JudikaturVfGH

V198/2023 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
28. November 2023

Spruch

I. Der Antrag auf Aufhebung der Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde St. Kanzian am Klopeiner See vom 17. Mai 2022, Zl 8/2022, mit der eine befristete Bausperre erlassen wird, elektronisch kundgemacht am 18. Mai 2022, wird abgewiesen, soweit er sich auf die Grundstücke Nr 932/2 und 934/1, KG Srejach, bezieht.

II. Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe

I. Antrag

Mit dem vorliegenden, auf Art139 Abs1 Z1 B VG gestützten Antrag begehrt das Landesverwaltungsgericht Kärnten, der Verfassungsgerichtshof möge erkennen, dass

"1. die Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde St. Kanzian am Klopeiner See vom 17.05.2022, Zahl: 8/2022, mit der eine befristete Bausperre erlassen wird, elektronisch kundgemacht am 18.05.2022, als gesetzwidrig aufgehoben wird,

in eventu

2. die Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde St. Kanzian am Klopeiner See vom 17.05.2022, Zahl: 8/2022, mit der eine befristete Bausperre erlassen wird, bezogen auf die Grundstücke Nr 932/2 und 934/1, KG Srejach, elektronisch kundgemacht am 18.05.2022, als gesetzwidrig aufgehoben wird,

in eventu

3. §2 Abs3 der Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde St. Kanzian am Klopeiner See vom 17.05.2022, Zahl: 8/2022, mit der eine befristete Bausperre erlassen wird, elektronisch kundgemacht am 18.05.2022, als gesetzwidrig aufgehoben wird,

in eventu

4. §2 Abs3 Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde St. Kanzian am Klopeiner See vom 17.05.2022, Zahl: 8/2022, mit der eine befristete Bausperre erlassen wird, bezogen auf die Grundstücke Nr 932/2 und 934/1, KG Srejach, elektronisch kundgemacht am 18.05.2022, als gesetzwidrig aufgehoben wird."

II. Rechtslage

§46 des Kärntner Raumordnungsgesetzes 2021 (K-ROG 2021), LGBl 59/2021, lautet:

"6. Abschnitt

Befristete Bausperre

§46

Befristete Bausperre

(1) Der Gemeinderat hat durch Verordnung vor der Erlassung oder Änderung eines Bebauungsplanes für das gesamte Gemeindegebiet oder vor der Erlassung oder Änderung eines Teilbebauungsplanes für die davon betroffenen Teile desselben eine befristete Bausperre zu verfügen, wenn sonst die Durchführung der Bebauungsplanung wesentlich erschwert oder die beabsichtigte Wirkung eines Bebauungsplanes beeinträchtigt würde. In der Verordnung sind die angestrebten Ziele oder die beabsichtigten Änderungen eines Bebauungsplanes anzuführen.

(2) Der Gemeinderat darf nach der Erstellung oder Änderung des örtlichen Entwicklungskonzeptes für einzelne Teile des Gemeindegebietes mit Verordnung eine befristete Bausperre verfügen, wenn dies unter Bedachtnahme auf die örtlichen Gegebenheiten in den davon betroffenen Teilen des Gemeindegebietes erforderlich ist, um die Umsetzung der im örtlichen Entwicklungskonzept enthaltenen Planungsabsichten der Gemeinde durch eine entsprechende Änderung des Flächenwidmungsplanes sicherzustellen.

(3) Der Gemeinderat hat Verordnungen, mit denen eine befristete Bausperre verfügt worden ist, mit dem Wirksamwerden des Bebauungs- oder Flächenwidmungsplanes, aus Anlass dessen sie erlassen worden sind, längstens aber nach Ablauf von zwei Jahren nach deren Erlassung, aufzuheben. Die Geltungsdauer solcher Verordnungen darf einmal um höchstens ein Jahr verlängert werden, wenn die Bebauungs- oder Flächenwidmungsplanungen aus Gründen, die nicht von der Gemeinde verschuldet worden sind, nicht rechtzeitig abgeschlossen werden konnten.

