JudikaturVfGH

G55/2024 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
25. Juni 2024
Leitsatz

Verstoß näher bezeichneter Bestimmungen des Tir MindestsicherungsG gegen die grundsatzgesetzlichen Vorgaben des Sozialhilfe-GrundsatzG sowie des KlimabonusG; keine fristgerechte Anpassung des Tir MindestsicherungsG an die bundesgesetzlichen Bestimmungen betreffend die Berechnung der Höhe des Einkommens; keine Anrechnung von – der Deckung eines Sonder- und Mehrbedarfs dienenden – Leistungen nach dem KlimabonusG, dem Wohn- und HeizkostenzuschussG sowie dem Lebenshaltungs- und Wohnkosten-AusgleichsG auf das Einkommen durch das Tir MindestsicherungsG

Spruch

I. 1. Die Wortfolge "oder nach bundesrechtlichen" in §1 Abs4 zweiter Satz des Gesetzes vom 17. November 2010, mit dem die Mindestsicherung in Tirol geregelt wird (Tiroler Mindestsicherungsgesetz – TMSG), LGBl für Tirol Nr 99/2010, die Wortfolge "sein gesamtes Einkommen und" in §15 Abs1 TMSG, LGBl für Tirol Nr 99/2010, §15 Abs2 TMSG, LGBl für Tirol Nr 99/2010, idF LGBl für Tirol Nr 18/2018 sowie §17 TMSG, LGBl für Tirol Nr 99/2010, werden als verfassungswidrig aufgehoben.

2. Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 31. März 2025 in Kraft.

3. Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.

4. Der Landeshauptmann von Tirol ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Landesgesetzblatt für Tirol verpflichtet.

II. Der zweite Eventualantrag wird abgewiesen, soweit er sich gegen die übrigen Teile der §1 Abs4 und §15 Abs1, LGBl für Tirol Nr 99/2010, sowie gegen §2 Abs1 lita TMSG, LGBl für Tirol Nr 99/2010, §2 Abs13 TMSG, LGBl für Tirol Nr 99/2010, idF LGBl für Tirol Nr 205/2021, §15 Abs3, 5 und 7 TMSG, LGBl für Tirol Nr 99/2010, idF LGBl für Tirol Nr 52/2017, §15 Abs4, 6 und 8 TMSG, LGBl für Tirol Nr 99/2010, §18 Abs1 und 3 TMSG, LGBl für Tirol Nr 99/2010, sowie §18 Abs2 und 4 TMSG, LGBl Nr 99/2010, idF LGBl für Tirol Nr 52/2017 richtet.

III. Der Hauptantrag und der erste Eventualantrag werden zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe

I. Antrag

Mit dem vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z1 lita B VG gestützten Antrag begehrt das Landesverwaltungsgericht Tirol,

"a. in §15 Abs1 TMSG, LGBl Nr 99/2010, die Wortfolge 'sein gesamtes Einkommen und' und §15 Abs2 TMSG, LGBl Nr 99/2010 idF LGBl Nr 18/2018,

in eventu

b. §1 Abs4 TMSG, LGBl Nr 99/2010, §2 Abs1 lita TMSG, LGBl Nr 99/2010, §2 Abs13 TMSG, LGBl 99/2010 idF LGBl Nr 205/2021, §15 Abs1 TMSG, LGBl 99/2010, §15 Abs2, LGBl Nr 99/2010 idF LGBl Nr 18/2018, und §18 Abs1 TMSG, LGBl Nr 99/2010,

in eventu

c. §1 Abs4 TMSG, LGBl Nr 99/2010, §2 Abs1 lita TMSG, LGBl Nr 99/2010, §2 Abs13 TMSG, LGBl 99/2010 idF LGBl Nr 205/2021, §15 TMSG, LGBl 99/2010 idF LGBl Nr 18/2018, §17 TMSG, LGBl Nr 99/2010, und §18 Abs1 und Abs3, LGBl Nr 99/2010, sowie §18 Abs2 und Abs4 TMSG, LGBl Nr 99/2010 idF LGBl Nr 52/2017,

in eventu

d. das Tiroler Mindestsicherungsgesetz (TMSG), LGBl Nr 99/2010 idF LGBl Nr 4/2023, zur Gänze

als verfassungswidrig aufzuheben."

II. Rechtslage

1. Die §§3, 7 und 10 des Sozialhilfe Grundsatzgesetzes (im Folgenden: SH GG), BGBl I 41/2019, idF BGBl I 78/2022 (kundgemacht am 10. Juni 2022) lauten auszugsweise wie folgt:

"Allgemeine Grundsätze

§3 (1) Die Landesgesetzgebung hat sicherzustellen, dass Leistungen der Sozialhilfe nur nach Maßgabe dieses Bundesgesetzes und aufgrund der entsprechenden Ausführungsgesetze gewährt werden.

(2) Leistungen der Sozialhilfe sind nur Personen zu gewähren, die von einer sozialen Notlage betroffen und bereit sind, sich in angemessener und zumutbarer Weise um die Abwendung, Milderung oder Überwindung dieser Notlage zu bemühen.

(3) Leistungen der Sozialhilfe sind subsidiär und nur insoweit zu gewähren, als der Bedarf nicht durch eigene Mittel des Bezugsberechtigten oder durch diesem zustehende und einbringliche Leistungen Dritter abgedeckt werden kann.

(4) – (7) […]

Berücksichtigung von Leistungen Dritter und eigenen Mitteln

§7. (1) Die Landesgesetzgebung hat sicherzustellen, dass bei der Bemessung von Leistungen der Sozialhilfe alle zur Deckung der eigenen Bedarfe zur Verfügung stehenden Leistungen Dritter, sonstige Einkünfte und verwertbares Vermögen – auch im Ausland – angerechnet werden. Zu den Leistungen Dritter zählen auch sämtliche öffentlichen Mittel zur Unterstützung des allgemeinen Lebensunterhalts und des Wohnbedarfs sowie jener Teil des Einkommens des im gemeinsamen Haushalt lebenden unterhaltspflichtigen Angehörigen bzw des Lebensgefährten, der eine für diese Person gemäß §5 vorgesehene Bemessungsgrundlage übersteigt. Leistungen, die einer Person aufgrund der Bemessungsgrundlage gemäß §5 zur Verfügung stehen sollen, sind in einem der Anrechnung entsprechenden Ausmaß zu reduzieren.

(2) – (4) […]

(5) Eine Anrechnung von öffentlichen Mitteln hat insoweit zu unterbleiben, als diese der Deckung eines Sonderbedarfs dienen, der nicht durch Leistungen der Sozialhilfe im Sinne dieses Bundesgesetzes berücksichtigt wird. Dies gilt insbesondere für Leistungen, die aufgrund von Behinderung oder eines Pflegebedarfs gewährt werden. Die Landesgesetzgebung hat diese Leistungen im Einzelnen zu bezeichnen.

(5a) Leistungen, die der Bund zur Deckung krisenbedingter Sonder- und Mehrbedarfe gewährt, sind abweichend von Abs5 nicht anzurechnen, soweit an ihrem gänzlichen Verbleib bei den Zuwendungsempfängerinnen und Zuwendungsempfängern ein übergeordnetes gesamtstaatliches Interesse besteht und die Leistung bundesgesetzlich ausdrücklich als nicht anrechenbar bezeichnet wird.

(6) – (8) […]

[…]

Schluss- und Übergangsbestimmungen

§10. (1) – (3) […]

(4) §5 Abs2, §6 sowie §7 Abs4, 5 und 5a in der Fassung BGBl I Nr 78/2022 treten mit Ablauf des Tages der Kundmachung in Kraft. Die Ausführungsgesetze der Länder sind binnen 6 Monaten ab Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes zu erlassen.

(5) […]"

2. Die maßgeblichen Bestimmungen des Tiroler Mindestsicherungsgesetzes – TMSG, LGBl 99/2010, idF LGBl 102/2023 lauten auszugsweise wie folgt (die im zweiten Eventualantrag angefochtenen Bestimmungen sind hervorgehoben):

"1. Abschnitt

Allgemeine Bestimmungen

§1

Ziel, Grundsätze

(1) Ziel der Mindestsicherung ist die Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung. Sie bezweckt, den Mindestsicherungsbeziehern das Führen eines menschenwürdigen Lebens zu ermöglichen und ihre dauerhafte Eingliederung bzw Wiedereingliederung in das Erwerbsleben weitest möglich zu fördern.

(2) Mindestsicherung ist Personen zu gewähren,

a) die sich in einer Notlage befinden,

b) denen eine Notlage droht, wenn der Eintritt der Notlage dadurch abgewendet werden kann,

c) die eine Notlage überwunden haben, wenn dies erforderlich ist, um die Wirksamkeit der bereits gewährten Leistungen der Mindestsicherung bestmöglich zu sichern.

(3) Mindestsicherung ist auf Antrag oder, wenn den zuständigen Organen (§27) Umstände bekannt werden, die eine Hilfeleistung erfordern, auch von Amts wegen zu gewähren.

(4) Leistungen der Mindestsicherung sind so weit zu gewähren, als der jeweilige Bedarf nicht durch den Einsatz eigener Mittel und Kräfte sowie durch Leistungen Dritter gedeckt werden kann. Dabei sind auch Hilfeleistungen, die nach anderen landesrechtlichen oder nach bundesrechtlichen oder ausländischen Vorschriften in Anspruch genommen werden können, zu berücksichtigen.

(5) Mindestsicherung ist unter möglichst geringer Einflussnahme auf die Lebensverhältnisse des Mindestsicherungsbeziehers und seiner Familienangehörigen zu gewähren. Sie soll den Mindestsicherungsbezieher zur Selbsthilfe befähigen und so eine nachhaltige Beseitigung der Notlage ermöglichen.

(6) Mindestsicherung ist fachgerecht unter Bedachtnahme auf die anerkannten sozialmedizinischen, sozialpädagogischen und sozialarbeiterischen Standards sowie auf den jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse und die daraus entwickelten Methoden zu gewähren.

(7) Bei der Erbringung von Leistungen der Mindestsicherung ist auch die jeweils erforderliche Beratung und Betreuung zur Vermeidung und Überwindung einer Notlage sowie zur nachhaltigen sozialen Stabilisierung zu gewährleisten.

(8) Mindestsicherung ist unter Berücksichtigung der Grundsätze der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit zu gewähren.

(9) Ansprüche auf Leistungen der Mindestsicherung dürfen weder gepfändet noch verpfändet werden.

§2

Begriffsbestimmungen

(1) In einer Notlage befindet sich, wer

a) seinen Lebensunterhalt, seinen Wohnbedarf oder den bei Krankheit, Schwangerschaft und Entbindung sowie für ein einfaches Begräbnis auftretenden Bedarf (Grundbedürfnisse) nicht oder nicht in ausreichendem Ausmaß aus eigenen Kräften und Mitteln oder mit Hilfe Dritter decken kann oder

b) außergewöhnliche Schwierigkeiten in seinen persönlichen, familiären oder sozialen Verhältnissen nicht oder nicht in ausreichendem Ausmaß selbst oder mit Hilfe Dritter bewältigen kann.

(2) – (12) […]

(13) Das Einkommen umfasst alle Einkünfte, die dem Hilfesuchenden zufließen. "

[…]

4. Abschnitt

Anspruchsvoraussetzungen

§15

Einsatz der eigenen Mittel

(1) Vor der Gewährung von Mindestsicherung hat der Hilfesuchende seine eigenen Mittel, zu denen sein gesamtes Einkommen und sein Vermögen gehören, einzusetzen.

(2) Bei der Berechnung der Höhe des Einkommens sind außer Ansatz zu lassen:

a) Leistungen nach dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967, ausgenommen Zuwendungen aus dem Familienhospizkarenz-Härteausgleich nach dessen §38j, soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt,

b) Kinderabsetzbeträge nach §33 Abs3 des Einkommensteuergesetzes 1988,

c) Förderungen im Rahmen des Programmes Tiroler Kindergeld Plus oder vergleichbarer Familienförderungen des Landes Tirol,

d) Förderungen im Rahmen der Schulstarthilfe Tirol oder vergleichbarer Förderungen des Landes Tirol,

e) Ausbildungsbeihilfen für Lehrlinge im Rahmen der Lehrlingsförderung des Landes Tirol,

f) Pflegegeld nach bundesrechtlichen oder ausländischen Vorschriften oder andere pflegebezogene Geldleistungen und

g) Zuwendungen, welche der Hilfesuchende für die Pflege eines nahen Angehörigen zu Hause von diesem aus dessen Pflegegeld erhält; als nahe Angehörige gelten der Ehegatte bzw eingetragene Partner, die Eltern, Großeltern, Kinder, Enkelkinder und Geschwister des Hilfesuchenden.

