U528/2013 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung
Spruch
Der Antrag auf Berichtigung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 7. Oktober 2015, U528/2013 12, wird zurückgewiesen.
Begründung
1. Mit Erkenntnis vom 7. Oktober 2015 hat der Verfassungsgerichtshof der Beschwerde des Beschwerdeführers im Spruchpunkt I. stattgegeben, ausgesprochen, dass er durch die angefochtene Entscheidung des Asylgerichtshofes im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt worden ist und die angefochtene Entscheidung aufgehoben. Mit Spruchpunkt II. hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, dass der "Bund (Bundesministerin für Inneres) schuldig [ist], dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.620,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen".
2. Mit Schriftsatz vom 26. November 2015 beantragt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) gemäß §35 VfGG iVm §419 ZPO und §42 Abs1 GO-VfGH das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 7. Oktober 2015 zu berichtigen.
2.1. Begründend führt das BFA dazu aus:
"Gemäß §35 VfGG iVm §419 ZPO kann der Verfassungsgerichtshof jederzeit Schreib- und Rechenfehler oder andere offenbare Unrichtigkeiten in einem Erkenntnis oder in dessen Ausfertigungen oder Abweichungen der Ausfertigung von der gefällten Entscheidung berichtigen. Gemäß §42 Abs1 der Geschäftsordnung des Verfassungsgerichtshofs sind bei Schreibfehlern, Rechenfehlern oder ähnlichen offenbaren Unrichtigkeiten in Ausfertigungen auf Antrag oder von Amts wegen den Parteien die ihnen zugestellten Ausfertigungen abzufordern und durch einen besonderen Zusatz zu berichtigen.
Auch offenkundige Fehler im Ausspruch über Prozesskostenauferlegung sind grundsätzlich einer Berichtigung zugänglich (vgl etwa VfGH 15.6.1987, B713/87; 28.9.2005, B276/05 ua). Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs sowie des Verfassungsgerichtshofs ist eine Berichtigung gemäß §419 ZPO auch dann zulässig, wenn der Ausspruch offensichtlich nicht dem Willen des Gerichts zum Entscheidungszeitpunkt entsprochen hatte.
Ein solcher berichtigungsfähiger Fehler liegt nach Ansicht des BFA durch Auferlegung der Prozesskosten an den 'Bund (Bundesministerin für Inneres)' vor:
Gemäß §88 VfGG kann der Partei, die unterliegt, auf Antrag der Ersatz der Prozesskosten aufgetragen werden. Gemäß Art151 Abs51 Z7 B VG wurde der Asylgerichtshof mit 1.1.2014 zum Verwaltungsgericht des Bundes. Als solches ist das BVwG auch in bereits zum Jahreswechsel 2013/14 beim Verfassungsgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren gemäß Art144a B VG aF das belangte Verwaltungsgericht ('belangte Behörde', vgl auch Faber , Verwaltungsgerichtsbarkeit (2013), Art151 Rz 39).
Bei Übergangsfällen im Fall von Beschwerden, die vor dem 1.1.2014 gemäß Art144a B VG aF erhoben wurden, ist daher das BVwG als Nachfolger des AsyIGH iSd Art151 Abs51 Z7 B VG die unterlegene Partei iSd §88 VfGG, wenn eine Entscheidung des AsyIGH aufgehoben wird.
In seiner Spruchpraxis führt der Verfassungsgerichtshof bei Auferlegung der Prozesskosten an den Bund als Rechtsträger in Klammer ein zuständiges (oberstes) Organ an, zB 'Bund (Bundesministerin für Inneres)', 'Bund (Bundeskanzler)', 'Bund (Verfassungsgerichtshof)'.
Das BVwG wird in Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 zweifelsfrei in Vollziehung des Bundes tätig, jedoch nicht im Vollziehungsbereich der Bundesministerin für Inneres:
Nach Teil 2 litA Z3 der Anlage zu §2 BMG obliegen dem Bundeskanzleramt unter anderem Angelegenheiten der Verwaltungsgerichtsbarkeit mit Ausnahme der Angelegenheiten des Bundesfinanzgerichtes. Gemäß §29 BVwGG obliegt dem Bundeskanzler die Vollziehung des BVwGG, soweit nichts anderes bestimmt ist. Gemäß §57 Z2 BFA VG obliegen dem Bundeskanzler unter anderem die Vollziehung des §7 BFA VG, der Beschwerden an das BVwG in Verfahren des BFA regelt. Ähnliche Bestimmungen bestanden auch vor dem 1.1.2014 hinsichtlich des AsyIGH: So war der Bundeskanzler für die Vollziehung der das Beschwerdeverfahren regelnden Bestimmungen des AsylG 2005 aF gemäß §72 Z2 AsylG 2005 aF zuständig. Aus all diesen Bestimmungen ergibt sich zweifelsfrei, dass das BVwG (ebenso wie früher der AsyIGH) im Vollziehungsbereich des Bundeskanzlers (bzw des Bundesministers im Kanzleramt) tätig wird, auch wenn es in Verfahren nach dem AsylG 2005 zu entscheiden hat.