(4) Während der Geltung der befristeten Bausperre dürfen Baubewilligungen nach §6 lita K-BO 1996 nicht erteilt werden, wenn dadurch die Umsetzung konkreter Planungsabsichten der Gemeinde im Rahmen der Bebauungs- oder Flächenwidmungsplanung wesentlich erschwert oder ihre beabsichtigten Wirkungen wesentlich beeinträchtigt würden."

Die Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde St. Kanzian am Klopeiner See vom 17. Mai 2022, Zahl: 8/2022 mit der eine befristete Bausperre erlassen wird, lautet wie folgt:

"Gemäß §46 Abs1 des Kärntner Raumordnungsgesetzes, K ROG 2021, LGBl Nr 59/2021, wird verordnet:

§1 Geltungsbereich

(1) Diese Verordnung gilt für den Wirkungsbereich des textlichen Bebauungsplanes vom 04.04.2003, Zahl.: 340/9/III/1/2003 der Gemeinde St. Kanzian am Klopeiner See.

Die Erläuterungen sind integrierender Bestandteil der Verordnung.

(2) Ausgenommen von der Bausperre sind wie folgt:

a) Bauvorhaben im Wirkungsbereich eines Teilbebauungsplanes bzw einer integrierten Flächenwidmungs- und Bebauungsplanung.

b) Bauvorhaben in Bauland Gewerbegebieten, Bauland Geschäftsgebieten, Bauland Sondergebieten und im Bereich von Vorbehaltsflächen gemäß §29 K ROG 2021 bis maximal 3,0 Geschosse. Die Zulässigkeit der Errichtung des dritten Geschosses ist an eine positive Beurteilung der Ortsbildpflegekommission gebunden.

c) Bauvorhaben in Bauland Wohn- und Bauland Dorfgebieten gemäß dem III. Abschnitt des K WBFG 2017 bis maximal 3,0 Geschosse. Die Zulässigkeit der Errichtung des dritten Geschosses ist an eine positive Beurteilung der Ortsbildpflegekommission gebunden.

d) Bauvorhaben bis maximal 3,0 Geschosse, welche vorrangig der infrastrukturellen Versorgung der Einwohner der Gemeinde dienen wie zB Schulen, Kindergärten, Bauhof, Veranstaltungsgebäude udgl. Die Zulässigkeit der Errichtung des dritten Geschosses ist an eine positive Beurteilung der Ortsbildpflegekommission gebunden.

e) Bauvorhaben für gewerblich-touristische Zwecke bis maximal 3,0 Geschosse und die eine bauliche Dichte (GFZ) von 0,50 nicht überschreiten. Die Zulässigkeit der Errichtung des dritten Geschosses ist an eine positive Beurteilung der Ortsbildpflegekommission gebunden.

f) Nicht unter litb) fallende Bauvorhaben für landwirtschaftliche Betriebe, Gewerbe-, Geschäfts- oder Dienstleistungsbetriebe bis maximal 3,0 Geschosse und die eine bauliche Dichte (GFZ) von 0,50 nicht überschreiten. Je Bauvorhaben sind maximal drei Wohneinheiten zulässig. Die Zulässigkeit der Errichtung des dritten Geschosses ist an eine positive Beurteilung der Ortsbildpflegekommission gebunden.

g) Nicht unter litb) bis f) fallende Bauvorhaben mit Wohnungen in offener Bebauungsweise, die maximal 2,0 Geschosse und maximal 3 Wohneinheiten aufweisen sowie eine bauliche Dichte (GFZ) von 0,50 nicht überschreiten. In Hanglage sind maximal 3,0 Geschosse (talseitig berechnet) zulässig.

h) Nicht unter litb) bis g) fallende und nicht dem Wohnzweck dienende bis zweigeschossige Bauvorhaben, welche eine bauliche Dichte (GFZ) von 0,50 nicht überschreiten.