(3) Erzielt der Hilfesuchende ein Einkommen aus einer Erwerbstätigkeit, so sind für die damit verbundenen Aufwendungen darüber hinaus folgende Freibeträge in Abzug zu bringen:

a) 30 v. H. des Ausgangsbetrages nach §9, wenn er trotz vorgerückten Alters oder starker Beschränkung seiner Erwerbsfähigkeit einem Erwerb nachgeht oder wenn er als Alleinerzieher einem Erwerb nachgeht und zumindest ein Kind im Vor- bzw Pflichtschulalter betreut,

b) 30 v.H. des Ausgangsbetrages nach §9, wenn er seit mehr als sechs Monaten Grundleistungen bezieht und erstmalig oder nach mehr als neunmonatiger Arbeitslosigkeit eine sozialversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit von mehr als 50 v.H. einer Vollbeschäftigung oder erstmalig ein Lehrverhältnis aufnimmt; der Freibetrag verringert sich nach sechs Monaten für weitere zwölf Monate auf 22,5 v.H. des Ausgangsbetrages nach §9; bei der Bestimmung des Zeitraumes der Arbeitslosigkeit bleiben Zeiten einer sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit im Ausmaß von insgesamt höchstens drei Monaten unberücksichtigt,

c) 15 v.H. des Ausgangsbetrages nach §9, wenn er seit mehr als sechs Monaten Grundleistungen bezieht und erstmalig oder nach mehr als neunmonatiger Arbeitslosigkeit eine sozialversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit von mindestens 25 v.H. und höchstens 50 v.H. einer Vollbeschäftigung aufnimmt; der Freibetrag verringert sich nach sechs Monaten für weitere zwölf Monate auf 11,75 v.H. des Ausgangsbetrages nach §9; bei der Bestimmung des Zeitraumes der Arbeitslosigkeit bleiben Zeiten einer sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit im Ausmaß von insgesamt höchstens drei Monaten unberücksichtigt,

d) ein Freibetrag in der Höhe der zur Erzielung des Einkommens aus Erwerbstätigkeit tatsächlich nachgewiesenen Ausgaben.

(4) Hätte der Hilfesuchende bzw Mindestsicherungsbezieher Anspruch auf mehrere Freibeträge nach Abs3, so gebührt ihm nur der jeweils höchste Freibetrag.

(5) Von der Verpflichtung zur Verwertung von beweglichem Vermögen ist jedenfalls abzusehen, wenn dadurch eine Notlage erst ausgelöst, verlängert oder deren Überwindung gefährdet werden könnte; dies ist insbesondere anzunehmen bei:

a) Gegenständen, die zur Aufnahme oder Fortführung einer Erwerbstätigkeit oder einer Berufsausbildung erforderlich sind,

b) Gegenständen, die zur Befriedigung angemessener geistig-kultureller Bedürfnisse erforderlich sind,

c) Gegenständen, die zum angemessenen Hausrat zählen,

d) Kraftfahrzeugen, die berufsbedingt oder aufgrund besonderer Umstände, dazu zählen insbesondere eine Behinderung oder unzureichende Infrastruktur, erforderlich sind, und

e) Ersparnissen bis zu einem Freibetrag in der Höhe des Fünffachen des Ausgangsbetrages nach §9 im Fall der Gewährung von Grundleistungen und des Zweifachen dieses Ausgangsbetrages im Fall der Gewährung von Zusatzleistungen.

(6) Von der Verpflichtung zur Verwertung von beweglichem Vermögen, das nicht unter Abs5 lita bis d fällt, ist vorerst abzusehen, wenn dessen Wert den Freibetrag nach Abs5 lite nicht übersteigt und nicht länger als sechs unmittelbar aufeinander folgende Monate Mindestsicherung bezogen wird.

(7) Von der Verpflichtung zur Verwertung von unbeweglichem Vermögen ist vorerst abzusehen, wenn dieses der Deckung des unmittelbaren Wohnbedarfes des Mindestsicherungsbeziehers und der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen dient. Wird im Fall der Unzulässigkeit der Verwertung von unbeweglichem Vermögen länger als sechs unmittelbar aufeinander folgende Monate Mindestsicherung bezogen, so hat sich der Mindestsicherungsbezieher zum Ersatz der für ihn aufgewendeten Kosten nach Beseitigung der Notlage zu verpflichten und dafür eine Sicherstellung anzubieten.

(8) Bei der Berechnung der Sechsmonatsfrist nach den Abs6 und 7 sind auch frühere ununterbrochene Bezugszeiten von jeweils mindestens zwei Monaten zu berücksichtigen, wenn sie nicht länger als zwei Jahre vor dem neuerlichen Bezugsbeginn liegen.

[…]

§17

Verfolgung von Ansprüchen gegenüber Dritten

(1) Vor der Gewährung von Mindestsicherung hat der Hilfesuchende öffentlich-rechtliche oder privatrechtliche Ansprüche auf bedarfsdeckende oder bedarfsmindernde Leistungen gegen Dritte zu verfolgen, soweit dies nicht offensichtlich aussichtslos oder unzumutbar ist.

(2) Mindestsicherung ist unbeschadet der Verpflichtung nach Abs1 als Vorausleistung zu gewähren, wenn der Hilfesuchende bis zur tatsächlichen Durchsetzung seiner Ansprüche anspruchsberechtigt im Sinn dieses Gesetzes ist. Die unmittelbar erforderliche Bedarfsdeckung ist jedenfalls zu gewährleisten.

§18

Ausmaß der Mindestsicherung

(1) Das Ausmaß der Leistungen der Mindestsicherung ist im Einzelfall unter Berücksichtigung des Einsatzes der eigenen Mittel und der Bereitschaft des Hilfesuchenden zum Einsatz seiner Arbeitskraft sowie der bedarfsdeckenden oder bedarfsmindernden Leistungen Dritter zu bestimmen.

(2) Zu den bedarfsdeckenden oder bedarfsmindernden Leistungen Dritter zählt neben den Leistungen, auf die der Hilfesuchende einen Anspruch nach §17 Abs1 hat, auch das Einkommen der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen, soweit dieses den Mindestsatz nach §5 Abs2 lite zuzüglich des auf diese Person entfallenden Wohnkostenanteiles übersteigt. Von diesem Einkommen sind allfällige Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Dritten in Abzug zu bringen.

(3) Hat der Hilfesuchende auf eine bedarfsdeckende oder bedarfsmindernde Leistung keinen Anspruch nach §17 Abs1, so ist diese bei der Bestimmung des Ausmaßes der Mindestsicherung nur zu berücksichtigen, soweit sie

a) regelmäßig in einem Ausmaß erbracht wird, das wesentlich zur Deckung der Grundbedürfnisse des Hilfesuchenden beiträgt, oder

b) in einem Ausmaß erbracht wird, das wesentlich zur Bewältigung außergewöhnlicher Schwierigkeiten des Hilfesuchenden beiträgt.

(4) Verliert ein Hilfesuchender, der nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe bezieht, diesen Anspruch ganz oder teilweise, so sind die Leistungen der Mindestsicherung für die Dauer dieses Anspruchsverlustes nur in jenem Ausmaß zu gewähren, in dem sie ihm unter Einbeziehung des Arbeitslosengeldes bzw der Notstandshilfe in jeweils voller Höhe gebührt hätten. "

3. Das Klimabonusgesetz – KliBG, BGBl I 11/2022, idF BGBl I 204/2023 lautet auszugsweise wie folgt:

"Gegenstand

§1. Gegenstand dieses Bundesgesetzes ist die Gewährung eines regional differenzierten Klimabonus zur pauschalen Kompensation der finanziellen Mehrbelastungen bei natürlichen Personen, die sich aus der Bepreisung von Treibhausgasemissionen beim Einsatz von Energieträgern außerhalb des EU Emissionshandels gemäß dem Nationalen Emissionszertifikatehandelsgesetz 2022, BGBl I Nr 10/2022, ergeben.

[…]

Eigenes Einkommen

§6. (1) Der regionale Klimabonus gilt nicht als eigenes Einkommen.

(2) […]

[…]

Deckung eines Sonderbedarfs

§7. (Grundsatzbestimmung) Der regionale Klimabonus dient der Deckung eines Sonderbedarfs, der sich aus der Bepreisung von Treibhausgasemissionen gemäß NEHG 2022 ergibt und gilt als nicht anrechenbare Leistung gemäß §7 Abs5 und 5a des Sozialhilfe Grundsatzgesetzes, BGBl I Nr 41/2019.

[…]

Inkrafttreten

§10. (1) Dieses Bundesgesetz tritt mit 1. März 2022 in Kraft. Ausführungsbestimmungen zu §7 sind bis zum 31. August 2022 zu erlassen und in Kraft zu setzen.

(2) – (5) […]"

4. Das Wohn- und Heizkostenzuschussgesetz, BGBl I 14/2023, idF BGBl I 168/2023 lautet auszugsweise wie folgt:

"Ziel und Zweck

§1. (1) Der Bund gewährt den Ländern im Jahr 2023 einen einmaligen Zweckzuschuss in Höhe von 450 Millionen Euro.

(2) Der Zweckzuschuss ist von den Ländern zusätzlich zu bereits für diesen Zweck vorgesehenen Landesmitteln in den Jahren 2023 und 2024 für Beihilfen an natürliche Personen zur Bestreitung gestiegener Wohn- und Heizkosten (Wohn- und Heizkostenzuschüsse) zu verwenden.

(3) Der Zweckzuschuss gemäß Abs1 wird den Ländern unter der Voraussetzung gewährt, dass

a.) Sozial- bzw Mindestsicherungsbezieher und bezieherinnen von den daraus finanzierten Wohn- und Heizkostenzuschüssen nicht ausgeschlossen sind und

b.) diese Zuschüsse vom Land bei der Bemessung von Leistungen der Sozialhilfe nicht als Einkommen berücksichtigt werden.

(4) […]

[…]

Nichtberücksichtigung und Pfändungsverbot

§4. (1) Die Wohn- und Heizkostenzuschüsse der Länder gemäß §1 Abs2 und die Förderungen gemäß §1 Abs4 sind von der Einkommensteuer befreit und gehören auch nicht zur Bemessungsgrundlage für sonstige Abgaben und öffentlich-rechtliche Beiträge ausgenommen Umsatzsteuer. §20 Abs2 des Einkommensteuergesetzes 1988 – EStG 1988, BGBl Nr 400/1988, ist auf sie nicht anzuwenden.

(2) Wohn- und Heizkostenzuschüsse des Landes gemäß §1 Abs2 und Förderungen gemäß §1 Abs4, die aus diesem Zweckzuschuss finanziert werden, sind bei der Prüfung von Ansprüchen und sonstigen Befreiungen aufgrund bundesgesetzlicher Regelungen nicht als Einkommen zu berücksichtigen.

(3) Wohn- und Heizkostenzuschüsse des Landes gemäß §1 Abs2 dürfen weder gepfändet noch verpfändet werden.

(4) Wohnkostenzuschüsse des Landes gemäß §1 Abs2, die aus diesem Zweckzuschuss finanziert werden, gelten sinngemäß als Leistung nach §7 Abs5a Sozialhilfe Grundsatzgesetz, BGBl I Nr 41/2019, zuletzt geändert durch BGBl I Nr 78/2022.

[…]

Inkrafttreten

§6. (1) Dieses Bundesgesetz tritt mit Ablauf des Tages der Kundmachung in Kraft.

(2) §4a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 32/2023 tritt mit Ablauf des Tages der Kundmachung in Kraft.

(3) §1 Abs2 und §3 Abs2 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 168/2023 treten mit Ablauf des Tages der Kundmachung in Kraft."

