JudikaturVfGH

V136/2015 ua – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
08. März 2016

Spruch

I. Die Verordnung "Beschluss der Fachgruppentagung" der Fachgruppe Holzindustrie in der Wirtschaftskammer Oberösterreich vom 7. Oktober 2011, verlautbart in der "Oberösterreichischen Wirtschaft" vom 21. Dezember 2012, Nr 51/52, betreffend Grundumlage 2013, und in der "Ober-österreichischen Wirtschaft" vom 13. Dezember 2013, Nr 50, betreffend Grundumlage 2014, sowie die Verordnung "Beschluss der Fachgruppentagung" der Fachgruppe Holzindustrie in der Wirtschaftskammer Niederösterreich vom 28. September 2012, verlautbart in der "Niederösterreichischen Wirtschaft" vom 20. Dezember 2013, Nr 51/52, betreffend Grundumlage 2014, werden als gesetzwidrig aufgehoben.

II. Der Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Bundesgesetzblatt II verpflichtet.

Entscheidungsgründe

I. Anlassverfahren, Prüfungsbeschluss und Vorverfahren

1. Beim Verfassungsgerichtshof sind zu den Zahlen E1583/2014, E886/2015 und E1439/2015 auf Art144 B VG gestützte Beschwerden anhängig, denen folgender Sachverhalt zugrunde liegt:

1.1. Die Beschwerdeführerin zu E1583/2014 und E1439/2015 verfügt über eine Berechtigung zur Erzeugung von Holzwaren (Schnittware) einschließlich Hobelware in Form eines Industriebetriebes mit Standorten in Oberösterreich. Auf Grund ihrer Mitgliedschaft in der Fachgruppe Holzindustrie in der Wirtschaftskammer Oberösterreich (im Folgenden: WKOÖ) und der damit einhergehenden Verpflichtung zur Bezahlung einer Grundumlage gemäß §123 Wirtschafts-kammergesetz 1998, BGBl I 103, im Folgenden: WKG, wurden der Beschwerdeführerin mit Bescheiden des Präsidenten der WKOÖ am 1. Oktober 2013 eine Grundumlage in Höhe von € 146.801,20 für das Jahr 2013 und am 27. Oktober 2014 eine Grundumlage in Höhe von € 295.294,29 für das Jahr 2014 vorgeschrieben. Gegen diese Bescheide erhob die Beschwerdeführerin Beschwerden an das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich, die mit Erkenntnissen vom 12. September 2014 und vom 15. Mai 2015 als unbegründet abgewiesen wurden.

Der Beschwerdeführerin zu E886/2015, die an Standorten in Niederösterreich "ein Handelsgewerbe und Sägen" betreibt, wurde als Mitglied der Fachgruppe Holzindustrie in der Wirtschaftskammer Niederösterreich (im Folgenden: WKNÖ) von der Präsidentin der WKNÖ mit Bescheid vom 27. August 2014 gemäß §123 WKG eine Grundumlage für das Jahr 2014 in Höhe von € 313.893,– vor-geschrieben. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich, welche mit Erkenntnis vom 27. März 2015 als unbegründet abgewiesen wurde.

1.2. In den gegen diese Erkenntnisse der Landesverwaltungsgerichte Oberösterreich und Niederösterreich gemäß Art144 B VG beim Verfassungsgerichtshof erhobenen und im Wesentlichen gleichlautenden Beschwerden wird die Ver-letzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz gemäß Art7 B VG und (in den zu E1583/2014 und E1439/2015 protokollierten Beschwerden darüber hinaus) auf Unversehrtheit des Eigentums gemäß Art5 StGG bzw. Art1 1. ZPEMRK sowie in Rechten wegen Anwendung gesetzwidriger Verordnungen behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Erkenntnisse beantragt.

1.3. Die belangten Behörden der Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich in den beim Verfassungsgerichtshof zu E1583/2014 und E1439/2015 protokollierten Verfahren haben jeweils eine Gegenschrift erstattet, in denen sie den Beschwerdebehauptungen entgegentreten.

1.4. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat in den zu E1583/2014 und E1439/2015 protokollierten Verfahren die Gerichtsakten vorgelegt und jeweils eine Äußerung erstattet, in der es den Beschwerdebehauptungen entgegentritt.

