JudikaturVfGH

E865/2021 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
23. Juni 2021

Spruch

I. 1. Der Beschwerdeführer ist durch das angefochtene Erkenntnis, soweit damit seine Beschwerde gegen die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten, gegen die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels sowie gegen die erlassene Rückkehrentscheidung und den Ausspruch der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat Afghanistan unter Setzung einer vierzehntägigen Frist für die freiwillige Ausreise abgewiesen wird, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz BGBl Nr 390/1973) verletzt worden.

Das Erkenntnis wird insoweit aufgehoben.

2. Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.

II. Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.856,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren

1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Afghanistans, gehört der Volksgruppe der Paschtunen an und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Als fiktives Geburtsdatum des Beschwerdeführers wurde der 17. Dezember 1997 festgelegt. Er wurde nach eigenen Angaben in der Provinz Nangarhar geboren und sei im Alter von 12 oder 13 Jahren mit seiner Familie nach Pakistan ausgereist, wo er bis zu seiner Ausreise gelebt habe. Nach seiner Ausreise aus Pakistan habe er ungefähr eineinhalb Jahre in der Türkei verbracht, bevor er nach Österreich weiterreiste.

Am 30. April 2016 stellte der Beschwerdeführer in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Begründend führte er zu diesem Antrag im Wesentlichen aus, dass es in Afghanistan nicht sicher gewesen sei und er dort nicht leben habe können. Die Taliban hätten seinen Vater getötet und sie hätten gewollt, dass sich der Beschwerdeführer ihnen anschließt und in den Jihad zieht. Aus Pakistan sei er geflohen, weil es dort mehrheitlich Taliban gebe und er mangels legalen Aufenthalts nicht hätte leben können.

2. Mit Bescheid vom 30. Mai 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag bezüglich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten gemäß §3 Abs1 iVm §2 Abs1 Z13 AsylG 2005 ab; ebenso wurde der Antrag auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß §8 Abs1 iVm §2 Abs1 Z13 AsylG 2005 in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen. Weiters wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §57 AsylG 2005 nicht erteilt, gemäß §10 Abs1 Z3 AsylG 2005 iVm §9 BFA VG eine Rückkehrentscheidung gemäß §52 Abs2 Z2 FPG erlassen und gemäß §52 Abs9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan gemäß §46 FPG zulässig sei. Gemäß §55 Abs1 bis 3 FPG wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt.

3. Die gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht – nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung – mit Erkenntnis vom 22. Jänner 2021 als unbegründet ab. Eine asylrelevante Verfolgung schließt das Bundesverwaltungsgericht mangels glaubhaften Fluchtvorbringens aus. Ebenso wenig drohe dem Beschwerdeführer eine Verfolgung auf Grund seines mehrjährigen Aufenthalts in Europa. Den vom Beschwerdeführer vorgebrachten Gründen für das Verlassen des Staates Pakistan komme im Verfahren keine Relevanz zu.

Die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten begründet das Bundesverwaltungsgericht damit, dass dem Beschwerdeführer eine innerstaatliche Fluchtalternative in der Stadt Mazar-e Sharif zur Verfügung stehe. Diesbezüglich führt das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der rechtlichen Beurteilung aus:

"Wie festgestellt, ist der Beschwerdeführer arbeitsfähig, verfügt über eine vierjährige Schulbildung sowie Berufserfahrung als Landwirt, Verkäufer und Schneider und ist im erwerbsfähigen Alter. Dadurch, dass er seine bisherigen Lebensjahre in Afghanistan (und Pakistan) im afghanischen Familienverband verbrachte, ist er mit den kulturellen Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates vertraut. Selbst unter der Annahme, dass er keine Unterstützung durch seine Familie erhalten würde, hätte er aufgrund seiner Arbeitsfähigkeit die Möglichkeit, sich beispielsweise mit Hilfstätigkeiten eine Existenzgrundlage zu sichern. Im Übrigen könnte er sich ausreichende Kenntnisse über die infrastrukturellen Gegebenheiten aufgrund der Vertrautheit mit den Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates ohne große Schwierigkeiten aneignen. Zudem kann der Beschwerdeführer in einer der Landessprachen Afghanistans kommunizieren.