5. Das Lebenshaltungs- und Wohnkosten-Ausgleichs Gesetz – LWA G, BGBl I 93/2022, in der hier maßgeblichen Fassung BGBl I 119/2023 lautet auszugsweise wie folgt:

"Zweck

§1. (1) Mit diesem Bundesgesetz soll ein finanzieller Beitrag des Bundes zur leichteren Bewältigung von teuerungsbedingten Mehraufwendungen des täglichen Lebens von akut unterstützungsbedürftigen Personen und Haushalten geleistet werden. Zu den Maßnahmen des Bundes zählen:

1. – 6. […]

(2) – (4) […]

[…]

Berücksichtigung als Einkommen und Pfändungsverbot

§4. (1) Zuwendungen nach diesem Bundesgesetz gelten als Leistung im Sinne des §7 Abs5a des Sozialhilfe Grundsatzgesetzes, BGBI 1 Nr 41/2019, zuletzt geändert durch BGBI 1 Nr 45/2023, und sind bei der Prüfung von Ansprüchen und sonstigen Befreiungen aufgrund anderer Regelungen nicht als Einkommen zu berücksichtigen.

(2) Zuwendungen nach diesem Bundesgesetz dürfen weder gepfändet noch verpfändet werden.

[…]

Inkrafttreten

§8. (1) Dieses Bundesgesetz tritt mit dem der Kundmachung dieses Bundesgesetzes folgenden Tag in Kraft und mit 31. Dezember 2026 außer Kraft.

(2) §1 Abs2a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 14/2023 tritt mit dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft und mit 6. Juni 2025 außer Kraft.

(3) §1 Abs2b in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 32/2023 tritt mit dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft.

(4) §1 Abs1 und 4, §2 Abs1, §3a, §3b, §3c sowie §5 Abs2, 3 und 5 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 55/2023 treten mit dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft.

(5) §1 Abs1, §2 Abs1a und 2, §3d, §3e, §4 Abs1, §5, §6 Abs1 Z3 sowie §7 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 68/2023 treten mit dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft.

(6) §3a Abs2 erster Satz, §3d Abs2, §4 Abs1 sowie §5 Abs2 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 119/2023 treten rückwirkend mit 1. Juli 2023 in Kraft."

III. Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

1.1. Die Beschwerdeführerin im Verfahren vor dem antragstellenden Verwaltungsgericht beantragte beim Bürgermeister der Stadt Innsbruck die Weitergewährung der Mindestsicherung ab 1. Juni 2023.

1.2. Mit Bescheid vom 31. Mai 2023 wies der Bürgermeister der Stadt Innsbruck diesen Antrag als unbegründet ab und führte begründend aus, dass – auf Grund einer näher dargestellten Berechnung – wegen des der Hilfesuchenden monatlich zur Verfügung stehenden Einkommens eine Richtsatzüberschreitung vorliege und damit eine Notlage iSd TMSG zu verneinen sei.

1.3. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Tirol.

1.4. Im Anspruchszeitraum vom 1. Juni 2023 bis 18. Februar 2024 hat die Beschwerdeführerin (neben Unterstützungsleistungen in Form von freiwilligen Geldzahlungen in verschiedener Höhe von ihrem Bruder) folgende Leistungen aus öffentlichen Mitteln erhalten:

Ihr ist am 8. August 2023 ein Wohnkostenzuschuss in Höhe von € 350,– gemäß Wohn- und Heizkostenzuschussgesetz, am 25. August 2023 eine Wohnschirm Energie Pauschale in Höhe von € 160,– gemäß LWA G und am 13. September 2023 ein Klimabonus in Höhe von € 150,– gemäß KliBG zugeflossen.

2. Das Landesverwaltungsgericht Tirol legt die Bedenken, die es zur Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof bestimmt haben, wie folgt dar (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen):

"[…] Allgemeines:

Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat Bedenken ob der Grundsatzgesetz- und Verfassungsmäßigkeit des §15 Abs1 iVm Abs2 TMSG, weil hiernach die Hilfesuchende vor der Gewährung von Mindestsicherung grundsätzlich ihr gesamtes Einkommen und ihr Vermögen einzusetzen hat, wobei bei der Berechnung der Höhe des Einkommens nur die in §15 Abs2 lita bis g TMSG aufgelisteten Gelder und Zuwendungen außer Ansatz zu lassen sind.

Nicht erfasst von den in §15 Abs2 lita bis g TMSG normierten Ausnahmen – und somit bei der Berechnung der Höhe des Einkommens als Einkommen nach dem Grundsatz des §15 Abs1 TMSG zu berücksichtigen – sind folgende (der Beschwerdeführerin im Anspruchszeitraum zugeflossenen) öffentlichen Zuschüsse:

Wohnkostenzuschuss, gewährt vom Land Tirol und finanziert aus einem Zweckzuschuss des Bundes nach dem Bundesgesetz über einen Zuschuss an die Länder für Wohn- und Heizkostenzuschüsse (Wohn- und Heizkostenzuschussgesetz), BGBl I Nr 14/2023 idF BGBl I Nr 32/2023;

Unterstützungszahlung vom Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz zur Energiesicherung auf Grundlage des Bundesgesetzes über einen Ausgleich inflationsbedingt hoher Lebenshaltungs- und Wohnkosten (Lebenshaltungs- und Wohnkosten-Ausgleichs-Gesetz — LWA G), BGBl I Nr 93/2022 idF BGBl I Nr 119/2023;

Klimabonus auf Grund des Bundesgesetzes über den regionalen Klimabonus (Klimabonusgesetz — KliBG), BGBl I Nr 11/2022 idF BGBl I Nr 71/2023

Das Landesverwaltungsgericht Tirol hält die Regelung des §15 Abs1 iVm Abs2 TMSG für bedenklich, weil sie zum einen der Grundsatzbestimmung des §7 KliBG und zum anderen §7 Abs1 iVm Abs5 und 5a des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes (SH GG), BGBl I Nr 41/2019 idF BGBl I Nr 20/2024, alleine und iVm §4 Abs1 LWA G sowie iVm §1 Abs3 litb und §4 Abs4 des Wohn- und Heizkostenzuschussgesetzes widerspricht, da die genannten öffentlichen Zuwendungen nicht von den Ausnahmetatbeständen des §15 Abs2 lita bis g TMSG erfasst werden und somit als Einkommen der Hilfesuchenden bei der Beurteilung der Frage, ob ein Anspruch auf Leistungen der Mindestsicherung bzw beim Ausmaß des Leistungsanspruchs zu berücksichtigen sind, obwohl die Grundsatzbestimmung des §7 KliBG bzw §7 Abs5 und 5a SH GG, alleine bzw iVm §4 Abs1 LWA G und iVm §1 Abs3 litb und §4 Abs4 des Wohn-und Heizkostenzuschussgesetzes die Anrechnung dieser Leistungen bei der Bemessung von Leistungen der Sozialhilfe untersagen. Da es der Landesgesetzgeber unterlassen hat, das TMSG als Ausführungsgesetz zum SH GG in Bezug auf diese grundsatzgesetzlichen Vorgaben (fristgerecht) anzupassen, ist es wegen Verstoßes gegen Art15 Abs6 B VG verfassungswidrig.

[…] Widerspruch zur Grundsatzbestimmung des §7 des Klimabonusgesetzes und §7 Abs5 und 5a des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes:

[…]

Die Grundsatzbestimmung des §7 KliBG normiert, dass der regionale Klimabonus der Deckung eines Sonderbedarfs, der sich aus der Bepreisung von Treibhausgasemissionen gemäß NEHG 2022 ergibt, dient, 'als nicht anrechenbare Leistung gemäß §7 Abs5 und 5a des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes [gilt]'. §10 Abs1 zweiter Satz KliBG verpflichtet den Landesgesetzgeber Ausführungsbestimmungen zu §7 leg cit bis zum 31.08.2022 zu erlassen.

[…]

Der Landesausführungsgesetzgeber ist somit nach §7 KliBG verpflichtet, sicherzustellen, dass bei der Bemessung von Leistungen der Sozialhilfe eine Anrechnung des regionalen Klimabonus unterbleibt. Gemäß der in §10 zweiter Satz KliBG gesetzten Frist, hätte eine Anpassung der Ausführungsgesetze der Länder bis zum 31.08.2022 zu erfolgen gehabt. Dieselbe Verpflichtung folgt auch aus §7 Abs5 SH GG, zumal es sich beim regionalen Klimabonus um öffentliche Mittel, die der Deckung eines Sonderbedarfs, der sich aus der Bepreisung von Treibhausgasemissionen gemäß NEHG 2022 ergibt, und somit um einen Sonderbedarf, der nicht durch Leistungen der Sozialhilfe nach dem SH GG berücksichtigt wird, handelt. Zudem folgt aus §7 Abs5 letzter Satz SH GG eine Bezeichnungspflicht des regionalen Klimabonus als nicht anrechenbare Leistung. Die Anpassungsfrist für den Landesausführungsgesetzgeber ist hier gemäß §10 Abs4 SH GG am 11.12.2022 abgelaufen.

Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat Zweifel, dass der Tiroler Landesgesetzgeber seiner Anpassungspflicht im Hinblick auf §7 KliBG iVm §10 zweiter Satz KliBG und §7 Abs5 iVm §10 Abs4 SH GG (rechtzeitig) nachgekommen ist. Es bestehen Bedenken, dass durch das Unterlassen einer entsprechenden Anpassung des TMSG dieses zum Teil grundsatzgesetzwidrig und somit wegen Verstoßes gegen Art15 Abs6 B VG verfassungswidrig geworden ist.

Gemäß §1 Abs4 TMSG gilt für die Mindestsicherung in Tirol das Subsidiaritätsprinzip. Mindestsicherung ist demnach nur in soweit zu gewähren, als eine Bedarfsdeckung nicht schon durch den Einsatz der eigenen Mittel, die Bereitschaft zum Einsatz der eigenen Arbeitskraft oder die Verfolgung von Ansprüchen gegenüber Dritten möglich ist. Auch Leistungen, die nach anderen landesrechtlichen, bundesrechtlichen oder ausländischen Vorschriften in Anspruch genommen werden können, gehen Leistungen der Mindestsicherung vor. Diesen Grundsatz spiegelt §18 Abs1 TMSG, der normiert, dass das Ausmaß der Leistungen der Mindestsicherung im Einzelfall unter Berücksichtigung des Einsatzes der eigenen Mittel und der Bereitschaft des Hilfesuchenden zum Einsatz seiner Arbeitskraft sowie der bedarfsdeckenden oder bedarfsmindernden Leistungen Dritter zu bestimmen ist, wider. In Bezug auf den Einsatz der eigenen Mittel normiert §15 Abs1 TMSG, dass der Hilfesuchende vor der Gewährung von Mindestsicherung seine eigenen Mittel, zu denen sein gesamtes Einkommen und sein Vermögen gehören, einzusetzen hat. Nach der Begriffsdefinition des §2 Abs13 TMSG umfasst das 'Einkommen […] alle Einkünfte, die dem Hilfesuchenden zufließen'. Daraus folgt, dass der Gesetzgeber des TMSG von einem umfassenden Einkommensbegriff ausgeht, der alle Einkünfte des Hilfesuchenden umfasst, gleichgültig aus welchem Titel sie ihm zufließen (vgl auch zum sozialhilferechtlichen Einkommensbegriff: VwGH 22.10.2019, Ro 2018/10/0044, mit Verweis auf VwGH 11.08.2017, Ro 2015/10/0022; 23.05.2017, Ra 2017/10/0060; 09.09.2009, 2006/10/0260; 14.05.2007, 2005/10/0187).

