V45/2015 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung
Spruch
Der Antrag wird abgewiesen.
Entscheidungsgründe
I. Antrag
Mit dem vorliegenden, auf Art139 Abs1 Z1 B VG gestützten Antrag begehrt das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (im Folgenden: LVwG Oberösterreich) festzustellen, dass die Verordnung des Gemeinderates der Stadt Braunau am Inn vom 18. Dezember 1999, GZ: 122/10/E/99-Du, gesetzwidrig war.
II. Rechtslage
Die im vorliegenden Fall maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar:
1. §43 Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960), BGBl 159/1960, in der zum Zeitpunkt der Verordnungserlassung geltenden Fassung, BGBl 518/1994, lautete auszugsweise (Hervorhebungen im Original):
" §43 . Verkehrsverbote, Verkehrserleichterungen und Hinweise.
(1) Die Behörde hat für bestimmte Straßen oder Straßenstrecken oder für Straßen innerhalb eines bestimmten Gebietes durch Verordnung
a) […]
b) wenn und insoweit es die Sicherheit, Leichtigkeit oder Flüssigkeit des sich bewegenden oder die Ordnung des ruhenden Verkehrs, die Lage, Widmung, Pflege, Reinigung oder Beschaffenheit der Straße, die Lage, Widmung oder Beschaffenheit eines an der Straße gelegenen Gebäudes oder Gebietes oder wenn und insoweit es die Sicherheit eines Gebäudes oder Gebietes und/oder der Personen, die sich dort aufhalten, erfordert
1. dauernde oder vorübergehende Verkehrsbeschränkungen oder Verkehrsverbote, insbesondere die Erklärung von Straßen zu Einbahnstraßen, Maß-, Gewichts- oder Geschwindigkeitsbeschränkungen, Halte- oder Parkverbote und dergleichen, zu erlassen,
2. den Straßenbenützern ein bestimmtes Verhalten vorzuschreiben, insbesondere bestimmte Gruppen von der Benützung einer Straße oder eines Straßenteiles auszuschließen oder sie auf besonders bezeichnete Straßenteile zu verweisen;
c) – d) […]
(1a) […]
(2) Zur Fernhaltung von Gefahren oder Belästigungen, insbesondere durch Lärm, Geruch oder Schadstoffe, hat die Behörde, wenn und insoweit es zum Schutz der Bevölkerung oder der Umwelt oder aus anderen wichtigen Gründen erforderlich ist, durch Verordnung
a) für bestimmte Gebiete, Straßen oder Straßenstrecken für alle oder für bestimmte Fahrzeugarten oder für Fahrzeuge mit bestimmten Ladungen dauernde oder zeitweise Verkehrsbeschränkungen oder Verkehrsverbote zu erlassen,
b) – c) […]
(2a) – (11) […]"
2. §94d Z4 StVO 1960, BGBl 209/1969, in der zum Zeitpunkt der Verordnungserlassung geltenden Fassung, BGBl I 92/1998, lautete auszugsweise (Hervorhebungen im Original):
"§94d. Eigener Wirkungsbereich der Gemeinde
Sofern der Akt der Vollziehung nur für das Gebiet der betreffenden Gemeinde wirksam werden und sich auf Straßen, die nach den Rechtsvorschriften weder als Autobahnen, Autostraßen, Bundesstraßen oder Landesstraßen gelten noch diesen Straßen gleichzuhalten sind, beziehen soll, sind folgende Angelegenheiten von der Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich zu besorgen:
1 – 3a […]
4. die Erlassung von Verordnungen nach §43, mit denen
a) Beschränkungen für das Halten und Parken,
b) ein Hupverbot,
c) ein Benützungsverbot für Radfahranlagen durch Rollschuhfahrer oder
d) Geschwindigkeitsbeschränkungen
erlassen werden,
4a – 20 […]"
3. §94f StVO 1960, BGBl 209/1969, lautete auszugsweise (Hervorhebungen im Original):
"§94f. Mitwirkung
(1) Vor Erlassung einer Verordnung ist, außer bei Gefahr im Verzuge, anzuhören:
a) von der Landesregierung und von der Bezirksverwaltungsbehörde:
1. die betroffene Gemeinde,
2. wenn sich der Geltungsbereich einer Verordnung auch auf den örtlichen Wirkungsbereich einer Bundespolizeibehörde erstrecken soll, diese Behörde,
3. wenn Interessen von Mitgliedern einer Berufsgruppe berührt werden, die gesetzliche Interessenvertretung dieser Berufsgruppe;
b) von der Gemeinde (§94c und d):
1. wenn sich der Geltungsbereich einer Verordnung auch auf den örtlichen Wirkungsbereich einer Bundespolizeibehörde erstrecken soll, diese Behörde,
2. wenn Interessen von Mitgliedern einer Berufsgruppe berührt werden, die gesetzliche Interessenvertretung dieser Berufsgruppe.
