E547/2015 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung
Spruch
I. Der Beschwerdeführer ist durch das angefochtene Erkenntnis wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in seinen Rechten verletzt worden.
Das Erkenntnis wird aufgehoben.
II. Der Bund (Bundesministerin für Inneres) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.616,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren
1. Der Beschwerdeführer, Staatsangehöriger von Sierra Leone alias Nigeria, reiste im Jänner 2015 von Kroatien per Zug kommend illegal in das österreichische Bundesgebiet ein, nachdem sein Asylverfahren in Kroatien negativ entschieden worden war. Dies obgleich anlässlich eines vom Beschwerdeführer in Österreicheingebrachten Asylantrages eine rechtskräftige und durchsetzbare Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß §61 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl I 100, idF BGBl I 87/2012 (in der Folge: FPG), vorlag und dem Beschwerdeführer rechtskräftig der faktische Abschiebeschutz für Folgeanträge (§2 Z23 AsylG 2005) aberkannt worden war.
2. Am 23. Jänner 2015 wurde der Beschwerdeführer im Zuge einer fremdenrechtlichen Kontrolle festgenommen. Am 24. Jänner 2015 stellte der Beschwerdeführer einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
3. Mit Mandatsbescheid vom 25. Jänner 2015 verhängte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) über den Beschwerdeführer gemäß §76 Abs2a Z1 FPG iVm §57 Abs1 AVG iVm Art28 der Verordnung (EU) Nr 604/2013 (in der Folge: Dublin III-VO) die Schubhaft zum Zweck der Sicherung der Abschiebung sowie zur Sicherung der Erlassung einer Rückkehrentscheidung.
4. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis gemäß §22a Abs1 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl I 87/2012, idF BGBl I 144/2013 (in der Folge: BFA-VG), iVm Art28 Dublin III-VO und §76 Abs1 FPG als unbegründet ab (Spruchpunk I); weiters wies das Bundesverwaltungsgericht den Antrag des Beschwerdeführers auf Kostenersatz gemäß §35 VwGVG zurück (Spruchpunkt II); die Revision gemäß Art133 Abs4 B VG wurde für zulässig erklärt.
5. In der gegen dieses Erkenntnis gemäß Art144 B VG erhobenen Beschwerde behauptet der Beschwerdeführer die Verletzung in Rechten wegen Anwendung verfassungswidriger Gesetzesbestimmungen und insbesondere in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit, begehrt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses und stellt für den Fall der Abweisung oder Ablehnung der Beschwerde den Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.
II. Erwägungen
Der Verfassungsgerichtshof hat über die – zulässige – Beschwerde erwogen:
1. Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 12. März 2015, G151/2014 ua., §22a Abs1 und 2 BFA-VG idF BGBl I 68/2013 als verfassungswidrig aufgehoben und ausgesprochen, dass die aufgehobenen Bestimmungen nicht mehr anzuwenden sind; dieser Ausspruch hat auch für den Verfassungsgerichtshof die Wirkung, dass er die betreffenden Bestimmungen nicht mehr anzuwenden hat.
Soweit mit Spruchpunkt I des angefochtenen Erkenntnisses die Beschwerde gemäß §22a Abs1 BFA-VG iVm Art28 Dublin III-VO und §76 Abs1 FPG abgewiesen wurde, hat das Bundesverwaltungsgericht eine als verfassungswidrig aufgehobene Gesetzesbestimmung angewendet. Der Beschwerdeführer wurde somit wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in seinen Rechten verletzt.
Das angefochtene Erkenntnis ist daher aufzuheben, soweit damit die Beschwerde des Beschwerdeführers gemäß §22a Abs1 BFA-VG iVm Art28 Dublin III-VO und §76 Abs1 FPG abgewiesen wurde.
Da die Zurückweisung des Antrages des Beschwerdeführers auf Kostenersatz gemäß §35 VwGVG (Spruchpunkt II) mit der Abweisung der Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid in untrennbarem Zusammenhang steht, ist das bekämpfte Erkenntnis zur Gänze zu beheben.
2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 436,– enthalten.