Als Ausnahme von diesem Grundsatz normiert §15 Abs2 TMSG, dass bei der Berechnung der Höhe des Einkommens, die in §15 Abs2 lita bis g leg cit aufgelisteten Leistungen, Förderungen und Zuwendungen außer Ansatz zu lassen sind. Diese Aufzählung in §15 Abs2 lita bis g TMSG ist nach Auffassung des Landesverwaltungsgerichtes Tirol taxativ (vgl auch die Erläuternden Bemerkungen zum Entwurf eines Gesetzes, mit dem die Mindestsicherung in Tirol geregelt wird, Tir LT, 15. GP, GZ 498/2010, Seite 25). Der regionale Klimabonus nach dem KliBG ist in der Aufzählung des §15 Abs2 TMSG nicht genannt. Eine Subsumtion unter einen Ausnahmetatbestand des §15 Abs2 lita bis g TMSG scheitert am Wortlaut. Einer über den Wortlaut hinausgehenden, interpretativen Erweiterung der Ausnahmen steht der allgemeine Grundsatz, wonach die Ausnahme eines Grundsatzes stets eng auszulegen ist, entgegen. Im Ergebnis ist somit der regionale Klimabonus, der der Beschwerdeführerin des Ausgangsverfahrens zugeflossen ist, als Einkommen iSd §2 Abs13 TMSG zu qualifizieren und gemäß §15 Abs1 TMSG als eigene Mittel vor der Gewährung von Mindestsicherung einzusetzen und damit bei der Bemessung der Mindestsicherung gemäß §18 Abs1 TMSG anzurechnen, weil er nicht unter einen Ausnahmetatbestand des §15 Abs2 TMSG fällt. Mangels einer gesetzlichen Ausnahme des regionalen Klimabonus vom umfassenden Einkommensbegriff des TMSG, ist dieser als Einkommen bei der Bemessung der Mindestsicherung nach dem TMSG – und damit im Widerspruch zu §7 KliBG und §7 Abs5 und 5a SH GG – anzurechnen. Die Umsetzungsfristen für die Ausführungsgesetze der Länder sind im Anspruchszeitraum bereits abgelaufen gewesen. Neben einer 'materiellen' Umsetzung ist der Tiroler Landesausführungsgesetzgeber auch der in §7 Abs5 SH GG auferlegten Bezeichnungspflicht nicht nachgekommen.

[…] Widerspruch zu §7 Abs5a des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes iVm §4 des Lebenshaltungs- und Wohnkosten-Ausgleichs-Gesetzes:

Der Beschwerdeführerin des Ausgangsverfahrens wurden mit Schreiben vom 23.08.2023 vom Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz im Rahmen des Unterstützungsprogramms 'Wohnschirm' ein Geldbetrag in der Höhe von € 160,– zuerkannt und am 25.08.2023 ausbezahlt sowie eine Unterstützungsleistung in der Höhe von € 277,37 für einen Energiekostenrückstand, überwiesen an die Innsbrucker Kommunalbetriebe AG, gewährt. Grundlage dieser Unterstützungsleistungen war die Richtlinie Teuerungsbedingte Delogierungsprävention und Wohnung- sowie Energiesicherung, welche der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz gemäß §6 des Lebenshaltungs- und Wohnkosten-Ausgleichs-Gesetz (LWA G), BGBl I Nr 93/2022, im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen erlassen hat und darin die näheren Voraussetzungen für die Verwendung der Mittel für Unterstützungsleistungen gemäß §1 Abs1 Z1 LWA G (dh Unterstützungsleistungen im Bereich Wohnen gemäß §2 LWA G) festlegte. §4 LWA G bestimmt, dass Zuwendungen nach diesem Bundesgesetz als Leistungen nach §7 Abs5a SH GG, BGBl I Nr 41/2019 zuletzt geändert durch BGBl I Nr 45/2023, gelten und bei der Prüfung von Ansprüchen und sonstigen Befreiungen aufgrund anderer Regelungen nicht als Einkommen zu berücksichtigen sind.

[…]

Unzweifelhaft handelt es sich bei Unterstützungsleistungen im Bereich Wohnen nach §1 Abs1 Z1 LWA G um Leistungen, die der Bund zur Deckung krisenbedingter Sonder- und Mehrbedarfe iSv §7 Abs5a SH GG gewährt (hat). So soll mit dem LWA G laut dessen §1 Abs1 erster Satz ein finanzieller Beitrag des Bundes zur leichteren Bewältigung von teuerungsbedingten Mehraufwendungen des täglichen Lebens – insbesondere im Bereich Wohnkosten (vgl Blg Nr 2662/A 27.GP, Zu Artikel 12) – von akut unterstützungsbedürftigen Personen und Haushalten geleistet werden. Somit sind die Länder grundsatzgesetzlich verpflichtet, Leistungen, die auf der Grundlage des LWA G gewährt werden, bei der Bemessung von Leistungen der Sozialhilfe nicht anzurechnen.

Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat Zweifel, dass der Tiroler Landesausführungsgesetzgeber seiner Umsetzungsverpflichtung im Hinblick auf §7 Abs5a SH GG iVm §4 Abs1 LWA G nachgekommen ist. Es bestehen Bedenken, dass durch das Unterlassen einer entsprechenden Anpassung des TMSG dieses zum Teil verfassungswidrig geworden ist.

Wie oben bereits dargestellt, liegt dem TMSG ein umfassender Einkommensbegriff zu Grunde. Nach der Begriffsdefinition des §2 Abs13 TMSG umfasst das 'Einkommen [...] alle Einkünfte, die dem Hilfesuchenden zufließen'. Daraus folgt, dass der Gesetzgeber des TMSG von einem umfassenden Einkommensbegriff ausgeht, der alle Einkünfte des Hilfesuchenden umfasst, gleichgültig aus welchem Titel sie ihm zufließen. Unerheblich ist somit auch, ob Unterstützungen aus öffentlichen Mitteln dem Hilfesuchenden im Rahmen der Hoheitsverwaltung oder im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung zufließen.

[…]

[…] Widerspruch zu §7 Abs5a des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes iVm §4 Abs4 des Wohn- und Heizkostenzuschussgesetzes:

Der Beschwerdeführerin des Ausgangsverfahrens wurde mit Schreiben vom 27.07.2023 vom Land Tirol ein einmaliger Wohnkostenzuschuss für das Jahr 2023 in der Höhe von € 350,– gewährt und am 08.08.2023 auf deren Konto überwiesen. Laut der Richtlinie des Landes Tirol für den Wohnkostenzuschuss 2023, 01.04.2023, gewährt das Land Tirol bezugnehmend auf den einmaligen Zweckzuschuss laut Bundesgesetz über einen Zuschuss an die Länder für Wohn- und Heizkostenzuschüsse (Wohn- und Heizkostenzuschussgesetz), BGBl I Nr 14/2023, für das Kalenderjahr 2023 nach Maßgabe dieser Richtlinie – und somit im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung – einen einmaligen Zuschuss pro Haushalt zur teilweisen Abfederung der gestiegenen Wohnkosten. Laut §1 Abs1 des Wohn- und Heizkostenzuschussgesetzes gewährt der Bund den Ländern im Jahr 2023 einen einmaligen Zweckzuschuss in Höhe von 450 Millionen Euro. Gemäß §2 Abs2 des Wohn- und Heizkostenzuschussgesetzes ist der Zweckzuschuss von den Ländern zusätzlich zu bereits für diesen Zweck vorgesehenen Landesmitteln in den Jahren 2023 und 2024 für Beihilfen an natürliche Personen zur Bestreitung gestiegener Wohn- und Heizkosten (Wohn- und Heizkostenzuschüsse) zu verwenden. Gemäß §2 Abs3 des Wohn- und Heizkostenzuschussgesetzes wird den Ländern der Zweckzuschuss gemäß §1 Abs1 leg cit unter der Voraussetzung gewährt, dass (a) Sozial- bzw Mindestsicherungsbezieher und bezieherinnen von den daraus finanzierten Wohn- und Heizkostenzuschüssen nicht ausgeschlossen sind und (b) diese Zuschüsse vom Land bei der Bemessung von Leistungen der Sozialhilfe nicht als Einkommen berücksichtigt werden. Gemäß §4 Abs4 des Wohn- und Heizkostenzuschussgesetzes gelten Wohnkostenzuschüsse des Landes gemäß §1 Abs2, die aus diesem Zweckzuschuss finanziert werden, sinngemäß als Leistung nach §7 Abs5a Sozialhilfe-Grundsatzgesetz, BGBl I Nr 41/2019, zuletzt geändert durch BGBl I Nr 78/2022.

[…] Unzweifelhaft handelt es sich auch beim vom Land Tirol auf Grund des vom Bund den Ländern gemäß dem Wohn- und Heizkostenzuschussgesetz gewährten Zweckzuschuss, ausbezahlten Heizkostenzuschuss 2023 um eine Leistung zur Deckung eines krisenbedingten Sonder- und Mehrbedarfs iSv §7 Abs5a SH GG (vgl Blg Nr IA, 3078/A 27.GP, Zu Artikel 1). Zwar handelt es sich beim Heizkostenzuschuss 2023 um eine Leistung des Landes Tirol, allerdings wird dieser durch den Bund finanziert, so dass diese Leistung auch vom Tatbestand des §7 Abs5a SH GG erfasst sein könnte.

Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat – aus denselben Gründen wie oben […] dargestellt – Zweifel, dass der Tiroler Landesausführungsgesetzgeber seiner Anpassungsverpflichtung im Hinblick auf §7 Abs5a SH GG iVm §4 Abs4 des Wohnungs- und Heizkostenzuschussgesetzes nachgekommen ist. Es bestehen Bedenken, dass durch das Unterlassen einer entsprechenden Anpassung des TMSG dieses zum Teil verfassungswidrig geworden ist.

[…]

Im Ergebnis ist somit der Heizkostenzuschuss 2023 des Landes Tirol, welcher der Beschwerdeführerin des Ausgangsverfahrens auf Grundlage der Richtlinie des Landes Tirol für den Heizkostenzuschuss 2023 zugeflossen ist und durch den Zweckzuschuss des Bundes nach dem Wohn- und Heizkostenzuschussgesetz finanziert wurde, als Einkommen iSd §2 Abs13 TMSG zu qualifizieren und gemäß §15 Abs1 TMSG als eigene Mittel vor der Gewährung von Mindestsicherung einzusetzen und damit bei der Bemessung der Mindestsicherung gemäß §18 Abs1 TMSG anzurechnen, weil er nicht unter einen Ausnahmetatbestand des §15 Abs2 TMSG fällt. Mangels einer gesetzlichen Ausnahme dieser Unterstützungsleistung vom umfassenden Einkommensbegriff des TMSG, ist dieser als Einkommen bei der Bemessung der Mindestsicherung nach dem TMSG – und damit im Widerspruch zu §7 Abs5a SH GG iVm §4 Abs4 des Wohn- und Heizkostenzuschussgesetzes – anzurechnen.

[…] Keine grundsatzkonforme Auslegung möglich:

[…]

Die der Beschwerdeführerin des Ausgangsverfahrens zugeflossenen Zuschüsse und Geldleistungen aus öffentlichen Mitteln werden in den Ausnahmetatbeständen des §15 Abs2 lita bis g TMSG nicht ausdrücklich genannt. Eine Subsumtion unter einen dieser Tatbestände scheitert nach Auffassung des Landesverwaltungsgerichtes Tirol am klaren Wortlaut der Ausnahmetatbestände. Beim regionalen Klimabonus nach dem Klimabonusgesetz, bei Geldleistungen aus dem Unterstützungsprogramm 'Wohnschirm' auf Grundlage des Lebenshaltungs- und Wohnkosten-Ausgleichs-Gesetzes und beim Wohnkostenzuschuss 2023 des Landes Tirol, finanziert durch den Bund auf der Grundlage des Wohn- und Heizkostenzuschussgesetzes, handelt es sich weder um Leistungen nach dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (lita), noch um Kinderabsetzbeträge nach §33 Abs3 des Einkommenssteuergesetzes 1988 (litb), noch um Förderungen im Rahmen des Programmes Tiroler Kindergeld Plus oder vergleichbarer Familienförderungen des Landes Tirol (litc), noch um Förderungen im Rahmen der Schulstarthilfe Tirol oder vergleichbarer Förderungen des Landes Tirol (litd), noch um Ausbildungsbeihilfen für Lehrlinge im Rahmen der Lehrlingsförderung des Landes Tirol (lite), noch um Pflegegeld oder pflegegeldbezogene Geldleistungen (litf) noch um Zuwendungen, welche der Hilfesuchende für die Pflege eines nahen Angehörigen zu Hause von diesem aus dessen Pflegegeld erhält (litg). Einer interpretativen Erweiterung der Ausnahmetatbestände um weitere Ausnahmen steht zum einen der Grundsatz, wonach Ausnahmen von der Regel eng auszulegen sind, entgegen. Zudem geht auch der Gesetzgeber selbst von einer taxativen Aufzählung der Ausnahmen aus (vgl auch die Erläuternden Bemerkungen zum Entwurf eines Gesetzes, mit dem die Mindestsicherung in Tirol geregelt wird, Tir LT, 15. GP, GZ 498/2010, Seite 25). Schließlich normiert §7 Abs5 letzter Satz SH GG eine Bezeichnungspflicht, wonach der Ausführungsgesetzgeber solche Leistungen, deren Anrechnung nach §7 Abs5 erster und zweiter Satz SH GG insofern zu unterbleiben hat, als diese der Deckung eines Sonderbedarfs dienen, 'im Einzelnen zu bezeichnen' hat. Der Deckung eines Sonderbedarfs in diesem Sinn dient jedenfalls der regionale Klimabonus nach dem Klimabonusgesetz, sodass dieser als nicht anrechenbare Leistung im TMSG ausdrücklich zu bezeichnen wäre. Eine Umsetzung im Wege der Auslegung dürfte hier von vornherein nicht möglich sein."

