JudikaturVfGH

V67/2015 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
02. März 2016

Spruch

Der Antrag wird abgewiesen.

Entscheidungsgründe

I. Antrag

Gestützt auf Art139 Abs1 Z3 B VG begehrt der Antragsteller, ein öffentlicher Notar, der Verfassungsgerichtshof möge Punkt 23.5., Punkt 37. erster Satz sowie die Wortfolge "insoweit die Abgabenbeträge bei einem anerkannten Kreditinstitut (Punkt 38.) verwahrt werden." in Punkt 62. der Richtlinien der Österreichischen Notariatskammer vom 8. Juni 1999 über die Vorgangsweise bei notariellen Treuhandschaften (im Folgenden: THR 1999) idF des Delegiertentagsbeschlusses vom 23. Oktober 2014, kundgemacht auf der Website der Österreichischen Notariatskammer (http://www.notar.at) am 17. November 2014, zusätzlich bekannt gemacht in der Österreichischen Notariats-Zeitung (NZ 2014, 432), als gesetzwidrig aufheben.

II. Rechtslage

1. Die maßgeblichen Bestimmungen der Notariatsordnung (NO) lauten:

"§109a. (1) Übernimmt der Notar eine Treuhandschaft, so muß er in der Lage sein, diese selbständig auszuüben. Die Übernahme von Bürgschaften und die Darlehens- oder Kreditgewährung sind ihm in diesem Zusammenhang untersagt. Der Treuhandauftrag ist schriftlich abzuschließen und hat die Aufgaben des Notars genau zu bestimmen. Der Notar hat sich von der Identität der an der Treuhandschaft Beteiligten zu überzeugen (§55) und die Treugeber bei Bedarf oder auf deren Verlangen über den Stand der Sache zu informieren.

(2) Ist mit der notariellen Treuhandschaft unmittelbar oder mittelbar eine Ermächtigung des Notars zur Verfügung über Fremdgeld oder anderes Fremdgut mit Geldeswert verbunden und handelt es sich nicht um eine bloß geringfügige Treuhandschaft, so hat er die Treuhandschaft spätestens vor der ersten Verfügung über das Fremdgut in das ,'Treuhandregister des österreichischen Notariats' (§140d) einzutragen und nachträgliche Veränderungen der gemeldeten Daten unverzüglich bekanntzugeben. Verwahrungen, die der Notar in seiner Eigenschaft als Gerichtskommissär vornimmt, fallen nicht unter die einzutragenden notariellen Treuhandschaften.

(3) Der Notar hat zu gewährleisten, daß der Treugeber Versicherungsschutz bis zur Höhe jener Leistungen in Geld oder Geldeswert, für die der Notar als Treuhänder einzustehen hat (Treuhandrahmen), genießt. Übersteigt der Treuhandrahmen im Einzelfall den Versicherungsschutz des Notars, so hat er eine entsprechende Erweiterung des Versicherungsschutzes zu veranlassen, es sei denn, der Treugeber befreit den Notar davon durch schriftliche Erklärung. Bei im Treuhandregister eingetragenen Treuhandschaften ist die Österreichische Notariatskammer andernfalls ermächtigt, eine entsprechende Erweiterung des Versicherungsschutzes auf Kosten des Notars zu veranlassen. Der Notar hat den Treugeber über den Versicherungsschutz zu informieren. Ist der Abschluß einer entsprechenden Versicherung nicht möglich, so ist dies dem Treugeber ebenfalls mitzuteilen.

[…]

(5) Der Notar hat Geldbeträge, die er im Rahmen einer eintragungspflichtigen notariellen Treuhandschaft übernommen hat, bei einem Kreditinstitut zu erlegen, das von der Österreichischen Notariatskammer für diesen Zweck anerkannt ist. Eine solche Anerkennung hat insbesondere zur Voraussetzung, daß der jederzeitige Zugriff des Treuhänders auf das Treuhandkonto, die wenigstens taggleiche Bestimmung des Empfängers von Zahlungen und die möglichst taggleiche Unterrichtung der Treugeber und der Österreichischen Notariatskammer von allen wesentlichen Kontenbewegungen sichergestellt ist, daß das Treugut Gegenstand einer vom Bankvermögen unabhängigen Haftung in voller Höhe ist sowie daß das Kreditinstitut online mit dem Treuhandregister verbunden werden kann und die dafür erforderliche technische Sicherheit und Datensicherheit gewährleistet sind. Die Anerkennung ist auf der Website der Österreichischen Notariatskammer allgemein zugänglich kundzumachen.

