass der Revisionsweber "in der Vergangenheit" fallweise "Ukrain" verabreicht, aber vor "mehr als einem Jahr" entschieden habe, dieses Arzneimittel nicht mehr zu verabreichen. Aus der zuletzt genannten Passage lässt sich aber in schlüssiger Weise nicht folgern, dass der Revisionswerber damit zugestanden habe, dass er - wie die belangte Behörde im Disziplinarerkenntnis ausführt - "somit etwa Mitte des Jahres 2011" eine derartige Entscheidung getroffen hat, geschweige denn, dass er bis zum Jahr 2011 in I. tatsächlich das Arzneimittel verabreicht hat. Die beweiswürdigenden Ausführungen des Verwaltungsgerichtes zum Tatzeitraum halten daher einer Schlüssigkeitsprüfung nicht stand.
41 Das angefochtene Erkenntnis erweist sich daher im Umfang der Bestätigung des Schuldspruches zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Disziplinarerkenntnisse des Disziplinarrates der Österreichischen Ärztekammer, Disziplinarkommission für Tirol, vom 5. November 2013 sowie - darauf aufbauend - in seinen Aussprüchen über die Strafe und Kosten als rechtswidrig, weshalb es in diesen Umfang wegen prävalierender Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
42 Die Kostenentscheidung gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
43 Die Revisionsbeantwortung des Disziplinaranwalt-Stellvertreters war zurückzuweisen, weil weder dem Disziplinaranwalt noch dem Disziplinaranwalt-Stellvertreter nach § 141 ÄrzteG 1998 im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Parteistellung zukommt, wenn er nicht selbst Revision erhebt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Juli 2015, Ro 2014/09/0064, mwN).
44 Zu Spruchpunkt II.:
45 In Ansehung der Bestätigung der Schuldsprüche zu den Spruchpunkten II. und III. des Disziplinarerkenntnisses vom 5. November 2013 enthält das angefochtene Erkenntnis keine Ausführungen zu einer vom Verwaltungsgerichtshof zu lösenden grundsätzlichen Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG. Die - oben wiedergegebene - Zulässigkeitsbegründung des Verwaltungsgerichtes bringt vielmehr zum Ausdruck, dass nach dessen Ansicht insoweit keine grundsätzliche Rechtsfrage vorliegt.
46 Ein Revisionswerber hat auch bei Erhebung einer ordentlichen Revision von sich aus die Zulässigkeit der Revision (gesondert) darzulegen, sofern er der Ansicht ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichtes für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht, oder er eine andere Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Februar 2017, Ro 2015/09/0013, mwN).
47 Diesbezügliche, die Bestätigung der Schuldsprüche zu den Spruchpunkten II. und III. des genannten Disziplinarerkenntnisses betreffende Ausführungen zu ihrer Zulässigkeit enthält die vorliegende Revision allerdings nicht, sodass weder vom Verwaltungsgericht noch vom Revisionswerber insofern eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufgezeigt wird.
48 Die Revision war daher in diesem Umfang zurückzuweisen.
Wien, am 28. März 2017