Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden, Senatspräsidenten Dr. Ondraczek, und die Hofräte Dr. Dorazil Dr. Raschauer, Dr. Frühwald und Dr. Riedel als Richter, im Beisein des Schriftführers, prov. Finanzkommissärs Dr. Glöckel, über die Beschwerde des Prof. EH in S, vertreten durch Dr. Karl Tamm, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Rainerstraße 25, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 4. Jänner 1967, Zl. GA VI 572/65, betreffend Erstattung von Lohnsteuer, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 1.108,80 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Der Beschwerdeführer ist seit dem Jahre 1946 Bediensteter der Ö Ges. m.b.H. Im Zusammenhange mit seiner beruflichen Tätigkeit war ihm in den Jahren 1962 bis 1964 vom zuständigen Wohnsitzfinanzamt auf Grund des Erlasses des Bundesministeriums für Finanzen vom 28. November 1957, Zl. 153.100-9/57, auf Antrag auf der Lohnsteuerkarte jeweils für ein Jahr ein monatlicher Freibetrag in Höhe von S 572,-- als Werbungskostenpauschbetrag für Kapellmeister eingetragen worden. Der Dienstgeber des Beschwerdeführers hatte jedoch diesen Freibetrag bei der Berechnung der Lohnsteuer nicht berücksichtigt. Der Beschwerdeführer beantragte deshalb mit Eingabe vom 4. Februar 1965 beim Wohnsitzfinanzamte gemäß § 240 der Bundesabgabenordnung (BGBl. Nr. 194/1961, BAO) die Rückzahlung der infolge der Nichtberücksichtigung des Werbungskostenpauschales für Kapellmeister vom Dienstgeber zuviel einbehaltenen und abgeführten Lohnsteuer. Das Wohnsitzfinanzamt trat dieses Ansuchen zuständigkeitshalber an das Finanzamt für Körperschaften in Wien ab. Dieses Finanzamt wies den Antrag des Beschwerdeführers mit Bescheid vom 24. August 1965 mit der Begründung ab, daß auf Grund des bereits erwählten Erlasses ein besonderer Werbungskostenpauschbetrag für Kapellmeister ohne Einzelnachweis der Werbungskosten nur bei hauptberuflicher Ausübung dieser Tätigkeit eingetragen werden dürfe. Sofern ein Steuerpflichtiger eine künstlerische Tätigkeit nur nebenberuflich ausübt, sei ein Steuerfreibetrag für erhöhte Werbungskosten auf der Lohnsteuerkarte nur gegen Einzelnachweis der tatsächlichen Ausgaben einzutragen. Der Beschwerdeführer übe seine Kapellmeistertätigkeit beim Rundfunkstudio S nicht hauptberuflich aus, weshalb ihm der strittige besondere Werbungskostenpauschbetrag nicht zu gewähren sei. Der Arbeitgeber habe daher zu Recht bei der Berechnung und Einbehaltung der Lohnsteuer den auf der Lohnsteuerkarte eingetragenen besonderen Werbungskostenbetrag nicht berücksichtigt.
In der dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, daß seine berufliche Tätigkeit als „Musikhauptreferent“ der eines Kapellmeisters gleichzuhalten wäre. Er leite den S Rundfunkchor und den M Chor, führe für den Ö Veranstaltungen durch und habe auf Grund seiner Tätigkeit als Kapellmeister den Titel „Professor“ erhalten. Der Eintragung des Kapellmeisterwerbungskostenpauschales in der Lohnsteuerkarte sei Bescheideigenschaft beizumessen. Dieser Bescheid sei in Rechtskraft erwachsen und könne nur im Rahmen der Bestimmungen der §§ 293 ff. BAO behoben werden. Keinesfalls stehe es dem Dienstgeber zu, sich über den Bescheid hinwegzusetzen und dem Beschwerdeführer die Steuerbegünstigung auf Grund der Eintragung in die Lohnsteuerkarte zu verweigern.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheide der belangten Behörde vom 4. Jänner 1967 wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. In der Begründung ihrer Entscheidung führte die belangte Behörde aus, daß zufolge § 29 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (BGBl. Nr. 1/1954, in der geltenden Passung, EStG) Werbungskosten, wenn deren genaue Ermittlung mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten verbunden ist, pauschaliert werden können. Eine derartige Regelung sei auf Grund der genannten Ermächtigungsvor-schrift unter anderem für Kapellmeister getroffen worden. Voraussetzung sei allerdings, wie das Finanzamt zutreffend erkannt habe, daß die erwähnte Tätigkeit hauptberuflich ausgeübt wird. Im Hinblick darauf, daß diese Voraussetzung auf den vorliegenden Fall nicht zutreffe, habe dem Vorbringen des Beschwerdeführers keine entscheidende Bedeutung beigelegt werden können.
