JudikaturVfGH

V349/2023 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
17. Juni 2025
Leitsatz

Auswertung in Arbeit

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

I. Antrag

Mit dem vorliegenden, auf Art139 Abs1 Z1 B VG gestützten Antrag begehrt das Landesverwaltungsgericht Steiermark, der Verfassungsgerichtshof möge aussprechen, "dass die Verordnung des Stadtsenates der Stadt Graz vom 24.01.2019, GZ: A10/1 065219/2013 0019 betreffend die dynamische Verordnung 'Halten und Parken verboten' mit dem Zusatz 'Werktags Montag bis Freitag von 08.00 Uhr - 17.00 Uhr und Samstag von 08.00 Uhr - 13.00 Uhr, ausgenommen Ladetätigkeit' oder 'Halten und Parken verboten' mit dem Zusatz 'Werktags Montag bis Freitag von 08.00 Uhr - 17.00 Uhr und Samstag von 08.00 Uhr - 13.00 Uhr, ausgenommen Menschen mit Behinderungen' für einen Stellplatz vor dem Haus Landhausgasse 18, außer Kraft getreten am 01.09.2023, ihrem gesamten Inhalt nach gesetzwidrig war".

II. Rechtslage

1. Die Verordnung des Stadtsenates der Stadt Graz vom 24. Jänner 2019, ZA10/1 065219/2013 0019, hat folgenden Wortlaut (Zitat ohne die Hervorhebungen im Original):

"Landhausgasse 18

'Halten und Parken verboten' – DYNAMISCHE Verordnung

VERORDNUNG

Gemäß §43 StVO 1960, BGBl Nr 159/1960, idgF (StVO) wird aufgrund des Verhandlungsergebnisses vom 17.12.2018 für einen Stellplatz vor dem Haus Landhausgasse 18 ein

1) 'Halten und Parken verboten' mit dem Zusatz 'Werktags Montag bis Freitag von 08.00 - 17.00 und Samstag von 08.00 - 13.00 Uhr, ausgenommen Ladetätigkeit'

ODER ein

2) 'Halten und Parken verboten' mit dem Zusatz 'Werktags Montag bis Freitag von 08.00 - 17.00 und Samstag von 08.00 - 13.00 Uhr, ausgenommen Menschen mit Behinderungen'

verordnet.

Punkt 1 stellt den Ausgangszustand dar.

Punkt 2 erlangt und behält bei leerem Stellplatz Gültigkeit, wenn und solange

a) Im Zeitraum Werktags Montag bis Freitag von 08.00 – 17.00 und Samstag von 08.00 – 13.00 Uhr beide westlich angrenzenden Stellplätze in der Behindertenzone vor dem Haus Landhausgasse 18 belegt sind und in der östlich angrenzenden Ladezone vor den Häusern Landhausgasse 16-18 noch mindestens ein Stellplatz frei ist. Ansonsten erfolgt ein Rücksprung in den Ausgangszustand.

Punkt 1 oder 2 behalten bei jeweils belegtem Stellplatz Gültigkeit.

Ein Wechsel zwischen Punkt 1 und 2 kann nur bei leerem Stellplatz erfolgen.

Diese Verordnung nach Punkt 1 oder 2 tritt gem. §44 Abs1 StVO mit der Anbringung des/der Straßenverkehrszeichen(s) gem. §52 a Z13b StVO 1960 und der Ausweisung auf den entsprechenden Zusatztafeln sowie dynamischen Anzeigen gem. §54 StVO in Kraft.

Die Positionen der Verkehrszeichen sind in dem im Verordnungsakt enthaltenen Lageplan, welcher einen integrierenden Bestandteil dieser Verordnung bildet, ersichtlich gemacht.

Die jeweils kundgemachte Verordnung nach Punkt 1 oder 2 wird revisionssicher sowohl als Betriebsmeldung am Verkehrsrechner Graz, als auch mittels Standbildaufnahme dokumentiert.

