JudikaturVfGH

V64/2014 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
22. September 2014

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

1. Die antragstellende Gesellschaft betreibt auf Grundlage einer entsprechenden wasserrechtlichen Bewilligung an der Enns das Wasserkraftwerk Staning.

2. Sie beantragt mit dem vorliegenden Antrag die Aufhebung des §1 und des §2 Abs1 der auf der Grundlage des §33d Abs1 und 2 des Wasserrechtsgesetzes 1959 (WRG 1959), BGBl 215 idF BGBl I 14/2011, erlassenen Verordnung des Landeshauptmannes von Oberösterreich, mit der ein Sanierungsprogramm für Fließgewässer erlassen wird, LGBl 95/2011 (in der Folge: Verordnung), weiters auch die Aufhebung der Zeile Nr 28 der Anlage 1 und der den Detailoberflächenwasserkörper 411250018 (Flusskilometer 19,5 bis 28,0) betreffenden Zeile der Anlage 2. Die antragstellende Gesellschaft behauptet zusammengefasst, die angefochtenen Verordnungsbestimmungen würden dem Verhältnismäßigkeitsgebot des §33d Abs2 iVm §21a Abs3 WRG 1959 nicht entsprechen. Die Verordnung sei weiters auch deshalb gesetzwidrig, weil der Landeshauptmann von Oberösterreich mit der Verordnung auch Regelungen für Niederösterreich getroffen habe.

3. Die §§1 und 2 der Verordnung sowie die angefochtenen Teile der Anlage lauten:

"§1

(1) Ziel dieser Verordnung ist die Umsetzung der konkreten Vorgaben (Maßnahmenprogramme) des Nationalen Gewässerbewirtschaftungsplanes 2009 (NGP 2009) und der §§4 und 6 der Nationalen Gewässerbewirtschaftungsplanverordnung 2009, BGBl II Nr 103/2010, zur Verbesserung des Zustandes der in Anlage 1 aufgelisteten prioritär zu sanierenden Fließgewässerstrecken (Sanierungsgebiete).

(2) Die Inhaberinnen und Inhaber wasserrechtlicher Bewilligungen in den Sanierungsgebieten haben – vorbehaltlich einer allfälligen Verlängerung der Sanierungsfrist gemäß §33d Abs4 WRG 1959 – bis spätestens 22. Dezember 2015 die in den §§2 und 3 festgelegten Sanierungsmaßnahmen umzusetzen. Diese Sanierungsmaßnahmen dienen im Sinn des NGP 2009 der stufenweisen Erreichung des guten ökologischen Zustands bzw. des guten ökologischen Potentials in den betroffenen Gewässern. Die Vorschreibung allfälliger weitergehender Sanierungsverpflichtungen, insbesondere bezüglich der Abgabe von Restwasser bei Wasserentnahmen, die zur Erreichung des guten ökologischen Zustands oder des guten ökologischen Potentials erforderlich sind, bleibt vorbehalten.

§2

(1) Bei jedem rechtmäßig bestehenden Querbauwerk ist die ganzjährige Passierbarkeit für die in Anlage 2 festgesetzten maßgebenden Fischarten und Fischgrößen zu gewährleisten. Ausgenommen davon sind Zeiten mit extremen Abflussbedingungen im Gewässer oder kurzfristige Unterbrechungen der Fischpassierbarkeit, etwa bei der Revision von Anlagen.

(2) Bei Inkrafttreten dieser Verordnung bestehende und wasserrechtlich bewilligte Fischaufstiegshilfen, die auf Grund der Anlagenkonzeption bereits eine ungehinderte Wanderung der für den betroffenen Gewässerabschnitt maßgeblichen Leitfischarten gewährleisten, sind abweichend vom §1 Abs2 erst bis spätestens 22. Dezember 2027 an die Sanierungsziele des Abs1 und der Anlage 2 anzupassen, wenn die bzw. der Wasserberechtigte spätestens zwei Jahre nach Inkrafttreten dieser Verordnung nachweist, dass ein wesentlicher Teil der wanderungswilligen Individuen und Altersstadien aller Leitfischarten passieren kann. Für solche Anlagen ist ein Sanierungsprojekt bis spätestens 22. Dezember 2023 zur wasserrechtlichen Bewilligung vorzulegen.

[…]

Anlage 1: Prioritär zu sanierende Fließgewässerstrecken (Sanierungsgebiete)

Anlage 2: Sanierungsziele für die Sanierungsgebiete

Angegeben sind die zu sanierenden Gewässerabschnitte (Flusskilometer des Berichtsgewässernetzes des Bundes), die betroffenen Detailwasserkörper, die Fischregion und die Fischbioregion sowie die für die Herstellung der Durch-gängigkeit maßgebenden Fischarten und Fischlängen.

[…]

[…]"

4. §33d WRG 1959 lautet:

"Immissionsbeschränkung

§33d. (1) Der Landeshauptmann hat, sofern der Zielzustand innerhalb der vom Gewässerbewirtschaftungsplan vorgesehenen Zeiträume nicht nach anderen Bestimmungen dieses Bundesgesetzes, wie etwa durch Abänderung von Bewilligungen in Verfahren gem. §21a zweckmäßiger erreichbar ist, für Oberflächenwasserkörper oder Teile von Oberflächenwasserkörpern (Sanierungsgebiet), die einen schlechteren als in einer Verordnung nach §30a festgelegten guten Zustand aufweisen, entsprechend den im Nationalen Gewässerbewirtschaftungsplan festgelegten Prioritäten zur stufenweisen Zielerreichung mit Verordnung ein Sanierungsprogramm (Abs2) zu erstellen.