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat in dem zu E886/2015 protokollierten Verfahren den Gerichtsakt vorgelegt und auf die Erstattung einer Gegenschrift verzichtet.

2. Bei der Behandlung der gegen die o.a. Erkenntnisse der Landesverwaltungsgerichte Oberösterreich und Niederösterreich gerichteten Beschwerden sind im Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit der Verordnung "Beschluss der Fachgruppentagung" der Fachgruppe Holzindustrie in der WKOÖ vom 7. Oktober 2011, verlautbart in der "Oberösterreichischen Wirtschaft" vom 21. Dezember 2012, Nr 51/52, betreffend Grundumlage 2013, und in der "Oberösterreichischen Wirtschaft" vom 13. Dezember 2013, Nr 50, betreffend Grundumlage 2014, sowie der Verordnung "Beschluss der Fachgruppentagung" der Fachgruppe Holzindustrie in der WKNÖ vom 28. September 2012, verlautbart in der "Niederösterreichischen Wirtschaft" vom 20. Dezember 2013, Nr 51/52, betreffend Grundumlage 2014, entstanden. Der Verfassungsgerichtshof hat daher am 24. September 2015 beschlossen, diese Verordnungen von Amts wegen auf ihre Gesetzmäßigkeit zu prüfen.

Auf das Wesentliche zusammengefasst hegte der Verfassungsgerichtshof das Bedenken, diese Verordnungen über die Grundumlage bestimmter Jahre seien gesetzwidrig, weil sie entgegen §123 Abs11 erster Satz WKG nicht je Fachverband und den ihm entsprechenden Fachgruppen oder Fachvertretungen ein-heitlich seien (s. Pkt. IV.1.).

3. Die Fachgruppe der Holzindustrie in der WKOÖ und die Fachgruppe der Holzindustrie in der WKNÖ haben – beinahe wortidente – Äußerungen erstattet, in denen sie den im Prüfungsbeschluss dargelegten Bedenken entgegentreten.

4. Die Wirtschaftskammer Österreich (in der Folge: WKÖ) hat ebenfalls eine Äußerung erstattet, in der sie den im Prüfungsbeschluss dargelegten Bedenken entgegentritt.

5. Schließlich hat auch der Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft eine kurze Äußerung erstattet.

6. Die Beschwerdeführerin in den zu E1583/2014 und E1439/2015 proto-kollierten Anlassverfahren sowie die Beschwerdeführerin im zu E886/2015 protokollierten Anlassverfahren haben Äußerungen erstattet, in denen sie sich den Bedenken des Verfassungsgerichtshofes anschließen.

II. Rechtsvorschriften

1. Die in den vorliegenden Fällen maßgeblichen Bestimmungen des Wirtschaftskammergesetzes 1998 – WKG, BGBl I 103, zuletzt geändert durch BGBl I 46/2014, lauten wie folgt:

"1. Hauptstück

Wirtschaftskammern und Fachorganisationen

Zweck

(1) Zur Vertretung der gemeinsamen Interessen ihrer Mitglieder sind Wirtschaftskammern (Landeskammern, Bundeskammer) errichtet.

(2) Die Fachorganisationen (Fachgruppen im Bereich der Landeskammern, Fachverbände im Bereich der Bundeskammer) vertreten die Interessen ihrer Mitglieder.

(3)-(4) […]"

"Wirtschaftskammerorganisation

(1) Folgende Organisationen der gewerblichen Wirtschaft sind Körper-schaften öffentlichen Rechts:

1. die Landeskammern,

2. die Bundeskammer,

3. die Fachgruppen und

4. die Fachverbände.

Die nach diesem Bundesgesetz errichteten Körperschaften bilden in ihrer Gesamtheit die Wirtschaftskammerorganisation.

(2) Die Organisationen der gewerblichen Wirtschaft sind selbständige Wirtschaftskörper. Sie haben das Recht, innerhalb der Schranken der allgemeinen Bundes- und Landesgesetze Vermögen aller Art zu besitzen, zu erwerben und darüber zu verfügen, Leistungen gegen Entgelt auszuführen, wirtschaftliche Unternehmungen zu betreiben und im Rahmen der Bestimmungen dieses Ge-setzes ihren Haushalt selbständig zu führen und Umlagen vorzuschreiben."

