E231/2015 ua – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung
Spruch
I. Die Beschwerdeführer sind durch den angefochtenen Beschluss wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt worden.
Der Beschluss wird aufgehoben.
II. Der Bund (Bundesministerin für Inneres) ist schuldig, den Beschwerdeführern zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 3.008,40 bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren
1. Die Beschwerdeführer sind armenische Staatsangehörige; sie brachten nach illegaler Einreise am 11. August 2009 Anträge auf internationalen Schutz ein. Mit Bescheiden des Bundesasylamtes vom 22. Dezember 2009 wurden ihre Anträge sowohl hinsichtlich der Zuerkennung von Asyl als auch von subsidiärem Schutz abgewiesen und sie nach Armenien ausgewiesen. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 16. Juni 2014 wurden die Beschwerden hinsichtlich der Zuerkennung von Asyl und von subsidiärem Schutz abgewiesen; die Ausweisungen der Beschwerdeführer nach Armenien wurden jedoch gemäß der Übergangsbestimmung des §75 Abs20 Asylgesetz 2005 (im Folgenden: AsylG 2005) aufgehoben und die Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit von Rückkehrentscheidungen an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA) zurückverwiesen.
2. Mit Bescheiden des BFA vom 15. Oktober 2014 (durch Hinterlegung zugestellt am 20.10.2014) wurden den Beschwerdeführern Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§57 und 55 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß §10 AsylG 2005 iVm §9 BFA-Verfahrensgesetz (in der Folge: BFA VG) wurden gegen sie gleichzeitig Rückkehrentscheidungen gemäß §52 Abs2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (im Folgenden: FPG) erlassen und wurde gemäß §52 Abs9 FPG festgestellt, dass die Abschiebungen nach Armenien gemäß §46 FPG zulässig seien; weiters wurde gemäß §55 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise auf 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidungen festgelegt.
3. Am 4. November 2014 erhoben die Beschwerdeführer Beschwerden gegen die Bescheide des BFA, die das BFA am 12. November 2014 dem Bundesverwaltungsgericht vorlegte.
4. Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerden unter Berufung auf §16 Abs1 BFA-VG als verspätet zurück (jeweils Spruchpunkt A) II.); gleichzeitig wurden die von den Beschwerdeführern eingebrachten Wiedereinsetzungsanträge gemäß §33 Abs1 und 4 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz abgewiesen (jeweils Spruchpunkt A) I.).
5. Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende, auf Art144 B VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Beschlusses beantragt wird.
6. Das Bundesverwaltungsgericht und das BFA legten die Verwaltungs- bzw. Gerichtsakten vor. Im Übrigen haben sie sich am Verfahren nicht beteiligt.
II. Erwägungen
1. Der Verfassungsgerichtshof hat über die – zulässige – Beschwerde erwogen:
1.1. Der Verfassungsgerichtshof hob mit Erkenntnis vom 24. Juni 2015, G171/2015, §16 Abs1 BFA-VG, BGBl I 87/2012 idF BGBl I 68/2013, als verfassungswidrig auf und sprach aus, dass die aufgehobene Bestimmung nicht mehr anzuwenden ist. Dieser Ausspruch hat auch für den Verfassungsgerichtshof die Wirkung, dass er die betreffende Bestimmung nicht mehr anzuwenden hat.
1.2. Das Bundesverwaltungsgericht hat sowohl bei der Zurückweisung der an das Bundesverwaltungsgericht gerichteten Beschwerden der Beschwerdeführer als auch bei der Abweisung der Wiedereinsetzungsanträge §16 Abs1 BFA-VG angewendet. Die Beschwerdeführer wurden somit wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung offenkundig in ihren Rechten verletzt.
1.3. Der angefochtene Beschluss ist daher aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.
2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 iVm §88a VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist ein Streitgenossenzuschlag in der Höhe von € 327,– sowie Umsatzsteuer in Höhe von € 501,40 enthalten.