JudikaturVfGH

V61/2023 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
28. November 2023

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

I. Antrag

Mit dem vorliegenden, auf Art139 Abs1 Z1 B VG gestützten Antrag begehrt das Landesverwaltungsgericht Tirol, der Verfassungsgerichtshof möge "die Zeichenfolge in Punkt III 1. der Verordnung GZ BMVIT 138.012/0013 II/ST5/2009 vom 17.04.2009 'von Kilometer 140,095 bis Kilometer 141.010' als gesetzwidrig aufheben und feststellen, dass die gesamte Verordnung in diesem Geltungszeitraum ab ihrer Kundmachung gesetzwidrig war".

II. Rechtslage

1. Die Verordnung der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie vom 17. April 2009, BMVIT 138.012/0013-II/ST5/2009, hat folgenden Wortlaut (Zitat ohne die Hervorhebungen im Original, die angefochtene Wort- und Zeichenfolge ist hervorgehoben):

"Auf Grund des §43 Abs1 StVO 1960, BGBl Nr 159/1960, in der zuletzt gültigen Fassung, wird verordnet:

Der Punkt III. der ho. Verordnung GZ BMVIT 138.012/0004-II/ST5/09 vom 17.2.2009 wird aufgrund einer falschen Kilometerangabe abgeändert und lautet wie folgt:

III. Dauernde Verkehrsbeschränkungen:

Aufgrund §43 Abs1 StVO 1960, BGBl Nr 159, zuletzt geändert durch BGBl I Nr 152/2006, werden auf der Richtungsfahrbahn Bregenz der A12 Inntal Autobahn folgende Verkehrsbeschränkungen, Verkehrsgebote und –verbote erlassen:

1. Von km 140,095 bis km 141,010 sowie von km 144,739 bis km 145,096 wird die erlaubte Höchstgeschwindigkeit auf 100 km/h beschränkt.

2.–3. […]

Alle anderen Bestimmungen der ho. Verordnung GZ BMVIT 138.012/0004-II/ST5/09 vom 17.2.2009 bleiben voll inhaltlich aufrecht.

Diese Verordnung ist gemäß §44 StVO 1960 durch die entsprechenden Straßenverkehrszeichen kundzumachen.

Für die Bundesministerin:

[…]"

2. Die Verordnung des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie vom 15. Dezember 2014, BMVIT 138.012/0029-IV/ST5/2014, hat folgenden Wortlaut (Zitat ohne die Hervorhebungen im Original):

"Auf Grund des §43 Abs1 StVO 1960, BGBl Nr 159/1960, in der zuletzt gültigen Fassung, wird verordnet:

Aus Gründen der Sicherheit und Flüssigkeit des Verkehrs wird auf beiden Richtungsfahrbahnen der A12 Inntal Autobahn im Bereich von km 136 bis km 141 (=Bereich Milser Tunnel, Galerie Fallender Bach und Galerie Senftenberg) Folgendes verordnet:

Richtungsfahrbahn Bregenz:

Von km 136,48 (47.210533 N / 10.685488 O) bis km 141,01 (47.187360 N / 10.640815 O) wird die erlaubte Höchstgeschwindigkeit auf 100 km/h beschränkt.

In diesem Bereich ist für Lastkraftfahrzeuge mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 3,5 t das Überholen von mehrspurigen Kraftfahrzeugen verboten.

Richtungsfahrbahn Innsbruck:

[…]

Das Gutachten des *** mit der Projektnummer: 10589 VG 2014 10 30 vom 30.10.2014 bildet einen integrierenden Bestandteil dieser Verordnung.

Aufhebung von Verordnungen:

Die ho. Verordnung, GZ 138.012/115-II/ST5/03 vom 15.10.2003 wird aufgehoben.

Der Punkt 1. der ho. Verordnung GZ 138.012/0013-II/ST5/2009 vom 17.4.2009 wird hinsichtlich des Kilometerbereiches abgeändert und lautet nunmehr wie folgt:

'1. Von km 144,739 bis km 145,096 wird die erlaubte Höchstgeschwindigkeit auf 100 km/h beschränkt.'

[…]

Diese Verordnung ist gemäß §44 StVO 1960 durch die entsprechenden Straßenverkehrszeichen kundzumachen.

Für den Bundesminister:

[…]"

3. Die Verordnung des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie vom 12. April 2019, BMVIT 138.012/0001-IV/ST2/2019, hat folgenden Wortlaut (Zitat ohne die Hervorhebungen im Original):

"Auf Grund des §43 Abs1 StVO 1960, BGBl Nr 159/1960, in der zuletzt gültigen Fassung, wird verordnet:

Nach erfolgten Sanierungsmaßnahmen wird aus Gründen der Sicherheit und Flüssigkeit des Verkehrs auf beiden Richtungsfahrbahnen der A12 Inntal Autobahn im Bereich von km 135 bis km 141 (=Bereich Milser Tunnel, Galerie Fallender Bach und Galerie Senftenberg) Folgendes verordnet:

Richtungsfahrbahn Bregenz:

Von km 135,06 bis km 141,01 wird die erlaubte Höchstgeschwindigkeit auf 100 km/h beschränkt. In diesem Bereich ist für Lastkraftfahrzeuge mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 3,5 t das Überholen von mehrspurigen Kraftfahrzeugen verboten.