(2) – (3) […]"
4. Die Verordnung des Gemeinderates der Stadt Braunau am Inn vom 18.12.1999, GZ: 122/10/E/99-Du, lautete auszugsweise:
"VERORDNUNG:
des Gemeinderates der Stadt Braunau am Inn, vom 15.12.1999 , TOP VI/3 über eine Geschwindigkeitsbeschränkung für den Erlachweg.
Aufgrund der §§43 Abs1 lit.b, 94d Ziff 4 StVO 1960 und §40 Abs.2 Ziff.4 der O.Ö. Gemeindeordnung 1990, wird verordnet:
§1
Für den Erlachweg von der Einmündung Raitfeldstraße bis zur Einmündung Auf der Haiden wird eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 30 km/h für beide Fahrtrichtungen verordnet.
§2
Gemäß §44 der Straßenverkehrsordnung 1960 wird diese Verordnung durch die Anbringung der Verbotstafeln " Geschwindigkeitsbeschränkung 30 " bzw. " Ende der Geschwindigkeitsbeschränkung gemäß §52 Ziff. 10a u. 10b d. StVO 1960 am Beginn bzw. Ende der Verbotsstrecke kundgemacht und tritt für die Zeit der Anbringung dieser Zeichen in Kraft.
§3
Der beiliegende Lageplan dient der Konkretisierung des örtlichen Wirkungsbereiches und ist ein wesentlicher Bestandteil dieser Verordnung.
Der Bürgermeister:
[…]"
5. §94d StVO, BGBl 209/1969, im Zeitpunkt der Erlassung der Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeine Braunau am Inn vom 12. Februar 1985, TOP IV/2 in Kraft stehenden Fassung, BGBl 174/1983, lautete auszugsweise (Hervorhebungen im Original):
"§94d. Eigener Wirkungsbereich der Gemeinde
Sofern der Akt der Vollziehung nur für das Gebiet der betreffenden Gemeinde wirksam werden und sich auf Straßen, die nach den Rechtsvorschriften weder als Autobahnen, Autostraßen, Bundesstraßen oder Landesstraßen gelten noch diesen Straßen gleichzuhalten sind, beziehen soll, sind folgende Angelegenheiten von der Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich zu besorgen:
1 – 3a […]
4. die Erlassung von Verordnungen nach §43, mit denen Beschränkungen für das Halten und Parken oder ein Hupverbot erlassen werden,
5 – 20 […]"
6. Die Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Braunau am Inn vom 12. Februar 1985 (im Folgenden: Übertragungsverordnung) lautet:
"[…]
Verordnung
des Gemeinderates der Stadtgemeinde Braunau am Inn vom 1.2.1985, TOP IV/2.
§1 Gemäß §43 Abs2 der Oö. Gemeindeordnung 1979 wird dem Bürgermeister die Erlassung der in §94d StVO 1960 angeführten Verordnungen übertragen, ausgenommen Ziff. 8 (Fußgängerzone), 8a (Wohnstraßen), 15a (Tariffestsetzungen) und 18 (Anrainerpflichten).
(1) §2 Gemäß §94 Abs2 der Oö. Gemeindeordnung 1979 beginnt die Rechtswirksamkeit dieser Verordnung mit dem auf den Ablauf der Kundmachungsfrist folgenden Tag.
(2) Mit dem gleichen Zeitpunkt tritt die Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Braunau am Inn vom 22.12.1973, TOP II/1, außer Kraft.
Der Bürgermeister: […]"
III. Antragsvorbringen und Vorverfahren
1. Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Beim LVwG Oberösterreich ist eine Beschwerde gegen ein Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 29. April 2014 anhängig, mit dem über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe in Höhe von € 50,– (Ersatzfreiheitsstrafe 24 Stunden) wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h um 19 km/h am 19. Mai 2013 in Braunau am Inn, Gemeindestraße Erlachweg 13, verhängt wurde.
2. Das LVwG Oberösterreich legt die Bedenken, die es zur Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof bestimmt haben, wie folgt dar:
2.1. Zur Frage der Präjudizialität wird in den Anträgen ausgeführt, dass die angefochtene Verordnung gemäß §99 Abs3 lita StVO Rechtsgrundlage des Straferkenntnisses sei.
2.2. In der Sache bringt das LVwG Oberösterreich Folgendes vor:
"[...]
IV. Bedenken in rechtlicher Hinsicht:
Die gegenständliche Verordnung stammt vom 18.12.1999, kundgemacht am 4.2.2000 durch Anbringung der Verkehrszeichen nach §52 lit.a Z10 lit.a und 10 lit.b StVO 1960 an den im der Verordnung angeschlossenen Plan eingezeichneten Orten. Diesbezüglich liegen keine genauen Daten vor, ist aufgrund der 'Nachfolgeverordnung' die frühere Kundmachung nicht mehr nachvollziehbar und eine fehlerhafte Kundmachung wurde im Beschwerdeverfahren nicht eingewendet. Es ist daher im Zweifel davon auszugehen, dass die Kundmachung - laut §2 der Verordnung 'am Beginn bzw Ende der Verbotsstrecke' - ordnungsgemäß erfolgt war.
