JudikaturVfGH

G204/2014 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
12. März 2015

Spruch

Die Anträge werden zurückgewiesen.

Begründung

I. Anträge und Vorverfahren

1. Gestützt auf Art140 B VG begehren die Kollegiumsfraktion der FPÖ im Stadtschulrat für Wien (in der Folge: Stadtschulrat), der Klub der Wiener Landtagsabgeordneten und Gemeinderäte der FPÖ und die Freiheitliche Partei Österreichs-Landesgruppe Wien Folgendes:

"Der Verfassungsgerichtshof möge

1. gemäß Art140 Absatz 3 B VG iVm §64 Abs1 VfGG als verfassungswidrig aufheben:

A. Betreffend §67 WrSchG idF LGBl Nr 09/2013 den ersten Satzteil (bis zum Strichpunkt) des §67 WrSchG idF LGBl 09/2013, lautend wie folgt:

§67. Der Präsident des Stadtschulrates für Wien hat auf Vorschlag der zweitstärksten Fraktion des Kollegiums des Stadtschulrates für Wien einen Vizepräsidenten zu bestellen;

in eventu

den ersten und zweiten Satzteil (vor und nach dem Strichpunkt bis zum Punkt) des §67 WrSchG idF LGBl Nr 09/2013, lautend wie folgt:

§67. Der Präsident des Stadtschulrates für Wien hat auf Vorschlag der zweitstärksten Fraktion des Kollegiums des Stadtschulrates für Wien einen Vizepräsidenten zu bestellen; gehört jedoch der Präsident des Stadtschulrates für Wien nicht der stärksten Fraktion an, so ist der Vizepräsident auf Vorschlag der stärksten Fraktion zu bestellen.

B. Betreffend §68 WrSchG idF LGBl Nr 09/2013 den Absatz 1 des §68 WrSchG idF LGBl Nr 09/2013, lautend wie folgt:

§68. (1) Die Funktion des Amtsführenden Präsidenten und des Vizepräsidenten des Stadtschulrates für Wien dauert bis zur Enthebung durch den Präsidenten des Stadtschulrates für Wien."

2. Den Anträgen liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

2.1. Am 22. Juli 2014 teilte der Klub der Freiheitlichen Landtagsabgeordneten und Gemeinderäte bzw. am 29. Juli 2014 die Fraktionsvorsitzende der Kollegiumsfraktion der FPÖ im Stadtschulrat dem Präsidenten des Stadtschulrates (in der Folge: Präsident) mit, dass der Vizepräsident des Stadtschulrates (in der Folge: Vizepräsident) seine Funktion zurücklegen werde und an dessen Stelle Maximilian Krauss für dessen Position vorgeschlagen werde. Schließlich übermittelte die Kollegiumsfraktion der FPÖ im Stadtschulrat – als zweitstärkste Fraktion des Kollegiums des Stadtschulrates für Wien – am 29. August 2014 dem Präsidenten ihren Beschluss gemäß §68 Abs2 iVm §67 WrSchG über ihre Zustimmung zur Enthebung des bisherigen Vizepräsidenten.

2.2. Der Präsident teilte der Fraktionsvorsitzenden der Kollegiumsfraktion der FPÖ im Stadtschulrat am 8. September 2014 mit, dass nach eingehender Prüfung des vorgeschlagenen Kandidaten eine Bestellung nicht möglich sei. Er ersuche, ihm einen neuen Vorschlag für die Funktion des Vizepräsidenten mitzuteilen.

2.3. Am 16. September 2014 teilte der Präsident dem amtierenden Vizepräsidenten mit, dass auf Grund des Beschlusses der Kollegiumsfraktion der FPÖ im Stadtschulrat vom 27. August 2014 die Voraussetzungen für dessen Enthebung vorlägen. Aus diesem Grund werde er mit 16. September 2014 von seiner Funktion als Vizepräsident enthoben.

2.4. Seither nannte die Kollegiumsfraktion der FPÖ im Stadtschulrat dem Präsidenten keinen anderen Kandidaten und beharrte vielmehr auf ihrem Erstvorschlag, Maximilian Krauss zum Vizepräsidenten zu bestellen.

3. Zur Zulässigkeit der Anträge führen die Antragstellerinnen aus, die Ablehnung des Präsidenten stelle keinen Bescheid dar, dieser sei auch "formalgesetzlich" nicht vorgesehen. Die Antragstellerinnen seien auf Grund der von ihnen angefochtenen Bestimmungen bei der Ausübung ihres Vorschlagsrechts davon abhängig, dass der Präsident den bisherigen Amtsträger seines Amtes enthebt und dass er dem Vorschlag nachkommt. Dies stelle einen tatsächlichen und unmittelbaren Eingriff in das Vorschlagsrecht der Antragstellerinnen sowie in deren verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht auf Mitwirkung an der Verwaltung und Bekleidung eines öffentlichen Amtes dar und verletze deren subjektive Rechte.