(6) Die Österreichische Notariatskammer hat in Richtlinien näher zu regeln, welche Aufträge ihrer Art nach zu den notariellen Treuhandschaften zu zählen und welche eintragungspflichtig sind, wann eine geringfügige Treuhandschaft vorliegt, wie die Treuhandschaft zu sichern und der schriftliche Treuhandauftrag zu gestalten ist, wie eine Haftpflichtversicherung zur Sicherung der Rechte der Treugeber, insbesondere auch hinsichtlich des Deckungsumfangs, zu gestalten ist und wie die Treugeber über die Treuhandsache und über den Versicherungsschutz zu informieren sind. Weiters sind in den Richtlinien die Voraussetzungen für die Anerkennung von Kreditinstituten nach Abs5 näher zu regeln."

"§140a. (1) Die Österreichische Notariatskammer ist, soweit es das österreichische Notariat in seiner Gesamtheit oder über den Bereich einer einzelnen Notariatskammer hinaus betrifft, zur Wahrung seiner Rechte und Angelegenheiten sowie zu seiner Vertretung auch auf europäischer und internationaler Ebene berufen. Die Österreichische Notariatskammer hat die ihr nach diesem Bundesgesetz zukommenden Aufgaben im eigenen Wirkungsbereich zu besorgen. Die oberste Aufsicht über das Notariatswesen kommt dem Bundesminister für Justiz zu (§153). Diesem sind von der Österreichischen Notariatskammer die zur Wahrnehmung der Aufsicht erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Im Rahmen der Aufsicht hat der Bundesminister für Justiz in den Angelegenheiten des Abs2 Z8 gemäß §142 auch das Recht, die Beschlüsse des Delegiertentags aufzuheben, wenn sie Gesetzen oder Verordnungen widersprechen.

(2) Zu ihrem Wirkungsbereich gehören besonders

[…]

8. die Erlassung von Richtlinien […] über die Vorgangsweise bei notariellen Treuhandschaften […]

[…]"

"§140b. […]

(5) Die Österreichische Notariatskammer hat in Richtlinien nähere Vorschriften für die Führung des Urkundenarchivs des österreichischen Notariats nach §140e und des elektronischen Verzeichnisses für die Beurkundungs- und Notarsignaturen sowie die Register zu erlassen, insbesondere über Gestaltung und Form der Eintragungen, der Protokollierung in Ansehung der Speichervorgänge, der Abfrage und der zu erteilenden Auskünfte sowie die Modalitäten des elektronischen Zugangs und der Einsichtnahme einschließlich der Erteilung und zeitlichen Ausgestaltung der Einsichtsberechtigungen der Parteien und der von diesen ermächtigten Personen und die Höhe und die Art der Entrichtung der dafür notwendigen Gebühren. Soweit das Urkundenarchiv des österreichischen Notariats der Speicherung von Urkunden dient, die für den elektronischen Rechtsverkehr mit den Gerichten bestimmt sind, haben die Richtlinien allen Anforderungen der Verordnung nach §91b Abs5 Z2 bis 5 GOG zu entsprechen.

[…]"

2. Die auf §109a Abs6, §140a Abs2 Z8 und §140b Abs5 NO gestützten THR 1999 haben folgenden Wortlaut (die angefochtenen Verordnungsbestimmungen sind hervorgehoben):

"Begriffsbestimmungen

1. Im Sinne dieser Richtlinien ist:

1.1. Notarielle Treuhandschaft ein offenes, zwei- oder mehrseitiges Rechtsverhältnis, bei welchem

1.1.1. ein Notar aufgrund einer Treuhandvereinbarung Vermögenswerte (Geld, Geldwerte), Rechte oder Urkunden treuhändig übernimmt und

1.1.2. der Notar dabei als Treuhänder gegenüber einem, zwei oder mehreren Treugebern unter seiner notariellen Berufsverantwortung die Verpflichtung übernimmt, die in der Treuhandvereinbarung festgelegten Rechtsfolgen herbeizuführen und Bedingungen zu erfüllen und

