V23/11 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung
Spruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung:
I.
1. Der Antragsteller begehrt in seinem auf Art139 Abs1 B-VG gestützten Antrag, die Verordnung der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend die Erklärung eines Bundesstraßenplanungsgebietes im Bereich der Gemeinden Aderklaa, Raasdorf, Deutsch-Wagram, Parbasdorf, Markgrafneusiedl, Gänserndorf, Obersiebenbrunn, Untersiebenbrunn, Lassee und Marchegg, BGBl. II 37/2011, zur Gänze als gesetzwidrig aufzuheben.
2. Durch die angefochtene Verordnung wird das aus den in der Verordnung genannten Lageplänen ersichtliche Gelände gemäß §14 Abs1 des Bundesstraßengesetzes 1971, BGBl. 286, in der Fassung BGBl. I 24/2010 (im Folgenden: BStG 1971), zum Bundesstraßenplanungsgebiet erklärt.
II.
1. Die maßgeblichen Teile der Bestimmung des §14 BStG 1971 lauten:
"Bundesstraßenplanungsgebiet
§14. (1) Zur Sicherung des Baues einer in den Verzeichnissen aufgenommenen Bundesstraße kann der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie auch vor Bestimmung des Straßenverlaufes (§4 Abs1) das in einem Lageplan bezeichnete Gelände, das für die spätere Führung der Bundesstraße in Betracht kommt, durch Verordnung zum Bundesstraßenplanungsgebiet erklären. Eine solche Verordnung darf nur erlassen werden, wenn nach dem Stand der Planungs- und Bauvorbereitungsarbeiten die Bestimmung des Straßenverlaufes (§4 Abs1) in absehbarer Zeit zu erwarten ist und zu befürchten ist, daß durch bauliche Veränderungen in diesem Gelände der geplante Straßenbau erheblich erschwert oder wesentlich verteuert wird.
(2) …
(3) Im Bundesstraßenplanungsgebiet dürfen Neu-, Zu- und Umbauten nicht vorgenommen und Anlagen jeder Art weder errichtet noch geändert werden; ein Entschädigungsanspruch kann hieraus nicht abgeleitet werden. Die Behörde hat jedoch Ausnahmen zuzulassen, wenn diese den geplanten Straßenbau nicht erheblich erschweren oder wesentlich verteuern oder zum Schutze des Lebens und der Gesundheit von Personen notwendig sind. Der Bund (Bundesstraßenverwaltung) ist in dem Bewilligungsverfahren Partei im Sinne des §8 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG. Bauführungen, die in rechtlich zulässiger Weise vor Erklärung zum Bundesstraßenplanungsgebiet begonnen worden sind, werden hievon nicht berührt.
(4) …
(5) Die mit der Erklärung zum Bundesstraßenplanungsgebiet verbundenen Rechtsfolgen sind auf höchstens fünf Jahre beschränkt. Mit der Bestimmung des Straßenverlaufes (§4 Abs1) treten die mit der Erklärung zum Bundesstraßenplanungsgebiet verbundenen Rechtsfolgen außer Kraft.
(6) Eine Verordnung nach Abs1 hat einen Hinweis auf Planunterlagen zu enthalten, welche beim Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie, beim Amt der Landesregierung des jeweiligen Landes und in den betroffenen Gemeinden für die Dauer der Wirksamkeit der Rechtsfolgen der Verordnung gemeinsam mit dieser zur Einsichtnahme aufliegen. Die Verordnung ist den betroffenen Gemeinden zur ortsüblichen Kundmachung zu übermitteln."
III.
1. Zur Begründung seiner Antragslegitimation führt der Antragsteller Folgendes aus:
"A. Die Verordnung ist für den Antragsteller ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung und ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden, da durch diese Verordnung unmittelbar in das Eigentum des Antragstellers eingegriffen worden ist. Durch Aufnahme der dem Antragsteller gehörenden Grundstücksflächen in das Bundesstraßenplanungsgebiet ist es dem Antragsteller gemäß §14 Abs3 BStG 1971 untersagt, auf diesen Grundstücksflächen Neu-, Zu- und Umbauten vorzunehmen und Anlagen jeder Art zu errichten oder zu ändern. Dies stellt einen unmittelbaren nachteiligen Eingriff in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht des Antragstellers auf Eigentum gemäß Art5 StGG dar. Den Schutz des Art5 StGG genießt jedes vermögenswerte Privatrecht. Ein Eingriff in das Eigentum liegt vor, wenn ein derartiges vermögenswertes Privatrecht entzogen oder beschränkt wird (...). Das Recht des Grundeigentümers zu bauen, genießt Eigentumsschutz (...).