Dem Inhalt des übermittelten Verordnungsaktes nach lassen sich hinsichtlich der hier anzuwendenden Rechtslage keine einem Verordnungserlassungsverfahren im Sinne der Vorschriften der §§43 und 94d StVO zu Grunde liegende Verfahrensschritte erkennen.
IV.1. Zur Zuständigkeit des Gemeinderates der Stadtgemeinde Braunau/Inn:
Gemäß §40 Abs.2 Oö. Gemeindeordnung in der am 18.12.1999 geltenden Fassung LGBlNr 51/1988 sind der Gemeinde gemäß Art.118 Abs.3 B VG zur Besorgung im eigenen Wirkungsbereich die behördlichen Aufgaben insbesondere in folgenden Angelegenheiten gewährleistet: Z4 Verwaltung der Verkehrsflächen der Gemeinde; örtliche Straßenpolizei.
Gemäß §43 Abs.1 Oö. Gemeindeordnung (1) obliegen dem Gemeinderat alle in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde fallenden Angelegenheiten, soweit sie nicht ausdrücklich anderen Organen der Gemeinde vorbehalten sind. Gemäß Abs.2 leg.cit. ist der Gemeinderat befugt, einzelne in seine Zuständigkeit fallende Angelegenheiten der örtlichen Straßenpolizei mit Verordnung ganz oder zum Teil dem Bürgermeister zu übertragen, sofern dies im Interesse der Zweckmäßigkeit, Raschheit und Einfachheit gelegen ist.
Mit Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Braunau/Inn vom 1.2.1985, TOP IV/2, hat der Gemeinderat gemäß §43 Abs.2 Oö. Gemeinde-ordnung dem Bürgermeister die Erlassung der im §94d StVO 1960 angeführten Verordnungen übertragen, ausgenommen Z8 (Fußgängerzone), Z8a (Wohn-straßen), Z15a (Tariffestsetzungen) und Z18 (Anrainerpflichten). Die Rechtswirksamkeit dieser Verordnung begann gemäß §2 lit.a der Verordnung mit dem auf den Ablauf der Kundmachungsfrist folgenden Tag gemäß §94 Abs.2 OÖ. Gemeindeordnung; der Anschlag an der Amtstafel erfolgte am 13.2.1985, die Kundmachungsfist von 2 Wochen endete am 27.2.1985, dh die Verordnung trat am 28.2.1985 in Kraft - dies mit der Konsequenz, dass für die Erlassung von Verordnungen betreffend Geschwindigkeitsbeschränkungen auf Gemeindestraßen nicht mehr der Gemeinderat sondern der Bürgermeister zuständig war.
Tatsächlich wurde die Verordnung vom 18.12.1999, GZ: 122/10/E/99-Du, vom Gemeinderat erlassen - die Unterschriftenklausel 'Der Bürgermeister' ändert daran nichts. Verordnungen betreffend Geschwindigkeitsbeschränkungen auf Gemeindestraßen fallen auch nicht unter die in der Übertragungsverordnung angeführten Ausnahmen Damit wurde die Verordnung offensichtlich vom unzuständigen Organ erlassen.
Gemäß §94d Z4 lit.d StVO 1960 der am 18.12.1999 geltenden Fassung der 20. StVO-Novelle, BGBl I Nr92/1998, sind, sofern der Akt der Vollziehung nur für das Gebiet der betreffenden Gemeinde wirksam werden und sich auf Straßen, die nach den Rechtsvorschriften weder als Autobahnen, Autostraßen, Bundesstraßen oder Landesstraßen gelten noch diesen Straßen gleichzuhalten sind, beziehen soll, folgende Angelegenheiten von der Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich zu besorgen: die Erlassung von Verordnungen nach §43, mit denen lit.d) Geschwindigkeitsbeschränkungen erlassen werden.
IV.2. Rechtliche Bedenken hinsichtlich der Gesetzmäßigkeit:
Gemäß §43 Abs.1 lit.b Z1 StVO in der genannten Fassung hat die Behörde für bestimmte Straßen oder Straßenstrecken oder für Straßen innerhalb eines bestimmten Gebietes durch Verordnung wenn und insoweit es die Sicherheit, Leichtigkeit oder Flüssigkeit des sich bewegenden oder die Ordnung des ruhenden Verkehrs, die Lage, Widmung, Pflege, Reinigung oder Beschaffenheit der Straße, die Lage, Widmung oder Beschaffenheit eines an der Straße gelegenen Gebäudes oder Gebietes oder wenn und insoweit es die Sicherheit eines Gebäudes oder Gebietes und/oder der Personen, die sich dort aufhalten, erfordert, dauernde oder vorübergehende Verkehrsbeschränkungen oder Verkehrsverbote, insbesondere die Erklärung von Straßen zu Einbahnstraßen, Maß-, Gewichts- oder Geschwindigkeitsbeschränkungen, Halte- oder Parkverbote und dergleichen, zu erlassen.