Außerdem kann der Beschwerdeführer laut den aktuellen Länderberichten durch die Inanspruchnahme von Rückkehrhilfe zumindest übergangsweise in Mazar-e Sharif das Auslangen finden. Deshalb ist auch nicht zu befürchten, dass er bereits unmittelbar nach seiner Rückkehr und noch bevor er in der Lage wäre, selbst für seinen Unterhalt zu sorgen, in eine existenzbedrohende bzw wirtschaftlich ausweglose Lage geraten könnte. Seine Existenz könnte er dort mit Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten sichern. Es gibt somit keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer in Ansehung existentieller Grundbedürfnisse (zB Nahrung, Unterkunft) einer ausweglosen bzw existenzbedrohenden Situation ausgesetzt wäre.

Auch der Verwaltungsgerichtshof führt in seinem rezenten Erkenntnis vom 30. Dezember 2019, Ra 2019/18/0241-13, neuerlich aus, dass weder EASO noch UNHCR von der Notwendigkeit der Existenz eines sozialen Netzwerkes in Mazar e Sharif für einen alleinstehenden, gesunden, erwachsenen Mann ohne besondere Vulnerabilität für die Verfügbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative ausgehen. Es entspricht zudem der – auch zu dieser Berichtslage ergangenen – Rechtsprechung des VwGH, dass allein die Tatsache, dass ein Asylwerber in seinem Herkunftsstaat über keine familiären Kontakte verfüge, die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative nicht hindere, und zwar selbst dann, wenn er nicht in Afghanistan geboren wurde, dort nie gelebt und keine Angehörigen in Afghanistan hat, sondern im Iran aufgewachsen und dort in die Schule gegangen ist (vgl VwGH 17.9.2019, Ra 2019/14/0160, Rn. 40 ff, mwN; 17.12.2019, Ra 2019/18/0398, Rn. 15)."

4. Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende, auf Art144 B VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses beantragt wird.

Begründend wird dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan über kein soziales Netz verfüge, um in Mazar e Sharif oder einer anderen Großstadt Afghanistans neu anfangen zu können. Die vom Bundesverwaltungsgericht getroffene Einschätzung der humanitären Lage in Afghanistan bzw in Mazar e Sharif sei unzutreffend.

5. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Verwaltungs- und Gerichtsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift jedoch abgesehen.

II. Erwägungen

1. Die – zulässige – Beschwerde ist, soweit sie sich gegen die Abweisung der Beschwerde durch das Bundesverwaltungsgericht hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten, der Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen, der Erlassung einer Rückkehrentscheidung, der Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung und der Festsetzung einer vierzehntägien Frist für die freiwillige Ausreise richtet, begründet.

2. Nach der mit VfSlg 13.836/1994 beginnenden, nunmehr ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s etwa VfSlg 14.650/1996 und die dort angeführte Vorjudikatur; weiters VfSlg 16.080/2001 und 17.026/2003) enthält ArtI Abs1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsnorm enthält ein – auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes – Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist.

Diesem einem Fremden durch ArtI Abs1 leg cit gewährleisteten subjektiven Recht widerstreitet eine Entscheidung, wenn sie auf einem gegen diese Bestimmung verstoßenden Gesetz beruht (vgl zB VfSlg 16.214/2001), wenn das Verwaltungsgericht dem angewendeten einfachen Gesetz fälschlicherweise einen Inhalt unterstellt hat, der – hätte ihn das Gesetz – dieses als in Widerspruch zum Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, stehend erscheinen ließe (s etwa VfSlg 14.393/1995, 16.314/2001) oder wenn es bei Erlassung der Entscheidung Willkür geübt hat (zB VfSlg 15.451/1999, 16.297/2001, 16.354/2001 sowie 18.614/2008).

Ein willkürliches Verhalten des Verwaltungsgerichtes, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001).