Gegen diese Berufungsentscheidung richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Darin wird ausgeführt, das Wohnsitzfinanzamt habe nach Durchführung eines amtswegigen Ermittlungsverfahrens die Eintragung eines Freibetrages im Sinne des Erlasses des Bundesministeriums für Finanzen vom 28. November 1957, Zl. 153.100-9/57, für die Jahre 1962 bis 1964 auf der Lohnsteuerkarte vorgenommen. Diese Eintragung sei gemäß § 92 Abs. 1 BAO als Bescheid zu betrachten. Dieser Bescheid sei, da kein Rechtsmittel gegen ihn eingebracht wurde, in Rechtskraft erwachsen. Er hätte gemäß § 294 Abs. 1 lit. a BAO bei einer Änderung der entsprechenden Voraussetzungen durch die Abgabenbehörde geändert werden können, jedoch sei eine derartige Änderung nie ausgesprochen worden. Ebensowenig sei der Bescheid gemäß § 299 BAO aufgehoben worden. Der Arbeitgeber hafte zwar gemäß § 12 EStG für die Einbehaltung und Abfuhr der Lohnsteuer, doch sei er nicht berechtigt, eigenmächtig einen bescheidmäßig festgestellten Steuerfreibetrag unberücksichtigt zu lassen. Der Erlaß des Bundesministeriums für Finanzen vom 11. April 1957, Zl. 50.792-9/57, „über die Durchführung der von Arbeitnehmern gestellten Anträge auf Berücksichtigung des Kraftfahrzeugpauschales“ betone den Grundsatz der Bindung des Arbeitgebers an Behauptungen des Arbeitnehmers, der auch im Falle unrichtiger Angaben Geltung habe. Schließlich habe das Finanzamt dem Beschwerdeführer das Ergebnis von Erhebungen, welche zum Beweisthema „Kapellmeistertätigkeit“ durchgeführt wurden, nicht vorgehalten und auch die im Berufungsverfahren gestellten Beweisanträge nicht berücksichtigt. Ein derartiges Vorgehen verstoße gegen den Grundsatz des Parteiengehörs und verletze die in der Bundesabgabenordnung festgelegten Verfahrensvorschriften.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Nach § 51 Abs. 3 EStG, in seiner für den Beschwerdezeitraum geltenden Fassung, werden auf Antrag des Arbeitnehmers für die Berechnung der Lohnsteuer die folgenden Beträge vom Arbeitslohn abgezogen:
1.) wenn die Werbungskosten den sich gemäß Abs. 1 nach dem Lohnzahlungszeitraum ergebenden Betrag übersteigen,
2.) Sonderausgaben im Sinne des § 10 Abs. 1 Z. 1, 3, 4 und Abs. 2,
3.) wenn außergewöhnliche Belastungen dem Arbeitnehmer zwangsläufig erwachsen und seine steuerliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (§ 33), der sich nach den für außergewöhnliche Belastungen geltenden Bestimmungen ergebende Betrag.
Gemäß Abs. 4 des § 51 EStG hat das Finanzamt die nach Abs. 3 vom Arbeitslohn abzuziehenden Beträge und den Zeitpunkt, von dem an die Eintragung gilt (§ 54), auf der Steuerkarte einzutragen. Die Art und Weise der Berücksichtigung der nach § 51 Abs. 3 EStG als steuerfrei zu vermerkenden Beträge auf der Lohnsteuerkarte ist im § 54 Abs. 1 und 2 EStG geregelt.