1.1.3. der Notar als Treuhänder im eigenen Namen, aber im Auftrag, im Interesse und für Rechnung des oder der Treugeber handelt;

1.2. Treuhandvereinbarung ein zwischen dem Notar als Treuhänder und einem, zwei oder mehreren Treugebern abgeschlossener Vertrag, mit dem der Treuhandauftrag und die damit zusammenhängenden Aufgaben des Notars, die Bedingungen für die Übernahme sowie Durchführung und Abwicklung der Treuhandschaft und die durch den Treuhänder herbeizuführenden Rechtsfolgen und zu erfüllenden Bedingungen bestimmt werden;

1.3. Treuhandgut (Fremdgeld, Fremdgut) die dem Notar als Treuhänder übergebenen Vermögenswerte (Geld, Geldwerte), sonstige Sachen, Rechte oder Urkunden;

1.4. Treuhandvaluta die dem Notar als Treuhänder übergebenen, in Geld oder Geldeswert bestehenden Vermögenswerte;

1.5. Treuhandrahmen die Summe aller Leistungen in Geld oder Geldeswert, für die der Notar als Treuhänder einzustehen hat oder die er in seiner Verantwortung erbringen lässt und auf die sich die vom Notar als Treuhänder übernommene notarielle Berufsverantwortung bezieht;

1.6. Treuhandregister das von der Österreichischen Notariatskammer gemäß §140d NO als geschlossenes Evidenz-und Revisionssystem eingerichtete, mittels automationsunterstütztem Datenverkehr zwischen den Notarstellen und der Österreichischen Notariatskammer oder dem gemäß §140b Abs2 NO zur Dienstleistung von ihr herangezogenen Dritten geführte 'Treuhandregister des österreichischen Notariats';

1.7. geringfügige Treuhandschaft eine solche, bei der der Treuhandrahmen den vom Delegiertentag der Österreichischen Notariatskammer nach den Erfordernissen des Konsumentenschutzes jeweils festgesetzten Mindestbetrag unterschreitet;

1.8. eintragungspflichtige Treuhandschaft eine solche, mit der unmittelbar oder mittelbar eine Ermächtigung des Notars zur Verfügung über Fremdgeld oder anderes Fremdgut mit Geldeswert verbunden ist und es sich nicht um eine bloß geringfügige Treuhandschaft oder eine Verwahrung, die der Notar in seiner Eigenschaft als Gerichtskommissär vornimmt, handelt.

Allgemeines

2. Notarielle Treuhandschaften hat der Notar unter strenger Beachtung der ihn von Gesetzen, von Richtlinien über das Verhalten und die Berufsausübung der Standesmitglieder, über die Buchführung und Kassagebarung, über die Vertragsbedingungen der Haftpflichtversicherung nach §30 NO, über die Anwendung von Tarifbestimmungen und durch Geschäftsbedingungen für Anderkonten der Notare treffenden Berufspflichten und der ihn aus den Treuhandvereinbarungen treffenden Pflichten durchzuführen.

3. Der Notar hat übernommene notarielle Treuhandschaften mit Redlichkeit, Genauigkeit und Fleiß in angemessener Frist durchzuführen und jede Mitwirkung zu verbotenen, verdächtigen oder zum Scheine vorgegebenen Geschäften zu versagen.

[…]

Treuhandvereinbarung

22. Der Notar hat Vereinbarungen über die Übernahme des Treuhandauftrages mit seinen Treugebern bzw. deren Vertretern oder Bevollmächtigten schriftlich abzuschließen. Der Treuhandauftrag hat die Aufgaben des Notars genau zu bestimmen.

23. Der Notar darf eine Treuhandvereinbarung nicht abschließen,

[…]

23.5. wenn einer der Treugeber dem Verständigungssystem nach §109a Abs5 NO und Punkt 38a. nicht zustimmt;

[…]

Anerkanntes Kreditinstitut

37. Der Notar hat Geldbeträge, die er im Rahmen einer eintragungspflichtigen Treuhandschaft übernommen hat, bei einem Kreditinstitut zu erlegen, das von der Österreichischen Notariatskammer für diesen Zweck anerkannt ist und dessen Anerkennung hiefür auf der Website der Österreichischen Notariatskammer kundgemacht ist. Der Notar hat den beabsichtigten Erlag eines Geldbetrages von mehr als EUR 100.000.000,00 (Großeinlage) ehestmöglich dem anerkannten Kreditinstitut zu melden.