3. Die Tiroler Landesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der den im Antrag erhobenen Bedenken wie folgt entgegengetreten wird:

"[…] Nach Ansicht der Tiroler Landesregierung erweist sich der Antrag des Landesverwaltungsgerichts Tirol zur Gänze als unzulässig und ist auch in der Sache unbegründet.

[…] Zur Zulässigkeit

[…] Nach Ansicht der Tiroler Landesregierung erweist sich der Antrag zur Gänze als unzulässig, insbesondere auch deshalb, weil mit der Aufhebung der angefochtenen Bestimmungen bzw des TMSG zur Gänze die behauptete Verfassungswidrigkeit nicht beseitigt würde.

Dazu ist im Einzelnen Folgendes auszuführen:

[…] Zum Hauptantrag, in §15 Abs1 TMSG, LGBl Nr 99/2010, die Wortfolge 'sein gesamtes Einkommen und' und §15 Abs2 TMSG, LGBl Nr 99/2010 idF LGBl Nr 18/2018, als verfassungswidrig aufzuheben:

[…]

[…] Nach Ansicht der Tiroler Landesregierung erweist sich dieser Antrag bereits deshalb als unzulässig, da die behauptete Verfassungswidrigkeit, in Gestalt von Grundsatzgesetzwidrigkeit, durch die beantragte Aufhebung gar nicht beseitigt würde, weil infolge dieser jedenfalls Grundsatzgesetzwidrigkeit vorläge (vgl zB VfSlg 18.891/2009, 19.933/2014). Auf diesen Umstand weist im Übrigen auch das Landesverwaltungsgericht Tirol in seinem Antrag selbst hin. Im Fall einer Aufhebung im Umfang des Hauptantrages wäre das Einkommen vom Hilfesuchenden vor der Gewährung von Mindestsicherung nicht mehr einzusetzen. Dies würde bereits dem im §3 Abs3 SH GG verankerten Subsidiaritätsprinzip widersprechen. Darüber hinaus wäre auch der behauptete Widerspruch zur Bezeichnungspflicht nach §7 Abs5 SH GG nicht beseitigt.

[…] Der Hauptantrag erweist sich auch aus dem Grund als unzulässig, als durch die beantragte Aufhebung der bezeichneten Bestimmungen der verbleibende Gesetzesteil einen völlig veränderten Inhalt bekommen würde, der dem Gesetzgeber nicht zusinnbar wäre. So würde jedenfalls ein Widerspruch zum tragenden Grundsatz der Subsidiarität der Mindestsicherung herbeigeführt werden. Ein derart evidenter Widerspruch zum Grundsatzgesetz kann dem Gesetzgeber aber keinesfalls zugedacht werden.

[…] Die beantragte Aufhebung erweist sich auch aus dem Grund iSd Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs (vgl zB VfSlg 15.935/2000, 16.279/2001) als unzulässig, als mit der Aufhebung der genannten Bestimmungen durch den Verfassungsgerichtshof ein legislativer Torso verbleiben würde, der zu Rechtsunsicherheit führt.

Entgegen dem Vorbringen des Landesverwaltungsgerichts Tirol hätte die Aufhebung der bezeichneten Bestimmungen nicht automatisch zur Folge, dass das Einkommen auf die 'eigenen Mittel' des Hilfesuchenden überhaupt nicht mehr anzurechnen wäre; vielmehr würde – in Zusammenschau mit weiteren Bestimmungen des TMSG, zB §1 Abs4, §2 Abs1 lita und 13, und §18 ua – unklar, was unter dem Einsatz 'der eigenen Mittel' des Betroffenen zu verstehen ist. Auch mit Blick auf das bundesgesetzliche Grundsatzgesetz, das davon ausgeht, dass das eigene Einkommen bei der Bemessung der Mindestsicherung zu berücksichtigen ist (vgl insb. die §§7 und 9 SH GG), würde die Aufhebung der bezeichneten Bestimmungen eine bedeutende Rechtsunklarheit hinterlassen.

[…] Vor diesem Verständnis würde die Aufhebung der genannten Bestimmungen schließlich dazu führen, dass der Hilfesuche schlechter gestellt würde, als es nach der geltenden Rechtslage der Fall wäre. Eine Aufhebung im beantragten Ausmaß hätte nämlich zur Folge, dass die in dieser Bestimmung bezeichneten Leistungen wohl in die Berechnung der eigenen Mittel – eben grundsatzgesetzwidrig – nicht außer Ansatz zu lassen wären.

[…] Zum ersten Eventualantrag, §1 Abs4 TMSG, LGBl Nr 99/2010, §2 Abs1 lita TMSG, LGBl Nr 99/2010, §2 Abs13 TMSG, LGBl 99/2010 idF LGBl Nr 205/2021, §15 Abs1 TMSG, LGBl Nr 99/2010, §15 Abs2 TMSG, LGBl Nr 99/2010 idF LGBl Nr 18/2018, und §18 Abs1 TMSG, LGBl Nr 99/2010, als verfassungswidrig aufzuheben:

[…] Eingangs wird zum ersten Eventualantrag auf die Ausführungen zum Hauptantrag verwiesen und erweist sich der erste Eventualantrag ebenso bereits aus den unter […] dargelegten Argumenten als unzulässig. […]

[…] Die vom Landesverwaltungsgericht Tirol mit seinem ersten Eventualantrag verfolgte Intention, sämtliche Bestimmungen, die darauf abstellen, die eigenen Mittel des Hilfesuchenden (umfassend) zu berücksichtigen, zur Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof zu bringen, würde die behauptete Verfassungswidrigkeit auch nicht beseitigen. Vielmehr wäre auch bei Aufhebung dieser Bestimmungen mit Blick auf weitere Bestimmungen des TMSG (zB §15 Abs3, §18 Abs2 und 3) und insbesondere die grundsatzgesetzlichen Bestimmungen des SH GG völlig unklar, inwieweit das Einkommen und allfällige weitere dem Hilfesuchenden zugeflossene Geldmittel bei der Bemessung der Mindestsicherung zu berücksichtigen wären. Schließlich würde ein gänzlicher Entfall der Pflicht zur Berücksichtigung des Einkommens des Hilfesuchenden bei der Bemessung der Mindestsicherung auch eine Verfassungswidrigkeit des TMSG wegen Verstoßes gegen die grundlegenden grundsatzgesetzlichen Vorgaben des SH GG bewirken, die davon ausgehen, dass das Einkommen bei der Berechnung der 'eigenen Mittel' des Hilfesuchenden zu berücksichtigen ist (vgl zB §3 Abs3, §7 Abs1 und 7, §9 SH GG). Der erste Eventualantrag erweist sich aus Sicht der Tiroler Landesregierung damit auch aus diesem Grund als unzulässig.

[…] Zum zweiten Eventualantrag §1 Abs4 TMSG, LGBl Nr 99/2010, §2 Abs1 lita TMSG, LGBl Nr 99/2010, §2 Abs13 TMSG, LGBl Nr 99/2010 idF LGBl Nr 205/2021, §15 TMSG, LGBl Nr 99/2010 idF LGBl Nr 18/2018, §17 TMSG, LGBl Nr 99/2010, und §18 Abs1 und Abs3 TMSG, LGBl Nr 99/2010, sowie §18 Abs2 und Abs4 TMSG, LGBl Nr 99/2010 idF LGBl Nr 52/2017, als verfassungswidrig aufzuheben:

[…] Eingangs wird zum zweiten Eventualantrag auf die Ausführungen zum Hauptantrag verwiesen und erweist sich der zweite Eventualantrag bereits aus den unter […] dargelegten Argumenten als unzulässig. […]

[…] Der zweite Eventualantrag erweist sich auch aus dem Grund als unzulässig, als er iSd Judikatur des Verfassungsgerichtshofs zu weit gefasst wurde. Zwischen der angefochtenen Bestimmung des §15, LGBl Nr 99/2010 idF LGBl Nr 18/2018, und den weiteren im zweiten Eventualantrag bezeichneten Bestimmungen besteht vor dem Hintergrund der im Antrag dargelegten verfassungsrechtlichen Bedenken, kein untrennbarer Zusammenhang. Ob ein untrennbarer Zusammenhang vorliegt, ist nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofs nicht bloß abstrakt, sondern stets vor dem Hintergrund der im Antrag dargelegten verfassungsrechtlichen Bedenken zu entscheiden (vgl Rohregger/Pechhacker , Art140 B VG, in Korinek/Holoubek et al [Hrsg.], Österreichisches Bundesverfassungsrecht [2024] Rz. 249 mwN).

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt den Kern der Verfassungswidrigkeit in den Regelungen des §15 Abs1 und 2 TMSG, zumal diese die der Beschwerdeführerin zugeflossenen Hilfsmittel (Wohnkostenzuschuss, die Wohnschirm Energie Pauschale und den Klimabonus) nicht als Ausnahmetatbestände umfassen und diese Hilfsmittel nach dem TMSG daher bei der Bemessung des Einkommens der Beschwerdeführerin – grundsatzgesetzwidrig – zu berücksichtigen seien. […]

Vor dem Hintergrund der vom Landesverwaltungsgericht Tirol vorgebrachten Bedenken ob der Grundsatzgesetz- und damit Verfassungswidrigkeit der taxativen Aufzählung des §15 Abs2 TMSG kann ein unmittelbarer Zusammenhang des §15 TMSG mit den weiteren im zweiten Eventualantrag bezeichneten Bestimmungen des TMSG, die allgemein den Grundsatz der Subsidiarität normieren, nicht erkannt werden und erweist sich der Antrag bereits aus diesem Grund als unzulässig.

[…]

[…] In der Sache

[…]

Gemäß §7 Abs5a SH GG sind Leistungen, die der Bund zur Deckung krisenbedingter Sonder- und Mehrbedarfe gewährt, abweichend von §7 Abs5 SH GG nicht anzurechnen, soweit an ihrem gänzlichen Verbleib bei den Zuwendungsempfängerinnen und Zuwendungsempfängern ein übergeordnetes gesamtstaatliches Interesse besteht und die Leistung bundesgesetzlich ausdrücklich als nicht anrechenbar bezeichnet wird. Im Unterschied zu §7 Abs5 SH GG sieht §7 Abs5a SH GG keine Pflicht zur ausdrücklichen Bezeichnung der Leistungen im Einzelnen durch den Ausführungsgesetzgeber vor. Dem Ausführungsgesetzgeber steht es sohin innerhalb des genannten Gestaltungsspielraumes frei, derartige Leistungen des Bundes zur Deckung krisenbedingter Sonder- und Mehrbedarfe, die nicht auf Leistungen der Sozialhilfe anzurechnen sind, mittels einer allgemeinen Bestimmung festzulegen bzw deren Anrechnung als Einkommen ausdrücklich nur unter genereller Festlegung von bestimmten Tatbestandsmerkmalen auszunehmen. Eine derartige Umsetzung scheint nicht nur grundsatzgesetzkonform, sondern auch grundsätzlich für den Ausführungsgesetzgeber legistisch geboten, da andernfalls bei der Vielzahl an Maßnahmen, die der Bund gerade in Krisenzeiten der Covid 19 Pandemie und des Ukraine-Krieges sowie zur Bekämpfung der Teuerung zur Deckung dieser krisenbedingten Sonder- und Mehrbedarfe beschlossen hat, immer wieder eine Gesetzesänderung bzw eine legistische Ergänzung der taxativen Aufzählung notwendig wäre […].