"Fachorganisationen

§14. (1) Im Bereich jeder Sparte sind Fachorganisationen zur Wahrung und Vertretung der fachlichen Interessen ihrer Mitglieder zu errichten:

1. Fachgruppen im Bereich der Landeskammern und

2. Fachverbände im Bereich der Bundeskammer.

(2) Wenn von der Errichtung oder Aufrechterhaltung einer Fachgruppe abgesehen wird, ist die Vertretung der einschlägigen fachlichen Interessen dem gleichartigen Fachverband übertragen, der sich in dem betreffenden Bundesland eigener Organe (Fachvertreter) zu bedienen hat. Diesen Organen stehen die gleichen Befugnisse zu, wie sie im §45 Abs3 für den Fachgruppenausschuss festgelegt sind. Die Mitglieder des Fachverbandes in einem Bundesland, für die in diesem Bundesland keine Fachgruppe errichtet ist, bilden in ihrer Gesamtheit die Fachvertretung. Für die Fachvertretung gilt §1 Abs2; ihr kommt jedoch keine Rechtspersönlichkeit zu. Die Zahl der Fachvertreter ist im Fachorganisations-Wahlkatalog festzusetzen."

"Organe

(1) Organe der Fachgruppe sind:

1. der Obmann,

2. der Ausschuss und

3. die Fachgruppentagung.

(2)-(3) […]

(4) Die Fachgruppentagung besteht aus allen Mitgliedern der Fachgruppe.

(5) Folgende Angelegenheiten fallen in die Zuständigkeit der Fachgruppentagung:

1. grundsätzliche Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereichs der Fachgruppe,

2. Erlassung der Geschäftsordnung nach Maßgabe des §58 Abs3,

3. Beschlussfassung über Grundumlage und über Gebühren für Sonder- leistungen,

4. Beschlussfassung über den Voranschlag und Rechnungsabschluss,

5. Angelegenheiten, die eine über den Voranschlag hinausgehende Be- lastung des Haushalts nach sich ziehen, sofern hiefür nicht der Obmann oder der Fachgruppenausschuss zuständig ist und

6. Errichtung und Förderung von Wohlfahrts- und Unterstützungs- einrichtungen."

"Grundumlagen

(1) Die Mitglieder der Fachgruppen (Fachverbände) haben eine Grundumlage zu entrichten, die

1. zur Bedeckung der in den Voranschlägen vorgesehenen und durch sonstige Erträge nicht gedeckten Aufwendungen der Fachgruppen,

2. im Falle des §14 Abs2 zur Bedeckung des Aufwands der durch sonstige Erträge nicht gedeckten Kosten der Landeskammer, die ihr durch die Vertretung der Interessen der betreffenden Fachverbandsmitglieder erwachsen, ferner

3. zur Bedeckung der in den Voranschlägen vorgesehenen und durch sonstige Erträge nicht gedeckten Aufwendungen der Fachverbände dient.

(2) Die Höhe des zur Bedeckung der Aufwendungen der Fachverbände er-forderlichen Anteils an den Grundumlagen ist von den Ausschüssen der Fachverbände mit der Mehrheit von zwei Drittel der abgegebenen gültigen Stimmen bis zum 30. Juni jeden Jahres für das folgende Jahr zu beschließen. Werden diese Beschlüsse nicht fristgerecht gefasst, entscheidet das Erweiterte Präsidium der Bundeskammer.

(3) Die Grundumlage ist nach Maßgabe des Abs5 von der Fachgruppentagung unter Zugrundelegung des Anteils des Fachverbandes an der Grundumlage zu beschließen. Der Beschluss der Fachgruppentagung über die Grundumlage bedarf der Genehmigung des Präsidiums der Landeskammer. Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn die rechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind.

(4)-(8) […]

(9) Die Grundumlage ist unbeschadet der Bestimmung des letzten Satzes des Abs14 eine unteilbare Jahresumlage; sie ist auch für das Kalenderjahr zu entrichten, in dem die Berechtigung erworben wird oder erlischt.

