Ra 2021/21/0257 1 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Rechtssatz
Eine für die Verwirklichung des Tatbestandes nach dem ersten und zweiten Spiegelstrich des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 durchgehende Beschäftigung von einem Jahr beim selben Arbeitgeber und insgesamt von drei Jahren im "gleichen Beruf" lag erst - aufgrund der festgestellten Tätigkeit des Fremden beim selben Arbeitgeber - während des Verfahrens vor dem BFA nach § 55 Abs. 3 NAG 2005 "hinsichtlich einer möglichen Aufenthaltsbeendigung", vor. In diesem Zeitraum verfügte der Fremde nach der Scheidung der Ehe über kein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht mehr; damit war auch das Recht auf "Arbeitnehmerfreizügigkeit" nicht mehr gegeben (vgl. VwGH 22.12.2020, Ro 2020/09/0011). Ein Fremder, für den eine Dokumentation eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts ausgestellt wurde, bleibt zwar selbst bei Wegfall des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts bis zum Abschluss des nach § 55 NAG 2005 vorgesehenen Verfahrens gemäß § 31 Abs. 1 Z 2 FrPolG 2005 rechtmäßig aufhältig (vgl. VwGH 15.3.2018, Ra 2017/21/0191; VwGH 18.6.2013, 2012/18/0005). Von einer "gesicherten Position" iSd. Art 6 ARB 1/80 kann jedoch in diesem Zeitraum trotzdem nicht gesprochen werden, weil in diesem Verfahren die Zulässigkeit der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme geprüft wird.Der Umstand, dass der Betroffene für die Dauer des nach § 55 NAG 2005 vorgesehenen Verfahrens vorläufig weiterhin über einen rechtmäßigen Aufenthalt verfügt, ändert nichts daran, dass seine Position ab dem Wegfall des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts bis zur endgültigen Entscheidung über die allfällige Zulässigkeit der Fortsetzung seines Aufenthalts unsicher ist und von einem unbestrittenen Aufenthaltsrecht keine Rede sein kann (vgl. VwGH 22.8.2023, Ra 2021/21/0212, wo unter Bezugnahme auf Vorjudikatur davon ausgegangen wurde, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen nach der Scheidung der mit einer EWR-Bürgerin geschlossenen Ehe wegen des damit verbundenen Wegfalls des von der Ehefrau abgeleiteten Aufenthaltsrechts als "unsicher" iSd § 9 Abs. 2 Z 8 BFA-VG 2014 zu qualifizieren war). Jedenfalls mit der nach dem Wegfall des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts gemäß den Vorgaben des § 55 Abs. 3 NAG 2005 vorgenommenen Einleitung und Führung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendigenden Maßnahme (in Form einer Ausweisung) kommt ganz klar zum Ausdruck, dass dem Drittstaatsangehörigen aus behördlicher Sicht auch kein sonstiges Aufenthaltsrecht (etwa gestützt auf Art. 8 MRK) zusteht, er somit über kein - als Voraussetzung für die "Ordnungsmäßigkeit" der Beschäftigung iSd Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 erforderliches - unbestrittenes Aufenthaltsrecht (mehr) verfügt.