Voraussetzung für die Anerkennung eines Kreditinstitutes gemäß §109a Abs5 NO für die Verwahrung der in Punkt 37. genannten Geldbeträge ist, daß das Kreditinstitut eine Einlagensicherung und die Kontoführung nach den folgenden Bedingungen gewährleistet:

38.1. Das Kreditinstitut hat für die von ihm für eintragungspflichtige Treuhandschaften geführten Notaranderkonten gegenüber der Österreichischen Notariatskammer über die gesetzliche Einlagensicherung hinausgehende, der Höhe nach unbeschränkte Solidar-Einlagenhaftungserklärungen beizubringen:

38.1.1. bundesgesetzlich vorgesehener Einlagensicherungseinrichtungen zweier Geldinstitutssektoren (Banken, Raiffeisen, Sparkassen, Volksbanken, Hypothekenbanken) oder

38.1.2. bundesgesetzlich vorgesehener Einlagensicherungseinrichtungen eines Geldinstitutssektors und eines dem Eigenkapital nach zu den fünf größten Banken zählenden Geldinstitutes, wobei letzteres einem anderen Geldinstitutssektor anzugehören hat oder

38.1.3. zweier dem Eigenkapital nach zu den zehn größten, im Inland zum Geschäftsbetrieb zugelassenen Banken zählender Geldinstitute, von denen zumindest eines zu den fünf größten Geldinstituten gehören muß und die beiden solidarisch haftenden Geldinstitute nicht demselben Geldinstitutssektor angehören dürfen, und deren Aufrechterhaltung einmal jährlich nachzuweisen;

38.2. das Kreditinstitut muß die in Verträgen der Österreichischen Notariatskammer mit Versicherern für Berufshaftpflicht und Vertrauensschäden der Notare vereinbarten und in Versicherungsbedingungen für diese Versicherungssparten enthaltenen Sicherheiten bei der Kontoführung rechtlich, organisatorisch und technisch gewährleisten;

38.3. die Kontoführung mit einem Verständigungssystem gemäß Punkt 38a.;

38.4. Zahlungsanweisungen des Notars zugunsten von Zahlungsempfängern, die bzw deren angegebene Konten bei angegebenem Kontotyp 'Treuhandkonto' (gemäß Punkt 38a.1.1.) dem Kreditinstitut nicht spätestens am Bankarbeitstag zuvor bekanntgegeben worden sind, dürfen vom Kreditinstitut nicht ausgeführt werden;

[…]

Schlussbestimmungen

[…]

62. Auf die Verwahrung von Abgabenbeträgen, die zur Weiterleitung an ein Gericht, eine Finanz- oder Verwaltungsbehörde oder an eine Gemeinde bestimmt sind, sind diese Richtlinien nicht anzuwenden, insoweit die Abgabenbeträge bei einem anerkannten Kreditinstitut (Punkt 38.) verwahrt werden.

[…]"

III. Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Zur Rechtslage bzw. zu seiner Antragslegitimation bringt der Antragsteller vor:

Gemäß §109a Abs5 NO habe ein Notar Geldbeträge, die er im Rahmen einer eintragungspflichtigen notariellen Treuhandschaft übernommen hat, bei einem Kreditinstitut zu erlegen, das von der Österreichischen Notariatskammer für diesen Zweck anerkannt ist. Die Österreichische Notariatskammer habe in Richtlinien die Voraussetzungen für die Anerkennung von Kreditinstituten nach Abs5 näher zu regeln (§109a Abs6 letzter Satz NO). Auf Grundlage dieser Verordnungsermächtigung (vgl. zudem §140a Abs2 Z8 und §140b Abs6 NO) habe die Österreichische Notariatskammer die in Rede stehenden Richtlinien über die Vorgangsweise bei notariellen Treuhandschaften erlassen.