Gemäß §94f Abs.1 lit.b StVO 1960 in der am 18.12.1999 geltenden Fassung BGBlI Nr 209/1969 ist vor Erlassung einer Verordnung, außer bei Gefahr im Verzuge - die hier nicht gegeben war - von der Gemeinde (§94c und d) anzuhören: 2. wenn Interessen von Mitgliedern einer Berufsgruppe berührt werden, die gesetzliche Interessenvertretung dieser Berufsgruppe.
Wie der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis vom 28.2.2006, V86/05, unter Hinweis auf die Erkenntnisse VfSlg 8984/1980 und 9721/1983 ausführte und ua in VfSlg 13.371/1993 und 14.051/1995 wiederholte, sind 'bei Prüfung der Erforderlichkeit einer Verordnung nach §43 StVO 1960 ... die bei der bestimmten Straße oder Straßenstrecke, für welche die Verordnung erlassen werden soll, anzutreffenden, für den spezifischen Inhalt der betreffenden Verordnung relevanten Umstände mit jenen Umständen zu vergleichen, die für eine nicht unbedeutende Anzahl anderer Straßen zutreffen'. Der Verfassungsgerichtshof geht sohin in ständiger Judikatur davon aus, dass die Behörde bei Anwendung der vom Gesetzgeber mit unbestimmten Begriffen umschriebenen Voraussetzungen für die Erlassung von Geschwindigkeitsbeschränkungen durch Verordnung einen Vergleich der Verkehrs- und Umweltverhältnisse anzustellen hat:
Die betreffenden Verhältnisse an den Straßenstrecken, für die eine Geschwindigkeitsbeschränkung in Betracht gezogen wird, müssen derart beschaffen sein, dass sie eine Herabsetzung der vom Gesetzgeber selbst allgemein für den Straßenverkehr in §20 Abs.2 StVO 1960 festgesetzten Höchstgeschwindigkeiten rechtfertigen (zB VfSlg 16.016/2000, 16.917/2003).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes hat die Behörde vor Erlassung einer Verordnung gemäß §43 StVO 1960 die im einzelnen umschriebenen Interessen an der Verkehrsbeschränkung mit dem Interesse an der ungehinderten Benützung der Straße abzuwägen und dabei die (tatsächliche) Bedeutung des Straßenzuges zu berücksichtigen (vgl VfSlg 8086/1977, 9089/1981, 12.944/1991, 13.449/1993, 13.482/1993). Die sohin gebotene Interessenabwägung erfordert sowohl die nähere sachverhaltsmäßige Klärung der Gefahren oder Belästigungen für Bevölkerung und Umwelt, vor denen die Verkehrsbeschränkung schützen soll, als auch eine Untersuchung 'der Verkehrsbeziehungen und der Verkehrserfordernisse' durch ein entsprechendes Anhörungs- und Ermittlungsverfahren (vgl VfSlg 12.485/1990, 13.449/1993, 16.805/2003 sowie VfGH 13.6.2005, V128/03)
Die in diesem Verfahren evident gewordenen Umstände lassen den Schluss zu, dass hier offenkundig eine nicht vom Gesetz intendierte Motivlage der Erlassung dieses Verbotes zu Grunde lag (vgl VfSlg 17573).
Im ggst Fall war Basis für die Erlassung der Verordnung offensichtlich ein 'Wunsch der Anrainer wegen immer wieder zu schnell fahrender Kraftfahrzeuge am Erlachweg', obwohl der Amtssachverständige sogar Einbauten vorschlug, um die Lenker zur Einhaltung der beabsichtigten 30 km/h-Beschränkung zu 'zwingen', weil eine solche offensichtlich weder sachlich erforderlich noch nachvollziehbar war. Die Verordnung wurde trotzdem noch im Jahr 1999 beschlossen und erst nach Fertigstellung der 'Aufpflasterungen' im Jahr 2000 kundgemacht. Zum Zeitpunkt der Beschlussfassung lagen daher die Voraussetzungen für die Erlassung der Verordnung noch gar nicht vor.
Auch wenn zum Übertretungszeitpunkt am 19. Mai 2013 die örtlichen Verhältnisse am Erlachweg vermutlich bereits so waren, wie sie der AmtsSV Ing. L[…] in seinem Gutachten vom 2.12.2013 darstellt, stand am Übertretungstag noch die Verordnung aus dem Jahr 1999 in Geltung und war vom Beschwerdeführer zu beachten. Das DORIS-Foto zeigt die örtliche Situation im Jahr 2010.
Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl E 25.2.2003, V73/02) dient das Anhörungs- und Ermittlungsverfahren dem Zweck, eine 'Untersuchung der Verkehrsbeziehungen und der Verkehrsverhältnisse', sowie eine 'sachverhaltsmäßige Klärung der Gefahren oder Belästigungen für Bevölkerung und Umwelt, vor denen die Verkehrsbeschränkung schützen soll' zu ermöglichen, damit die Behörde auf dieser Grundlage die gemäß §43 StVO 1960 vor Verordnungserlassung gebotene Interessenabwägung zwischen den Interessen an der Verkehrsbeschränkung und dem Interesse an der ungehinderten Benützung der Straße vornehmen kann. Daher kann das versäumte Ermittlungsverfahren nicht erst nach Verordnungserlassung ergänzt werden. Die nachträglich vorgenommenen Ermittlungsschritte (Einholung eines Gutachtens eines Verkehrssachverständigen) können die Gesetzwidrigkeit der in Prüfung gezogenen Verordnung daher nicht beseitigen (vgl schon das Erkenntnis VfSlg 15643/1999, in dem der Gerichtshof das Nachholen der Ermittlung durch 'nachträgliche' Anhörung von Interessenvertretungen als unerheblich für die Rechtmäßigkeit einer Verordnung angesehen hat). Die verordnungserlassende Behörde ist aber nicht daran gehindert, die nachträglichen Ermittlungsergebnisse als Entscheidungsgrundlage für eine neu zu erlassende Verordnung heranzuziehen.
Schließlich kann auch nicht eine Wahrung des im §94f StVO, BGBI.Nr59/1960 idF BGBI.Nr209/1969 hervorgehenden Anhörungsrechtes nachvollzogen werden. Vor Erlassung der in Rede stehenden Verordnung fand kein förmliches Anhörungsverfahren zumindest der gesetzlichen Interessensvertretungen der betroffenen Berufsgruppen - das wären bei einem Fachmarkt und einem Einkaufszentrum jedenfalls die Wirtschafts- und die Arbeiterkammer gewesen - statt, wobei die im Schreiben des Stadtamtes Braunau/Inn vom 1.12.2014 vertretene Rechtsansicht, damals wäre dies rechtlich nicht erforderlich gewesen, nicht zutrifft.
[…]"
3. Der Gemeinderat der Gemeinde Braunau am Inn hat die Akten betreffend das Zustandekommen der angefochtenen Verordnung vorgelegt und eine Äußerung erstattet, in der er den im Antrag dargelegten Bedenken wie folgt entgegentritt:
"[...]
1) Zu den Bedenken der Zuständigkeit des Gemeinderates der Stadtgemeinde Braunau am Inn:
Wie im verfahrensgegenständlichen Antrag auf Verordnungskontrolle gemäß Art139, Abs1 B VG angeführt, sind laut §40 Abs2, OÖ. Gemeindeordnung in der am 18.12.1999 geltenden Fassung, LGBl 51/1988, gemäß Art118, Abs3 B VG der Gemeinde zur Besorgung im eigenen Wirkungsbereich die behördlichen Aufgaben insbesondere in folgenden Angelegenheiten gewährleistet:
Z4 Verwaltung der Verkehrsflächen der Gemeinde; örtliche Straßenpolizei.
Gemäß §43, Abs1 OÖ. Gemeindeordnung obliegen dem Gemeinderat alle in den eigenen Wirkungsbereich fallenden Angelegenheiten, soweit sie nicht ausdrücklich anderen Organen der Gemeinde vorbehalten sind.
Gemäß §43, Abs2 OÖ. Gemeindeordnung ist der Gemeinderat befugt, einzelne in seine Zuständigkeit fallende Angelegenheiten der örtlichen Straßenpolizei mit Verordnung ganz oder zum Teil dem Bürgermeister zu übertragen, sofern diese im Interesse der Zweckmäßigkeit, Raschheit und Einfachheit gelegen ist.
Mit Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Braunau am Inn vom 1.12.1985, TOP IV/2, hat der Gemeinderat von dieser Verordnungsermächtigung Gebrauch gemacht und gem. §43, Abs2 OÖ. Gemeindeordnung dem Bürgermeister die Erlassung der im §94d, StVO 1960 angeführten Verordnungen übertragen, ausgenommen Ziff. 8 (Fußgängerzone), 8a (Wohnstraßen), 15 a (Tariffestsetzungen) und 18 (Anrainerpflichten). Diese Verordnung trat mit 28.2.1985 in Kraft.
