E2753/2016 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung
Spruch
I. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.
II. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Begründung
1. Mit am 31. Oktober 2016 im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs eingebrachtem Schriftsatz begehrt der Antragsteller die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde und erhebt unter einem Beschwerde gegen die oben genannte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes.
1.1. Zur Begründung seines Wiedereinsetzungsantrages führt er im Wesentlichen aus, dass die Frist zur Erhebung der Beschwerde versäumt worden sei, da die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes (im Folgenden: BVwG) am 9. September 2016 durch Hinterlegung im Akt des BVwG erfolgt sei. Dem Beschwerdeführer sei die Entscheidung erst am 19. Oktober 2016 per Post an seine nunmehrige Adresse in Deutschland zugestellt worden. Der Beschwerdeführer sei, nachdem er arbeitslos geworden und ihm von den österreichischen Behörden kein Arbeitslosengeld bewilligt worden sei, von Österreich nach Slowenien verzogen. Nachdem er in Deutschland einen Arbeitsplatz gefunden habe, sei er schließlich von Slowenien nach Deutschland verzogen. Seine neue Adresse habe er dem "Slovit" in Slowenien mitgeteilt und sich darauf verlassen, dass das "Slovit im Verfahren seine neue Adresse weiterleiten" oder das "eine Entscheidung jedenfalls an die bekannte slowenische Adresse geschickt" werde. Der Beschwerdeführer sei nicht rechtsfreundlich vertreten und davon überzeugt gewesen, dass "sich zumindest die zuständigen Behörden in Österreich und Slowenien gegenseitig informieren" würden.
2. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist ist zulässig, aber nicht begründet.
2.1. Gemäß §33 VfGG kann in den Fällen des Art144 B VG wegen Versäumung einer Frist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattfinden. Da das VfGG die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst regelt, sind nach §35 VfGG die entsprechenden Bestimmungen der §§146 ff. ZPO sinngemäß anzuwenden.
a) Nach §146 ZPO ist einer Partei, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozesshandlung verhindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung für die Partei den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozesshandlung zur Folge hatte. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Unter einem "minderen Grad des Versehens" ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes leichte Fahrlässigkeit zu verstehen, die dann vorliegt, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (s. etwa VfSlg 9817/1983, 14.639/1996, 15.913/2000 und 16.325/2001 mwN).
b) Der Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung muss gemäß §148 Abs2 ZPO innerhalb von vierzehn Tagen gestellt werden. Diese Frist beginnt mit dem Tage, an welchem das Hindernis, welches die Versäumung verursachte, weggefallen ist; sie kann nicht verlängert werden. Zugleich mit dem Antrag ist dem §149 Abs1 ZPO zufolge auch die versäumte Prozesshandlung nachzuholen.
2.2. Das geltend gemachte Hindernis für die rechtzeitige Einbringung der Beschwerde fiel am 19. Oktober 2016 weg. Mit dem am 31. Oktober 2016 mittels elektronischen Rechtsverkehrs eingebrachten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde daher diese Frist gewahrt.
2.3. Jedoch kann im vorliegenden Fall nicht davon gesprochen werden, dass der Antragsteller durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis im Sinne des §146 Abs1 ZPO an der Einhaltung der Beschwerdefrist gehindert gewesen wäre:
Gemäß §8 Abs1 Zustellgesetz – ZustG, BGBl 200/1982 idgF, hat eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, ihre bisherige Abgabestelle ändert, dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen. Wird diese Mitteilung unterlassen, so ist, soweit die Verfahrensvorschriften nicht anderes vorsehen, die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen, falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann. Der im Verfahren unvertretene Beschwerdeführer hat – wie im Wiedereinsetzungsantrag nicht in Zweifel gezogen wird – eine Änderung seines Wohnsitzes während des anhängigen Verfahrens (nämlich nach Stellung eines Vorlageantrages an das BVwG) vorgenommen, diese Änderung aber weder dem BVwG noch der Verwaltungsbehörde bekannt gegeben. Das BVwG hat auf Grund der Unzustellbarkeit von Schriftstücken an der aktenkundigen Anschrift und nach Kenntnisnahme von dem Umstand, dass sich der Antragsteller und Beschwerdeführer von der bekannten österreichischen Wohndresse am 25. Juni 2016 abgemeldet hatte, zurecht gemäß §8 Abs2 ZustG durch Hinterlegung im Akt zugestellt.
Der Umstand, dass dem Antragsteller die Entscheidung des BVwG nach erfolgter Zustellung längere Zeit hindurch unbekannt geblieben ist, ist daher für den Beschwerdeführer angesichts der Unterlassung der Meldung der Wohnsitzänderung weder unvorhersehbar noch unabwendbar gewesen. Diese Unterlassung kann aber auch nicht als auf einem Versehen minderen Grades (im Sinne leichter Fahrlässigkeit) beruhend beurteilt werden, zumal es – unabhängig von der Kenntnis des Antragstellers "als juristischer Laie" von der Norm – dem bei eigenberechtigten Parteien vorauszusetzenden Alltagswissen entspricht, dass die Zustellung von Verständigungen oder Entscheidungen ihren Adressaten nicht erreichen kann, wenn dessen geänderte Anschrift der betreffenden Stelle nicht bekanntgegeben wurde. Angesichts dessen musste der Antragsteller und Beschwerdeführer geradezu damit rechnen, dass ihm bei Nichtmeldung der Änderung seiner Anschrift die Erledigung des Bundesverwaltungsgerichts unbekannt bleiben würde, sodass ihm nicht bloß leichte Fahrlässigkeit zur Last liegt. Aus welchem Grund der Antragsteller darauf hätte vertrauen können, dass die behauptete Bekanntgabe der Adressänderung an "Slovit" in Slowenien auch zum BVwG gelangen werde, wird im Antrag nicht näher ausgeführt und vermag auch der Verfassungsgerichtshof nicht nachzuvollziehen.
Was letztlich die vorgebrachte Unkenntnis des Beschwerdeführers davon, dass bei Unterlassen der Meldung der geänderten Wohnadresse eine Zustellung durch Hinterlegung im Akt zulässig und rechtswirksam ist, anlangt, so handelt es sich dabei um einen Irrtum über die Rechtsfolgen seines Handelns, der für sich keinen Wiedereinsetzungsgrund darstellt.
2.4. Die Voraussetzungen für die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand liegen daher nicht vor, weshalb der darauf gerichtete Antrag abzuweisen war.
3. Die Beschwerde wurde erst nach Ablauf der sechswöchigen Frist (§82 Abs1 VfGG) eingebracht und ist somit als verspätet zurückzuweisen.
4. Diese Beschlüsse konnten gemäß §33 zweiter Satz und §19 Abs3 Z2 litb VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gefasst werden.