JudikaturVfGH

E2926/2022 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
03. Oktober 2023

Spruch

I. Die Beschwerdeführerin ist durch das angefochtene Erkenntnis wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt worden.

Das Erkenntnis wird aufgehoben.

II. Das Land Niederösterreich ist schuldig, der Beschwerdeführerin zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 2.856,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Entscheidungsgründe

1. Die ursprünglich als Beschwerdeführerin auftretende *********** war in einer stationären Pflegeeinrichtung in Niederösterreich untergebracht und begehrte, vertreten durch ihre Tochter als Erwachsenenvertreterin, mit Antrag vom 27. Dezember 2021 die Übernahme der Pflegekosten durch das Land Niederösterreich bei der Bezirkshauptmannschaft Tulln.

Mit Bescheid vom 4. März 2022 wies die Bezirkshauptmannschaft Tulln ihren Antrag auf Übernahme der Pflegekosten ab. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich mit Erkenntnis vom 14. September 2022 als unbegründet ab.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende, auf Art144 B VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten sowie in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses beantragt wird.

2. Aus Anlass dieser Beschwerde leitete der Verfassungsgerichtshof gemäß Art140 Abs1 Z1 litb B VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §12 Abs2 und 3 des NÖ Sozialhilfegesetzes 2000 (NÖ SHG) ein. Mit Erkenntnis vom 3. Oktober 2023, G238/2023, hob er die Wortfolge "vor Aufnahme in eine stationäre Einrichtung" in §12 Abs2 sowie §12 Abs3 NÖ SHG als verfassungswidrig auf.

3. *********** ist am 6. Februar 2023 verstorben. Mit Beschluss des Bezirksgerichtes Klosterneuburg vom 15. Mai 2023 wurde der erblichen Tochter, **********, die Verlassenschaft eingeantwortet.

Der Tod der Beschwerdeführerin bewirkt nicht, dass das mit ihr geführte Verfahren einzustellen wäre; vielmehr ist das Verfahren gemäß §35 ZPO iVm §35 Abs1 VfGG mit der Rechtsnachfolgerin der Beschwerdeführerin fortzusetzen (vgl VfSlg 10.501/1985, 15.659/1999). Die Erbin der Beschwerdeführerin setzt hier ihre Rechtspersönlichkeit in Ansehung jener Rechte fort, deren Verletzung in der Beschwerde geltend gemacht worden ist, und in die das angefochtene Erkenntnis eingreift (s zB VfSlg 9602/1983, 9913/1984).

Das Verfahren ist daher nach dem Tod der *********** mit ihrer Tochter ********** fortzuführen, die in das Verfahren eingetreten und nunmehr als Beschwerdeführerin anzusehen ist.

4. Die Beschwerde ist begründet.

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat eine verfassungswidrige Gesetzesbestimmung angewendet. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, dass ihre Anwendung für die Rechtsstellung der Beschwerdeführerin nachteilig war.

Die Beschwerdeführerin wurde also durch das angefochtene Erkenntnis wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in ihren Rechten verletzt (zB VfSlg 10.404/1985).

Das Erkenntnis ist daher aufzuheben.

5. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 436,– sowie eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in der Höhe von € 240,– enthalten.

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