[…] Zum behaupteten Widerspruch zur Grundsatzbestimmung des §7 KliBG und §7 Abs5 und 5a SH GG:

[…]

Seitens der Tiroler Landesregierung wird davon ausgegangen, dass es sich beim regionalen Klimabonus jedenfalls um eine Leistung nach §7 Abs5a SH GG handelt, da sie seitens des Bundes zur Deckung eines krisenbedingten Sonder- bzw Mehrbedarfes gewährt wird und an ihrem gänzlichen Verbleib bei den Zuwendungsempfängerinnen und Zuwendungsempfängern wohl ein übergeordnetes gesamtstaatliches Interesse besteht. Dass es sich dabei auch um eine Leistung nach §7 Abs5 SH GG handeln könnte, scheint wohl denkunmöglich. So werden in den Abs5 und 5a des §7 SH GG unterschiedliche Leistungen von der Anrechnung ausgenommen. Leistungen (öffentliche Mittel) nach §7 Abs5 SH GG dienen der Deckung eines Sonderbedarfs, der nicht durch Leistungen der Sozialhilfe im Sinn des SH GG berücksichtigt wird; dies gilt insbesondere für Leistungen die aufgrund von Behinderung oder eines Pflegebedarfs gewährt werden (vgl dazu auch die in […] zitierten Erläuternden Bemerkungen, die diese Leistungen näher konkretisieren). Dabei handelt es sich nach Auffassung der Tiroler Landesregierung um Leistungen, die im Hinblick auf einen konkreten Sonderbedarf des jeweiligen Leistungsempfängers, etwa aufgrund einer Behinderung, gewährt werden. Nun trifft dies auf den regionalen Klimabonus gerade nicht zu; dieser dient vielmehr der Deckung eines Sonder- bzw Mehrbedarfs, der sich aus der Bepreisung von Treibhausgasemissionen gemäß NEHG 2022 ergibt und unabhängig von einem individuellen Sonderbedarf gewährt wird.

Entgegen der vom Landesverwaltungsgericht Tirol vertretenen Auffassung ist daher vorliegend nicht §7 Abs5 SH GG vom Ausführungsgesetzgeber näher auszuführen, sondern ist §7 Abs5a leg. cit. einschlägig. Wie bereits […] ausgeführt wurde, sieht §7 Abs5a SH GG jedoch keine ausdrückliche Bezeichnungsplicht für einzelne Leistungen vor.

[…] Auch kann der seitens des Landesverwaltungsgerichtes Tirol monierte Widerspruch zu §7 KliBG und §7 Abs5a SH GG nicht erkannt werden, da Leistungen nach §7 Abs5a SH GG, sohin auch der gewährte regionale Klimabonus, weder bei der Berechnung, ob ein Anspruch auf Mindestsicherung besteht, noch bei der Bemessung der Mindestsicherung zu berücksichtigen sind. Dazu wird Folgendes ausgeführt:

Nach §1 Abs1 TMSG ist Ziel der Mindestsicherung die Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung. Mindestsicherung ist Personen in einer Notlage zu gewähren (§1 Abs2 leg. cit.). Nach §2 Abs1 TMSG befindet sich in einer Notlage, wer seinen Lebensunterhalt, seinen Wohnbedarf oder den bei Krankheit, Schwangerschaft und Entbindung sowie für ein einfaches Begräbnis auftretenden Bedarf (Grundbedürfnisse) nicht oder nicht in ausreichendem Ausmaß aus eigenen Kräften und Mitteln oder mit Hilfe Dritter decken kann (lita) oder außergewöhnliche Schwierigkeiten in seinen persönlichen, familiären oder sozialen Verhältnissen nicht oder nicht in ausreichendem Ausmaß selbst oder mit Hilfe Dritter bewältigen kann (litb). Aus diesen Bestimmungen ergibt sich, dass die Mindestsicherung den ausschließlichen Zweck hat, diese existentiellen Grundbedürfnisse der Menschen in einer Notlage iSd TMSG zu decken. Nach §1 Abs4 TMSG sind Leistungen der Mindestsicherung so weit zu gewähren, als der jeweilige Bedarf nicht durch den Einsatz eigener Mittel und Kräfte sowie durch Leistungen Dritter gedeckt werden kann. Dabei sind auch Hilfeleistungen, die nach anderen landesrechtlichen oder nach bundesrechtlichen oder ausländischen Vorschriften in Anspruch genommen werden können, zu berücksichtigen. Vor dem Hintergrund des genannten Zwecks der Leistungen nach dem TMSG, sind Hilfeleistungen nach anderen landesrechtlichen oder bundesrechtlichen Vorschriften grundsätzlich auch nur insoweit zu berücksichtigen, als sie der Deckung dieser existentiellen Grundbedürfnisse von Menschen in einer Notlage nach dem TMSG (Lebensunterhalt, Wohnen, Krankenversorgung) dienen. Leistungen nach §7 Abs5a SH GG sind entsprechend ihrem Zweck zur Deckung krisenbedingter Sonder- und Mehrbedarfe gerade nicht als solche Hilfeleistungen zu qualifizieren, die bei Gewährung von Mindestsicherung zu berücksichtigen bzw anzurechnen wären.

Im Sinn einer verfassungsrechtlich gebotenen teleologischen Auslegung des TMSG ergibt sich daher, dass Leistungen, die nicht der Deckung von existentiellen Grundbedürfnissen von Menschen iSd TMSG (Lebensunterhalt, Wohnen, Krankenversorgung) dienen (wie eben die Leistungen nach §7 Abs5a SH GG), bei der Beurteilung, ob ein Anspruch auf Mindestsicherung gegeben ist, von vorn herein nicht zu berücksichtigen sind. Wie bereits […] ausgeführt wurde, besteht für diese Leistungen im Sinn des §7a Abs5 SH GG keine explizite Bezeichnungspflicht des Ausführungsgesetzgebers; diese müssen daher auch nicht im Einzelnen angeführt werden.

[…] §17 Abs1 TMSG normiert, dass vor der Gewährung von Mindestsicherung der Hilfesuchende öffentlich-rechtliche oder privatrechtliche Ansprüche auf bedarfsdeckende oder bedarfsmindernde Leistungen gegen Dritte zu verfolgen hat, soweit dies nicht offensichtlich aussichtslos oder unzumutbar ist.

Nach §17 Abs1 TMSG hat der Hilfesuchende daher nur jene Ansprüche zu verfolgen, die der Bedarfsdeckung bzw der Bedarfsminderung von existenziellen Grundbedürfnissen (Lebensunterhalt, Wohnen, Krankenversorgung) dienen […]. Nun triff dies auf Leistungen nach §7 Abs5a SH GG, sohin auch auf den regionalen Klimabonus, gerade nicht zu, da diese Leistung des Bundes keine Grundbedürfnisse abdeckt. Vielmehr handelt es sich hierbei um eine Leistung, die bei der Bestimmung des Ausmaßes der Mindestsicherung nach §18 Abs3 TMSG nicht zu berücksichtigen ist.

Nach §18 Abs3 TMSG ist eine bedarfsdeckende oder bedarfsmindernde Leistung, auf die der Hilfesuchende keinen Anspruch nach §17 Abs1 leg. cit. hat, bei der Bestimmung des Ausmaßes der Mindestsicherung nur zu berücksichtigen, soweit sie

a) regelmäßig in einem Ausmaß erbracht wird, das wesentlich zur Deckung der Grundbedürfnisse des Hilfesuchenden beiträgt, oder

b) in einem Ausmaß erbracht wird, das wesentlich zur Bewältigung außergewöhnlicher Schwierigkeiten des Hilfesuchenden beiträgt.

Da der regionale Klimabonus weder Grundbedürfnisse abdeckt, noch hinreichend regelmäßig bzw nicht in einem solchen Ausmaß erbracht wird, das wesentlich zur Bewältigung außergewöhnlicher Schwierigkeiten des Hilfesuchenden beiträgt, kann diese Leistung – entgegen der seitens des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vertretenen Auffassung – bereits aufgrund des §18 Abs3 TMSG bei der Bemessung der Mindestsicherung nicht berücksichtigt bzw angerechnet werden.

[…] Das Tiroler Mindestsicherungsgesetz stellt somit sicher, dass der regionale Klimabonus als Leistung nach §7 Abs5a SH GG sowohl bei der Beurteilung, ob ein Anspruch auf Mindestsicherung besteht, als auch bei der konkreten Bemessung der Mindestsicherung nicht zu berücksichtigen ist, weshalb die vom Landesverwaltungsgericht behauptete Verfassungswidrigkeit nicht vorliegt."

4. Das Bundeskanzleramt Verfassungsdienst hat eine Äußerung erstattet, die sich den Bedenken des antragstellenden Gerichtes anschließt und insbesondere die Möglichkeit einer grundsatzgesetzkonformen Auslegung verneint. Denn §15 TMSG sei zuletzt durch LGBl 18/2018 geändert worden. Die in §7 Abs5a SH GG umschriebenen Krisen (COVID 19 Pandemie, Energiekrise sowie Teuerungskrise) und die daraus resultierenden Mehrbelastungen der Bevölkerung im Jahr 2018 seien zu diesem Zeitpunkt noch nicht abzusehen gewesen. Hinzu komme, dass die Materialien zur Stammfassung des §15 TMSG den taxativen Charakter der Aufzählung des Abs2 leg.cit. betonten.

5. Den übrigen Ämtern der Landesregierung sowie der Partei des Verfahrens vor dem antragstellenden Gericht wurde vom Verfassungsgerichtshof ebenfalls die Möglichkeit eingeräumt, eine Äußerung zu erstatten. Sie haben von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht.

IV. Erwägungen

1. Zur Zulässigkeit des Antrages

1.1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art139 Abs1 Z1 B VG bzw des Art140 Abs1 Z1 lita B VG nur dann wegen Fehlens der Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).

Ein von Amts wegen oder auf Antrag eines Gerichtes eingeleitetes Gesetzesprüfungsverfahren dient der Herstellung einer verfassungsrechtlich einwandfreien Rechtsgrundlage für das Anlassverfahren (vgl VfSlg 11.506/1987, 13.701/1994).

Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfenden Gesetzesbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren schon wiederholt dargelegt hat (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden.

Dieser Grundposition folgend hat der Verfassungsgerichtshof die Rechtsauffassung entwickelt, dass im Gesetzesprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl VfSlg 16.212/2001, 16.365/2001, 18.142/2007, 19.496/2011, 20.154/2017). Das antragstellende Gericht hat all jene Normen anzufechten, die für das anfechtende Gericht präjudiziell sind und vor dem Hintergrund der Bedenken für die Beurteilung der allfälligen Verfassungswidrigkeit der Rechtslage eine untrennbare Einheit bilden. Es ist dann Sache des Verfassungsgerichtshofes, darüber zu befinden, auf welche Weise eine solche Verfassungswidrigkeit – sollte der Verfassungsgerichtshof die Auffassung des antragstellenden Gerichtes teilen – beseitigt werden kann (VfSlg 16.756/2002, 19.496/2011, 19.684/2012, 19.903/2014; VfGH 10.3.2015, G201/2014).

Unzulässig ist der Antrag etwa dann, wenn der im Falle der Aufhebung im begehrten Umfang verbleibende Rest einer Gesetzesstelle als sprachlich unverständlicher Torso inhaltsleer und unanwendbar wäre (VfSlg 16.279/2001, 19.413/2011; VfGH 19.6.2015, G211/2014; 7.10.2015, G444/2015; VfSlg 20.082/2016), der Umfang der zur Aufhebung beantragten Bestimmungen so abgesteckt ist, dass die angenommene Verfassungswidrigkeit durch die Aufhebung gar nicht beseitigt würde (vgl zB VfSlg 18.891/2009, 19.933/2014), oder durch die Aufhebung bloßer Teile einer Gesetzesvorschrift dieser ein völlig veränderter, dem Gesetzgeber überhaupt nicht mehr zusinnbarer Inhalt gegeben würde (VfSlg 18.839/2009, 19.841/2014, 19.972/2015, 20.102/2016).

