JudikaturVfGH

E3129/2022 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
06. Dezember 2023

Spruch

I. Der Beschwerdeführer ist durch das angefochtene Erkenntnis wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt worden.

Das Erkenntnis wird aufgehoben.

II. Der Bund (Bundesminister für Finanzen) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seiner Rechtsvertreterin die mit € 2.856,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren

1. Der Beschwerdeführer ist laut dem Register der wirtschaftlichen Eigentümer von Gesellschaften, anderen juristischen Personen und Trusts (in der Folge: Wirtschaftliche Eigentümer Register) – direkter oder indirekter – wirtschaftlicher Eigentümer einer international tätigen Unternehmensgruppe mit (Haupt )Sitz in Wien. Die Unternehmensgruppe vertreibt Produkte der passiven Sicherheit für die Automobilindustrie und hat Standorte in verschiedenen Staaten. Darüber hinaus ist der Beschwerdeführer als Interessenvertreter der Industrie tätig.

1.1. Mit Eingabe vom 12. August 2021 beantragte der Beschwerdeführer bei der Registerbehörde eine Einschränkung der Einsicht in das Wirtschaftliche Eigentü-mer Register auf Grund überwiegender schutzwürdiger Interessen im Sinne des §10a Wirtschaftliche Eigentümer Registergesetz (WiEReG).

1.2. Mit Bescheid vom 3. August 2022 wies der Bundesminister für Finanzen diesen Antrag ab. Begründend führte der Bundesminister für Finanzen zusammengefasst aus, die Stellung des Beschwerdeführers als wirtschaftlicher Eigentümer ergebe sich auch aus anderen öffentlichen Registern, konkret dem Firmenbuch. Der Antrag sei daher abzuweisen.

1.3. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer rechtzeitig Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht, in der er zusammengefasst vorbrachte, es bestünden überwiegende schutzwürdige Interessen an einer Einschränkung der Einsicht. Dies sei insbesondere deshalb der Fall, weil sein Unternehmen Standorte betreibe, an denen kriminelle und terroristische Vereinigungen tätig seien. Auch in Österreich hätten bereits Entführungen von Industriellen oder deren Familienangehörigen stattgefunden. Der Beschwerdeführer sei auf Grund seiner Funktion als Präsident einer Interessenvereinigung sowie der Beratungstätigkeit seiner Ehefrau für politische Entscheidungsträger besonders gefährdet, Opfer einer solchen Straftat zu werden. Die Daten, um die es dem Beschwerdeführer gehe, ergäben sich ausschließlich aus der Urkundensammlung (des Firmenbuches) und daher nicht aus (anderen) öffentlichen Registern. Die Bestimmungen über die Eintragungen und Einsichtsrechte der Öffentlichkeit in das Wirtschaftliche Eigentümer Register verletzten die verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte des Beschwerdeführers und seien unionsrechtlich nicht geboten.

1.4. Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 5. Oktober 2022 wies das Bundes-verwaltungsgericht die Beschwerde als unbegründet ab.

Begründend führt das Bundesverwaltungsgericht zusammengefasst aus, der Beschwerdeführer sei auf Grund bestimmter Unternehmensbeteiligungen im Wirtschaftliche Eigentümer Register eingetragen. Sein Wohnsitz könne aus dem Register weder durch Behörden noch durch verpflichtete Unternehmen (§9 WiEReG) eingesehen werden, weil eine Auskunftssperre nach dem Meldegesetz bestehe. Nach §10a Abs2 letzter Satz WiEReG lägen schutzwürdige Interessen des wirtschaftlichen Eigentümers bereits dann nicht vor, wenn sich die fraglichen Daten auch aus anderen öffentlichen Registern ergäben. Dass damit auch das Firmen-buch gemeint sei, könne nicht ernsthaft bezweifelt werden. Gemäß §9 Abs1 UGB könne jedermann Einsicht in das Hauptbuch und die Urkundensammlung des Firmenbuches nehmen. Ein rechtliches oder öffentliches Interesse sei hiefür nicht erforderlich. Die Daten des Beschwerdeführers ergäben sich aus dem öffentlichen Register des Firmenbuches, weswegen der angefochtene Bescheid zu bestätigen sei. Soweit der Beschwerdeführer vorbringe, dass seine Position als Stifter einer Privatstiftung nicht aus dem Firmenbuch, sondern lediglich aus der Urkundensammlung ersichtlich sei, ändere sich dadurch nichts, weil der Beschwerdeführer bereits als Mitglied des Stiftungsvorstandes im Hauptbuch des Firmenbuches ein-getragen sei. Zudem bestehe kein Grund, die Urkundensammlung anders als das Firmenbuch zu behandeln.

1.5. Gegen diese Entscheidung brachte der Beschwerdeführer eine auf Art144 B VG gestützte Beschwerde ein, in der er die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten sowie in Rechten wegen Anwendung eines rechtswidrigen Gesetzes, nämlich der §§7, 8, 10 und 10a WiEReG, behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses beantragt.

2. Aus Anlass dieser Beschwerde leitete der Verfassungsgerichtshof gemäß Art140 Abs1 Z1 litb B VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §10 WiEReG idF BGBl I 62/2019 und des §10a WiEReG idF BGBl I 62/2018 ein.

II. Erwägungen

1. Die – zulässige – Beschwerde ist begründet.

2. Der Verfassungsgerichtshof stellte mit Erkenntnis vom 5. Dezember 2023, G265/2023, fest, dass §10 WiEReG idF BGBl I 62/2019 verfassungswidrig und §10a WiEReG idF BGBl I 62/2018 nicht verfassungswidrig war.

3. Gemäß Art140 Abs7 B VG wirkt die Feststellung, dass ein Gesetz verfassungswidrig war, auf den Anlassfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlassfalles so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichtes zugrunde gelegten Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.

4. Das Bundesverwaltungsgericht hat eine verfassungswidrige Gesetzesbestimmung angewendet. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, dass ihre Anwendung für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers nachteilig war.

III. Ergebnis

1. Der Beschwerdeführer ist durch das angefochtene Erkenntnis wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt worden (zB VfSlg 10.404/1985).

2. Das Erkenntnis ist daher aufzuheben.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 436,– sowie eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in der Höhe von € 240,– enthalten.

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