Dementsprechend führte der Verfassungsgerichtshof in Beschwerdeverfahren gegen Entscheidungen des AsyIGH ('U-Fälle') sowohl vor als auch nach dem Jahreswechsel 2013/14 regelmäßig den Bundeskanzler im Prozesskostenausspruch an (stellvertretend für viele zB VfGH 21.11.2014, U2718/2012; VfGH 19.9.2014, U634/2013 ua; VfGH 12.12.2013, U2272/2012; VfGH 7.11.2008, U67/08).
Ähnliches galt beispielsweise für Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofs in 'B Fällen' über Bescheide des Unabhängigen Bundesasylsenates (UBAS): Der Ver-fassungsgerichtshof führte je nach dem, bei welchem Bundesministerium der UBAS eingerichtet war, den Bundeskanzler bzw den/die Bundesminister/in für Inneres im Prozesskostenspruchpunkt an (zB VfGH 2.10.2001, B2136/00, als der UBAS gemäß §1 UBASG idF BGBl I Nr 77/1997 beim Bundeskanzleramt eingerichtet war; VfGH 26.9.2006, B3544/05 ua, als der UBAS gemäß §1 UBASG idF BGBI I Nr 101/2003 beim Bundesministerium für Inneres eingerichtet war).
Die Prozesskostenauferlegung an den 'Bund (Bundesministerin für Inneres)' im Spruchpunkt II. des gegenständlichen Erkenntnisses dürfte durch eine Übernahme der entsprechenden Formulierungen aus Erkenntnissen, mit denen Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts in Asylverfahren vor dem 1.7.2015 aufgehoben wurden, entstanden sein (dh vor Außerkrafttreten des §83 Abs1 VfGG über die Stellung der Verwaltungsbehörde als Beschwerdegegner).
Da das BVwG unterlegene Partei iSd §88 VfGG ist und im Vollziehungsbereich des Bundeskanzlers (bzw Bundesministers im Kanzleramt) tätig wird, stellt die Auf-erlegung der Prozesskosten an den 'Bund (Bundesministerin für Inneres)' anstelle 'Bund (Bundeskanzler)' wohl einen Ausfertigungsfehler dar und entspricht darüber hinaus offenkundig nicht dem Willen des Verfassungsgerichtshofs zu seinem Entscheidungszeitpunkt, da diese Auferlegung an ein unzuständiges Organ abweichend zur bisherigen Spruchpraxis und ohne nähere Begründung erfolgte."
3. Gemäß §35 Abs1 VfGG sind die Bestimmungen der Zivilprozessordnung und des Einführungsgesetzes zur Zivilprozessordnung sinngemäß anzuwenden, soweit das VfGG keine anderen Bestimmungen enthält. §419 Abs1 ZPO, zufolge kann das Gericht, welches das Urteil gefällt hat, jederzeit Schreib- und Rechnungsfehler oder andere offenbare Unrichtigkeiten in dem Urteil oder in dessen Ausfertigung oder Abweichungen der Ausfertigung von der gefällten Entscheidung berichtigen und die Angaben, die entgegen der Vorschrift des §417 Abs3 ZPO übergangen wurden, einfügen.
Nach §42 Abs1 GO-VfGH sind auf Antrag oder von Amts wegen den Parteien die ihnen zugestellten Ausfertigungen abzufordern und durch einen besonderen Zusatz zu berichtigen, wenn eine Ausfertigung Schreibfehler, Rechnungsfehler oder ähnliche offenbare Unrichtigkeiten aufweist.
Nach ständiger Judikatur des Verfassungsgerichtshofes ist die Berichtigung einer von ihm gefällten Entscheidung im Sinne der zitierten Vorschriften nur zulässig, wenn das, was ausgesprochen wurde, offensichtlich nicht dem Willen des Gerichtes zur Zeit der Fällung der Entscheidung entsprochen hat (vgl. etwa VfGH 21.9.2015, E1176/2015 mwN). Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall jedoch nicht gegeben, weil der Klammerausdruck im Spruchpunkt II. des Erkenntnisses vom 7. Oktober 2015, dessen Abänderung das BFA begehrt, den jeweils gefassten Beschlüssen des Verfassungsgerichtshofes entspricht. Da das BFA somit nicht die Berichtigung von Schreib- oder Rechnungsfehlern bzw. ähnlich offenbaren Unrichtigkeiten, sondern vielmehr eine inhaltliche Abänderung der genannten, im Entscheidungszeitpunkt dem Willen des Verfassungsgerichtshofes entsprechenden (Kosten-)Entscheidung begehrt, ist der Antrag zurückzuweisen.
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass sich der Verfassungsgerichtshof auch bei der Angabe des haushaltsleitenden Organs im Kostenzuspruch auf Grund der in VfSlg 16.739/2002 angestellten Überlegungen von einer funktionellen Betrachtungsweise leiten lässt.
4. Der Antrag auf Berichtigung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 7. Oktober 2015, U528/2013 12, ist daher zurückzuweisen.
5. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.