JudikaturVwGH

3429/78 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
02. April 1979

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Hofstätter, und die Hofräte Dr. Simon, Dr. Iro, Dr. Drexler und Dr. Pokorny als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Mag. Gaismayer, über die Beschwerde des Präsidenten der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat IX) vom 4. Oktober 1978, Zl. 6 2585/3/78, betreffend Einkommensteuer und Gewerbesteuer 1975 der mitbeteiligten Partei F S in W, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Mitbeteiligte betreibt einen Kraftfahrzeughandel in W. Den Gewinn ermittelt er gemäß § 4 Abs. 1 EStG 1972. In der Verlust und Gewinnrechnung für das Jahr 1975 machte er als Aufwand unter anderem „Grundkosten“ in Höhe von S 93.783,38 geltend. Dieser Betrag setzte sich aus Entscheidungsgebühr S 16.010, , Grundsteuer S 2.079, , Wasser S 37,50, NEWAG S 113, , Dr. W. S 36.967,50 und Verfahrenskosten für Grund S 38.576,38 zusammen. Auf der im Verwaltungsakt befindlichen Fotokopie des betreffenden Kontoblattes findet sich folgender handschriftlicher Vermerk:

Grundkosten : Herr Franz Sch. hat Grund in Neunkirchnerstraße von Herrn R. Miloslav gekauft im Jahre 1973, ausgewiesen in Bilanz 1973. Nach Prozeß des R gegen S (Anfechtung des Kaufvertrages) erfolgte Aufhebung des Kaufvertrages (siehe Bl. 8 und 9 im EW Akt/74). Im Jahre 1975 erfolgte die Buchung des Abganges (B1. 5/Bilanz 1975).

Grundstücksgröße : Laut Bewertungsakt: EW 205.000,

(EW AZ 64 II 783) Gebäudewert 24.756,

24.756 : 2050 = 12 % von 93.783 = 11.254,

anerkannter Aufwand.“

In der Begründung des Einkommensteuer und Gewerbesteuerbescheides für 1975 wurde ausgeführt, daß die Grundkosten nur hinsichtlich des Gebäudeteils am gesamten Grundstück in Höhe von S 11.254, anerkannt werden könnten. Der Differenzbetrag von S 82.529, werde daher dem erklärten Gewinn hinzugerechnet.

Gegen diese Bescheide erhob der Mitbeteiligte das Rechtsmittel der Berufung. In dieser führte er aus, daß, wenn das Finanzamt die Beratungskosten, die mit dem Grundstückskauf in Zusammenhang stünden, nur hinsichtlich des Gebäudeanteiles am gesamten Grundstück als Betriebsausgaben anerkenne, dies nicht den Tatsachen entspreche, weil ihn kein Verschulden an dem Prozeß treffe. Der Mitbeteiligte habe das gegenständliche Grundstück von Miloslav R. erworben und auch bezahlt. Er habe aber bei Abschluß des Rechtsgeschäftes nicht wissen können, daß der Verkäufer wegen Geistesschwäche voll entmündigt und Dr. Georg K. zum Kurator bestellt worden sei. Dieser habe das vorliegende Rechtsgeschäft bekämpft und vom Oberlandesgericht Wien auch Recht bekommen. Somit sei das Wirtschaftsgut nicht in das Eigentum des Mitbeteiligten übergegangen, weshalb auch kein bewertungs bzw. aktivierungsfähiges Wirtschaftsgut vorliege.

Mit Schriftsatz vom 10. April 1978 führte der Mitbeteiligte ergänzend aus, er habe die Liegenschaft W, als Abstellplatz für Gebrauchtautos von der Stadtgemeinde Wiener Neustadt gemietet. Diese habe ihm unverbindlich zugesichert, daß er das Vorkaufsrecht für dieses Grundstück hätte. Diese Zusicherung sei jedoch nicht eingehalten und das Grundstück an den Verein „N. W.“ verkauft worden. Dieser habe den bestehenden Bestandvertrag per 30. April 1971 aufgekündigt. Diese Kündigung sei vom Mitbeteiligten, der gleichzeitig versucht habe, ein Ersatzgrundstück zu erwerben, bekämpft worden. Mit Kaufvertrag vom 30. Mai 1973 habe er ein solches Grundstück von Miloslav R. erworben.

Zum Beweis für sein Vorbringen legte der Mitbeteiligte den zwischen ihm und R. am 30. Mai 1973 über die Liegenschaft in W, abgeschlossenen Kaufvertrag, den Beschluß des Bezirksgerichtes Wiener Neustadt vom 31. August 1973, womit Dr. K. zum Kurator des wegen Geistesschwäche voll entmündigten R. bestellt wurde, die Klage desselben gegen den Mitbeteiligten auf Aufhebung des Kaufvertrages und auf Löschung des für den Mitbeteiligten ob der gegenständlichen Liegenschaft einverleibten Eigentumsrechtes sowie die Berufungsentscheidung des Oberlandesgerichtes Wien vom 1. Juli 1975 vor.