Als anerkanntes Kreditinstitut im Sinne dieser Bestimmungen gelte derzeit allein die Notartreuhandbank AG mit Sitz in Wien. Der Antragsteller habe "aus wirtschaftlichen Gründen" sämtliche der von ihm im Rahmen der Treuhandschaft übernommenen Geldbeträge nicht bei der Notartreuhandbank AG, sondern auf Notaranderkonten bei nicht von der Österreichischen Notariatskammer anerkannten Kreditinstituten angelegt.

Als öffentlicher Notar sei er durch die angefochtenen Bedingungen für die Anerkennung eines Kreditinstitutes gemäß §109a Abs5 NO und das damit untrennbar verbundene Verbot des Abschlusses von Treuhandschaften, die nicht über ein Verständigungssystem eines von der Österreichischen Notariatskammer für diesen Zweck bereits anerkannten Kreditinstitutes gemäß Punkt 38a. THR 1999 an das Treuhandregister des österreichischen Notariats gemeldet werden können, unmittelbar betroffen, weil er bei Übernahme von notariellen Treuhandschaften Geldbeträge nicht mehr bei den allgemein und von Organen des Bundes anerkannten Kreditinstituten erlegen dürfe, bei denen er bisher die ihm anvertrauten Treugüter sicher und ertragreich erlegt habe. Die Rechtspflicht zum exklusiven Erlag bei der Notartreuhandbank AG und das oben erwähnte Verbot, mit anderen österreichischen Kredit- und Finanzinstituten iSd Bankwesengesetzes oder europäischen Banken Treuhandschaften abzuwickeln, griffen somit in seine Rechtssphäre unmittelbar und aktuell ein, ohne dass es hiefür einer behördlichen Entscheidung bedürfe. Für den Fall eines Zuwiderhandelns müsse er als Notar mit standesrechtlichen Konsequenzen bis hin zum Erlöschen des Amtes, jedenfalls aber mit der Verhängung von Disziplinarstrafen (zB Entsetzung aus dem Notariatsamt, Suspension) rechnen, was ihm nicht zumutbar sei.

Es stehe ihm auch kein anderer zumutbarer Weg zur Verfügung, um sich gegen die rechtswidrigen THR 1999 zur Wehr zu setzen; seine Antragslegitimation sei daher gegeben.

2. Der Antragsteller legt seine Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit der angefochtenen Verordnungsbestimmungen wie folgt dar:

Das von der Österreichischen Notariatskammer als Verordnungsgeberin in den Punkten 38.1. und 38.1.1. der Richtlinien vorgesehene Erfordernis der Beibringung über die gesetzliche Einlagensicherung hinausgehender, der Höhe nach unbeschränkter Solidar-Einlagenhaftungserklärungen durch bundesgesetzlich vorgesehene Einlagensicherungseinrichtungen zweier Geldinstitutssektoren könne außer von der Notartreuhandbank AG faktisch von keinem anderen Kreditinstitut erfüllt werden. Die Verpflichtung zur Eröffnung von Notaranderkonten (nur) bei der Notartreuhandbank AG und die damit einhergehende Beschränkung der Privatautonomie stelle eine Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG, Art1 1. ZPEMRK) dar. Zudem sei die bestehende "Monopolisierung" der Veranlagung von Treuhandgeldern bei einem "privilegierten" Kreditinstitut wie der Notar-treuhandbank AG, an der die Österreichische Notariatskammer als Verordnungsgeberin zu 49% beteiligt sei, sachlich nicht gerechtfertigt und führe zu einer Schlechterstellung österreichischer Notare gegenüber Rechtsanwälten oder in Deutschland amtierenden Notaren, die Treuhandgelder über sämtliche konzessionierte Kreditinstitute in Österreich und Deutschland abwickeln und dadurch einen "Wettbewerbsvorteil" erzielen könnten. Der sich aus den angefochtenen Richtlinienbestimmungen ergebende "Kontrahierungszwang" mit der Notartreuhandbank AG und die damit einhergehende Beschränkung der Ausübung des Notariats führe zu einer Verletzung im Recht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung (Art6 StGG). Letztlich könnten Registrierungen eintragungspflichtiger Treuhandschaften im Treuhandregister des österreichischen Notariats faktisch nur bei gleichzeitiger Anlage eines Notaranderkontos bei der Notartreuhandbank AG erfolgen; darin sei ein Verstoß gegen §140d NO zu erkennen, da es auch ohne Veranlagung von Treuhandgeldern bei der Notartreuhandbank AG möglich sein müsse, elektronische Meldungen an das Treuhandregister des österreichischen Notariats vorzunehmen.