Für den Stadtsenat:

[…]"

2. Die Verordnung des Stadtsenates der Stadt Graz vom 18. März 2019, A10/1 065219/2013 0021, hat folgenden Wortlaut (Zitat ohne die Hervorhebungen im Original):

"Landhausgasse 18

'Halten und Parken verboten'

VERORDNUNG

Gemäß §43 StVO 1960, BGBl Nr 159/1960, idgF (StVO) wird aufgrund des Verhandlungsergebnisses vom 17.12.2018 für die/den Landhausgasse ein(e) 'Halten und Parken verboten' mit dem Zusatz 'Werktags Montag bis Freitag von 08.00 - 17.00 und Samstag von 08.00 - 13.00 Uhr, ausgenommen Ladetätigkeit' verordnet.

Diese Verordnung tritt gem. §44 Abs1 StVO mit der Anbringung des/der Straßenverkehrszeichen(s) gem. §52 a Z13b StVO 1960 und der (den) entsprechenden Zusatztafel(n) gem. §54 StVO in Kraft.

Die Position(en) der/des Verkehrszeichen(s) ist/sind in dem im Verordnungsakt enthaltenen Lageplan, welcher einen integrierenden Bestandteil dieser Verordnung bildet, ersichtlich gemacht.

Für den Stadtsenat:

[…]"

III. Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Dem Beschwerdeführer im Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Steiermark wurde mit Straferkenntnis der Bürgermeisterin der Stadt Graz vom 13. März 2023 zur Last gelegt, er habe am 22. Juni 2022, von 11.13 Uhr bis 11.34 Uhr, mit einem nach dem Kennzeichen näher bestimmten Personenkraftwagen in Graz, Landhausgasse 18, im Bereich des Vorschriftszeichens "Halten und Parken verboten", werktags Montag bis Freitag 08.00 Uhr bis 17.00 Uhr, samstags 08.00 Uhr bis 13.00 Uhr, ausgenommen Ladetätigkeit, gehalten. Während dieser Zeit sei keine Ladetätigkeit durchgeführt worden. Über den Beschwerdeführer wurde daher wegen einer Übertretung des §24 Abs1 lita StVO 1960 gemäß §99 Abs3 lita StVO 1960 eine Geld- und Ersatzfreiheitsstrafe verhängt. In der dagegen erhobenen Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Steiermark wird ua vorgebracht, dass die Schaltung des dynamischen Straßenverkehrszeichens zum Tatzeitpunkt nicht dem Inhalt der Verordnung (Punkt 2.) entsprochen habe.

2. Aus Anlass dieses Beschwerdeverfahrens stellt das Landesverwaltungsgericht Steiermark den vorliegenden, auf Art139 Abs1 Z1 B VG gestützten Antrag, der Verfassungsgerichtshof möge aussprechen, "dass die Verordnung des Stadtsenates der Stadt Graz vom 24.01.2019, GZ: A10/1 065219/2013 0019 betreffend die dynamische Verordnung 'Halten und Parken verboten' mit dem Zusatz 'Werktags Montag bis Freitag von 08.00 Uhr - 17.00 Uhr und Samstag von 08.00 Uhr - 13.00 Uhr, ausgenommen Ladetätigkeit' oder 'Halten und Parken verboten' mit dem Zusatz 'Werktags Montag bis Freitag von 08.00 Uhr - 17.00 Uhr und Samstag von 08.00 Uhr - 13.00 Uhr, ausgenommen Menschen mit Behinderungen' für einen Stellplatz vor dem Haus Landhausgasse 18, außer Kraft getreten am 01.09.2023, ihrem gesamten Inhalt nach gesetzwidrig war".

Zur Präjudizialität des Antrages wird zunächst vorgebracht, dass die angefochtene Verordnung im Beschwerdeverfahren unmittelbar anzuwenden sei. Die Bedenken des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark richten sich im Wesentlichen dagegen, dass die angefochtene Verordnung zum Tatzeitpunkt nicht gesetzmäßig kundgemacht gewesen sei.