i) Über die Bestimmungen litb) bis h) hinausgehende Bauvorhaben, welche Um- und Zubauten bestehender Gebäude betreffen, sofern die Kubatur des Gebäudes um nicht mehr als 20 % vergrößert wird sowie die bestehende Bauhöhe und die max. zulässige bauliche Dichte (GFZ) nicht überschritten werden. Für eine thermische Sanierung des Daches darf die bestehende Bauhöhe um maximal 30 cm überschritten werden.

j) Bauvorhaben im und am Bestandsgebäude (inkl. thermische Sanierung), Bauvorhaben ohne Gebäudeeigenschaft und Bauvorhaben, die keiner Baubewilligung bedürfen.

k) Bauvorhaben, welche zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Verordnung bereits zur Bauverhandlung ausgeschrieben wurden und noch aktiv sind. Änderungen von diesbezüglichen Bauvorhaben in Form einer vermehrten Inanspruchnahme von Bebauungsmöglichkeiten sind nur unter Einhaltung der Bestimmungen der gegenständlichen Verordnung zulässig.

§2 Planungsabsicht

(1) Der Gemeinderat der Gemeinde St. Kanzian am Klopeiner See beabsichtigt, den textlichen Bebauungsplan für das Gemeindegebiet der Gemeinde St. Kanzian am Klopeiner See aus dem Jahr 2003 im Rahmen einer generellen Revision als Generalbebauungsplan neu zu erlassen.

(2) Die Festlegung der befristeten Bausperre erfolgt zur Vermeidung einer Beeinträchtigung der beabsichtigten Wirkung des Generalbebauungsplanes.

(3) Die vorrangigen Ziele der Revision des textlichen Bebauungsplanes sind wie folgt:

a) Treffen von zeitgemäßen normativen Festlegungen basierend auf den aktuellen Bestimmungen und Intentionen des K ROG 2021 und basierend auf einer umfassenden Grundlagenforschung vor allem hinsichtlich Bebauungsstruktur, Orts- und Landschaftsbild, Bedarf ortsansässige Bevölkerung, infrastruktureller Ausstattungen und struktureller Problemfelder sowie diesbezüglich abgeleitete und im öffentlichen Interesse liegende Planungszielsetzungen.

b) Verstärkte Bedachtnahme auf die Erhaltung bzw den Schutz des charakteristischen Orts- und Landschaftsbildes sowie der Seeufer und der Seenahbereiche.

c) Stärkung des Ortszentrums und der Siedlungsschwerpunkte mit Wohnbebauungen für Hauptwohnsitze und Vermeidung verdichteter bzw großvolumiger Wohnbauvorhaben in raumplanerisch nicht bzw nur mäßig geeigneten Bereichen. Dies vor allem unter Berücksichtigung der Maßstäblichkeit des Ortsbildes, infrastruktureller Gegebenheiten, maßvoller Verdichtungen, der Erhaltung des Orts- und Landschaftsbildes, von funktionalen Vorrang- und Eignungszonen und dem Bedarf der ortsansässigen Bevölkerung.[.]

d) Sicherstellung der Rahmenbedingungen für einen leistungsfähigen Tourismus unter Bedachtnahme auf die soziale Tragfähigkeit, die ökologische Belastbarkeit, die Erfordernisse des Landschafts- und Naturschutzes und auf die Planungszielsetzungen der Gemeinde.

e) Festlegung unterschiedlicher Bebauungszonen und damit Festlegung unterschiedlicher Bebauungsbedingungen für Teilräume entsprechend planerischen Zielsetzungen und funktionalen Erfordernissen.

§3 Inkrafttreten

(1) Diese Verordnung tritt mit Ablauf des Tages der Freigabe zur Abfrage im Internet in Kraft.

Der Bürgermeister:

[…]"

III. Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Die erstbeteiligte Partei beantragte mit Eingabe vom 30. Juni 2021 eine Baubewilligung für die Errichtung einer Wohnhausanlage auf den Grundstücken Nr 932/2 und 934/1, KG Srejach. Die zweitbeteiligte Partei ist Eigentümerin dieser Grundstücke.

Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde St. Kanzian am Klopeiner See vom 17. November 2022 abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass der Gemeinderat dieser Gemeinde mit Verordnung vom 17. Mai 2022, Zl 8/2022, eine befristete Bausperre erlassen habe, die der Erteilung der beantragten Baubewilligung gemäß §46 Abs4 K ROG 2021 entgegenstehe: Demnach dürften Baubewilligungen während einer befristeten Bausperre nicht erteilt werden, wenn dadurch die Umsetzung konkreter Planungsabsichten der Gemeinde im Rahmen der Bebauungs- oder Flächenwidmungsplanung wesentlich erschwert oder ihre beabsichtigten Wirkungen wesentlich beeinträchtigt würden. Dies treffe auf das beantragte Bauvorhaben zu.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde brachten die beteiligten Parteien vor, die belangte Behörde hätte die in der Verordnung über die Erlassung der befristeten Bausperre definierten Planungsabsichten dem konkreten Projekt gegenüberstellen und prüfen müssen, ob das Projekt diesen Zielen entgegenstehe. Dies sei nämlich nicht der Fall.

Das Landesverwaltungsgericht Kärnten hat die Bedenken, die es zur Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof bestimmt haben, wie folgt dargelegt: Der Verfassungsgerichtshof habe in seiner Rechtsprechung betont, dass in einer Verordnung über die Erlassung einer befristeten Bausperre die Änderungsabsicht hinsichtlich der geplanten Änderung eines Bebauungsplanes mit hinreichender Deutlichkeit hervortreten müsse. Dem scheine die im vorliegenden Fall anzuwendende Verordnung nicht zu genügen: Zwar beschrieben die in §2 Abs3 der Verordnung formulierten Ziele die Mängel des bestehenden Bebauungsplanes, doch seien die dahingehenden Änderungsabsichten nicht mit hinreichender Deutlichkeit definiert. Dies komme insbesondere durch §2 Abs3 lita der Verordnung zum Ausdruck, aus dem hervorgehe, dass vor der Revision des textlichen Bebauungsplanes zunächst eine Grundlagenforschung mit Bezug auf näher bezeichnete öffentliche Interessen vorgenommen werden solle. Dies lege nahe, dass die Änderungsabsichten des Bebauungsplanes noch nicht hinreichend konkret vorlägen. Hinzu komme, dass die von der Verordnung vorgesehenen Ausnahmen von der befristeten Bausperre nicht gesetzlich gedeckt seien. Aus diesen Gründen scheine die Verordnung nicht den Anforderungen des Art18 Abs2 B VG zu genügen.

2. Die verordnungserlassende Behörde hat eine Äußerung erstattet, in der den im Antrag erhobenen Bedenken wie folgt entgegengetreten wird: Die Verordnung enthalte ausreichend konkrete Planungszielsetzungen in Form von ausführlichen Erläuterungen. Unter Berücksichtigung der Normierung von Ausnahmetatbeständen in §1 Abs2 der Verordnung ergäben sich nachvollziehbare und eindeutige Maßstäbe für deren baubehördliche Anwendung. Die Normierung von Ausnahmen vom Anwendungsbereich der Verordnung sei ein gelinderes Mittel und stehe §46 Abs1 K ROG 2021 nicht entgegen. Hingegen wäre die Festlegung einer befristeten Bausperre für das gesamte Gemeindegebiet und hinsichtlich sämtlicher Bauvorhaben unverhältnismäßig. Es werde deshalb beantragt, den Antrag des Landesverwaltungsgerichtes Kärnten abzuweisen.

