JudikaturVfGH

E787/2024 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
12. März 2024

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch das angefochtene Erkenntnis, soweit damit die Beschwerde gegen die Erlassung eines auf die Dauer von zwei Jahren befristeten Einreiseverbotes abgewiesen wird, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz BGBl Nr 390/1973) verletzt worden.

Das Erkenntnis wird insoweit aufgehoben.

2. Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.

Insoweit wird die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

II. Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.856,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren

1. Der Beschwerdeführer, ein iranischer Staatsangehöriger, stellte am 11. August 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 9. Juni 2016 wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§223 Abs2, 224 StGB verurteilt. Überdies wurde der Beschwerdeführer mit rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichtes Villach vom 18. Mai 2019 wegen des Vergehens der Urkundenfälschung gemäß §223 Abs1 StGB verurteilt.

3. Mit Bescheid vom 2. September 2020 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §57 AsylG 2005 wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.), eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in den Iran zulässig sei (Spruchpunkt V.). Überdies wurde eine vierzehntägige Frist für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt VI.) und schließlich gemäß §53 Abs1 iVm Abs3 Z4 FPG ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).

4. Dagegen erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht, die mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom 4. Jänner 2024 abgewiesen wurde.

5. Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende, auf Art144 B VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten behauptet und die Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses beantragt wird.

6. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Gerichts- und Verwaltungsakten vorgelegt und von der Erstattung einer Gegenschrift abgesehen.

II. Erwägungen

Soweit sich die Beschwerde gegen die Erlassung eines auf die Dauer von zwei Jahren befristeten Einreiseverbotes richtet, ist sie begründet:

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s etwa VfSlg 13.836/1994, 14.650/1996, 16.080/2001 und 17.026/2003) enthält ArtI Abs1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsnorm enthält ein – auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes – Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist.

Diesem einem Fremden durch ArtI Abs1 leg cit gewährleisteten subjektiven Recht widerstreitet eine Entscheidung, wenn sie auf einem gegen diese Bestimmung verstoßenden Gesetz beruht (vgl zB VfSlg 16.214/2001), wenn das Verwaltungsgericht dem angewendeten einfachen Gesetz fälschlicherweise einen Inhalt unterstellt hat, der – hätte ihn das Gesetz – dieses als in Widerspruch zum Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, stehend erscheinen ließe (s etwa VfSlg 14.393/1995, 16.314/2001, 20.374/2020; VfGH 14.3.2023, E3480/2022), oder wenn es bei Erlassung der Entscheidung Willkür geübt hat (zB VfSlg 15.451/1999, 16.297/2001, 16.354/2001, 18.614/2008, 20.448/2021 und 20.478/2021).

Ein willkürliches Verhalten des Verwaltungsgerichtes, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001, 20.371/2020 und 20.405/2020).

1.1. Ein solcher Fehler ist dem Bundesverwaltungsgericht unterlaufen:

1.2. Das Bundesverwaltungsgericht unterlässt in seinem Erkenntnis nämlich jegliche Auseinandersetzung mit dem vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erlassenen Einreiseverbot; dieses findet lediglich Erwähnung in der Wiedergabe des Verfahrensganges. Dies widerspricht den rechtsstaatlichen Anforderungen an die Begründung gerichtlicher Entscheidungen (vgl VfGH 26.6.2020, E948/2020, 10.3.2021, E2122/2020).

1.3. Die angefochtene Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes ist somit hinsichtlich der Erlassung eines auf die Dauer von zwei Jahren befristeten Einreiseverbotes begründungslos ergangen. In diesem Umfang ist sie einer nachprüfenden Kontrolle durch den Verfassungsgerichtshof nicht zugänglich, folglich mit Willkür belastet und daher aufzuheben.

2. Im Übrigen, soweit sich die Beschwerde gegen die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung Asyls sowie des Status des subsidiär Schutzberechtigten, die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen, die Erlassung einer Rückkehrentscheidung, die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung in den Iran und die Festsetzung einer 14 tägigen Frist zur freiwilligen Ausreise richtet, wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt:

2.1. Die vorliegende Beschwerde rügt die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten. Nach den Beschwerdebehauptungen wären diese Rechtsverletzungen aber zum erheblichen Teil nur die Folge einer – allenfalls grob – unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen sind zur Beurteilung der aufgeworfenen Fragen insoweit nicht anzustellen.

III. Ergebnis

1. Der Beschwerdeführer ist durch das angefochtene Erkenntnis, soweit damit die Beschwerde gegen die Erlassung eines auf die Dauer von zwei Jahren befristeten Einreiseverbotes abgewiesen wird, in dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz BGBl Nr 390/1973) verletzt worden.

Das Erkenntnis ist daher in diesem Umfang aufzuheben.

2. Im Übrigen wird gemäß Art144 Abs2 B VG von der Behandlung der Beschwerde abgesehen und diese insoweit dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art144 Abs3 B VG zur Entscheidung abgetreten (zum System der Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof durch den Verfassungsgerichtshof nach Inkrafttreten der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 vgl VfSlg 19.867/2014).

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 bzw §19 Abs3 Z1 iVm §31 letzter Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 436,– enthalten.

5. Damit erübrigt sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

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