Unter dem Aspekt einer nicht trennbaren Einheit in Prüfung zu ziehender Vorschriften ergibt sich ferner, dass ein Prozesshindernis auch dann vorliegt, wenn es auf Grund der Bindung an den gestellten Antrag zu einer in der Weise isolierten Aufhebung einer Bestimmung käme, dass Schwierigkeiten bezüglich der Anwendbarkeit der im Rechtsbestand verbleibenden Vorschriften entstünden, und zwar in der Weise, dass der Wegfall der angefochtenen (Teile einer) Verordnungsbestimmung den verbleibenden Rest unverständlich oder auch unanwendbar werden ließe. Letzteres liegt dann vor, wenn nicht mehr mit Bestimmtheit beurteilt werden könnte, ob ein der verbliebenen Vorschrift zu unterstellender Fall vorliegt (VfSlg 16.869/2003 mwN).

1.2. Eine zu weite Fassung des Antrages macht diesen nicht in jedem Fall unzulässig. Zunächst ist ein Antrag nicht zu weit gefasst, soweit das Gericht solche Normen anficht, die denkmöglich eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bilden und damit präjudiziell sind; dabei darf aber nach §62 Abs1 VfGG nicht offen bleiben, welche Gesetzesvorschrift oder welcher Teil einer Vorschrift nach Auffassung des antragstellenden Gerichtes aus welchem Grund aufgehoben werden soll (siehe mwN VfGH 2.3.2015, G140/2014 ua; vgl auch VfGH 10.12.2015, G639/2015; 15.10.2016, G103 104/2016 ua). Ist ein solcher Antrag in der Sache begründet, hebt der Verfassungsgerichtshof aber nur einen Teil der angefochtenen Bestimmungen als verfassungswidrig auf, so führt dies — wenn die sonstigen Prozessvoraussetzungen vorliegen — im Übrigen zur teilweisen Abweisung des Antrages (VfSlg 19.746/2013; VfGH 5.3.2014, G79/2013 ua).

Umfasst der Antrag auch Bestimmungen, die für das antragstellende Gericht offenkundig keine Voraussetzung seiner Entscheidung im Anlassfall bilden und die somit nicht präjudiziell sind (insofern ist der Antrag zu weit gefasst), die mit den präjudiziellen (und nach Auffassung des antragstellenden Gerichtes den Sitz der Verfassungswidrigkeit bildenden) Bestimmungen aber vor dem Hintergrund der Bedenken in einem Regelungszusammenhang stehen, so ist zu differenzieren: Sind diese Bestimmungen von den den Sitz der verfassungsrechtlichen Bedenken des antragstellenden Gerichtes bildenden präjudiziellen Bestimmungen offensichtlich trennbar, so führt dies zur teilweisen Zurückweisung des Antrages. Umfasst der Antrag auch Bestimmungen, die mit den präjudiziellen, den Sitz der verfassungsrechtlichen Bedenken des antragstellenden Gerichtes bildenden Bestimmungen in einem so konkreten Regelungszusammenhang stehen, dass es nicht von vornherein auszuschließen ist, dass ihre Aufhebung im Fall des Zutreffens der Bedenken erforderlich sein könnte (sind diese Bestimmungen also nicht offensichtlich trennbar), so ist der Antrag insgesamt zulässig (VfSlg 20.111/2016). Dies gilt nach dem vorhin Gesagten aber keinesfalls dann, wenn Bestimmungen mitangefochten werden (etwa alle eines ganzen Gesetzes), gegen die gar keine konkreten Bedenken vorgebracht werden und zu denen auch kein konkreter Regelungszusammenhang dargelegt wird (VfSlg 19.894/2014; VfGH 29.9.2015, G324/2015; 15.10.2016, G183/2016 ua).

Der Verfassungsgerichtshof entscheidet daher – vor dem Hintergrund der Bedenken und der Erforderlichkeit, die den Sitz der Bedenken bildenden Bestimmungen (bei geringstmöglichem Eingriff in den Gehalt der Rechtsordnung) zu ermitteln – über die Frage, ob gegebenenfalls auch Bestimmungen aufzuheben sind, die nicht präjudiziell sind, aber mit präjudiziellen Bestimmungen in einem untrennbaren Zusammenhang stehen (vgl zB VfSlg 19.939/2014, 20.086/2016), nicht im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit des Antrages, sondern im Einzelnen erst dann, wenn der Verfassungsgerichtshof, erweist sich der Antrag als begründet, den Umfang der aufzuhebenden Bestimmungen abzugrenzen hat.

1.3. Der zweite Eventualantrag grenzt die angefochtenen Bestimmungen – anders als der Haupt- und der erste Eventualantrag – nicht zu eng ab:

1.3.1. Die Bedenken des Landesverwaltungsgerichtes Tirol richten sich im Kern dagegen, dass im TMSG entgegen den grundsatzgesetzlichen Vorgaben Leistungen gemäß §7 KliBG und §7 Abs5a SH GG für den Anspruch auf Tiroler Mindestsicherung zu berücksichtigen seien.

1.3.2. Dass Leistungen der Mindestsicherung nur so weit zu gewähren sind, als der jeweilige Bedarf nicht durch den Einsatz eigener Mittel und Kräfte sowie durch Leistungen Dritter gedeckt werden kann, ist Ausdruck des in §1 Abs4 erster Satz TMSG grundgelegten Subsidiaritätsprinzips (vgl EBRV 498/2010 BlgLT [Tir.] 15. GP, 14). Hiebei sind auch Hilfeleistungen nach anderen landesrechtlichen oder bundesrechtlichen Vorschriften zu berücksichtigen (§1 Abs4 zweiter Satz TMSG). Damit zusammenhängend bestimmt §2 Abs1 lita TMSG, dass sich in einer Notlage (nur) befindet, wer seine Grundbedürfnisse ua nicht mit eigenen Mitteln decken kann.

Der Subsidiaritätsgrundsatz kommt ferner bei den Anspruchsvoraussetzungen des 4. Abschnittes zum Tragen (vgl EBRV 498/2010 BlgLT [Tir.] 15. GP, 4, 24, 28): Nach §15 Abs1 TMSG hat der Hilfesuchende vor der Gewährung von Mindestsicherung ua sein gesamtes Einkommen einzusetzen; das Einkommen umfasst alle Einkünfte, die dem Hilfesuchenden zufließen (§2 Abs13 TMSG). Welche Leistungen bei der Berechnung der Höhe des Einkommens außer Ansatz zu lassen sind, bestimmt §15 Abs2 TMSG. Gemäß §17 Abs1 TMSG hat der Hilfesuchende vor der Gewährung von Mindestsicherung zudem ua öffentlich-rechtliche Ansprüche auf bedarfsdeckende oder bedarfsmindernde Leistungen gegen Dritte zu verfolgen. Damit im Einklang ist nach §18 Abs1 TMSG das Ausmaß der Mindestsicherung ua unter Berücksichtigung des Einsatzes der eigenen Mittel sowie der bedarfsdeckenden oder bedarfsmindernden Leistungen Dritter zu bestimmen. Inwieweit dies auch für freiwillige Leistungen gilt, bestimmt §18 Abs3 TMSG.

1.3.3. Vor dem Hintergrund der geltend gemachten Bedenken bilden die Bestimmungen des §1 Abs4, §2 Abs1 lita, §2 Abs13, §15, §17 und §18 TMSG – als Ausdruck und Ausprägung des Subsidiaritätsprinzips der Mindestsicherung – einen Regelungskomplex, der kumulativ anzufechten ist, um den Verfassungsgerichtshof im Falle des Zutreffens der Bedenken in die Lage zu versetzen, darüber zu befinden, auf welche Weise die Verfassungswidrigkeit beseitigt werden kann (vgl zB VfGH 1.3.2023, G146/2022 ua, mwN). Der Hauptantrag und der erste Eventualantrag sind insoweit zu eng gefasst und sind zurückzuweisen. Der Anfechtungsumfang des zweiten Eventualantrages ist hingegen zutreffend gefasst.

1.3.4. Auch verfängt der Einwand der Tiroler Landesregierung nicht, wonach eine Aufhebung im Umfang des zweiten Eventualantrages die Verfassungswidrigkeit vertiefen würde, weil das TMSG durch den Wegfall des Subsidiaritätsprinzips gegen §3 Abs3 SH GG verstieße. Dass mit der Aufhebung der angefochtenen Bestimmungen eine in jeder Hinsicht verfassungskonforme Rechtslage hergestellt werden kann, ist für die Zulässigkeit eines Antrages nicht entscheidend (vgl VfSlg 14.521/1996).

1.3.5. Somit erweist sich der zweite Eventualantrag, da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, insgesamt als zulässig. Damit erübrigt sich auch ein Eingehen auf den dritten Eventualantrag.

2. In der Sache

2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art140 B VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Fragen zu beschränken (vgl VfSlg 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.824/2003). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den im Antrag dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (VfSlg 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002, 16.929/2003).

2.2. Das Landesverwaltungsgericht Tirol begründet seinen Antrag im Wesentlichen wie folgt:

2.2.1. Gemäß §15 Abs1 iVm Abs2 TMSG hätten Hilfesuchende vor der Gewährung von Mindestsicherung grundsätzlich ihr gesamtes Einkommen und ihr Vermögen einzusetzen, wobei bei der Berechnung der Höhe des Einkommens nur die in §15 Abs2 lita bis g TMSG aufgelisteten Zuwendungen außer Ansatz zu lassen seien. Nicht erfasst von diesen Ausnahmen seien folgende (der Beschwerdeführerin im Anspruchszeitraum zugeflossenen) öffentlichen Zuschüsse: Ein Wohnkostenzuschuss, gewährt vom Land Tirol und finanziert aus einem Zweckzuschuss des Bundes nach dem Wohn- und Heizkostenzuschussgesetz, eine Unterstützungszahlung vom Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz zur Energiesicherung auf Grundlage des LWA G sowie ein Klimabonus gemäß KliBG.

2.2.2. Die Grundsatzbestimmung des §7 KliBG bzw §7 Abs5 und 5a SH GG, alleine bzw iVm §4 Abs1 LWA G und iVm §1 Abs3 litb und §4 Abs4 des Wohn-und Heizkostenzuschussgesetzes, würde die Anrechnung dieser Leistungen bei der Bemessung von Leistungen der Sozialhilfe untersagen. Da es der Landesgesetzgeber unterlassen habe, das TMSG als Ausführungsgesetz zum SH GG in Bezug auf diese grundsatzgesetzlichen Vorgaben (fristgerecht) anzupassen, sei es verfassungswidrig.

2.2.3. Eine grundsatzgesetzkonforme Auslegung sei nicht möglich: Eine Subsumtion der genannten Zuschüsse unter einen Ausnahmetatbestand des §15 Abs2 lita bis g TMSG scheitere am Wortlaut. Einer über den Wortlaut hinausgehenden, interpretativen Erweiterung der Ausnahmen stehe der allgemeine Grundsatz entgegen, wonach die Ausnahme von einem Grundsatz stets eng auszulegen sei. Zudem gehe auch der Gesetzgeber selbst von einer taxativen Aufzählung in §15 Abs2 TMSG aus (Verweis auf EBRV 498/2010 BlgLT [Tir.] 15. GP, 25).

2.3. Die Tiroler Landesregierung hält dem zusammengefasst entgegen, dass Leistungen nach §7 Abs5a SH GG und §7 KliBG entsprechend ihrem Zweck zur Deckung krisenbedingter Sonder- und Mehrbedarfe in grundsatzgesetzkonformer Auslegung nicht als solche Hilfeleistungen zu qualifizieren seien, die bei Gewährung von Mindestsicherung zu berücksichtigen bzw anzurechnen wären.