3. Die Landesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie die Zurückweisung, in eventu die Abweisung des vorliegenden Antrages begehrt: Trotzdem das Landesverwaltungsgericht Kärnten die Aufhebung der Verordnung begehre, würden als maßgebliche Verordnungsbestimmungen lediglich die §§1 bis 3 leg. cit. angeführt, nicht hingegen die gemäß §1 Abs1 leg cit einen Bestandteil der Verordnung bildenden Erläuterungen. Weil das Landesverwaltungsgericht Kärnten folglich verkenne, dass die Erläuterungen Teil der kundgemachten Verordnung seien, habe es die angefochtenen Normen nicht genau und eindeutig bezeichnet. Hinzu komme, dass die Verordnung – entgegen dem Antragsvorbringen – auf die Grundstücke Nr 932/2 und 934/1, KG Srejach, keinen Bezug nehme, weshalb auch keine dahingehende Aufhebung der Verordnung erfolgen könne. Ausgehend davon sei der Antrag des Landesverwaltungsgerichtes Kärnten zurückzuweisen.

In der Sache sei dem Landesverwaltungsgericht Kärnten Folgendes zu entgegnen: Soweit es vorbringe, in der Verordnung würden die den Bebauungsplan betreffenden Änderungsabsichten nicht mit hinreichender Deutlichkeit hervortreten, habe der Verfassungsgerichtshof für die Zulässigkeit einer Bausperre gefordert, dass anlässlich der Verhängung der Bausperre die beabsichtigten Planungsmaßnahmen in der Verordnung soweit zum Ausdruck zu bringen seien, dass sie einen Maßstab für die baubehördliche Entscheidung im Einzelfall liefere und eine nachprüfende Kontrolle ermögliche. Der Verfassungsgerichtshof gehe ferner davon aus, dass es genüge, in der Verordnung über die Bausperre die beabsichtigen Änderungen zu benennen, ohne dass die Rechtmäßigkeit der Bausperre von der Zulässigkeit der Änderungsabsichten abhänge. Ob nämlich die Voraussetzungen für eine Planänderung vorliegen, müsse bei der Erlassung der Verordnung über die Bausperre noch nicht geprüft werden. Alle Einwände, die die Fehlerhaftigkeit der Änderungsabsichten dartun wollten, gingen sohin ins Leere. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sei es nämlich gerade Zweck einer Bausperre, innerhalb ihres – von vornherein begrenzten – Geltungszeitraumes die Frage zu prüfen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Änderung der Planungsnorm vorliegen. Im Sinne dieser Judikatur sei in §46 Abs1 K-ROG 2021 ausdrücklich aufgenommen worden, dass die angestrebten Ziele oder die beabsichtigten Änderungen eines Bebauungsplanes in der Verordnung anzuführen seien. In den Erläuterungen zur Verordnung würden iVm §2 Abs3 der Verordnung unter Punkt A. ausführlich die generellen Rahmenbedingungen und Zielsetzungen präzisiert. Dass darüber hinaus die Erläuterungen auch Informationen enthielten, die keine normativen Wirkungen äußerten, begründe nicht die Gesetzwidrigkeit der Verordnung. Wenn das Landesverwaltungsgericht Kärnten für die angebliche mangelnde Bestimmtheit der Verordnung auf §2 Abs3 lita der Verordnung verweise, zeige dies, dass es den Normzweck einer Bausperre verkenne. Das Landesverwaltungsgericht gehe nämlich davon aus, dass die Grundlagenforschung bereits abgeschlossen sein müsse, um eine Bausperre erlassen zu können. Dabei übersehe das Landesverwaltungsgericht, dass die Grundlagenforschung nicht im Zuge der Verhängung der Bausperre anzustellen sei, sondern erst im Verfahren zur Änderung der Bebauungsplanung.