Zum Zeitpunkt der Erlassung dieser Übertragungsverordnung lag die Zuständigkeit für die Erlassung von Verordnungen betreffend Geschwindigkeitsbeschränkungen auf Gemeindestraßen gem. §94b StVO bei der Bezirksverwaltungsbehörde. Erst mit der 19.StVO-Novelle, BGBl Nr 518/1994, wurde die Zuständigkeit zur Erlassung von Verordnungen betreffend Geschwindigkeitsbeschränkungen auf Gemeindestraßen in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde übertragen. Somit konnte der Gemeinderat der Stadtgemeinde Braunau am Inn mit der Übertragungsverordnung gar nicht und hat auch später nicht die Erlassung von Verordnungen betreffend Geschwindigkeitsbeschränkungen auf Gemeindestraßen an den Bürgermeister übertragen.
Nachdem die Erlassung von Verordnungen betreffend Geschwindigkeits-beschränkungen auf Gemeindestraßen somit von der Verordnungsübertragung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Braunau am Inn vom 1.12.1985 nicht erfasst sind, liegt die Zuständigkeit für diese Verordnungserlassungen beim Gemeinderat der Stadtgemeinde Braunau am Inn. Die verfahrensgegenständliche Verordnung vom 18.12.1999, GZ: SW-122/10/E/99-Du, wurde daher rechtskonform vom Gemeinderat der Stadtgemeinde Braunau am Inn als zuständigem Organ erlassen.
2) Zu den Bedenken hinsichtlich Gesetzmäßigkeit:
Zu den vom antragstellenden Gericht geäußerten Bedenken, dass der Verordnungserlassung kein entsprechendes Anhörungs- und Ermittlungsverfahren zugrunde gelegen sei bzw. nachträglich vorgenommene Ermittlungsschritte die Gesetzwidrigkeit der in Prüfung gezogenen Verordnung nicht beseitigen können, wird von der verordnungserlassenden Behörde angeführt, dass vor der Erlassung der verfahrensgegenständlichen Verordnung entgegen dieser Ausführungen ein Anhörungs- und Ermittlungsverfahren sowie eine Interessensabwägung durchgeführt wurden.
Im Zusammenhang mit der beabsichtigten Errichtung eines Einkaufszentrums mit McDonald's Drive-in im verordnungsgegenständlichen Bereich des Erlachweges wurden im Vorfeld dieser Errichtung schon im Jänner 1996 die verkehrsmäßigen Auswirkungen einer solchen Betriebsansiedlung mitberücksichtigt und Lösungsansätze zur Vermeidung bzw. Reduzierung von zusätzlichen Gefahren oder Belästigungen für die betroffene Bevölkerung eruiert. Insbesondere wurden tempohemmende Maßnahmen, wie z.B. Aufpflasterungsmaßnahmen und /oder eine 30-km/h-Beschränkung angedacht. Diese beabsichtigten Maßnahmen wurden auch von den Vertretern der Errichter und Betreiber des geplanten Einkaufszentrums befürwortet. Auch Anrainer des Erlachweges haben für den Fall der Errichtung des Einkaufszentrums mit McDonald's Drive-in die Verordnung einer 30-km/h-Temporeduzierung angeregt.
Vom Stadtamt wurde im Zusammenhang mit der beabsichtigten Errichtung eines zusätzlichen Einkaufszentrums samt McDonald's Drive-in und der damit einhergehenden zusätzlichen Verkehrsbelastung eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 30-km/h als gerechtfertigt betrachtet. Es wurde daraufhin der Verkehrsausschuss der Stadtgemeinde Braunau am Inn mit dieser Thematik befasst, welcher in der Sitzung am 21.11.1996 unter TOP 14, der Beantragung einer 30-km/h-Geschwindigkeitsbeschränkung auf dem Erlachweg zugestimmt hat.
Auf Grundlage dieses Beschlusses wurde als nächster Schritt ein verkehrstechnischer Amtssachverständiger um Stellungnahme zur beabsichtigten 30-km/h-Beschränkung ersucht. Der verkehrstechnische Amtssachverständige Ing. H[…] hat in seiner Stellungnahme vom 17.12.1997 ausgeführt, dass es einem Kraftfahrer nicht zumutbar ist, auf dem 6 Meter breiten und über 400 Meter gerade geführten Straßenstück des Erlachweges die Fahrgeschwindigkeit von 30-km/h einzuhalten. Er fordert daher den Straßenerhalter auf, auf diesem Straßenstück Einbauten zu errichten, welche die Einhaltung der verordneten Fahrgeschwindigkeit von 30-km/h erzwingen.
Mit dieser Stellungnahme des verkehrstechnischen Amtssachverständigen Ing. H[…] wurde neuerlich der Verkehrsausschuss der Stadtgemeinde Braunau am Inn befasst. Dieser hat in seiner Sitzung am 17.4.1997 unter TOP 7 einstimmig den Beschluss gefasst, dass im Zuge der anstehenden Straßenbauarbeiten im Erlachweg zwei sanfte Aufpflasterungen im Sinne der geforderten Einbauten des Amtssachverständigen errichtet werden sollen.