(10) Die Grundumlage kann festgesetzt werden:

1. ausgehend von einer allgemein leicht feststellbaren Bemessungsgrund- lage (zum Beispiel Brutto-Lohn- und Gehaltssumme, Umsatzsumme, durchschnittliche Zahl der Beschäftigten oder von Betriebsmitteln, Roh- stoffeinsatz, Sozialversicherungsbeiträge, Betriebsvermögen, Anzahl der Betriebsstätten oder der Berechtigungen) in einem Hundert- oder

Tausendsatz der Bemessungsgrundlage oder mit festen Beträgen,

2. in einem festen Betrag,

3. in einer auch mehrfachen Kombination der Varianten nach Z1 und Z2.

(11) Die Bemessungsgrundlage(n) der Grundumlage je Fachverband und den ihm entsprechenden Fachgruppen oder Fachvertretungen ist (sind) einheitlich. Sie ist vom Fachverbandsausschuss im Einvernehmen mit den Fachgruppen und den Fachvertretern festzusetzen. Kann das Einvernehmen über (eine) einheitliche Bemessungsgrundlage(n) nicht hergestellt werden, entscheidet das Erweiterte Präsidium der Bundeskammer.

(12) Wird die Grundumlage mit einem festen Betrag festgesetzt, so ist dieser von physischen Personen, offenen Handelsgesellschaften, Kommanditgesellschaften sowie von eingetragenen Erwerbsgesellschaften in einfacher Höhe (Normalsatz), von juristischen Personen in doppelter Höhe zu entrichten.

(13) Wird die Grundumlage in einem Tausendsatz von der Brutto-Lohn- und Gehaltssumme oder in einem Tausendsatz von der Umsatzsumme festgesetzt, so darf sie nicht mehr als 10 vT der Brutto-Lohn- und Gehaltssumme bzw. nicht mehr als 4 vT der Summe der Gesamtumsätze betragen; bei allen anderen variablen Bemessungsgrundlagen und bei Kombination der Varianten nach Abs10 Z1 und Z2 darf die Grundumlage nicht mehr als 4 vT der Summe der Gesamtumsätze betragen; eine Überschreitung dieser Höchstgrenzen ist nur in jenen Fällen zulässig, in denen die Grundumlage nicht mehr als 6 500 Euro beträgt. Wird die Grundumlage ausschließlich in einem festen Betrag festgesetzt (Abs10 Z2), darf sie 6 500 Euro, und zwar auch in doppelter Höhe des Normalsatzes, nicht übersteigen. Die in diesem Absatz vorgesehenen Höchstsätze gelten für jede Berechtigung nach §2.

(14) […]"

2. Die in Prüfung gezogene – hier hervorgehobene – Verordnung der Fachgruppentagung der Fachgruppe Holzindustrie in der WKOÖ vom 7. Oktober 2011 lautet wie folgt:

"210 HOLZINDUSTRIE

Beschluss der Fachgruppentagung vom 7. Oktober 2011

Berufszweig Sägewerksunternehmungen

2,80 Promille der BLGS [Brutto-Lohn- und Gehaltssumme]

Mindestgrundumlage € 66,–

(Die Mindestgrundumlage für ganzjährig ruhende Mitgliedschaften beträgt € 33,–.)

Der Beitrag für die Holzinformation beträgt € 0,30 je Festmeter Rundholzeinschnitt des dem Vorschreibungsjahr vorangegangenen Jahres, wobei eine

Mindestumlage von € 44,– festgelegt wurde, die jedoch nicht für ruhende

Mitgliedschaften gilt.

