E4203/2021 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung
Spruch
I. Der Beschwerdeführer ist durch das angefochtene Erkenntnis im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz BGBl Nr 390/1973) verletzt worden.
Das Erkenntnis wird aufgehoben.
II. Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.616,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren
1. Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger, sunnitischer Moslem und gehört der Volksgruppe der Paschtunen an. Er reiste am 18. November 2015 in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13. April 2018 wurde der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §3 Abs1 iVm §2 Abs1 Z13 AsylG 2005 und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan gemäß §8 Abs1 iVm §2 Abs1 Z13 AsylG 2005 abgewiesen. Gemäß §57 AsylG 2005 wurde ihm ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. Gegen ihn wurde gemäß §10 Abs1 Z3 AsylG 2005 iVm §9 BFA VG eine Rückkehrentscheidung gemäß §52 Abs2 Z2 FPG erlassen und gemäß §52 Abs9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß §46 FPG nach Afghanistan zulässig sei. Die Frist für seine freiwillige Ausreise gemäß §55 Abs1 bis 3 FPG wurde mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt.
3. Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Mit mündlich verkündetem Erkenntnis vom 8. Jänner 2021 wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde als unbegründet ab.
3.1. Das gegenüber dem Beschwerdeführer mündlich verkündete Erkenntnis wird (ausweislich des Protokolls über die mündliche Verhandlung) wie folgt begründet:
"1.) Der Beschwerdeführer konnte nicht glaubwürdig vorbringen, dass er im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan im gesamten Staatsgebiet aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung verfolgt werden würde.
Diese Beurteilung stützt sich auch auf das nachvollziehbar begründete schriftliche Gutachten des in diesem Verfahren bestellten nichtamtlichen landeskundigen Sachverständigen für Afghanistan, das in der Verhandlung vom 27.06.2019 eingeführt bzw erstattet wurde. Seine Fach- und Landeskunde bezüglich der Situation in Afghanistan ist durch sein politikwissenschaftliches Studium und seine Lehrtätigkeit an der Universität Wien, seinen Publikationen, seiner Beteiligung an UN Aktivitäten zur Befriedung Afghanistans in den 1990er Jahren sowie seiner Beiziehung als landeskundiger Sachverständiger betreffend Afghanistan in einer Vielzahl von Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht sowie schon zuvor beim Asylgerichtshof bzw beim unabhängigen Bundesasylsenat ausgewiesen. Seine Einschätzungen stehen auch im Einklang mit den dem BVwG vorliegenden und in das Verfahren eingeführten seriösen und allgemein anerkannten Informationsunterlagen über die politischen, gesellschaftlichen und menschenrechtlichen Verhältnisse in Afghanistan.
Die im erwähnten Gutachten dargelegten Ermittlungen im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers kamen zum Ergebnis, dass zwar der Cousin väterlicherseits des Beschwerdeführers tatsächlich ein Kommandant der Regierungsarmee gewesen sei, aber – entgegen den Angaben des Beschwerdeführers – nicht von Mudjaheddin, sondern in Kämpfen mit den Taliban getötet worden sei.
Ferner sprach gegen eine Verfolgungsgefahr für den Beschwerdeführer vor allem aus Gründen der Blutrache, die nicht nur von den Taliban, sondern auch von Personen ausgehen kann, die durch Familienmitglieder des Beschwerdeführers auch im Zusammenhang mit ihrer Rolle im kommunistischem Regime geschädigt worden sind, dass Familienangehörige des Beschwerdeführers, nämlich neben seiner Mutter, seiner Gattin und seiner mittlerweile dreizehnjährigen Tochter auch sein Cousin väterlicherseits (Lehrer von Beruf), sein Onkel mütterlicherseits und (folgt man dem Vorbringen des Beschwerdeführers – was aber nicht der Fall ist, s. dazu weiter unten) zumindest bis vor sechs Monaten auch drei volljährige Brüder seiner Gattin (von Beruf Polizist und Ingenieur sowie angehender Student) noch weiterhin offensichtlich unbehelligt in Afghanistan, insbesondere in dessen Heimatregion, leben bzw gelebt haben. Der Beschwerdeführer bestätigte auch die Angabe im angeführten Gutachten, dass er tatsächlich nie für die Regierung spioniert habe und er und seine Familie auch keine Feindschaften mit den Taliban aufweisen würden.