3. Die Österreichische Notariatskammer erstattete eine Äußerung, in der sie die Zurückweisung des Antrages begehrt. Nach Ansicht der Verordnungsgeberin sei der Aufhebungsumfang vom Antragsteller zu eng gewählt worden, da sich die Vorschrift des Punktes 37. erster Satz THR 1999 im (nicht mitangefochtenen) §109a Abs5 NO wortident wiederfinde. Selbst im Falle einer Aufhebung des Punktes 37. erster Satz THR 1999 würde daher – zufolge der unterlassenen Anfechtung (auch) des §109a Abs5 NO – nicht eine Rechtslage geschaffen, die den Bedenken des Antragstellers Rechnung trage. Die vom Antragsteller im Hinblick auf die behauptete "Monopolstellung" der Notartreuhandbank AG dargelegten Bedenken gingen über den angefochtenen Punkt 23.5. THR 1999 hinaus, weshalb sich der Antrag auch insoweit als zu eng gefasst erweise. Die beantragte Aufhebung des Punktes 62. letzter Halbsatz THR 1999 hinwieder führte dazu, dass eine generelle Ausnahme für die Verwahrung von Abgabenbeträgen schlechthin geschaffen würde, womit die Bestimmung aber eine – von der Verordnungsgeberin nicht intendierte – wesentliche Bedeutungsänderung erführe.

3.1. In der Sache führt die Österreichische Notariatskammer im Hinblick auf die beantragte Aufhebung des Punktes 37. THR 1999 aus, dass die Bestimmung iVm §109a NO für Kreditinstitute eine (subjektive) "Erwerbsantrittsbeschränkung" normiere. Allerdings habe jedes Kreditinstitut einen Rechtsanspruch darauf, von der Österreichischen Notariatskammer anerkannt zu werden, sofern es die für alle Kreditinstitute gleichermaßen geltenden Anerkennungskriterien der THR 1999 erfülle. Eine Privilegierung der Notartreuhandbank AG sowie eine "Monopolisierung" der Veranlagung von notariellen Treuhandgeldern durch die angefochtenen Richtlinienbestimmungen lägen daher nicht vor. Aus Sicht der Notare stelle die in §109a Abs5 iVm Punkt 37. THR 1999 vorgesehene Eintragungspflicht lediglich eine Erwerbsausübungsbeschränkung dar. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes seien aber gerade im Bereich des Banken- und Kreditwesen Beschränkungen der Erwerbsfreiheit im öffentlichen Interesse gelegen und daher verfassungsrechtlich zulässig.

3.2. In Bezug auf die beantragte Aufhebung des Punktes 23.5. THR 1999 weist die Österreichische Notariatskammer darauf hin, dass das an den Notar gerichtete Verbot des Abschlusses einer Treuhandvereinbarung, wenn einer der Treugeber dem Verständigungssystem nach §109a Abs5 NO und Punkt 38a. THR 1999 nicht zustimmt, unabhängig vom Kreditinstitut bestehe und auch in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit der Anerkennung eines solchen durch die Österreichische Notariatskammer stehe. Die automationsunterstützte Verknüpfung zwischen Notar und anerkannter Bank einerseits sowie Bank und Treuhandregister andererseits bezwecke allein die Vermeidung unzulässiger Absprachen und diene sohin der Sicherung von Anlegerinteressen.

3.3. Mit der Aufhebung der angefochtenen Wortfolge des Punktes 62. THR 1999 würde die Verwahrung von Abgabenbeträgen generell nicht dem Regime des THR 1999 unterliegen. Es sei nicht ersichtlich, warum für Abgabenbeträge ein niedrigeres Schutzniveau gelten solle als für andere im Rahmen einer notariellen Treuhandschaft übernommene Geldbeträge.