Alle übrigen Berufszweige

3,01 Promille der BLGS

Mindestgrundumlage € 29,–

Ganzjährig ruhende Berechtigungen € 14,50"

3. Die ebenfalls in Prüfung gezogene – hier hervorgehobene – Verordnung der Fachgruppentagung der Fachgruppe der Holzindustrie in der WKNÖ vom 28. September 2012 lautet folgendermaßen:

"2/10 Fachgruppe der Holzindustrie Niederösterreich

I. Sägeindustrie

2,6 Promille

a) Mindestbetrag EUR 72,00

b) Pro ruhendem Betrieb EUR 36,00

c) Pro Mitglied für Festmeter des

Rundholzjahreseinschnittes des

Vorjahres, ausgenommen Nichtbetriebe EUR 0,30

d) Mindestbetrag für c) EUR 72,00

II. Holzverarbeitende Industrie

2,99 Promille

a) Mindestbetrag EUR 72,00

b) Pro ruhendem Betrieb EUR 36,00

(Beschluss der Fachgruppentagung vom 28. September 2012;

Genehmigung durch das Präsidium vom 5. Dezember 2012)"

III. Zur Zulässigkeit des Verfahrens

In seinem Prüfungsbeschluss ging der Verfassungsgerichtshof vorläufig davon aus, dass die oben angeführten Beschwerden (s. Pkt. I.1.2.) zulässig sind und er bei seiner Entscheidung über diese die in Rede stehenden Verordnungen anzuwenden hätte. In den Verfahren hat sich nichts ergeben, was an der Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Bestimmungen zweifeln ließe. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweisen sich die Verordnungs-prüfungsverfahren insgesamt als zulässig.

IV. In der Sache

Die im Prüfungsbeschluss dargelegten Bedenken des Verfassungsgerichtshofes konnten in den Verordnungsprüfungsverfahren nicht zerstreut werden:

1. Der Verfassungsgerichtshof legte seine Bedenken, die ihn zur Einleitung der Verordnungsprüfungsverfahren bestimmt haben, in seinem Prüfungsbeschluss wie folgt dar:

"4.1. Gemäß §123 Abs11 WKG ist (sind) die Bemessungsgrundlage(n) der Grundumlage je Fachverband und den ihm entsprechenden Fachgruppen oder Fachvertretungen einheitlich. Sie ist (sind) vom Fachverbandsausschuss im Einvernehmen mit den Fachgruppen und den Fachvertretern festzusetzen.

Als Kern der WKO-Reform 2001 wird nach Nausner/Baumann 'die Konstitution der WKO als gemeinsame zentrale organisatorische Einheit' angesehen (Die Reform der Wirtschaftskammern als Organisationsreform, WiPolBl 2001, 649 [650]). Der Verfassungsgerichtshof geht vorläufig davon aus, dass in diesem Lichte auch die Einführung von §123 Abs11 WKG zu verstehen ist und einheitliche Bemessungsgrundlagen in jeder Fachgruppe geschaffen werden sollten. §123 Abs11 leg.cit. ist wohl auch als Element zur Umsetzung des Konzepts der Fachgruppe als kleinster Einheit innerhalb der gewerblichen Selbstverwaltung, die selbständig agiert, zu verstehen.

4.2. Nach den o.a. Grundumlagenbeschlüssen […] besteht innerhalb der Fachgruppe Holzindustrie in der WKOÖ bzw. der Fachgruppe Holzindustrie in der WKNÖ eine Trennung bei der Bemessung der Grundumlage zwischen dem Berufszweig der Sägewerksunternehmungen bzw. der Sägeindustrie ('Gruppe I') einerseits und allen übrigen Berufszweigen bzw. der holzverarbeitenden In-dustrie ('Gruppe II') andererseits. Für die zusätzliche, ausschließlich für Sägewerksunternehmungen bzw. für die Sägeindustrie in der Gruppe I vorgesehene Bemessungsgrundlage ('Festmeter Rundholzeinschnitt des dem Vorschreibungsjahr vorangegangenen Jahres' bzw. 'Festmeter des Rundholzjahreseinschnittes des Vorjahres') gibt es keine korrelierende Bemessungsgrundlage für die 'übrigen Berufszweige' bzw. für die Gruppe II ('Holzverarbeitende Industrie').

Die Bemessungsgrundlagen der Grundumlage scheinen daher in den Fach-gruppen nicht einheitlich iSd §123 Abs11 WKG ausgestaltet zu sein. Die belangte Behörde des Verfahrens vor dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (E1583/2014) argumentiert in ihrer Gegenschrift damit, dass sich die nach §123 Abs11 leg.cit. geforderte Einheitlichkeit der Bemessungsgrundlage an den Fachverband (auf Bundesebene) und an die ihm entsprechenden Fachgruppen und Fachvertretungen (auf Landesebene) richte. Es dürfe von Gesetzes wegen keine uneinheitliche Bemessungsgrundlage zwischen einem Sägewerksunternehmen zB in Oberösterreich und in der Steiermark geben. Dies sei mit Einheitlichkeit der Bemessungsgrundlagen gemeint.