Aufgrund der dem erkennenden Gericht vorliegenden Informationen ergibt sich, dass eine innerstaatliche Fluchtalternative vor der Gefahr eines Vergeltungsschlages aus Gründen der Blutrache gegen einen Täter oder (wenn dieser nicht habhaft gemacht werden kann, subsidiär) dessen Familienangehörigen, die aufgrund einer Tötung, schwerwiegenden Körperverletzung oder eine Ehrverletzung drohen würde, grundsätzlich nicht gegeben ist. Diese Gefahr kann letztlich über Generationen hinweg bestehen, wenn der Vergeltungsakt nicht – wie regelmäßig – insbesondere aus Gründen der Herstellung der familiären Ehre zeitnah erfolgen konnte, aber nur aus dem Grund, weil sich die faktische Gelegenheit hierzu bislang nicht ergeben hat.
Diese Einschätzung korrespondiert auch mit der Beurteilung anderer in diesen Verfahren eingeführten seriösen und allgemein anerkannten Quellen bezüglich der Maßgeblichkeit einer Verfolgungsgefahr durch die Taliban, die sich als Paschtunen im Besonderen den Konventionen der Blutfehde verpflichtet sehen. In den von den staatlichen afghanischen Behörden kontrollierten Gebieten, insbesondere in Kabul und in auch anderen Großstädten in Afghanistan wie Herat oder Mazar e Sharif sehen die Taliban, sofern kein Fall einer Blutfehde vorliegt, bei Abwägung des Risikos regelmäßig davon ab, ihre Gegner dort zu verfolgen, da sie die sie treffende Gefahr als zu hoch ansehen. Dagegen in den von den Taliban kontrollierten Gebieten gehen diese regelmäßig zeitnah ohne weiteres Zuwarten gegen von ihnen als Gegner wahrgenommene Personen vor.
Auch mit seinem erstmals in der heutigen Verhandlung vorgebrachten neuen Vorfällen betreffend seine Schwäger sowie, dass er und seine Familie wegen ihrer liberalen, frauenemanzipatorischen Einstellungen in Afghanistan verfolgt werden würden, konnte der Beschwerdeführer nicht überzeugen. So unterließ er, obwohl die vom ihm behaupteten Todesfälle hinsichtlich seiner Schwäger schon vor sechs Monaten sich ereignet hätten, den Kontakt zu seiner Rechtsvertretung unverzüglich zu suchen, obwohl diese neuen Umstände, wenn wahr, von beachtlicher Relevanz für eine von ihm befürchtete Verfolgungsgefahr für sich und seine Familie gewesen wären. Örtliche Kontaktierungsprobleme für den in Wien wohnhaften Beschwerdeführer zur ebenfalls in Wien mit ihrem Hauptsitz ansässigen Rechtsvertretung können jedenfalls nicht als etwaige nachvollziehbare Erklärung für sein fehlendes diesbezügliches Engagement gesehen werden. Auch die in der heutigen Verhandlung anwesende Rechtsvertretung erfuhr erstmals in der Verhandlung von diesem neuen Vorbringen. Daher kann zu Recht, auch in Bezug auf die von ihm behaupteten liberalen, frauenemanzipatorischen Einstellungen von ihm und seiner Familie, von einer unglaubwürdigen Schutzbehauptung ausgegangen werden (vgl allgemein zu den – hier beim Beschwerdeführer nicht vorliegenden – Grundanforderungen, dass eine Flüchtlingseigenschaft glaubwürdig bzw darüber hinaus glaubhaft ist: Materialien zum Asylgesetz 1991, RV 270 BlgNR 18. GP, zu §3; zur mangelnden Glaubwürdigkeit von gesteigertem Vorbringen s. ua VwGH 11.11.1998, 98/01/0261, mwN).