Die Berufungsvorentscheidung, mit welcher das Finanzamt die Berufung des Mitbeteiligten abwies, wurde durch den rechtzeitig gestellten Antrag auf Vorlage der gegenständlichen Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz wirkungslos.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungssenat bei der belangten Behörde führte der Vertreter des Mitbeteiligten aus, daß nach dem Prozeß betreffend das gegenständliche Grundstück ein mehrfacher Eigentumsübergang stattgefunden habe und letztlich die Stadtgemeinde Wiener Neustadt Grundeigentümerin geworden sei. Diese beabsichtige, auf dem Grundstück Wohnbauten zu errichten, weshalb ein Räumungsverfahren nach wie vor im Gange sei. Der durch das Gerichtsverfahren für nichtig erklärte Kaufvertrag sei grundbücherlich eingetragen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Rechtsmittel der mitbeteiligten Partei Folge. In der Begründung führte sie im wesentlichen aus, im vorliegenden Fall habe der Mitbeteiligte die gegenständliche Liegenschaft, auf welcher sich nach dem Kaufvertrag drei Garagen und ein verfallenes Gartenhaus befänden, als Ersatzabstellplatz für seinen Gebrauchtwagenhandel erwerben wollen. Daß er den Erwerb dieses Grundstückes als Betriebsvorgang habe behandelt wissen wollen, komme dadurch zum Ausdruck, daß dasselbe sowohl in der Bilanz des Jahres 1973 als auch in der Erklärung zur Feststellung des Einheitswertes des Betriebsvermögens zum 1. Jänner 1973, bewertet mit jeweils S 200.000, , aufscheine.

Der Streit gehe einzig darum, ob die mit dem Erwerb dieser Betriebsliegenschaft in der Folge entstandenen Gerichts und Anwaltskosten als Betriebsausgaben anzusehen seien, nicht aber um die Frage der Zugehörigkeit der in Rede stehenden Liegenschaft zum Betriebsvermögen. Unbestritten sei, daß der Wert des Grund und Bodens gemäß § 4 Abs. 1 EStG 1972 bei der Gewinnermittlung außer Ansatz bleibe, was bedeute, daß das Grundstück in der Bilanz nicht angesetzt werden könne, wie dies die mitbeteiligte Partei getan habe. Die Entscheidung der vorliegenden Streitfrage hänge daher davon ab, ob die gegenständlichen Aufwendungen durch den Betrieb veranlaßt worden seien. Nun gehörten zu den Betriebsausgaben gemäß § 4 Abs. 4 EStG 1972 unter gewissen Voraussetzungen auch Abwehrkosten, die dazu dienten, eine weitere Schmälerung des laufenden Gewinnes oder eine Erhöhung des Verlustes zu vermeiden. Die Streiteinlassung der mitbeteiligten Partei habe wirtschaftlich betrachtet der ungeschmälerten Weitererlangung ihrer Einnahmen aus dem KfzHandel, zu welchem die erworbene Liegenschaft als Abstellplatz unbedingt erforderlich gewesen sei, gedient. Es könne daher schwerlich gesagt werden, daß die mitbeteiligte Partei hier ein außerbetriebliches Vermögensopfer gebracht habe. Zu dem komme weiters, daß der gegenständliche grundbücherlich bereits einverleibte Liegenschaftserwerb zufolge der erfolgreichen gerichtlichen Anfechtung seitens des Verkäufers im Streitjahr abgabenrechtlich gemäß § 23 Abs. 4 BAO wirkungslos geworden sei, sodaß schon mangels eines aktivierungsfähigen Wirtschaftsgutes die strittigen Aufwendungen für sich allein betrachtet, nicht als Teil eines Anschaffungspreises angesehen werden könnten. Daß es sich vorliegendenfalls um „erfolglose“ Abwehrkosten handle, die zur Gänze abzugsfähig seien, ergebe sich auch aus der teleologischen Interpretation des § 4 Abs. 1 EStG 1972. Mit dieser Bestimmung habe der Gesetzgeber bloß bezweckt, daß Wertschwankungen bei Grund und Boden, welche meist auf außerbetriebliche Ursachen zurückzuführen seien, für die betriebliche Gewinnermittlung ausgeschaltet würden; darunter fielen jedoch nicht die strittigen „erfolglosen“ Abwehrkosten, die aufgewendet worden seien, um das bestrittene Eigentum in ein unbestrittenes zu verwandeln und so eine Verminderung des Gewinnes hintanzuhalten. Ein derartiger Vorfall sei der betrieblichen Sphäre zuzuordnen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die gemäß § 292 BAO erhobene Beschwerde des Präsidenten der Finanzlandesdirektion, in welcher Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im vorliegenden Fall ist unbestritten, daß der Mitbeteiligte das gegenständliche Grundstück, auf welchem sich auch allerdings geringfügige Baulichkeiten befinden, ausschließlich für betriebliche Zwecke zu erwerben beabsichtigte und daß er dasselbe nach Abschluß des diesbezüglichen Kaufvertrages mit Miloslav R. im Mai 1973 in der Bilanz des Jahres 1973 auswies. Außer Streit stehe ferner, daß der Mitbeteiligte den Gewinn gemäß § 4 Abs. 1 EStG 1972 ermittelt und jener Teil der Anwalts und Prozeßkosten, welche verhältnismäßig auf die auf dem genannten Grund und Boden befindlichen Gebäude entfallen und die der Mitbeteiligte in dem Verfahren, daß der durch seinen Kurator vertretene R. wegen Anfechtung des gegenständlichen Kaufvertrages anstrengte, aufwenden mußte, Betriebsausgaben darstellen. Strittig ist lediglich, ob auch der restliche Teil dieser Anwalts und Prozeßkosten, welche sich auf den nackten Grund und Boden beziehen, als Betriebsausgaben anzuerkennen sind oder nicht.