3. Ein derartiger, in die Verfassungssphäre reichender Fehler ist dem Bundes-verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten unterlaufen:

3.1. Das Bundesverwaltungsgericht stellt fest, dass dem Beschwerdeführer eine innerstaatliche Fluchtalternative in der Stadt Mazar-e Sharif zur Verfügung stehe, und verweist in diesem Zusammenhang auf die "Richtlinien des UNHCR zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19. April 2016" und die aktualisierte Richtlinien des UNHCR vom 30. August 2018, das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan vom 16. Dezember 2020, den "EASO Bericht Afghanistan Netzwerke vom Januar 2018" sowie auf die "EASO, Country Guidance: Afghanistan, Juni 2018, S. 99 107".

3.2. Aus der EASO Country-Guidance vom Juni 2018, auf die sich das Bundesverwaltungsgericht bezieht (die aktuelleren Fassungen aus Juni 2019 und Dezember 2020 enthalten keine hier relevanten Neuerungen), geht hervor, dass für jene Gruppe von Rückkehrern nach Afghanistan, die entweder außerhalb Afghanistans geboren wurden oder lange Zeit außerhalb Afghanistans gelebt haben, eine innerstaatliche Fluchtalternative dann nicht in Betracht komme, wenn am Zielort der aufenthaltsbeendenden Maßnahme kein Unterstützungsnetzwerk für die konkrete Person vorhanden sei, das sie bei der Befriedigung grundlegender existenzieller Bedürfnisse unterstützen könne, und dass es einer Beurteilung im Einzelfall unter Heranziehung der folgenden Kriterien bedürfe: Unterstützungsnetzwerk, Ortskenntnis der betroffenen Person bzw Verbindungen zu Afghanistan sowie sozialer und wirtschaftlicher Hintergrund, insbesondere Bildungs- und Berufserfahrung einschließlich Selbsterhaltungsfähigkeit außerhalb Afghanistans (vgl VfGH 12.12.2019, E3369/2019; 18.1.2021, E967/2020).

Derartigen Länderberichten, wie insbesondere auch den Richtlinien des Hoch-kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (United Nations High Commissioner for Refugees – UNHCR), ist bei der Beurteilung der Situation im Rückkehrstaat bei der Prüfung, ob dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen ist, besondere Beachtung zu schenken (vgl VfGH 12.12.2019, E3369/2019; 12.12.2019, E2692/2019; 4.3.2020, E4399/2019 jeweils mwN; vgl auch VwGH 13.12.2018, Ra 2018/18/0533; 17.12.2019, Ra 2019/18/0278 ua). Das bedeutet insbesondere, dass sich das Bundesverwaltungsgericht mit den aus diesen Länderberichten hervorgehenden Problemstellungen im Hinblick auf eine Rückkehr des Beschwerdeführers nach Afghanistan, und zwar in Bezug auf die konkrete Situation des Beschwerdeführers, auseinanderzusetzen hat.

3.3. Das Bundesverwaltungsgericht führt bei der rechtlichen Beurteilung, ob eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung steht, im Wesentlichen aus, dass es sich beim Beschwerdeführer um einen jungen, gesunden und arbeitsfähigen Mann ohne Sorgepflichten und ohne besondere Vulnerabilität handle, welcher über Berufserfahrung als Landwirt, Verkäufer und Schneider verfüge. Zudem hält das Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich fest, dass "weder EASO noch UNHCR von der Notwendigkeit der Existenz eines sozialen Netzwerkes in Mazar e Sharif für einen alleinstehenden, gesunden, erwachsenen Mann ohne besondere Vulnerabilität für die Verfügbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative ausgehen" und fehlende familiäre Kontakte im Herkunftsstaat die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative selbst dann nicht hindern würden, wenn ein entsprechender Asylwerber "nicht in Afghanistan geboren wurde, dort nie gelebt und keine Angehörigen in Afghanistan habe".