Im vorliegenden Falle wurde auf der Lohnsteuerkarte des Beschwerdeführers für die Jahre 1962 bis 1964 auf dessen Antrag vom zuständigen Wohnsitzfinanzamt auf Grund der angeführten Gesetzesbestimmungen in den strittigen Jahren jeweils für ein Kalenderjahr ein monatlicher Freibetrag aus dem Titel der erhöhten Werbungskosten mit dem Vermerk „für die Zeit der Beschäftigung als Kapellmeister“ eingetragen, wobei die Höhe dieses Freibetrages mit 14 v. H. der Gesamtbezüge des Beschwerdeführers, höchstens .jedoch mit S 572,-- festgesetzt wurde. Außerdem wurde bei diesen Eintragungen jeweils vermerkt, daß die Eintragung für den angegebenen Zeitraum gilt, wenn sie nicht widerrufen wird. In der auf der Lohnsteuerkarte aufgedruckten Rechtsbelehrung wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die Eintragungen rechtsmittelfähige Bescheide sind. Anschließend folgt eine. ausführliche Rechtsmittelbelehrung. Dem Beschwerdeführer ist daher beizupflichten, daß den strittigen Eintragungen auf der Lohnsteuerkarte des Beschwerdeführers Bescheideigenschaft zukommt. Die Rechtswirkungen dieses rechtskräftig gewordenen Bescheides bleiben daher voll aufrecht, solange es nicht zu einem Widerruf oder zu einer Aufhebung dieses Bescheides gekommen ist. Entsprechend dem vom Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach betonten Grundsatze der Maßgeblichkeit der Lohnsteuerkarte (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 26. Februar 1963, Slg. Nr. 2812(F), und vom 18. Oktober 1965, Slg. 3341(F)) ist daher der Arbeitgeber verpflichtet, bei der Berechnung der Lohnsteuer die Eintragungen auf der Lohnsteuerkarte zu berücksichtigen. Dem Rechtsstandpunkte des Beschwerdeführers, daß der Arbeitgeber nicht berechtigt sei, eigenmächtig einen bescheidmäßig festgestellten Steuerfreibetrag unberücksichtigt zu lassen, ist daher beizupflichten, Falls der Arbeitgeber der Meinung ist, daß die Voraussetzungen für den Anspruch auf den dem Arbeitnehmer vom Finanzamte zuerkannten Freibetrag nicht oder nicht mehr vorliegen, so hat er davon das für den Arbeitnehmer zuständige Wohnsitzfinanzamt unverzüglich zu verständigen. Solange dies aber nicht geschehen ist und weder das Wohnsitzfinanzamt die Eintragungen auf der Lohnsteuerkarte widerrufen, noch die Oberbehörde im Aufsichtswege gemäß § 299 BAO ihre Änderung oder gänzliche Streichung verfügt hat, hat der Arbeitgeber die Eintragungen auf der Lohnsteuerkarte zu beachten.
Der Beschwerde kommt aber auch in einem weiteren Punkte Berechtigung zu. Die Frage, ob die Voraussetzungen für die Zuerkennung des beantragten Steuerfreibetrages tatsächlich vorlagen, kann nicht mehr im Erstattungsverfahren geprüft werden. Ob diese Voraussetzungen gegeben waren, hatte ausschließlich das für den Arbeitnehmer zuständige Wohnsitzfinanzamt auf Grund der seinerzeitigen Antragstellung durch den Beschwerdeführer zu beurteilen. Falls das Wohnsitzfinanzamt nachträglich davon Kenntnis erlangt, daß die Voraussetzungen für den Anspruch auf den zuerkannten Freibetrag nicht oder nicht mehr vorliegen, besteht nur die Möglichkeit des Widerrufes der Eintragungen auf der Lohnsteuerkarte durch das Finanzamt selbst bzw. eine Aufhebung des betreffenden Bescheides im Aufsichtswege gemäß § 299 BAO durch die Oberbehörde.
Da sich somit die belangte Behörde bei ihrer Entscheidung von unrichtigen Rechtsauffassungen leiten ließ, mußte der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 47 Abs. 1 und Abs. 2 lit. a, § 48 Abs. 1 lit. a und b, § 49 Abs. 1 und § 59 VwGG 1965 im Zusammenhalte mit Art. I A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzleramtes vom 4. Jänner 1965, BGBl. Nr. 4/1965.
Wien, am 4. Dezember 1967