Dem Vorbringen des Beschwerdeführers zu einer Verfolgungsgefahr im Falle eine Rückkehr nach Afghanistan konnte daher vor dem Hintergrund der in das Verfahren eingeführten Informationen zu Afghanistan, im Besonderen zur Blutrache, im Ergebnis nicht gefolgt werden.
Jedenfalls steht dem Beschwerdeführer eine innerstaatliche Fluchtalternative in den afghanischen Großstädten wie Herat oder Mazar e Sharif offen, die der Beschwerdeführer im Falle einer Rückführung nach Afghanistan in gefahrloser und in zumutbarer Weise erreichen könnte.
Auch sonstige asylwürdige Gründe sind nicht hervorgekommen.
Diese Beurteilung ergibt sich aufgrund der dem BVwG vorliegenden und in das Verfahren eingeführten seriösen und allgemein anerkannten Informationsunterlagen über die politischen, gesellschaftlichen und menschenrechtlichen Verhältnisse in Afghanistan.
Im Übrigen wird auf die Ausführungen im bekämpften erstinstanzlichen Bescheid verwiesen.
2.) Da der Beschwerdeführer ein volljähriger, somit im erwerbsfähigen Alter stehender gesunder Mensch ist (seine in der heutigen Verhandlung erst nachträglich nach entsprechendem Vorhalt des erkennenden Gerichts angeführten psychischen Probleme können aus den oben genannten Gründen ebenfalls als bloße Schutzbehauptung beurteilt werden, doch selbst bei Wahrunterstellung weisen sie keine rechtsrelevante Intensität auf) und im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan auch auf nationale und internationale Rückkehrhilfe sowie zudem auf die Unterstützung seiner in Afghanistan lebenden Familie zurückgreifen kann, stehen nach den dem BVwG vorliegenden und in das Verfahren eingeführten seriösen und allgemein anerkannten Informationsunterlagen über Afghanistan auch keine im Lichte der Art2 und 3 EMRK relevante Umstände entgegen, dass er sich in eine afghanischen Großstadt wie Herat oder Mazar e Sharif begeben und dort in zumutbarer Weise leben kann.
Aufgrund der dem BVwG vorliegenden und in das Verfahren eingeführten seriösen und allgemein anerkannten Informationsunterlagen über die Situation von Rückkehrern unterscheidet sich die Lage des Beschwerdeführers im Falle seiner Rückführung nach Afghanistan nicht entscheidungswesentlich von derjenigen eines gesunden, mit beruflichen Erfahrungen und/oder für eine Erwerbsarbeit dienlichen Kenntnissen (schulische Bildung etc.) versehenen Landsmannes, der sein ganzes Leben in Afghanistan verbracht hat und dort sozialisiert wurde (s.a. VwGH 23.01.2018, Ra 2018/18/0001; 30.01.2018, Ra 2018/18/0001) – dies auch vor dem Hintergrund der verschlechterten Wirtschaftslage und der damit geminderten Erwerbsmöglichkeiten aufgrund der Covid 19-Pandemie. Der Beschwerdeführer zählt daher nicht zum Kreis der besonders schutzbedürften afghanischen Asylsuchenden nach den einschlägigen Richtlinien des UNHCR (s VwGH 17.12.2019, Ra 2019/18/0405, demzufolge nach den EASO-Richtlinien vom Juni 2019 bei der Prüfung der Zumutbarkeit der persönliche Hintergrund der betroffenen Person, insbesondere deren Selbständigkeit, die vorhandene Ausbildung und allfällige Berufserfahrungen, sowie auch ein unterstützendes [familiäres] Netzwerk, ins Kalkül gezogen werden müsse. Die Beurteilung der Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative nach den Richtlinien des UNHCR zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30. August 2018 müsse stets unter Berücksichtigung der persönlichen Umstände des Antragstellenden erfolgen).
Deshalb wird der Beschwerdeführer nicht mit einer Situation unter exzeptionellen Umständen konfrontiert sein, bei der er keine Lebensgrundlage vorfinden würde, weil die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz nicht gedeckt werden können (vgl VwGH 21.02.2017, Ro 2016/18/0005, mwN).
