Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden, Senatspräsidenten Dr. Porias, und die Hofräte Dr. Kaniak, Dr. Eichler, Dr. Raschauer und Dr. Frühwald als Richter im Beisein des Schriftführers, Ministerialoberkommissärs Dohnal, über die Beschwerde der Firma G und der L, beide vertreten durch Dr. Ekkehard Pachl, Rechtsanwalt in 6850 Dornbirn, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg vom 28. September 1966, Zl. 427-3/1966, betreffend Zuschlag zu den Importpreisen für Zwecke der Zollwertermittlung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund (Finanzlandesdirektion für Vorarlberg) hat der Erstbeschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 1.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Über Antrag der Erstbeschwerdeführerin als Verfügungsberechtigte fertigte das Zollamt Bregenz am 4. November 1963, 20. November 1963, 5. Februar 1964, 16. März 1964, 24. April 1964 und 6. Mai 1964 für die Zweitbeschwerdeführerin als Warenempfänger „E“ Flachumdrucker und Zubehör im Eingang durch Verzollung ab und setzte die Eingangsabgaben gemäß § 200 der Bundesabgabenordnung vorläufig fest. Nach Durchführung eines Betriebsprüfungsverfahrens bei der Zweitbeschwerdeführerin erfolgte die endgültige Abgabenfestsetzung mit Bescheid des Zollamtes Bregenz vom 29. Oktober 1965 an die Erstbeschwerdeführerin unter Hinzurechnung eines Zuschlages von 100,4 v. H. bzw. 34,3 v. H. zu den Importpreisen. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vom Steuerberater im Namen der Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführerin eingebrachte Berufung vom 11. November 1965. In dieser wurde u. a. ausgeführt, daß sowohl aus dem Betriebsprüfungsbericht als auch aus einer Mitteilung des Zollamtes Bregenz nicht zu entnehmen sei (bei der Auslassung des Wortes „nicht“ in der Berufung handelt es sich offensichtlich um einen Schreibfehler), auf welche Bestimmungen des Wertzollgesetzes das Zollamt seine Entscheidung stütze, sodaß es den Beschwerdeführern nicht möglich sei, der Behörde in den einzelnen Punkten konkret entgegenzutreten. Die belangte Behörde wies die Berufung mit Bescheid vom 28. September 1966 ab. In den Entscheidungsgründen führte sie im wesentlichen aus, die Ausübung eines inländischen Großhandels durch die Zweitbeschwerdeführerin beweise nicht, daß auch die Importgeschäfte zwischen ihr und dem ausländischen Lieferer der „E“-Bürogeräte a priori im Eigenhandel getätigt würden. Zur richtigen wertzollrechtlichen Beurteilung des Sachverhaltes sei vielmehr darauf abzustellen, unter welchen Voraussetzungen diese Importgeschäfte mit dem genannten ausländischen Lieferer zustande kämen und ob, bzw. inwieweit sie - wirtschaftlich betrachtet - nach den einzelnen Phasen der Abwicklung tatsächlich Eigengeschäfte darstellten. Die dem gegenständlichen Sachverhalte zugrunde liegenden Importgeschäfte beruhten einmal auf einer Vereinbarung zwischen der Zweitbeschwerdeführerin und dem Auslieferungslager „E“-Bürogeräte in L. und zum anderen auf Maßnahmen der Zweitbeschwerdeführerin, die bei Warenbezügen vom ausländischen Lieferer der „E“-Bürogeräte aus den folgenden Gründen nur als Hilfsaktionen des Einkaufs und des Vertriebes der eingeführten Waren angesehen werden könnten: 1.) Die Stellung des inländischen Auftraggebers „E“-Bürogeräte L. als Auslieferungslager des ausländischen Unternehmens „E“-Bürogeräte sei nicht bestritten. 2.) Im vorliegenden Geschäftszweig sei es nicht handelsüblich, die eingeführten Waren auf dem Absatzweg „Produzent - Großhandel - Auslieferungslager - gewerblicher Endbezieher“ zu vertreiben. Der handelsbliche Vertrieb von Bürobedarf erfolge im allgemeinen über den Einzelhandel und teilweise auch unmittelbar an den gewerblicher Endbezieher. 