Die in der EASO-Country Guidance enthaltenen Ausführungen, wonach hinsichtlich jener Gruppe von Rückkehrern, die außerhalb Afghanistans geboren wurden und/oder lange Zeit außerhalb Afghanistans gelebt haben, qualifizierte Umstände erforderlich sind, insbesondere im Hinblick auf Unterstützungsnetzwerk, Ortskenntnis der betroffenen Person sowie Bildungs- und Berufserfahrung einschließlich Selbsterhaltungsfähigkeit außerhalb Afghanistans, um von einer im Hinblick auf Art2 und 3 EMRK zumutbaren Rückkehrsituation ausgehen zu können, lässt das Bundesverwaltungsgericht gänzlich unberücksichtigt. Das Bundesverwaltungsgericht setzt sich in seiner Entscheidung dementsprechend auch nicht damit auseinander, ob der Beschwerdeführer, welcher nach eigenen Angaben mit seiner Familie Afghanistan im Kindesalter verlassen und seither außerhalb Afghanistans gelebt habe, unter diese in der EASO-Country Guidance beschriebene Gruppe von Rückkehrern fällt. Der Verfassungsgerichtshof verkennt in diesem Zusammenhang nicht, dass der Beschwerdeführer laut eigenen Angaben im Herkunftsstaat geboren und aufgewachsen ist sowie dort zumindest 12 Jahre gelebt hat. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedoch vor dem Hintergrund der widersprüchlichen Feststellungen zum Alter und zum konkreten Verlauf der Flucht nicht hinreichend dargelegt, dass der Beschwerdeführer nicht dem in der EASO-Country Guidance beschriebenen Risikoprofil unterliegt.

Indem das Bundesverwaltungsgericht von einer zumutbaren Rückkehrsituation ausgeht, jedoch die aktuellen Länderberichte nicht in Beziehung zur Person des Beschwerdeführers setzt und sich somit nicht mit dessen konkreter Situation auseinandersetzt, hat es in einem entscheidenden Punkt jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen und damit sein Erkenntnis – soweit es sich auf die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und daran anknüpfend auf die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen, auf die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung und der Abschiebung in den Herkunftsstaat Afghanistan unter Setzung einer Frist für die freiwillige Ausreise bezieht – mit Willkür belastet (vgl VfGH 6.10.2020, E1728/2020; 23.2.2021, E1711/2020).

3.4. Im fortgesetzten Verfahren wird sich das Bundesverwaltungsgericht insbesondere damit auseinanderzusetzen zu haben, ob der Beschwerdeführer unter jene in der EASO-Country Guidance beschriebene Gruppe von Rückkehrern fällt, die außerhalb Afghanistans geboren wurden und/oder lange Zeit außerhalb Afghanistans gelebt haben und für die deshalb qualifizierte Umstände erforderlich sind, insbesondere im Hinblick auf Unterstützungsnetzwerk, Ortskenntnis der betroffenen Person sowie Bildungs- und Berufserfahrung einschließlich Selbsterhaltungsfähigkeit außerhalb Afghanistans, um von einer im Hinblick auf Art2 und 3 EMRK zumutbaren Rückkehrsituation ausgehen zu können. Der Verfassungsgerichtshof weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die vom Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung angeführte Berufserfahrung vom Beschwerdeführer offenbar zumindest teilweise im Kindesalter erworben wurde (vgl VfGH 6.10.2020, E2795/2019; 24.11.2020, E1900/2020).

4. Im Übrigen – soweit sich die Beschwerde gegen die durch das Bundesverwaltungsgericht bestätigte Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten richtet – wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.

Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde gemäß Art144 B VG ablehnen, wenn von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten ist (Art144 Abs2 B VG). Ein solcher Fall liegt vor, wenn zur Beantwortung der maßgebenden Fragen spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen nicht erforderlich sind.

Die gerügten Rechtsverletzungen wären im vorliegenden Fall aber nur die Folge einer – allenfalls grob – unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen sind zur Beantwortung der aufgeworfenen Fragen nicht anzustellen.

Demgemäß wurde beschlossen, von einer Behandlung der Beschwerde, soweit sie sich gegen die Abweisung des Antrages bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten richtet, abzusehen.

III. Ergebnis

1. Der Beschwerdeführer ist somit durch das angefochtene Erkenntnis, soweit damit seine Beschwerde gegen die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan, die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen, die Erlassung einer Rückkehrentscheidung, die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung sowie die Festsetzung der Frist für die freiwillige Ausreise abgewiesen wird, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz BGBl 390/1973) verletzt worden.

Das Erkenntnis ist daher in diesem Umfang aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.

2. Im Übrigen wird von der Behandlung der Beschwerde abgesehen.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 bzw §19 Abs3 Z1 iVm §31 letzter Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 436,– sowie eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in der Höhe von € 240,– enthalten.

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