Nach Abschluss der entsprechenden Straßenbauarbeiten im Erlachweg im Jahr 1999 wurde auf Grundlage der bisher durchgeführten Ermittlungen und Überprüfungen im Wege des Verkehrsausschusses dem Gemeinderat der Stadtgemeinde Braunau am Inn die Verordnung einer 30-km/h-Geschwindigkeits-beschränkung für den Erlachweg mit entsprechendem Verordnungsentwurf zur Beschlussfassung vorgelegt. Der Gemeinderat hat aufgrund der Empfehlung des Verkehrsausschusses in seiner Sitzung am 15.12.1999 unter TOP VI/3 die verfahrensgegenständliche Verordnung beschlossen.
Nach entsprechender Kundmachung wurde die Verordnung der OÖ. Landesregierung zur Verordnungsprüfung vorgelegt. Mit Schreiben vom 20.1.2000, Zl. VerkR-120.034/95-2000-Au/Eis, hat die oberösterreichische Landesregierung die Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Braunau am Inn vom 15.12.1999 betreffend die Erlassung einer 30-km/h-Geschwindigkeitsbeschränkung für den Erlachweg, von der Einmündung Raitfeldstraße bis zur Einmündung Auf der Haiden gemäß §101, Abs2, OÖ. Gemeindeordnung 1990 zur Kenntnis genommen.
Im Lauf des Jahres 2000 wurden im Bereich dieser 30-km/-Geschwindigkeits-beschränkung eine weitere Aufpflasterung errichtet und zum Vorschriftszeichen 'Geschwindigkeitsbeschränkung 30-km/h' zusätzlich eine Bodenmarkierung '30-km/h' angebracht. Mit Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Braunau am Inn vom 23.12.2013, GZ: Pol-122/10/E/13-Ai, wurde die verfahrensgegenständliche Verordnung aufgehoben.
Anhand dieser Ausführungen ist zu ersehen, dass die verordnungserlassende Behörde sehr wohl die Interessen an der Verkehrsbeschränkung mit den Interessen an der ungehinderten Benützung der Straße abgewogen und dabei die Bedeutung des Straßenzuges berücksichtigt hat. Die Verhältnisse am Erlachweg waren aufgrund der straßenbaulich getroffenen Maßnahmen derart beschaffen, dass sie eine Herabsetzung der vom Gesetzgeber selbst allgemein für den Straßenverkehr im §20 Abs2 StVO 1960 festgesetzten Höchstgeschwindigkeiten rechtfertigen. Es wurden die mit der zusätzlichen Ansiedlung von Handelsbetrieben im Erlachweg verbundenen verkehrsmäßigen Belästigungen und Gefahren erhoben und die Maßnahmen zum Schutz der betroffenen Bevölkerung ermittelt und abgewogen. Im Vorfeld der Verordnungserlassung wurden auch die betroffenen Anrainer sowie Vertreter der Errichter des Einkaufszentrums mit eingebunden und angehört. Aufgrund dieser im Vorfeld stattgefundenen Einbindung und der durchgeführten Anhörung hat die verordnungserlassende Behörde kein weiteres förmliches Anhörungsverfahren im Sinne des §94 f StVO für erforderlich erachtet und durchgeführt.
[…]"
4. Die Oberösterreichische Landesregierung erstattete keine Äußerung.
5. Die beim LVwG Oberösterreich beschwerdeführende Partei hat eine Äußerung erstattet, in der sie die Bedenken des LVwG Oberösterreich teilt und den Ersatz der Kosten für die Erstattung der Äußerung im gesetzlichen Ausmaß beantragt.
IV. Erwägungen
1. Zur Zulässigkeit des Antrages
1.1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art139 Abs1 Z1 B VG bzw. des Art140 Abs1 Z1 lita B VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen 2werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl. etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).
1.2. Im Verfahren hat sich nichts ergeben, was am Vorliegen dieser Voraussetzungen zweifeln ließe. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich der Antrag insgesamt als zulässig.
2. In der Sache
2.1. Der Verfassungsgerichtshof ist in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung gemäß Art139 B VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken beschränkt (vgl. VfSlg 11.580/1987, 14.044/1995, 16.674/2002). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Verordnung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen gesetzwidrig ist (VfSlg 15.644/1999, 17.222/2004).