4. Der Bundesminister für Justiz erstattete ebenfalls eine Äußerung, in der er primär die Zurückweisung des auch nach seiner Ansicht zu eng gefassten Antrages begehrt. In der Sache hält der Bundesminister für Justiz die Bedenken für nicht berechtigt, zumal das Regime der notariellen Treuhandschaft im öffentlichen Interesse des Verbraucher- und Mandantenschutzes gelegen sei.

IV. Erwägungen

1. Zur Zulässigkeit des Antrages

1.1. Gemäß Art139 Abs1 Z3 B VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, wenn die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist.

Voraussetzung der Antragslegitimation gemäß Art139 Abs1 Z3 B VG ist einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch die angefochtene Verordnung – im Hinblick auf deren Gesetzwidrigkeit – in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass die Verordnung für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, dass die Verordnung in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese – im Falle ihrer Gesetzwidrigkeit – verletzt.

Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, dass die Verordnung selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des – behaupteterweise – rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg 13.944/1994, 15.234/1998, 15.947/2000).

Die Bedenken des Antragstellers richten sich im Wesentlichen gegen die Verpflichtung, notarielle Treuhandgelder bei der Notartreuhandbank AG als einziges dazu befugtes Kreditinstitut zu veranlagen und damit gegen die fehlende Möglichkeit, Treuhandschaften über ein von ihm selbst gewähltes konzessioniertes Kreditinstitut abzuwickeln. Der Antragsteller ficht mit Punkt 37. erster Satz THR 1999 auch jene Verordnungsbestimmung an, aus der sich seine Verpflichtung zum Erlag bei der Notartreuhandbank AG unmittelbar ergibt (vgl. VfGH 10.12.2014, V93/2014). Insofern macht er einen durch diese Verordnungsbestimmung bewirkten nachteiligen Eingriff in seine Rechtsposition geltend. Der dadurch bedingte Eingriff ist nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst bestimmt und der Antragsteller auf Grund des Verbotes der Veranlagung von Treuhandgeldern bei einem selbst gewählten – von der Österreichischen Notariatskammer nicht anerkannten – Kreditinstitut nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt.

Ein anderer (zumutbarer) Weg, die durch die behauptete Gesetzwidrigkeit der angefochtenen Vorschrift des Punktes 37. erster Satz THR 1999 behauptetermaßen bewirkte Rechtsverletzung abzuwehren, steht dem Antragsteller nicht zur Verfügung, zumal ihm als Notar für den Fall eines Zuwiderhandelns standesrechtliche Konsequenzen drohen.

1.2. Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Gesetzmäßigkeit hin zu prüfenden Verordnungsbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Prüfungsverfahren schon wiederholt dargelegt hat (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Verordnungsteil nicht einen völlig veränderten Inhalt erhält und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Verordnungsstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden.

Dieser Grundposition folgend hat der Gerichtshof die Rechtsauffassung entwickelt, dass im Verordnungsprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl. zB VfSlg 15.964/2000). Unter dem Aspekt einer nicht trennbaren Einheit in Prüfung zu ziehender Vorschriften ergibt sich ferner, dass ein Prozesshindernis auch dann vorliegt, wenn es auf Grund der Bindung an den gestellten Antrag zu einer in der Weise isolierten Aufhebung einer Bestimmung käme, dass Schwierigkeiten bezüglich der Anwendbarkeit der im Rechtsbestand verbleibenden Vorschriften entstünden, und zwar in der Weise, dass der Wegfall der angefochtenen (Teile einer) Verordnungsbestimmung den verbleibenden Rest unverständlich oder auch unanwendbar werden ließe. Letzteres liegt dann vor, wenn nicht mehr mit Bestimmtheit beurteilt werden könnte, ob ein der verbliebenen Vorschrift zu unterstellender Fall vorliegt (vgl. zB VfSlg 19.624/2012).

Der Verfassungsgerichtshof geht davon aus, dass die (zum Teil) mitangefochtenen Punkte 23.5. und 62. THR 1999 mit Punkt 37. erster Satz THR 1999, gegen den die Bedenken im Wesentlichen gerichtet sind, in einem untrennbaren Zusammenhang stehen.