B. Da dem Antragsteller durch die hier bekämpfte Verordnung untersagt wird, auf seinem Grundeigentum zu bauen, ist ein unmittelbarer Eingriff in sein Eigentum gegeben.
C. Die Verordnung greift tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar ein, da der Eingriff nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst eindeutig bestimmt ist, er die rechtlich geschützten Interessen des Antragstellers nicht bloß potenziell, sondern aktuell beeinträchtigt und da dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr [eines] rechtswidrigen Eingriff[s] zur Verfügung steht (...)."
2. In der Sache selbst behauptet der Antragsteller auf das Wesentliche zusammengefasst, dass nach dem Stand der Planungs- und Bauvorbereitungsarbeiten die Bestimmung des Straßenverlaufes nach §4 BStG 1971 in absehbarer Zeit nicht zu erwarten sei und die Verordnung gemäß §14 Abs1 BStG 1971 daher gesetzwidrig erlassen worden sei.
IV.
Der Antrag ist nicht zulässig:
1. Der Verfassungsgerichtshof hat seit dem Beschluss VfSlg. 8058/1977 unter Hinweis auf VfSlg. 8009/1977 in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt vertreten, die Antragslegitimation nach Art139 Abs1 letzter Satz B-VG setze voraus, dass durch die bekämpfte Bestimmung die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt werden müssen und dass der durch Art139 Abs1 B-VG dem Einzelnen eingeräumte Rechtsbehelf dazu bestimmt ist, Rechtsschutz gegen rechtswidrige generelle Normen nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht (zB VfSlg. 11.684/1988, 14.297/1995, 15.349/1998, 16.345/2001 und 16.836/2003).
2. Die angefochtene Verordnung greift zwar in die Rechtssphäre des Antragstellers ein, da die Vornahme von Neu-, Zu und Umbauten von Gebäuden sowie die Errichtung oder Änderung von Anlagen jeder Art auf Grundstücken in dem von der Verordnung erfassten Gebiet, die im Eigentum des Antragstellers stehen, nicht a priori ausgeschlossen scheint.
3. Dem Antragsteller steht jedoch ein ihm zumutbarer anderer Weg zur Geltendmachung der behaupteten Gesetzwidrigkeit der angefochtenen Verordnung offen:
Gemäß §14 Abs3 BStG 1971 hat die Behörde auf Antrag einer Ausnahme vom Verbot der Vornahme von Neu-, Zu- oder Umbauten von Gebäuden bzw. der Errichtung oder Änderung von Anlagen jeder Art zuzustimmen, wenn die Ausnahme den geplanten Straßenbau weder erheblich erschwert noch wesentlich verteuert oder wenn sie zum Schutz des Lebens und der Gesundheit von Personen notwendig ist. Ob die Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausnahmebewilligung gegeben sind, ist in einem solchen Verwaltungsverfahren zu klären.
Dem Antragsteller stünde es frei, gegen einen die Erteilung der Ausnahmebewilligung verweigernden Bescheid nach Erschöpfung des administrativen Instanzenzuges bei den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts Beschwerde zu führen, im Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof die Gesetzwidrigkeit der oben genannten Verordnung geltend zu machen und auf diese Weise eine gegebenenfalls von Amts wegen zu veranlassende Überprüfung der Verordnung auf ihre Gesetzmäßigkeit herbeizuführen (VfSlg. 9277/1981, 9724/1983, 11.227/1987, 13.652/1993, 13.912/1994, 15.467/1999, 18.961/2009).
Eine Gleichartigkeit mit jenen Fällen, in denen die Zumutbarkeit des Umwegs der Einholung einer Ausnahmegenehmigung aufgrund der besonderen Umstände ausgeschlossen war (vgl. VfSlg. 9762/1983, 16.675/2002), ist bei diesem Antrag nicht gegeben.
V.
1. Der Verordnungsprüfungsantrag ist somit mangels Antragslegitimation als unzulässig zurückzuweisen.
2. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.