3.) Die Handelsspanne betrage nach den Erfahrungen der belangten Behörde bei Kaufgeschäften mit Flachumdruckern usw. ca. 100 v. H. beim Verkauf über Lehrmittelanstalten u. dgl. würden 20 v. H. Wiederverkaufsrabatt und beim Vertrieb durch Vertreter an den gewerblichen Endbezieher 15 v. H. Provision vom Bruttolistenpreis gewährt. Die Zweitbeschwerdeführerin fakturiere an das inländische Auslieferungslager des ausländischen Lieferers zu Preisen, die sich aus dem Einstandspreis und einem Rohaufschlag von 6 v. H. zusammensetzen! Diese „‚Handelsspannen entspreche bestenfalls der Untergrenze des üblichen Vergütungssatzes für Vermittler 15 v. H. Dem Eigenhändler erwuchsen aus der Beschaffungs- und Vertriebsfunktion und den damit zusammenhängenden Risken höhere Kosten als einem Vermittler, der eben nur Hilfefunktionen des Vertriebs für fremdes Risiko ausübe. Daraus ergebe sich, daß die Handelsspanne bei einem Eigengeschäft grundsätzlich höher sein müsse als der Vergütungssatz für eine bloße Vermittlertätigkeit. Die Erfüllung von Funktionen einer echten Handelsstufe demnach nur dann vor, wenn ein Unternehmen beim Weiterverkauf einer Ware die Handelsspanne eines vergleichbaren Eigenhändlers erziele. Die Höhe dieser Handelsspanne liege jedoch bei ca. 100 v. H. (Rohaufschlag auf den Einstandspreis). 4.) Die Funktionen der Zweitbeschwerdeführerin beschränkten sieh bei den Importgeschäften mit Flachumdruckern usw. auf die Entgegennahme der Bestellung des Auftraggebers „E“-Bürogeräte 1., deren Weiterleitung an den ausländischen Lieferer und Inhaber des inländischen Auslieferungslagers die Empfangnahme der gelieferten Waren und deren vollständige Ausfolgung an den inländischen Auftraggeber, wobei ein Preis fakturiert würde, der den Importpreis, die Eingangsabgaben und Warenbezugskosten sowie einen Rohaufschlag von 6 v. H. umfasse. 5.) Die von der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungen hätten eindeutig ergeben, daß sich durch die Einschaltung der Zweitbeschwerdeführerin als Importeur für „E“-Flachumdrucker usw. in der Geschäftsabwicklung des inländischen Auslieferungslagers „E“ Bürogeräte weder tatsächlich noch wirtschaftlich etwas geändert habe. Die Zweitbeschwerdeführerin übe somit nur Hilfsfunktionen des Einkaufs und des Vertriebs für „E“-Flachumdrucker usw. im Auftrage des inländischen Auslieferungslagers „E“-Bürogeräte aus. Zusammenfassend sei festzustellen, daß die Berufungsausführungen trotz Kenntnis der Beweisquelle und des Beweisinhaltes (Betriebsprüfungsbericht - Zoll, Mitteilung des Zollamtes Bregenz sowie bekämpfter Abgabenbescheid) keine Tatsachen und Beweismittel erbracht hätten, die eine Änderung des angefochtenen Ermittlungsergebnisses betreffend die Zweitbeschwerdeführerin herbeizuführen imstande gewesen wären.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, geltend gemacht werden:
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 1 des Wertzollgesetzes 1955, BGBl. Nr. 60 (WZG) wird der Zoll für Waren, die nach näherer Anordnung der zolltarifarischen Bestimmungen einem Wertzoll unterliegen, nach ihrem Zollwert bemessen. Als Zollwert gilt der Normalpreis. Normalpreis ist nach § 2 Abs. 1 WZG jener Preis, der für die eingeführte Ware im Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung zur Ermittlung des Zollwertes unter den Bedingungen des freien Wettbewerbes zwischen voneinander unabhängigen Käufern und Verkäufern