4. Inhaltlich behaupten die Antragstellerinnen näher begründete Verletzungen des Gleichheitssatzes durch die von den Anträgen umfassten Bestimmungen.

II. Rechtslage

Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des Wiener Schulgesetzes (WrSchG), LGBl 16/1979 (die relevanten Absätze wurden nicht novelliert), lauten wie folgt:

"Vizepräsident

§67. Der Präsident des Stadtschulrates für Wien hat auf Vorschlag der zweitstärksten Fraktion des Kollegiums des Stadtschulrates für Wien einen Vizepräsidenten zu bestellen; gehört jedoch der Präsident des Stadtschulrates für Wien nicht der stärksten Fraktion an, so ist der Vizepräsident auf Vorschlag der stärksten Fraktion zu bestellen. Der Vizepräsident ist berechtigt, sofern er nicht ohnehin Mitglied des Kollegiums (§65 Abs1 Z1 litb) ist, an dessen Sitzungen (Plenarsitzung, Sitzung einer Sektion oder Untersektion) als Mitglied mit beratender Stimme teilzunehmen.

Funktionsdauer

§68. (1) Die Funktion des Amtsführenden Präsidenten und des Vizepräsidenten des Stadtschulrates für Wien dauert bis zur Enthebung durch den Präsidenten des Stadtschulrates für Wien.

(2) Die Enthebung des Vizepräsidenten kann nur mit Zustimmung jener Fraktion des Kollegiums des Stadtschulrates für Wien erfolgen, der das Vorschlagsrecht gemäß §67 zukommt.

[…]"

III. Erwägungen

1. Gemäß Art140 Abs1 Z1 litc B VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist.

2. Voraussetzung der Antragslegitimation gemäß Art140 Abs1 Z1 litc B VG ist einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch das angefochtene Gesetz – im Hinblick auf dessen Verfassungswidrigkeit – in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass das Gesetz für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist also, dass das Gesetz in die Rechtssphäre des Antrag-stellers nachteilig eingreift und diese – im Falle seiner Verfassungswidrigkeit – verletzt.

Hiebei kommt es ausschließlich auf die Behauptungen des Antragstellers an, in welcher Hinsicht das angefochtene Gesetz seine Rechtssphäre berührt und allenfalls verletzt. Es ist vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art140 Abs1 Z1 litc B VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (vgl. zB VfSlg 11.730/1988, 14.338/1995, 15.863/2000, 16.088/2001, 16.120/2001, 17.768/2006, 18.512/2008 uva); es braucht nicht untersucht zu werden, ob das Gesetz sonstige unmittelbare Wirkungen für den Antragsteller hat.

3. Zur Zulässigkeit des Antrages des Klubs der Wiener Landtagsabgeordneten und Gemeinderäte der FPÖ sowie des Antrages der Freiheitlichen Partei Österreichs – Landesgruppe Wien:

Die §§67 und 68 WrSchG sehen für die Bestellung des Vizepräsidenten allein einen Vorschlag der zweitstärksten Fraktion des Kollegiums des Stadtschulrates für Wien vor. Die Zweit- und Drittantragstellerin sind daher nicht Normadressatinnen der Bestimmungen des WrSchG. Ein Eingriff in ihre Rechtssphäre ist ausgeschlossen. Ihre Anträge sind schon deshalb unzulässig.

4. Zur Zulässigkeit des Antrages der Kollegiumsfraktion der FPÖ im Stadtschulrat:

§67 Abs1 WrSchG sieht vor, dass der Vizepräsident auf Vorschlag der zweitstärksten Fraktion vom Präsidenten zu bestellen ist. Bei diesem Vorschlag handelt es sich nicht um ein subjektives Recht der Kollegiumsfraktion, sondern um die Ausübung einer der Fraktion im Rahmen des Stadtschulrates zukommenden Befugnis. Damit kommt in diesem Zusammenhang eine Verletzung der Kollegiumsfraktion in ihren Rechten iSd Art140 Abs1 Z1 litc B VG nicht in Betracht (vgl. VfSlg 11.750/1988 und 19.731/2013, jeweils mwN).

Aus demselben Grund ist auch der gegen §68 Abs1 WrSchG gerichtete Antrag unzulässig.

IV. Ergebnis

1. Die Anträge sind daher zurückzuweisen.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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