Wenn das Landesverwaltungsgericht Kärnten der Auffassung sei, dass §1 Abs2 der Verordnung vor dem Hintergrund von §46 Abs1 K-ROG 2021 auf gesetzwidrige Weise bestimme, dass die Verordnung nicht für das gesamte Gemeindegebiet erlassen wurde, zeige dies, dass es Zweck und Inhalt des §1 Abs2 der Verordnung verkenne. Normzweck sei gemäß §1 Abs2 iVm den Erläuterungen Punkt A. letzter Absatz der Verordnung, dass die Bausperre nur jene Bereiche erfasse, die zur Sicherung der Intentionen der geplanten Änderungen der Bebauungsplanung erforderlich und zweckmäßig seien. §1 Abs2 der Verordnung begrenze den Norminhalt aus diesem Grund auch auf die Ausnahme der angeführten "Bauvorhaben". Weder aus dem Zweck noch dem Inhalt des §1 Abs2 der Verordnung ergebe sich aber eine Ausnahme von Teilen des Gemeindegebietes. Schließlich übersehe das Landesverwaltungsgericht Kärnten, dass §1 Abs2 der Verordnung gerade auch der vom Landesverwaltungsgericht in Zweifel gezogenen Bestimmtheit der Verordnung gemäß Art18 Abs2 B VG diene. Denn so sei für jene Bauwerber, deren geplantes Bauvorhaben ausdrücklich ausgenommen sei, die Rechtslage schon auf Grund des Wortlautes der Verordnung erkennbar. Insofern könne §1 Abs2 der Verordnung auf §46 Abs1 K-ROG 2021 gestützt werden.

4. Die Parteien des Verfahrens vor dem Landesverwaltungsgericht Kärnten haben als beteiligte Parteien eine Äußerung erstattet, in der sie sich den Bedenken des Landesverwaltungsgerichtes Kärnten anschließen.

IV. Erwägungen

1. Zur Zulässigkeit des Antrages

1.1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art139 Abs1 Z1 B VG bzw des Art140 Abs1 Z1 lita B VG nur dann wegen Fehlens der Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).

1.2. Im Verfahren ist nichts hervorgekommen, was an der Präjudizialität der angefochtenen Verordnung zweifeln ließe; weder der Gemeinderat der Gemeinde St. Kanzian am Klopeiner See noch die Kärntner Landesregierung ziehen in ihren Äußerungen die Präjudizialität der angefochtenen Verordnung in Zweifel.

1.3. Ein von Amts wegen oder auf Antrag eines Gerichtes eingeleitetes Normenprüfungsverfahren dient der Herstellung einer verfassungsrechtlich einwandfreien Rechtsgrundlage für das Anlassverfahren (vgl VfSlg 11.506/1987, 13.701/1994).

Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Gesetzmäßigkeit zu prüfenden Verordnungsbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Normenprüfungsverfahren schon wiederholt dargelegt hat (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Teil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Stelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden.

Dieser Grundposition folgend hat der Verfassungsgerichtshof die Rechtsauffassung entwickelt, dass im Normenprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl VfSlg 16.212/2001, 16.365/2001, 18.142/2007, 19.496/2011, 20.154/2017). Das antragstellende Gericht hat all jene Normen anzufechten, die für das anfechtende Gericht präjudiziell sind und vor dem Hintergrund der Bedenken für die Beurteilung der allfälligen Verfassungswidrigkeit der Rechtslage eine untrennbare Einheit bilden. Es ist dann Sache des Verfassungsgerichtshofes, darüber zu befinden, auf welche Weise eine solche Verfassungswidrigkeit – sollte der Verfassungsgerichtshof die Auffassung des antragstellenden Gerichtes teilen – beseitigt werden kann (VfSlg 16.756/2002, 19.496/2011, 19.684/2012, 19.903/2014; VfGH 10.3.2015, G201/2014).

Unzulässig ist der Antrag etwa dann, wenn der im Falle der Aufhebung im begehrten Umfang verbleibende Rest einer Verordnungsstelle als sprachlich unverständlicher Torso inhaltsleer und unanwendbar wäre (VfSlg 16.279/2001, 19.413/2011; VfGH 19.6.2015, G211/2014; 7.10.2015, G444/2015; VfSlg 20.082/2016), der Umfang der zur Aufhebung beantragten Bestimmungen so abgesteckt ist, dass die angenommene Gesetzwidrigkeit durch die Aufhebung gar nicht beseitigt würde (vgl zB VfSlg 18.891/2009, 19.933/2014), oder durch die Aufhebung bloßer Teile einer Verordnung dieser ein völlig veränderter, dem Verordnungsgeber überhaupt nicht mehr zusinnbarer Inhalt gegeben würde (VfSlg 18.839/2009, 19.841/2014, 19.972/2015, 20.102/2016).