erzielbar ist. Ein Verkauf unter den Bedingungen des freien Wettbewerbs zwischen voneinander unabhängigen Käufern und Verkäufern liegt gemäß § 3 Abs. 1 lit. a bis c WZG dann vor, wenn a) die Zahlung des Preises die einzige Leistung des Käufers ist, b) der vereinbarte Preis - abgesehen vom vorliegenden Einzelgeschäft - nicht durch Handelsbeziehungen, finanzielle oder andere Beziehungen beeinflußt ist, die vertraglich oder auf sonstige Art zwischen dem Verkäufern oder einer mit ihm geschäftlich verbundenen Person und dem Käufer oder einer mit diesem geschäftlichen verbundenen Person bestehen und c) kein Teil des Ertrages aus einer späteren Wiederveräußerung oder einer Nutzung oder einer Verwertung der Ware unmittelbar oder mittelbar dem Verkäufer oder einer mit ihm geschäftlich verbundenen Person zugute kommt.
Die Definition des Normalpreises im § 2 Abs. 1 WZG sieht einen Verkauf unter den Bedingungen des freien Wettbewerbes zwischen voneinander unabhängigen Käufern und Verkäufern vor. Die Voraussetzungen für das Vorliegen eines solchen Verkaufes werden im § 3 WZG angeführt. Liegt eine der dort aufgezählten Voraussetzungen nicht vor, ist das der eingeführten Ware zugrunde liegende Kaufgeschäft nicht als unter den Bedingungen des freien Wettbewerbes zustandegekommen anzusehen. In einem solchen Falle ist dann zu prüfen; ob und gegebenenfalls inwieweit der für die eingeführte Ware in Rechnungsgestellte Preis durch die besonderen Beziehungen zwischen Exporteur und Importeur beeinflußt ist.
Die belangte Behörde vertritt zu Recht die Ansicht, daß bei Importen von Zweigniederlassungen meistens besonders den Preis beeinflussende Beziehungen zwischen Exporteur und Importeur vorliegen, weil grundsätzlich für Zwecke der Zollwertermittlung nicht allein die Rechtsform eines Unternehmens, sondern auch die weiteren wirtschaftlichen Gegebenheiten entscheidend sind. Sie übersieht jedoch, daß sie bei einer Berichtigung des Importpreises durch, Zuschläge gemäß § 183 Abs. 4 der Bundesabgaben-ordnung verpflichtet ist, vor Erlassung des Bescheides den Parteien die Gründe für die Berichtigung bekanntzugeben und ihnen die Möglichkeit einzuräumen, von den durchgeführten Beweisen und dem Ergebnis. der Beweisaufnahme Kenntnis zu nehmen und sich dazu zu äußern. Diesen Erfordernissen ist die belangte Behörde im Beschwerdefall nicht nachgekommen. Nach den dem Verwaltungsgerichtshof vorliegenden Verwaltungsakten ist die Erstbeschwerdeführerin von den durchgeführten Beweisen und dem Ergebnis der Beweisaufnähmen überhaupt nicht in Kenntnis gesetzt worden. Der an sie gerichtete erstinstanzliche Bescheid vom 29. Oktober 1965 enthält unter Hinweis auf ein Schreiben des Zollamtes Bregenz an die Zweitbeschwerdeführerin lediglich die Feststellung, daß auf Grund einer bei dieser durchgeführten Betriebsprüfung den Importpreisen für Flachumdrucker 100,4 v. H. und den Importpreisen des Zubehörs 34,3 v. H. hinzuzurechnen sind. Der Zweitbeschwerdeführerin wurde das Ergebnis der bei ihr durchgeführten Betriebsprüfung und die Erwägungen der Behörde in einem Schreiben des Zollamtes Bregenz vom 20. September 1965 in folgender Form zur Kenntnis gebracht:
Sachverhalt und wertzollrechtliche Auswirkungen
Art der Beziehung: andere Beziehungen gemäß § 3 WZG (Eigenimporte auf Vermittlerbasis)
Datum der Aufnahme der Beziehungen: Oktober 1963
Art der Geschäfte: Ihr Unternehmen übt Hilfsfunktionen des Einkaufs und Vertriebes aus
Absatzwege der Ware: Import vom Hersteller, Lieferung ausschließlich an das Auslieferungslager des ausländischen Exporteurs, LW-Bürogeräte, L. W. L.