Richtungsfahrbahn Innsbruck:

[…]

Das Gutachten des *** mit der Projektnummer: 10988 VG Milser Tunnel 2019 03 25 vom 26.3.2019 bildet einen integrierenden Bestandteil dieser Verordnung.

Die Verordnung, GZ BMVIT-138.012/0029-IV/ST5/2014 vom 15.12.2014 wird vollinhaltlich aufgehoben.

Diese Verordnung ist gemäß §44 StVO 1960 durch die entsprechenden Straßenverkehrszeichen kundzumachen.

Für den Bundesminister:

[…]"

III. Anlassverfahren, Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Dem Beschwerdeführer im Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol wurde mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Landeck vom 14. September 2022 zur Last gelegt, er habe am 21. April 2022, um 15.14 Uhr, in Schönwies, auf der A 12 Inntal Autobahn, bei Straßenkilometer 140,482 in Fahrtrichtung Westen, mit einem nach dem Kennzeichen näher bestimmten Personenkraftwagen die durch Straßenverkehrszeichen in diesem Bereich kundgemachte zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 12 km/h überschritten. In der dagegen erhobenen Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Tirol wird ua vorgebracht, dass die der Bestrafung des Beschwerdeführers zugrundeliegende Verordnung der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie vom 17. April 2009, BMVIT 138.012/0013-II/ST5/2009, zum Tatzeitpunkt nicht ordnungsgemäß kundgemacht gewesen sei.

2. Aus Anlass dieses Beschwerdeverfahrens stellt das Landesverwaltungsgericht Tirol den vorliegenden, auf Art139 Abs1 Z1 B VG gestützten Antrag, der Verfassungsgerichtshof möge "die Zeichenfolge in Punkt III 1. der Verordnung GZ BMVIT 138.012/0013 II/ST5/2009 vom 17.04.2009 'von Kilometer 140,095 bis Kilometer 141.010' als gesetzwidrig aufheben und feststellen, dass die gesamte Verordnung in diesem Geltungszeitraum ab ihrer Kundmachung gesetzwidrig war".

Zur Zulässigkeit des Antrages wird ausgeführt, dass gemäß der angefochtenen Wort- und Zeichenfolge für den Tatort eine höchstzulässige Geschwindigkeit von 100 km/h festgesetzt werde, sodass diese Bestimmung im Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol anzuwenden sei. In der Folge werden die Bedenken gegen die angefochtene Verordnungsbestimmung dargelegt.

3. Die verordnungserlassende Behörde hat Unterlagen betreffend die zur Prüfung gestellte Verordnungsbestimmung vorgelegt und eine Äußerung erstattet. Die verordnungserlassende Behörde beantragt, den vorliegenden Antrag zurückzuweisen, weil die angefochtene Verordnungsbestimmung zum Tatzeitpunkt bereits außer Kraft getreten und daher vom Landesverwaltungsgericht Tirol im Beschwerdeverfahren nicht anzuwenden sei.

IV. Erwägungen

Der Antrag ist nicht zulässig.

1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag im Sinn des Art139 Abs1 Z1 B VG bzw des Art140 Abs1 Z1 lita B VG nur dann wegen Fehlens der Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).

2. Das Landesverwaltungsgericht Tirol wendet sich gegen eine im Antrag näher bezeichnete Wort- und Zeichenfolge der Verordnung der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie vom 17. April 2009, BMVIT 138.012/0013 II/ST5/2009.

Dem Beschwerdeführer im Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol wird zur Last gelegt, er habe am 21. April 2022, um 15.14 Uhr, die am Tatort durch Straßenverkehrszeichen kundgemachte zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten. Wie sich aus den von der verordnungserlassenden Behörde vorgelegten Unterlagen ergibt, wurde die angefochtene Verordnungsbestimmung bereits mit Verordnung vom 15. Dezember 2014, BMVIT 138.012/0029-IV/ST5/2014, hinsichtlich ihres Kilometerbereiches abgeändert. Diese Verordnung wurde wiederum mit Verordnung vom 12. April 2019, BMVIT 138.012/0001-IV/ST2/2019, aufgehoben und es wurde eine – hinsichtlich des Kilometerbereiches leicht abgeänderte – neue Geschwindigkeitsbeschränkung erlassen. In Anbetracht dessen ist es ausgeschlossen, dass das Landesverwaltungsgericht Tirol die mit dem vorliegenden Antrag angefochtene Wort- und Zeichenfolge im Beschwerdeverfahren anzuwenden und seiner Entscheidung zugrunde zu legen hat (vgl VfGH 27.2.2023, V221/2022). Die angefochtene Wort- und Zeichenfolge ist daher für das Landesverwaltungsgericht Tirol nicht präjudiziell. Ihre Anfechtung erweist sich damit schon aus diesem Grund als unzulässig.

V. Ergebnis

1. Der Antrag ist als unzulässig zurückzuweisen.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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