2.2. Der Antrag ist jedoch nicht begründet.
2.2.1. Dem Bedenken des LVwG Oberösterreich, dass der Gemeinderat der Stadtgemeinde Braunau am Inn unzuständig und der Bürgermeister zur Verordnungserlassung zuständig gewesen wäre, ist Folgendes zu entgegnen:
Die angefochtene Verordnung, die eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf Gemeindestraßen vorsah, wurde am 18. Dezember 1999 im Gemeinderat beschlossen und laut Schreiben der verordnungserlassenden Behörde am 4. Februar 2000 kundgemacht. Zum Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Verordnung war zwar, wie das LVwG Oberösterreich zutreffend ausführt, die Übertragungsverordnung aus dem Jahr 1985 in Kraft, die auf Grund der Ermächtigung des §43 Abs2 OÖ. Gemeindeordnung erlassen wurde und dem Bürgermeister jene Angelegenheiten (mit gewissen Ausnahmen) übertrug, die in "§94d StVO 1960" genannt wurden. Geschwindigkeitsbeschränkungen auf Gemeindestraßen waren aber in §94d StVO 1960 noch nicht enthalten und waren deswegen von der Übertragung nicht erfasst. Der Verweis auf die in "§94d StVO 1960 angeführten Verordnungen" ist statisch (vgl. VfSlg 17.335/2004, in der die Formulierung "in der geltenden Fassung" als verfassungswidrig erachtet wurde und zum Gebot der verfassungskonformen Interpretation VfSlg 17.960/2006 mwN).
Der Gemeinderat hätte aufgrund der im Jahr 1994 (BGBl Nr 518/1994, 19. Novelle zur StVO) neu in §94d StVO eingeführten Kompetenz Geschwindigkeitsbeschränkungen auf Gemeindestraßen zu erlassen, die Übertragungsverordnung aus dem Jahr 1985 ändern und auch diese Kompetenz an den Bürgermeister übertragen können. Da keine Änderung der (im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde erlassenen) Übertragungsverordnung aus dem Jahr 1985 erfolgte, war der Gemeinderat zum Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Verordnung im Jahr 1999 gemäß §43 Abs1 OÖ. Gemeindeordnung zuständig.
2.2.2. Entgegen den Ausführungen des antragstellenden LVwG Oberösterreich liegt der Verordnungserlassung ein ausreichendes Ermittlungs- und Anhörungsverfahren zugrunde:
Das Gutachten des verkehrstechnischen Amtssachverständigen vom 7. Februar 1997 sah eine derartige Geschwindigkeitsbeschränkung nur dann als zumutbar an, wenn durch Einbauten sichergestellt werde, dass die verordnete Fahrgeschwindigkeit von 30 m/h auf einer Strecke von 400 m erzwungen werden könne. Da der Verkehrsausschuss die Errichtung von Aufpflasterungen in diesem Streckenabschnitt bereits am 17. April 1997 beschlossen hatte, und die entsprechenden Aufpflasterungen in weiterer Folge durchgeführt worden waren, vermag der Verfassungsgerichtshof ein gesetzwidriges Ermittlungsverfahren nicht zu erkennen.
2.2.3. Gemäß §94f Abs1 lita Z3 und litb Z2 StVO 1960 hat die zuständige Behörde (außer bei Gefahr im Verzuge) vor Erlassung einer straßenpolizeilichen Verordnung, "wenn Interessen von Mitgliedern einer Berufsgruppe berührt werden, die gesetzliche Interessenvertretung dieser Berufsgruppe" anzuhören.
Nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (VfSlg 14.051/1995, vgl. zuletzt VfSlg 17.354/2004) begründen nur Umstände, welche die Interessen von Mitgliedern einer Berufsgruppe "in spezifischer Weise" durch eine straßenpolizeiliche Verordnung berührt erscheinen lassen, die Anhörungspflicht gemäß §94f Abs1 StVO 1960. Insoweit Mitglieder einer Berufsgruppe hingegen "ebenso wie alle anderen Verkehrsteilnehmer" durch eine straßenpolizeiliche Verordnung betroffen sind, wird nicht bewirkt, dass die Interessen der Berufsgruppe "im Sinne des §94f Abs1 lita Z3 StVO 1960 spezifisch 'berührt werden'"
Dem Antrag des LVwG Oberösterreich sind Ausführungen zu einer spezifischen Interessenbetroffenheit der darin erwähnten Berufsgruppen im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nicht zu entnehmen. Es ist dem Verfassungsgerichtshof insbesondere nicht erkennbar, inwiefern die im Antrag erwähnten Mitglieder verschiedener Berufsgruppen von der Verordnung anders als etwa die übrige (Wohn-)Bevölkerung im Bereich des von der Verordnung erfassten Gebietes betroffen sein sollten (vgl. VfSlg 14.439/1996).
V. Ergebnis
1. Der Antrag des LVwG Oberösterreich war daher abzuweisen.
2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
3. Der beteiligten Partei sind die für die abgegebene Äußerung begehrten Kosten nicht zuzusprechen, weil es im Falle eines auf Antrag eines Gerichtes eingeleiteten Normenprüfungsverfahrens Sache des antragstellenden Gerichtes ist, über allfällige Kostenersatzansprüche nach den für sein Verfahren geltenden Vorschriften zu erkennen (zB VfSlg 19.019/2010 mwN).