Fakturierung: Nettopreise:
Flachumdrucker Sfr. 40,-/1 Stück
Spez. Matrizen Sfr. 17.30/100 Sätze
(violett)
Entwickler Sfr. 2,15/1 dl.
Lieferkonditionen für Ihr Unternehmen: franko österr. Grenze
Für inländische Endbezieher: frei Haus (Postversand)
Zahlungskondition: für Ihr Unternehmen 30 Tage 2% Skonto oder 60 Tage netto
Für inländische Endbezieher: 2 % Skonto innerhalb 8 Tagen oder 30 Tage netto
Auswirkungen:
Zur Ermittlung des Zollwertes für die eingeführten wertzollpflichtigen Waren wären den oben bezeichneten Importpreisen folgende Zuschläge hinzuzurechnen:
Flachumdrucker: 100,4 %
Zubehör: 34,3 %
Ein Kassaskonto ist nicht abzugsfähig.
Bei allfälligen weiteren Importen wären die Eingangsabgaben vorläufig festzusetzen und die Verzollungsbelege (Warenerklärung) dementsprechend auszufüllen.
Anläßlich der Betriebsprüfung wurde mit der Zweitbeschwerdeführerin weiters eine Niederschrift aufgenommen, der jedoch, soweit sie dem Gerichtshof vorliegt, auch keine Begründung für die Zuschläge zu den Importpreisen und ihre Berechnung entnommen werden kann. Die Ergänzung dieser Niederschrift, die die Gründe für die Zuschläge näher erläutert und eine Berechnung der Zuschlagssätze enthält, ist entgegen der Behauptung der belangten Behörde in der Gegenschrift nur von einer Auskunftsperson (Unterschrift unleserlich) und nicht auch von der Zweitbeschwerdeführerin unterfertigt worden. Ob die Auskunftsperson berechtigt war, die wertzollrechtliche Würdigung des Sachverhaltes im Namen der Zweitbeschwerdeführerin zur Kenntnis zu nehmen, ist aus den vorliegenden Verwaltungsakten nicht zu ersetzen.
Bei dieser Sachlage kann den Beschwerdeführern nicht entgegengetreten werden, wenn sie vorbringen, es sei ihnen im Verwaltungsverfahren keine Aufklärung gegeben worden, aus welchen Gründen die Importpreise durch Zuschläge erhöht worden seien und es entspricht auch nicht den Tatsachen, wenn der angefochtene Bescheid feststellt, daß die Berufungsausführungen der Beschwerdeführer „trotz Kenntnis der Beweisquellen und des Beweisinhaltes“ keine Vorbringen enthalten, die eine Änderung des angefochtenen Ermittlungsergebnisses, betreffend das Unternehmen der Zweitbeschwerdeführerin herbeizuführen imstande gewesen wären.
Da die belangte Behörde somit Verfahrensvorschriften außer acht gelassen hat, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 lit. c Z. 3 VwGG 1965 aufzuheben.
Der Ausspruch über die Kosten gründet sich auf § 47, § 48 und § 53 Abs. 1 VwGG 1965, in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzleramtes vom 4. Jänner 1965, Art. I Abschnitt A, BGBl. Nr. 4.
Wien, am 28. Juni 1967