Dem kann sich der Verfassungsgerichtshof vorläufig nicht anschließen. §123 Abs11 WKG normiert, dass die Bemessungsgrundlage(n) der Grundumlage je Fachverband und den ihm entsprechenden Fachgruppen oder Fachvertretungen einheitlich ist (sind). Auch die oben […] wiedergegebenen Gesetzesmaterialien deuten in diese Richtung. Es erscheint dem Verfassungsgerichtshof daher ge-boten, davon auszugehen, dass das WKG keine Differenzierungen innerhalb eines Fachverbandes oder einer Fachgruppe hinsichtlich der Festsetzung der Bemessungsgrundlagen für die Grundumlage zulässt. Den Ausdruck 'einheitlich' versteht er vorläufig daher so, dass der Verordnungsgeber in diesem Zusammenhang keine Regelungen vorsehen darf, die lediglich für einen Teil von Mitgliedern eines Fachverbandes oder einer Fachgruppe gelten sollen.

4.3. Der Verfassungsgerichtshof hegt daher zusammengefasst das vorläufige Bedenken, dass die mittels der im Spruch genannten Beschlüsse erfolgten Festsetzungen der Bemessungsgrundlagen für die Grundumlagen in Hinblick auf §123 Abs11 WKG nicht einheitlich und daher gesetzwidrig erfolgt sind."

2.1. Die ausführlichen Äußerungen der Fachgruppe Holzindustrie in der WKOÖ, der Fachgruppe Holzindustrie in der WKNÖ und der WKÖ führen – auf das Wesentliche zusammengefasst – zunächst aus, aus dem Wortlaut des §123 Abs11 erster Satz WKG folge entgegen der vorläufigen Ansicht des Verfassungsgerichtshofes nicht, dass innerhalb einer Fachorganisation für alle Mitglieder derselben Fachorganisation die gleichen Bemessungsgrundlagen maßgeblich zu sein hätten, sondern verlange diese Bestimmung vielmehr die Einheitlichkeit der Bemessungsgrundlagen im Verhältnis der Fachorganisationen einer "Schiene" – dem Fachverband und den diesem korrespondierenden Fachgruppen – unter-einander. §123 Abs11 erster Satz leg.cit. spreche nicht von "Mitgliedern". Hätte der Gesetzgeber die Einheitlichkeit der Bemessungsgrundlagen für alle Mitglieder jeder einzelnen Fachorganisation angestrebt, hätte er anordnen können, dass für die Mitglieder der Fachorganisationen einer "Schiene" einheitliche oder dieselben Bemessungsgrundlagen zu gelten haben.

2.2. Der Verfassungsgerichtshof vermag nicht zu erkennen, wie aus dem Wortlaut des §123 Abs11 erster Satz WKG abgeleitet werden kann, die Bemessungsgrundlage der Grundumlage könne zwischen den Mitgliedern innerhalb eines Fachverbandes bzw. einer Fachgruppe unterschiedlich sein. Das Wort "einheitlich" bedeutet gerade das Gegenteil, zumal in Verbindung mit dem Partikel "je" noch ausdrücklich auf die Fachgruppe und den Fachverband abgestellt wird. Daraus, dass nach Ansicht der sich äußernden Parteien der Gesetzgeber, um den vom Verfassungsgerichtshof angenommenen Sinn zum Ausdruck zu bringen, die Einheitlichkeit der Bemessungsgrundlage(n) für alle Mitglieder der einzelnen Fachorganisationen anordnen hätte müssen, ist nichts zu gewinnen, sind es doch stets die Mitglieder der jeweiligen Fachorganisation, die die Grundumlage zu entrichten haben, sodass sich die Einheitlichkeit der Grundumlage ohne nähere Differenzierung stets auf die Mitglieder bezieht. Irgendeine andere Einheit als die Fachgruppe bzw. den Fachverband, etwa den Berufszweig oder Ähnliches, worauf sich die angeordnete Einheitlichkeit der Bemessungsgrundlage beziehen könnte, lässt sich dem Wortlaut der Bestimmung nicht entnehmen; in diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass etwa der (hier nicht anwendbare) §122 Abs3 leg.cit. im Zusammenhang mit Umlagenregelungen sehr wohl auf die sich nicht mit Fachorganisationen deckende Kategorie "Berufszweige" abstellt.