2.4. Das Bundeskanzleramt Verfassungsdienst schließt sich im Wesentlichen den Bedenken des Verwaltungsgerichtes an.

2.5. Die maßgeblichen grundsatzgesetzlichen Bestimmungen stellen sich wie folgt dar:

2.5.1. §3 Abs3 SH GG bestimmt, dass Leistungen der Sozialhilfe subsidiär sind. Sie sind nur insoweit zu gewähren, als der Bedarf nicht durch eigene Mittel des Bezugsberechtigten oder durch Leistungen Dritter abgedeckt werden kann. §7 Abs1 SH GG sieht die Anrechnung von Einkünften und Vermögen sowohl im In- als auch im Ausland vor; auch das Einkommen von im selben Haushalt lebenden unterhaltspflichtigen Personen oder von Lebensgefährten ist grundsätzlich auf den Sozialhilfebezug anzurechnen. Der Grundsatzgesetzgeber sieht §7 Abs1 SH GG als Ausdruck des Subsidiaritätsprinzips (vgl VfSlg 20.359/2019 mit Verweis auf Erläut zur RV 514 BlgNR 26. GP, 9).

2.5.2. Gemäß §7 Abs5 SH GG hat eine Anrechnung von öffentlichen Mitteln insoweit zu unterbleiben, als diese der Deckung eines Sonderbedarfs dienen, der nicht durch Leistungen der Sozialhilfe iSd SH GG berücksichtigt wird. Dies gilt insbesondere für Leistungen, die auf Grund von Behinderung oder eines Pflegebedarfs gewährt werden. Die Landesgesetzgebung hat diese Leistungen im Einzelnen zu bezeichnen.

2.5.3. Gemäß §7 Abs5a SH GG sind Leistungen, die der Bund zur Deckung krisenbedingter Sonder- und Mehrbedarfe gewährt, abweichend von Abs5 leg.cit. nicht anzurechnen, soweit an ihrem gänzlichen Verbleib bei den Zuwendungsempfängerinnen und Zuwendungsempfängern ein übergeordnetes gesamtstaatliches Interesse besteht und die Leistung bundesgesetzlich ausdrücklich als nicht anrechenbar bezeichnet wird.

2.5.4. Der Grundsatzbestimmung des §7 KliBG zufolge gilt der regionale Klimabonus als nicht anrechenbare Leistung gemäß §7 Abs5 und 5a SH GG. Ausführungsbestimmungen zu §7 KliBG waren gemäß §10 Abs1 KliBG bis zum 31. August 2022 zu erlassen und in Kraft zu setzen.

2.6. Die maßgeblichen Bestimmungen des TMSG stellen sich wie folgt dar:

2.6.1. Mindestsicherung ist gemäß §1 Abs2 lita und b TMSG grundsätzlich nur Personen zu gewähren, die sich in einer Notlage befinden oder denen eine Notlage droht; weiters jenen, die eine Notlage überwunden haben, wenn dies erforderlich ist, um die Wirksamkeit der bereits gewährten Leistungen der Mindestsicherung bestmöglich zu sichern (litc leg.cit.).

2.6.2. In einer Notlage befindet sich, wer die in §2 Abs1 lita TMSG genannten Grundbedürfnisse (etwa den Lebensunterhalt und den Wohnbedarf) nicht oder nicht in ausreichendem Ausmaß aus eigenen Kräften und Mitteln oder mit Hilfe Dritter decken kann; ferner, wer außergewöhnliche Schwierigkeiten in seinen persönlichen, familiären oder sozialen Verhältnissen nicht oder nicht in ausreichendem Ausmaß selbst oder mit Hilfe Dritter bewältigen kann (litb leg.cit.).

2.6.3. Leistungen der Mindestsicherung sind gemäß §1 Abs4 TMSG so weit zu gewähren, als der jeweilige Bedarf nicht durch den Einsatz eigener Mittel und Kräfte sowie durch Leistungen Dritter gedeckt werden kann. Dabei sind auch Hilfeleistungen zu berücksichtigen, die nach anderen landesrechtlichen oder nach bundesrechtlichen oder ausländischen Vorschriften in Anspruch genommen werden können.

2.6.4. Gemäß §15 Abs1 TMSG hat der Hilfesuchende vor der Gewährung von Mindestsicherung seine eigenen Mittel, zu denen sein gesamtes Einkommen und sein Vermögen gehören, einzusetzen. Das Einkommen umfasst alle Einkünfte, die dem Hilfesuchenden zufließen (§2 Abs13 TMSG). Bei der Berechnung der Höhe des Einkommens sind die in §15 Abs2 lita bis g TMSG genannten Leistungen außer Ansatz zu lassen.

2.6.5. §17 Abs1 TMSG bestimmt, dass der Hilfesuchende öffentlich-rechtliche oder privatrechtliche Ansprüche auf bedarfsdeckende oder bedarfsmindernde Leistungen gegen Dritte zu verfolgen hat, soweit dies nicht offensichtlich aussichtslos oder unzumutbar ist.

2.6.6. Das Ausmaß der Leistungen der Mindestsicherung ist ua unter Berücksichtigung des Einsatzes der eigenen Mittel (§15 TMSG) und der bedarfsdeckenden oder bedarfsmindernden Leistungen Dritter (§17 TMSG) zu bestimmen (§18 Abs1 TMSG).

2.7. Der Antrag des Verwaltungsgerichtes ist – soweit er zulässig ist – auch begründet:

2.7.1. Ein Ausführungsgesetz darf dem Grundsatzgesetz nicht widersprechen (vgl zB VfSlg 2087/1951, 2820/1955, 4919/1965), es also auch nicht in seiner rechtlichen Wirkung verändern (VfSlg 3744/1960, 12.280/1990) oder einschränken (vgl VfGH 15.3.2023, G270/2022 ua). Denn die durch das Bundesgrundsatzgesetz aufgestellten Grundsätze sind für die Landesgesetzgebung unbedingt und in vollem Ausmaß verbindlich (VfGH 12.3.2024, G122/2023 ua, mwN).

2.7.2. Dem System der Sozialhilfe liegt das Subsidiaritätsprinzip zugrunde (vgl §3 Abs3 und §7 SH GG), welches – wie oben bei den Erwägungen zur Zulässigkeit des Antrages dargestellt – auch im TMSG umfassend verankert ist (s grundlegend etwa §1 Abs4, §2 Abs1 lita TMSG). Die Mindestsicherung ist daher grundsätzlich nachrangig gegenüber allen anderen Leistungen aller Art (vgl den weiten Einkommensbegriff des §2 Abs13 TMSG sowie etwa §1 Abs4 zweiter Satz, §§17 und 18 TMSG).

In diesem Sinne haben Hilfesuchende vor der Gewährung von Mindestsicherung ihr gesamtes Einkommen einzusetzen (§15 Abs1 TMSG). Welche Leistungen – in Abweichung von diesem Grundsatz – bei der Berechnung der Höhe des Einkommens außer Ansatz zu lassen sind, bestimmt der Ausnahmekatalog des §15 Abs2 lita bis g TMSG abschließend (zur Taxativität s. EBRV 498/2010 BlgLT [Tir.] 15. GP, 25).

2.7.3. Von den darin genannten Ausnahmen nicht erfasst sind jedoch insbesondere der Klimabonus iSd §7 KliBG, Leistungen iSd §4 Abs4 Wohn- und Heizkostenzuschussgesetz sowie Zuwendungen iSd §4 Abs1 LWA G. Es ist daher nicht sichergestellt, dass Leistungen iSd §7 Abs5a SH GG, die bundesgesetzlich ausdrücklich als nicht anrechenbar bezeichnet werden (vgl §7 KliBG, §4 Abs4 Wohn- und Heizkostenzuschussgesetz und §4 Abs1 LWA G), bei der Berechnung der Höhe des Einkommens gemäß §15 Abs2 TMSG außer Ansatz zu lassen sind.

Eine grundsatzgesetzkonforme Auslegung des §15 Abs2 TMSG scheitert entgegen der Auffassung der Tiroler Landesregierung am insoweit eindeutigen Wortlaut sowie im Hinblick auf das auch in anderen Bestimmungen verankerte Subsidiaritätsprinzip (vgl etwa §1 Abs4 zweiter Satz TMSG zur Berücksichtigung von ua Hilfeleistungen nach bundesrechtlichen Vorschriften).

Anders als vom Verwaltungsgericht angenommen, müssen die von einer Anrechnung ausgenommenen Leistungen allerdings nicht ausdrücklich im Ausführungsgesetz bezeichnet werden. Weder §7 Abs5a SH GG noch §7 KliBG enthalten diesbezüglich eine "Bezeichnungspflicht". Dem Ausführungsgesetzgeber steht es frei, auf welche Weise er diese Grundsatzbestimmungen umsetzt, solange sichergestellt ist, dass die betreffenden Leistungen nicht anzurechnen sind.

2.7.4. Im vorliegenden Fall hat der Ausführungsgesetzgeber die fristgerechte Anpassung des Landesgesetzes versäumt. Diese Unterlassung bewirkt die Verfassungswidrigkeit jener Bestimmungen dieses Gesetzes, die in Widerspruch zum Grundsatzgesetz stehen (vgl VfSlg 10.176/1984, 12.280/1990).

2.7.5. Der Verfassungsgerichtshof hat den Umfang der aufzuhebenden Bestimmungen derart abzugrenzen, dass einerseits nicht mehr aus dem Rechtsbestand ausgeschieden wird, als Voraussetzung für den Anlassfall ist, dass aber andererseits der verbleibende Teil keine Veränderung seiner Bedeutung erfährt; da beide Ziele gleichzeitig niemals vollständig erreicht werden können, ist in jedem Einzelfall abzuwägen, ob und inwieweit diesem oder jenem Ziel der Vorrang vor dem anderen gebührt (VfSlg 7376/1974, 16.929/2003, 16.989/2003, 17.057/2003, 18.227/2007, 19.166/2010, 19.698/2012).

Im Sinne eines geringstmöglichen Eingriffes in den Gehalt des TMSG ist es im vorliegenden Fall ausreichend, die Wortfolge "oder nach bundesrechtlichen" in §1 Abs4 zweiter Satz, die Wortfolge "sein gesamtes Einkommen und" in §15 Abs1 sowie §15 Abs2 und §17 TMSG zur Gänze aufzuheben.

Nach der hienach bereinigten Rechtslage fallen nämlich Leistungen iSd §7 Abs5a SH GG und §7 KliBG – im Lichte einer systematischen Auslegung – weder unter den Begriff der "eigenen Mittel" (vgl §1 Abs4 erster Satz, §2 Abs1 lita, §18 Abs1 TMSG) noch unter jenen der zu berücksichtigenden "Hilfeleistungen" nach §1 Abs4 zweiter Satz TMSG noch unter den Begriff der "bedarfsdeckenden oder bedarfsmindernden Leistungen Dritter" in §18 TMSG, und damit schließlich weder unter die in §1 Abs4 erster Satz TMSG genannten "Leistungen Dritter" noch unter die in §2 Abs1 lita TMSG genannte "Hilfe Dritter".

V. Ergebnis

1. Die Wortfolge "oder nach bundesrechtlichen" in §1 Abs4 zweiter Satz TMSG, die Wortfolge "sein gesamtes Einkommen und" in §15 Abs1 TMSG sowie §15 Abs2 und §17 TMSG zur Gänze sind daher wegen Verstoßes gegen §7 Abs5a SH GG und §7 KliBG als grundsatzgesetz- und somit verfassungswidrig aufzuheben.

Im Übrigen ist der zweite Eventualantrag abzuweisen. Der Haupt- und der erste Eventualantrag sind zurückzuweisen.

2. Die Bestimmung einer Frist für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Gesetzesstelle gründet sich auf Art140 Abs5 dritter und vierter Satz B VG.

3. Der Ausspruch, dass frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Kraft treten, beruht auf Art140 Abs6 erster Satz B VG.

4. Die Verpflichtung des Landeshauptmannes von Tirol zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung und der damit im Zusammenhang stehenden sonstigen Aussprüche erfließt aus Art140 Abs5 erster Satz B VG und §64 Abs2 VfGG iVm §2 Abs1 liti Tiroler Landes-Verlautbarungsgesetz 2021.

5. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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