(2) Ein Programm zur Verbesserung des Zustandes von Oberflächenwasserkörpern oder Teilen von Oberflächenwasserkörpern hat in den wesentlichen Grundzügen Sanierungsziele, Schwerpunkte, Reihenfolge und Art der zu treffenden Sanierungsmaßnahmen derart festzulegen, dass unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit (§21a Abs3) eine Verbesserung der hydromorphologischen Bedingungen, eine Verringerung und eine wirksame Reinigung der Abwässer, eine Verringerung des Schadstoffeintrages aus anderen Quellen und durch sonstige Maßnahmen die Zielzustände (§30a) erreicht werden. Erforderlichenfalls können auch Teilsanierungsziele zur stufenweisen Zielerreichung festgelegt werden. Für rechtmäßig bestehende Wasserbenutzungsanlagen, Schutz- und Regulierungswasserbauten oder sonstige Wasseranlagen sind nach Maßgabe der Prioritäten zur stufenweisen Zielerreichung angemessene Sanierungsfristen festzulegen. Die Ziele des Sanierungsprogrammes sind, als Teile des anzustrebenden Zielzustandes, bei allen wasserwirtschaftlichen Maßnahmen als öffentliches Interesse (§105) und als Gesichtspunkte für die Handhabung der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zu beachten.

(3) Werden in einem Sanierungsprogramm (Abs2) Sanierungsfristen für bestehende Anlagen festgelegt, hat der Wasserberechtigte spätestens zwei Jahre nach Inkrafttreten des Sanierungsprogramms der Behörde hinsichtlich der im Sanierungsgebiet liegenden sanierungspflichtigen Anlagen oder Anlagenteile ein den Vorgaben des Programms entsprechendes Sanierungsprojekt zur wasserrechtlichen Bewilligung vorzulegen oder die Anlage mit Ablauf der in der Verordnung festgelegten Sanierungsfrist stillzulegen. Bei fruchtlosem Ablauf der Frist findet §27 Abs4 mit der Maßgabe Anwendung, dass eine mehrmalige Mahnung nicht erforderlich ist.

(4) Über Antrag des Wasserberechtigten ist die Sanierungsfrist sowie erforderlichenfalls die Projektvorlagefrist um längstens drei Jahre zu verlängern, wenn der Wasserberechtigte nachweist, dass unter Berücksichtigung der gegebenen wasserwirtschaftlichen Verhältnisse der Aufwand für die sofortige Sanierung im Hinblick auf den für den Schutz der Gewässer erzielbaren Erfolg unverhältnismäßig wäre (zB mit Projektierungsarbeiten bereits begonnen wurde, die technische Durchführbarkeit sich aufgrund der Notwendigkeit der Planung und Durchführung nicht standardisierter Maßnahmen schwierig gestaltet). Dem Antrag sind die zu seiner Prüfung erforderlichen Unterlagen, insbesondere jene nach §103 anzuschließen."

5. Am 16. April 2013 stellte die antragstellende Gesellschaft beim Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft einen Antrag auf Feststellung, dass die erforderlichen Sanierungsmaßnahmen in die Sanierungsperiode des §2 Abs2 der Verordnung fallen. Der auf Grund des §101 Abs3 WRG 1959 zuständig gewordene Landeshauptmann von Oberösterreich stellte daraufhin mit Bescheid vom 17. Februar 2014 fest, dass die bestehende Fischaufstiegshilfe beim Kraftwerk Staning die Voraussetzungen des §2 Abs2 der Verordnung nicht erfülle. Gegen diesen Bescheid erhob die antragstellende Gesellschaft Beschwerde "an das örtlich zuständige Landesverwaltungsgericht Oberösterreich, Niederösterreich oder Wien". Über diese wurde bisher in der Sache noch nicht entschieden.

6. Der Verfassungsgerichtshof hat seit dem Beschluss VfSlg 8058/1977 unter Hinweis auf VfSlg 8009/1977 in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt vertreten, die Antragslegitimation nach Art139 Abs1 Z3 B VG setze voraus, dass durch die bekämpfte Bestimmung die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt werden müssen und dass der durch Art139 Abs1 Z3 B VG dem Einzelnen eingeräumte Rechtsbehelf dazu bestimmt ist, Rechtsschutz gegen rechtswidrige generelle Normen nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht (zB VfSlg 11.684/1988, 14.297/1995, 15.349/1998, 16.345/2001 und 16.836/2003).

7. Im vorliegenden Fall steht der antragstellenden Gesellschaft ein zumutbarer Weg zur Verfügung, ihre Bedenken an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen, sobald eine Sachentscheidung über ihre gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 17. Februar 2014 erhobene Beschwerde vorliegt. Sie kann zunächst im Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht die Einleitung eines Verordnungsprüfungsverfahrens nach Art139 Abs1 Z1 B VG anregen. Sollte das Landesverwaltungsgericht die Bedenken nicht teilen, kann sie gegen dessen Entscheidung Beschwerde nach Art144 Abs1 B VG erheben.

Das Landesverwaltungsgericht hat jene Verordnungsvorschriften, die die Verpflichtung der antragstellenden Gesellschaft zur Schaffung der Passierbarkeit für die in der Anlage 2 genannten Fischarten begründen, im Beschwerdeverfahren zumindest als Zulässigkeitsvoraussetzung des an den Bundesminister gerichteten Antrages anzuwenden. Denn nur wenn eine Sanierungsverpflichtung besteht, kommt eine Feststellung nach §2 Abs2 der Verordnung (oder auch eine Fristerstreckung nach §33d Abs4 WRG 1959) überhaupt in Betracht.

8. Der vorliegende Antrag ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

9. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Rückverweise