Gemäß § 4 Abs. 1 EStG 1972 ist Gewinn der Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögen am Schluß des Wirtschaftsjahres und dem Betriebsvermögen am Schluß des vorangegangenen Wirtschaftsjahres, vermehrt um den Wert der Entnahmen und vermindert um den Wert der Einlagen. Entnahmen liegen vor, wenn der Steuerpflichtige dem Betrieb Wirtschaftsgüter für sich, für seinen Haushalt oder für andere betriebsfremde Zwecke entnimmt. Einlagen liegen vor, wenn der Steuerpflichtige dem Betrieb Wirtschaftsgüter zuführt. Der Wert des Grund und Bodens, der zum Anlagevermögen gehört, bleibt außer Ansatz.

Bei isolierter Betrachtung des letzten Satzes dieser Gesetzesbestimmung könnte man, wie die belangte Behörde, zu der Auffassung gelangen, daß ein Steuerpflichtiger, welcher seinen Gewinn gemäß § 4 Abs. 1 EStG 1972 ermittelt, den Wert von Grund und Boden in seiner Bilanz überhaupt nicht ausweisen darf. Eine solche Betrachtungsweise erscheint jedoch nicht vertretbar. Vielmehr muß der in Rede stehende Satz im Zusammenhang mit der gesamten Bestimmung, in deren Rahmen er sich findet, gelesen werden. Im § 4 Abs. 1 leg. cit. nun werden die Grundsätze für die Durchführung des Bestandsvergleiches festgelegt. Der letzte Satz dieses Absatzes besagt daher nichts anderes, als daß der Wert des zum Anlagevermögen gehörenden Grund und Bodens worunter nach der einheitlichen Lehre (vgl. etwa Hofstätter Reichel, Die Einkommensteuer, Kommentar Tz 15 zu § 4 Abs. 1, Hermann Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, 18. Auflage, Anmerkung 24 zu § 4), der sich anzuschließen der Verwaltungsgerichtshof keine Bedenken trägt, die bloße Grundfläche zu verstehen ist beim Bestandsvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG 1972 außer Ansatz zu bleiben hat; damit sollen allfällige Wertschwankungen des in Rede stehenden Wirtschaftsgutes bei der Gewinnermittlung ausgeschaltet werden. Dies ändert jedoch nichts daran, daß der „nackte Grund und Boden“ als Anlagevermögen auch Betriebsvermögen darstellt und als solches in der Bilanz grundsätzlich auszuweisen ist (vgl. Schubert Pokorny Schuch, Einkommensteuerhandbuch, Seite 156, Herrmann Heuer, a.a.O., Anmerkung 25 a zu § 4, Blümich Falk, Einkommensteuergesetz, 10. Auflage, 1. Band, Seite 377). Ausgaben, die zu den Anschaffungskosten der bloßen Grundfläche gehören, haben bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG 1972 wie im übrigen auch bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 leg. cit. unberücksichtigt zu bleiben. Alle laufenden Ausgaben jedoch, die zwar mit dem zum Anlagevermögen gehörenden Grund und Boden in Zusammenhang stehen, aber mit einer Wertänderung desselben nichts zu tun haben, sind ebenso als Betriebsausgaben zu behandeln wie derartige Aufwendungen für andere Teile des Anlagevermögens. Dies gilt nach Ansicht des Gerichtshofes auch für die Anwalts und Prozeßkosten, die zur Verteidigung des Eigentums an dem Betriebsvermögen „Grund und Boden“ aufgewendet werden (vgl. Herrmann Heuer, a.a.O., Anmerkung 25 e zu § 4), da diese Ausgaben den Wert desselben nicht beeinflussen.

Wenn die belangte Behörde in dem angefochtenen Bescheid daher zu der Ansicht gelangt ist, daß die gesamten in Rede stehenden Anwalts und Prozeßkosten ohne Rücksicht darauf, ob sie sich rechnerisch auf den nackten Grund und Boden oder die auf demselben befindlichen Baulichkeiten beziehen, als Betriebsausgaben zu behandeln sind, so ist ihr nach Auffassung des Gerichtshofes beizustimmen.

Da sich die Beschwerde demnach als unbegründet erwies, ist sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 abzuweisen.

Wien, 2. April 1979