1.4. In seinem Hauptantrag beantragt das Landesverwaltungsgericht Kärnten die gänzliche Aufhebung der angefochtenen Verordnung. Dem steht entgegen, dass das Landesverwaltungsgericht Kärnten die beanstandete Verordnung über die Erlassung einer befristeten Bausperre lediglich in Bezug auf die Grundstücke Nr 932/2 und 934/1, KG Srejach, anzuwenden hat, nicht aber hinsichtlich der sonstigen von der Bausperre erfassten Grundstücke. Die angefochtene Verordnung ist folglich nur insoweit präjudiziell und der Antrag auch nur insoweit zulässig, als sich die angefochtene Verordnung auf die Grundstücke Nr 932/2 und 934/1, KG Srejach, bezieht, da die Bestimmungen der Verordnung insoweit offenkundig trennbar sind (

vgl VfGH 27.11.2018, V50/2018; 28.11.2019, V43/2019; 22.9.2020, V67/2019; VfSlg 20.511/2021). Im Übrigen ist der Hauptantrag als unzulässig zurückzuweisen.

1.5. Angesichts der Zulässigkeit des Hauptantrages hinsichtlich der Aufhebung der Verordnung in Bezug auf die Grundstücke Nr 932/2 und 934/1, KG Srejach, erübrigt es sich, auf die Eventualanträge einzugehen.

2. In der Sache

2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung gemäß Art139 B VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken zu beschränken (vgl VfSlg 11.580/1987, 14.044/1995, 16.674/2002). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den im Antrag dargelegten Gründen gesetzwidrig ist (VfSlg 15.644/1999, 17.222/2004).

2.2. Soweit zulässig, ist der Antrag jedoch nicht begründet.

2.3. Das Landesverwaltungsgericht Kärnten stützt seine Bedenken auf zweierlei: Zum einen entspreche die angefochtene Verordnung nicht §46 Abs1 letzter Satz K ROG 2021, weil sie die angestrebten Ziele oder die beabsichtigten Änderungen des zu erlassenden Bebauungsplanes nicht hinreichend konkret anführe, was auch durch den Umstand verdeutlicht werde, dass dahingehend noch keine Grundlagenforschung durchgeführt worden sei. Zum anderen seien die von der Verordnung vorgesehenen Ausnahmen von der befristeten Bausperre nicht gesetzlich gedeckt, weil §46 Abs1 K ROG 2021 anordne, dass sich die Bausperre auf das gesamte Gemeindegebiet zu beziehen habe.

2.4. Der Verfassungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung für die Zulässigkeit einer Bausperre gefordert, dass anlässlich der Verhängung der Bausperre die beabsichtigten Planungsmaßnahmen in der kundgemachten Verordnung zum Ausdruck zu bringen sind (vgl zB VfSlg 9910/1983, 10.953/1986). Dies deckt sich mit §46 Abs1 letzter Satz K-ROG 2021, wonach in der Verordnung über die Bausperre die angestrebten Ziele oder die beabsichtigten Änderungen eines Bebauungsplanes anzuführen sind.

