JudikaturVfGH

G169/2024 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
Öffentliches Recht
11. Dezember 2024
Leitsatz

Zurückweisung eines Parteiantrags auf Aufhebung von Bestimmungen des Bundesgesetzes über die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union; Beschluss des Oberlandesgerichtes über den Einspruch gegen die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft ist keine in erster Instanz entschiedene Rechtssache

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

I. Anlassverfahren und Antrag

1. Mit Anklageschrift vom 30. September 2024 legte die Staatsanwaltschaft Wien dem Antragsteller mehrere Verbrechen und Vergehen zur Last.

2. Gegen diese Anklageschrift erhob der Antragsteller Einspruch an das Oberlandesgericht Wien.

3. Mit Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien vom 16. Oktober 2024 wurden der Einspruch des Antragstellers abgewiesen und die Anklageschrift für rechtswirksam erklärt.

4. Anlässlich einer gegen diesen Beschluss erhobenen Grundrechtsbeschwerde an den Obersten Gerichtshof stellte der Antragsteller den vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z1 litd BVG gestützten Antrag auf Aufhebung der §§55a Abs1 Z13 und 55d Abs7 des Bundesgesetzes über die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU-JZG), BGBl I 36/2004, idF BGBl I 182/2023.

II. Zulässigkeit

1. Der Antrag ist unzulässig.

2. Gemäß Art140 Abs1 Z1 litd BVG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auch auf Antrag einer Person, die als Partei einer von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedenen Rechtssache wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, aus Anlass eines gegen diese Entscheidung erhobenen Rechtsmittels. Nach §62a Abs1 erster Satz VfGG kann eine Person, die als Partei in einer von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedenen Rechtssache wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, einen Antrag stellen, das Gesetz als verfassungswidrig aufzuheben.

3. Der Antrag ist nicht zulässig, weil mit der Entscheidung des Oberlandesgerichtes Wien über einen Einspruch gegen die Anklageschrift gemäß §212 StPO keine "in erster Instanz entschiedene Rechtssache" im Sinne des Art140 Abs1 Z1 litd BVG bzw §62a Abs1 VfGG vorliegt:

Durch die Entscheidung über die Zulässigkeit der Anklage wird nicht endgültig über eine Rechtssache abgesprochen, sondern lediglich das Ermittlungsverfahren abgeschlossen und damit der Weg für eine Hauptverhandlung und die nachfolgende gerichtliche Entscheidung bereitet. Alle im Strafverfahren maßgeblichen Rechtsfragen, so auch Fragen der Verfassungsmäßigkeit der betroffenen Strafnormen, können sowohl in der Hauptverhandlung als auch noch im Rechtsmittelverfahren gegen das erstinstanzliche Urteil (und aus diesem Anlass dann auch mit Parteiantrag gemäß Art140 Abs1 Z1 litd BVG) geltend gemacht werden (vgl VfGH 3.3.2015, G47/2015; 7.10.2015, G372/2015).

4. Dem Antragsteller fehlt es daher mangels Vorliegens einer entschiedenen Rechtssache an der Antragslegitimation, weshalb der Antrag schon aus diesem Grund zurückzuweisen ist.

III. Ergebnis

1. Der Antrag ist zurückzuweisen.

2. Dies konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.