3.1. In der Folge halten die Äußerungen der Fachgruppe Holzindustrie in der WKOÖ, der Fachgruppe Holzindustrie in der WKNÖ und der WKÖ fest, auch aus den Materialien zu §123 Abs8a WKG idF BGBl I 153/2001 (der Vorgängerbestimmung des §123 Abs11 WKG) sei ersichtlich, dass nach dem Willen des Gesetzgebers – auf Grund der zuvor bestehenden Heterogenität der Bemessungsgrundlagen innerhalb einzelner Branchen und der mangelnden Transparenz des Finanzierungssystems – mit der Einführung dieser Bestimmung im Rahmen der Wirtschaftskammerorganisations-Reform (WKO-Reform) die bundesweite Vereinheitlichung der in einer "Fachorganisationsschiene" in Verwendung stehenden Bemessungsgrundlagen für die Grundumlagen angestrebt worden sei. Laut der WKÖ folge aus der Ausgestaltung des § 123 Abs11 zweiter und dritter Satz WKG, dass sich der jeweilige Fachverband und die diesem korrespondierenden Fachgruppen hinsichtlich der Festsetzung der einheitlichen Bemessungsgrundlage zu einigen und im Einvernehmen vorzugehen hätten, wobei bei mangelnder Einigung das Erweiterte Präsidium der Bundeskammer entscheide. Dies lasse den Schluss zu, dass es in dieser Bestimmung um eine bundesweite Vereinheitlichung und damit um eine einheitliche Bemessungsgrundlage der Grundumlagen in allen Fachgruppen und im Fachverband einer "Schiene" gehe.

3.2. Aus dem Umstand, dass sich der jeweilige Fachverband und die diesem korrespondierenden Fachgruppen über die einheitliche Bemessungsgrundlage zu einigen sowie im Einvernehmen vorzugehen haben und bei mangelnder Einigung das Erweiterte Präsidium der Bundeskammer entscheidet, lässt sich ebenfalls nicht ableiten, dass sich die Einheitlichkeit der Bemessungsgrundlage auf eine Gliederung unterhalb der Fachgruppen bzw. des Fachverbandes bezieht. Schließlich ist die Fachgruppe die kleinste selbständige Organisationseinheit der Landeskammern bzw. der Fachverband die kleinste selbständige Organisationseinheit der Bundeskammer, sodass es naheliegend ist, dass deren Organe zu einer Vorgangsweise im Einvernehmen berufen werden. Auch aus der Zuständigkeit des Erweiterten Präsidiums der Bundeskammer lassen sich keine näheren Schlüsse ziehen, ist es doch das einzige Organ, in dem Organe der Bundeskammer und sämtlicher Landeskammern vertreten sind. Im Übrigen mögen die Ausführungen aus historischer Sicht der Bundeskammer bzw. Fachorganisationen durchaus zutreffen, indes haben sie keinerlei Niederschlag in den Gesetzesmaterialien gefunden (zur Unbeachtlichkeit der Auffassung von Personen, die am Gesetzgebungsprozess beteiligt sind, für die Auslegung des Gesetzes vgl. VfSlg 10.179/1984, 10.835/1986).