2.5. Entgegen der Auffassung des Landesverwaltungsgerichtes Kärnten führt die angefochtene Verordnung die angestrebten Ziele der zu erlassenden Revision des textlichen Bebauungsplanes in §2 Abs3 leg cit hinreichend konkret an (zB Bedachtnahme auf das Orts- und Landschaftsbild; Erhaltung der Seeuferbereiche; Stärkung des Ortszentrums; Vermeidung großvolumiger Wohnbauvorhaben in raumplanerisch nicht geeigneten Bereichen). Im Übrigen ist – wie die Kärntner Landesregierung zutreffend vorbringt – auf §1 zweiter Satz der angefochtenen Verordnung zu verweisen, wonach deren Erläuterungen zum "Bestandteil der Verordnung" erklärt werden. Damit werden die in §2 Abs3 der Verordnung genannten Planungsziele weiter konkretisiert. Die Grundlagenforschung ist überdies nicht schon bei der Verhängung einer Bausperre durchzuführen, sondern erst im Verfahren zur Änderung des textlichen Bebauungsplanes (vgl VfSlg 14.271/1995; 17.325/2004).

2.6. Soweit sich das Landesverwaltungsgericht Kärnten gegen die in §1 Abs2 der angefochtenen Verordnung festgelegten Ausnahmen wendet, ist ihm Folgendes entgegenzuhalten:

§46 Abs4 K ROG 2021 sieht vor, dass Baubewilligungen nach §6 lita K BO 1996 während der Geltung einer befristeten Bausperre nicht erteilt werden dürfen, wenn dadurch die Umsetzung konkreter Planungsabsichten der Gemeinde im Rahmen der Bebauungs- oder Flächenwidmungsplanung wesentlich erschwert oder ihre beabsichtigten Wirkungen wesentlich beeinträchtigt würden. Umgekehrt ist die Erteilung von Baubewilligungen zulässig, wenn der soeben beschriebene Tatbestand nicht verwirklicht ist, was im Übrigen auch verfassungsrechtlich geboten ist: Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist es nämlich weder von der Sache her begründet noch im öffentlichen Interesse erforderlich, auf Grund einer befristeten Bausperre, die der Sicherung der Durchsetzung einer zukünftigen Bebauungsplanung dient, Baubewilligungen stets und ausnahmslos auszuschließen. Denn dadurch würde ohne sachliche Notwendigkeit auch eine Baubewilligung für Bauten als unzulässig erklärt, die mit den Planungsabsichten laut Bausperre vereinbar sind (VfSlg 15.577/1999).

Vor diesem Hintergrund ist dem Gemeinderat der Gemeinde St. Kanzian am Klopeiner See nicht entgegenzutreten, wenn er bereits in der Bausperre Ausnahmen vorsieht, die mit den Planungsabsichten nicht in Konflikt stehen und somit den Vollzug der Verordnung sowie des §46 Abs4 K ROG 2021 vereinfachen. Nur zur Klarstellung sei angemerkt, dass dies nicht bedeutet, dass all jene Bauvorhaben, die von der Aufzählung der Ausnahmen nicht erfasst sind, deswegen generell keiner Bewilligung zugänglich sind. Solche Bauvorhaben sind dann vielmehr von der Baubehörde nach Maßgabe der §46 Abs1 und Abs4 K ROG 2021 dahingehend zu prüfen, ob durch ihre Verwirklichung die Umsetzung konkreter Planungsabsichten der Gemeinde im Rahmen der Bebauungs- oder Flächenwidmungsplanung wesentlich erschwert oder ihre beabsichtigten Wirkungen wesentlich beeinträchtigt würden. Ausgehend von diesem Verständnis ist auch §1 Abs2 der angefochtenen Verordnung nicht zu beanstanden.

V. Ergebnis

1. Die vom Landesverwaltungsgericht Kärnten ob der Gesetzmäßigkeit der Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde St. Kanzian am Klopeiner See vom 17. Mai 2022, Zl 8/2022, mit der eine befristete Bausperre erlassen wird, elektronisch kundgemacht am 18. Mai 2022, erhobenen Bedenken treffen, soweit sie sich auf die Grundstücke Nr 932/2 und 934/1, KG Srejach beziehen, nicht zu. Der Antrag ist daher insoweit abzuweisen.

2. Im Übrigen ist der Antrag als unzulässig zurückzuweisen.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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