3.) Auch weitere Anhaltspunkte in Bezug auf den Schutz des Familien- und Privatlebens gemäß Art8 EMRK, die gegen seine Ausweisung aus Österreich sprechen würden, sind nicht hervorgekommen. Weder verfügt der Beschwerdeführer über hinreichende familiäre Beziehungen zu in Österreich aufenthaltsberechtigten Personen (sein Kontakt zum in Österreich lebenden Enkelkind in Österreich entspricht nicht der geforderten Intensität für ein Familienleben iSd Art8 EMRK) noch ist seine Integration in Österreich, in dessen Bundesgebiet er unter Umgehung der Grenzkontrollen und somit illegal einreiste, derart fortgeschritten, dass in seinem Fall sein Interesse an einem Weiterverbleib in Österreich die entgegenstehenden öffentlichen Interessen überwiegen würden. Obwohl der Beschwerdeführer sich etwas mehr als fünf Jahre in Österreich aufhält, weist er keine beachtlichen freundschaftlichen Beziehungen zu Österreichern auf, hat nur mangelhafte Deutschkenntnisse (in der Verhandlung hatte er große Probleme, den in Deutsch sprechenden Richter zu verstehen) sowie keine schulischen oder sonstigen berufsqualifizierenden Ausbildungen in Österreich und nahm auch sonst nicht in nennenswerter Weise am gesellschaftlichen Leben in Österreich (keine Vereinsmitgliedschaften, gelegentliche ehrenamtliche Tätigkeiten, zuletzt vor drei Jahren) teil. Auch die gelegentlichen vorübergehenden ordentlichen Beschäftigungen können an dieser Beurteilung nichts ändern (s VwGH 18.09.2019, Ra 2019/18/0212, mwN, zum Erfordernis, dass die während der Aufenthaltsdauer des Betroffenen in Österreich erlangte Integration außergewöhnlich sein müsse, um die Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig zu erklären und einen entsprechenden Aufenthaltstitel zu rechtfertigen). Demgegenüber ist nach wie vor von einer engen Bindung des Beschwerdeführers nach Afghanistan auszugehen, zumal er dort den Großteil seines bisherigen Lebens verbracht hat. Er wurde in Afghanistan sozialisiert und bestritt dort seinen Lebensunterhalt. Er spricht auch eine Landessprache als Muttersprache. Hinzu kommt, dass er nach wie vor familiäre Anknüpfungspunkte zu seiner Mutter, seiner Gattin und ihrer gemeinsamen minderjährigen Tochter / in Afghanistan hat.
Im Übrigen wird auf die Ausführungen im bekämpften erstinstanzlichen Bescheid verwiesen."
3.2. Mit Schreiben vom 11. Jänner 2021 beantragte der Beschwerdeführer die schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses.
4. Am 13. September 2021 erging die schriftliche Ausfertigung des am 8. Jänner 2021 mündlich verkündeten Erkenntnisses.
5. In der vorliegenden, auf Art144 B VG gestützten Beschwerde behauptet der Beschwerdeführer die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.
Begründend wird dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass das angefochtene Erkenntnis die gemäß Art2 und 3 EMRK gewährleisteten Rechte des Beschwerdeführers verletze, weil die Taliban ihn als Spion der Regierung und Gegner der Taliban verurteilen und foltern oder sogar töten würden. Ferner sei er wegen seiner "Verwestlichung" infolge seines beinahe siebenjährigen Aufenthaltes und der Teilnahme an einer Demonstration gegen die Taliban im Sommer 2021 in Wien akut gefährdet verfolgt zu werden. Das Bundesverwaltungsgericht ignoriere die aktuelle Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zu Afghanistan und habe sich nicht hinreichend mit der Möglichkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative auseinandergesetzt. Ferner sei die vom Bundesverwaltungsgericht vorgenommene Interessenabwägung nach Art8 Abs2 EMRK unzutreffend.