Entgegen der Ansicht der verordnungserlassenden Österreichischen Notariatskammer sowie des Bundesministers für Justiz führt jedoch der Umstand, dass der Antragsteller zwar Punkt 37. erster Satz THR 1999 (nach dem Geldbeträge, die der Notar im Rahmen einer eintragungspflichtigen notariellen Treuhandschaft übernommen hat, bei einem Kreditinstitut zu erlegen hat, das von der Österreichischen Notariatskammer für diesen Zweck anerkannt ist), nicht aber die eine wortidente Verpflichtung enthaltende Gesetzesstelle des §109a Abs5 erster Satz NO (mit)angefochten hat, vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nicht zur Unzulässigkeit des Antrages (vgl. VfSlg 15.316/1998 mwN). Die gemeinsame Anfechtung einer Verordnungsbestimmung mit einer Gesetzesbestimmung ist demnach zwar zulässig, aber nicht zwingend, zumal sich die (vom Antragsteller als gesetzwidrig erachtete) Verpflichtung primär aus den – von der Österreichischen Notariatskammer auf Grund der in §109a Abs6 letzter Satz NO vorgesehenen Verordnungsermächtigung erlassenen – THR 1999 ergibt.

1.3. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich der Antrag als zulässig.

2. In der Sache

2.1. Der Verfassungsgerichtshof ist in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung gemäß Art139 B VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken beschränkt (vgl. VfSlg 11.580/1987, 14.044/1995, 16.674/2002). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Verordnung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen gesetzwidrig ist (VfSlg 15.644/1999, 17.222/2004).

2.2. Der Antrag ist nicht begründet:

2.3. §109a NO, der durch BGBl I 72/1999 in die Notariatsordnung eingefügt und zuletzt durch BGBl I 141/2009 novelliert wurde, normiert in seinem Absatz 5 die Verpflichtung des Notars, Geldbeträge, die er im Rahmen einer eintragungspflichtigen notariellen Treuhandschaft übernommen hat, bei einem Kreditinstitut zu erlegen, das von der Österreichischen Notariatskammer für diesen Zweck anerkannt ist; Absatz 6 enthält eine an die Österreichische Notariatskammer als Verordnungsgerberin gerichtete Ermächtigung, in Richtlinien die Voraussetzungen für die Anerkennung von Kreditinstituten näher zu regeln. Die gesetzliche Vorschrift dient nach den Materialien in erster Linie dem Schutz der Klienten des Notars bei der Abwicklung von Treuhandschaften (RV 1633 BlgNR 20. GP, 15 f.). Die Österreichische Notariatskammer hat in Richtlinien vom 8. Juni 1999 über die Vorgangsweise bei notariellen Treuhandschaften idF des Delegiertentagsbeschlusses vom 23. Oktober 2014 u.a. die Pflichten des Notars beim Eingehen einer Treuhandvereinbarung (Punkt 22. ff. THR 1999) sowie die Voraussetzungen für die Anerkennung eines Kreditinstitutes (Punkt 37. ff. THR 1999) näher geregelt.

2.4. Der Antragsteller wendet sich mit dem vorliegenden Antrag im Kern gegen die Verpflichtung, notarielle Treuhandgelder bei der Notartreuhandbank AG als einziges dazu befugtes Kreditinstitut zu veranlagen und damit gegen die fehlende Möglichkeit, Treuhandschaften über ein von ihm selbst gewähltes konzessioniertes Kreditinstitut abzuwickeln, und erblickt darin einen Verstoß gegen die verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, auf Unversehrtheit des Eigentums und auf Freiheit der Erwerbsbetätigung.

2.5. Ein System, das den Notar verpflichtet, Treuhandgelder im Sinne des Klientenschutzes bei einer Bank zu erlegen, die spezifischen Anforderungen genügt, begegnet unter dem Blickwinkel dieser Grundrechte des Notars keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

V. Ergebnis

1. Die vom Antragsteller ob der Punkte 23.5. und 37. erster Satz sowie der Wortfolge "insoweit die Abgabenbeträge bei einem anerkannten Kreditinstitut (Punkt 38.) verwahrt werden." in Punkt 62. der Richtlinien der Österreichischen Notariatskammer vom 8. Juni 1999 über die Vorgangsweise bei notariellen Treuhandschaften idF des Delegiertentagsbeschlusses vom 23. Oktober 2014 erhobenen Bedenken treffen nicht zu. Der Antrag ist daher abzuweisen.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Rückverweise