3. Die verordnungserlassende Behörde hat die Akten betreffend das Zustandekommen der angefochtenen Verordnung vorgelegt und eine Äußerung erstattet, in der den im Antrag erhobenen Bedenken entgegengetreten wird.

4. Die Steiermärkische Landesregierung hat mitgeteilt, dass am 13. Februar 2019 eine Verordnungsprüfung gemäß §100 Stmk GemO stattgefunden habe.

5. Der Beschwerdeführer im Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Steiermark hat eine Äußerung erstattet, in der er sich im Wesentlichen den Bedenken im vorliegenden Antrag anschließt.

IV. Erwägungen

Der Antrag ist nicht zulässig.

1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art139 Abs1 Z1 B VG bzw des Art140 Abs1 Z1 lita B VG nur dann wegen Fehlens der Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003)

2. Dem Beschwerdeführer im Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Steiermark wird zur Last gelegt, er habe am 22. Juni 2022, von 11.13 Uhr bis 11.34 Uhr, in Graz, Landhausgasse 18, im Bereich einer Ladezone gehalten, ohne dass zu diesem Zeitpunkt eine Ladetätigkeit durchgeführt worden sei.

3. Das Landesverwaltungsgericht Steiermark wendet sich mit dem vorliegenden Antrag gegen die Verordnung des Stadtsenates der Stadt Graz vom 24. Jänner 2019, ZA10/1 065219/2013 0019. Mit dieser Verordnung wurde im Bereich Landhausgasse 18 ein Halte- und Parkverbot, ausgenommen Ladetätigkeiten oder ausgenommen Menschen mit Behinderung, verordnet. Die Kundmachung der Ausnahmen erfolgte mittels dynamischer Schaltung nach den in der Verordnung für die jeweilige Ausnahme festgelegten Parametern.

Wie sich aus den von der verordnungserlassenden Behörde vorgelegten Akten ergibt, wurde für den im Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Steiermark in Rede stehenden Stellplatz im Bereich der Landhausgasse 18 jedoch bereits am 18. März 2019 eine neue Verordnung erlassen, mit der eine (ausschließliche) Ladezone verordnet wurde. Diese Verordnung wurde ausweislich des im verwaltungsbehördlichen Akt einliegenden Aktenvermerkes kundgemacht. Sie war, wie das im Akt befindliche Bildmaterial erweist, auch zum Tatzeitpunkt kundgemacht.

Demgegenüber wurde die bzw eine dynamische Verordnung nach der Aktenlage nicht mehr erlassen. Dass in der Folge mehrfach auf Grund der "dynamischen" Anzeige auf den Displays eine Kundmachung entsprechend der – auf Grund der Erlassung der Verordnung vom 18. März 2019 außer Kraft getretenen – Verordnung des Stadtsenates der Stadt Graz vom 24. Jänner 2019, ZA10/1 065219/20130019, erfolgt ist, vermag daran nichts zu ändern. In Anbetracht dessen ist es ausgeschlossen, dass das Landesverwaltungsgericht Steiermark die mit dem vorliegenden Antrag angefochtene Verordnung vom 24. Jänner 2019 im Beschwerdeverfahren anzuwenden und seiner Entscheidung zugrunde zu legen hat (vgl VfGH 27.2.2023, V221/2022). Die Verordnung des Stadtsenates der Stadt Graz vom 24. Jänner 2019, ZA10/1 065219/2013 0019, ist daher für das Landesverwaltungsgericht Steiermark nicht präjudiziell. Ihre Anfechtung erweist sich damit schon aus diesem Grund als unzulässig.

V. Ergebnis

1. Der Antrag ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

3. Der beteiligten Partei sind die für die abgegebene Äußerung begehrten Kosten nicht zuzusprechen, weil es im Falle eines auf Antrag eines Gerichtes eingeleiteten Normenprüfungsverfahrens Sache des antragstellenden Gerichtes ist, über allfällige Kostenersatzansprüche nach den für sein Verfahren geltenden Vorschriften zu erkennen (zB VfSlg 19.019/2010 mwN).