4.1. Nach Ansicht der Fachgruppe Holzindustrie in der WKOÖ, der Fachgruppe Holzindustrie in der WKNÖ und der WKÖ ergebe §123 Abs11 WKG in der vom Verfassungsgerichtshof vorgenommenen Interpretation keinen Sinn. Aus §123 Abs10 leg.cit. folge, dass Fachgruppen zulässiger Weise nicht bloß eine sondern mehrere Bemessungsgrundlagen verwenden könnten, weil bei aller Verwandtschaft der in einer Fachorganisation zusammengeschlossenen Berufszweige und trotz fachlicher Gemeinsamkeiten der diesen jeweils zuzurechnenden Mitglieder diese doch oft unter völlig unterschiedlichen ökonomischen Gegebenheiten (Be-schäftigungsintensität der unternehmerischen Tätigkeit, Maschineneinsatz, Produktionsverfahren, etc.) aktiv und zudem nicht immer auf denselben Märkten tätig seien. Es sei nicht erkennbar, welchem praktischen Regelungszweck §123 Abs11 leg.cit. dienen könne, wenn er die vom Verfassungsgerichtshof vorläufig beigemessene Bedeutung tatsächlich aufweisen und gebieten sollte, Bemessungsgrundlagen auch für Berufszweige für maßgeblich zu erklären, bei denen sie niemals zur Generierung eines Umlagenaufkommens führen könnten (weil zB die erfassten Unternehmen über keine Beschäftigten verfügen würden, bei ihnen kein Rundholzschnitt erfolge oder keine Jahrestonnen Vermahlungskontingent anfallen würden). Dies führe zu dem Schluss, dass der Gesetzgeber die Einheitlichkeit aller verwendeten Bemessungsgrundlagen nicht für sämtliche Mitglieder der Fachorganisationen einer "Fachverbandsschiene" anordnen habe wollen, sondern nur im Verhältnis der einzelnen Fachorganisationen einer "Schiene" zueinander.

4.2. Diese Ausführungen unterstellen, dass die WKO-Reform, im Zuge derer das Erfordernis einheitlicher Bemessungsgrundlagen eingeführt wurde, zwingend den Zusammenschluss von Berufszweigen mit "völlig unterschiedlichen ökonomischen Gegebenheiten" zur Folge gehabt hätte, was keineswegs selbst-verständlich erscheint; vorstellbar wäre auch, dass durchaus verwandte Berufszweige zusammengefasst werden sollten. Aber selbst wenn es zutreffen sollte, dass die jeweils in Fachgruppen bzw. Fachverbänden zusammengefassten Mitglieder "unter völlig unterschiedlichen ökonomischen Gegebenheiten […] aktiv" seien, hätte die ausdrückliche gesetzliche Verpflichtung, einheitliche Vorschriften für die Bemessungsgrundlage (die unstrittig aus mehreren bzw. verschiedenen Ausgangsgrößen bestehen kann) zu schaffen, zumindest den Sinn, dass auf alle Mitglieder einer Fachgruppe bzw. eines Fachverbandes die gleiche Rechtsvorschrift anzuwenden ist, deren Tatbestandselemente sie in unterschiedlichem Ausmaß erfüllen, sodass eine zumindest formale Gleichbehandlung mit dem Ergebnis erfolgt, dass alle Unternehmen anhand ein und derselben Bemessungsgrundlage untereinander vergleichbar sind. Damit erledigt sich auch das weitere Argument der WKÖ, wonach – "konsequent weitergedacht" – die vom Verfassungsgerichtshof vorläufig angenommene Deutung zu dem Gleichheitssatz widersprechenden Ergebnissen führte.

5. Auch sonst kann der Verfassungsgerichtshof keinen Grund finden, der die Interpretation nahelegt, dass die Anordnung des §123 Abs11 erster Satz WKG anders zu verstehen wäre, als dass für alle Mitglieder der Fachorganisationen einer "Schiene" eine einheitliche Bemessungsgrundlage festzusetzen ist.

V. Ergebnis

1. Die in Prüfung gezogenen Verordnungen sind daher als gesetzwidrig aufzuheben.

2. Die Verpflichtung des Bundesministers für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung erfließt aus Art139 Abs5 erster Satz B VG und §59 Abs2 VfGG.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

4. Der Beschwerdeführerin im zu E886/2015 protokollierten Anlassverfahren sind die für die abgegebene Äußerung begehrten Kosten nicht zuzusprechen, weil ein Kostenersatz in Verordnungsprüfungsverfahren (vom – hier nicht gegebenen – Fall des §61a VfGG abgesehen) im VfGG nicht vorgesehen ist.

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