6. Die Verwaltungs- und Gerichtsakten wurden weder durch das Bundesverwaltungsgericht noch durch die belangte Behörde vorgelegt. Eine Gegenschrift wurde ebenso nicht erstattet.
II. Erwägungen
Die – zulässige – Beschwerde ist begründet:
1. Nach der mit VfSlg 13.836/1994 beginnenden, nunmehr ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s etwa VfSlg 14.650/1996 und die dort angeführte Vorjudikatur; weiters VfSlg 16.080/2001 und 17.026/2003) enthält ArtI Abs1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsnorm enthält ein – auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes – Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist.
Diesem einem Fremden durch ArtI Abs1 leg. cit. gewährleisteten subjektiven Recht widerstreitet eine Entscheidung, wenn sie auf einem gegen diese Bestimmung verstoßenden Gesetz beruht (vgl zB VfSlg 16.214/2001), wenn das Verwaltungsgericht dem angewendeten einfachen Gesetz fälschlicherweise einen Inhalt unterstellt hat, der – hätte ihn das Gesetz – dieses als in Widerspruch zum Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, stehend erscheinen ließe (s etwa VfSlg 14.393/1995, 16.314/2001) oder wenn es bei Erlassung der Entscheidung Willkür geübt hat (zB VfSlg 15.451/1999, 16.297/2001, 16.354/2001 sowie 18.614/2008).
Ein willkürliches Verhalten des Verwaltungsgerichtes, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001).
2. Ein derartiger, in die Verfassungssphäre reichender Fehler ist dem Bundesverwaltungsgericht unterlaufen:
2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 7. Oktober 2021, E837/2021, im Hinblick auf die Beurteilung der Zeitspanne zwischen der das verwaltungsgerichtliche Verfahren abschließenden mündlichen Verkündung der Entscheidung und der Erlassung der schriftlichen Ausfertigung derselben ausgesprochen, dass eine Ausfertigung acht Monate nach der mündlichen Verkündung den rechtsstaatlichen Anforderungen an die Erlassung von verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen nicht entspricht (vgl auch VfGH 10.3.2021, E2059/2020 ua).
2.2. Im vorliegenden Fall erfolgte die schriftliche Ausfertigung der am 8. Jänner 2021 mündlich verkündeten Entscheidung mit Datum vom 13. September 2021 jedenfalls über acht Monate nach der mündlichen Verkündung. Im Hinblick auf die lange Zeitspanne zwischen mündlicher Verkündung und schriftlicher Ausfertigung der Entscheidung (vgl VfGH 10.3.2021, E2059/2020 ua; 23.6.2021, E720/2021; 7.10.2021, E837/2021) wurde dem Beschwerdeführer dadurch ein effektiver Rechtsschutz verwehrt.
Zudem ist eine möglichst zeitnahe schriftliche Ausfertigung nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes gerade im Zusammenhang mit besonders volatilen Sachlagen, die für das Bundesverwaltungsgericht als notorisch gelten können, wie etwa der allgemeinen Sicherheitslage in Afghanistan (vgl VfGH 24.9.2021, E3047/2021; 30.9.2021, E3445/2021; 16.12.2021, E4227/2021), von besonderer Bedeutung.
3. Im Hinblick auf das vom Bundesverwaltungsgericht fortzusetzende Verfahren weist der Verfassungsgerichtshof darauf hin, dass nach seiner ständigen Rechtsprechung die im Asylverfahren herangezogenen Länderberichte hinreichend aktuell sein müssen; dies betrifft insbesondere Staaten mit sich rasch ändernder Sicherheitslage (vgl etwa VfGH 24.9.2019, E2576/2019; 6.10.2021, E2905/2021 jeweils mwN).
III. Ergebnis
1. Der Beschwerdeführer ist somit durch das angefochtene Erkenntnis im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz BGBl 390/1973) verletzt worden.
Das Erkenntnis ist daher aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.
2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 436,– enthalten. Ein Ersatz der Eingabengebühr ist nicht zuzusprechen, weil der Beschwerdeführer Verfahrenshilfe im Umfang des §64 Abs1 Z1 lita ZPO genießt.