Keine Verfassungswidrigkeit einer Bestimmung des ORF-G betreffend die Kürzung bzw in weiterer Folge den Entfall der Wohnungs-, Familien- sowie Kinderzulage in bestehenden Arbeitsverhältnissen; keine Verletzung der Koalitionsfreiheit durch den verhältnismäßigen und legitimen Eingriff in bestehende Kollektivverträge auf Grund der besonderen Finanzierungsform des ORF und der – im öffentlichen Interesse liegenden – Erfüllung seines öffentlich-rechtlichen Auftrags gemäß den Grundsätzen der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit; kein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz sowie das Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums durch den – einen Bestandteil eines umfassenden Maßnahmenpakets darstellenden – verhältnismäßigen Eingriff in Einzelverträge zur Reduktion der Personalkosten; keine Verletzung im Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums auf Grund der im öffentlichen Interesse liegenden Eigentumsbeschränkung und der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs
Abweisung von Parteianträgen auf Aufhebung des §50 Abs11 ORF-Gesetz idF BGBl I 112/2023.
Keine Verletzung der Koalitionsfreiheit gemäß Art11 EMRK und Art28 GRC:
Für den VfGH besteht kein Zweifel, dass §50 Abs11 ORF-G in die durch Art11 Abs1 EMRK gewährleistete Koalitionsfreiheit eingreift. Durch die angefochtene Bestimmung wird nicht nur in einzelvertragliche, sondern auch in bestehende kollektivvertragliche Regelungen für jene Arbeitnehmer des ORF eingegriffen, deren Dienstverhältnis vor dem 01.01.2004 begann.
Im Rahmen der Prüfung, ob der durch §50 Abs11 ORF-G bewirkte Eingriff zulässig ist, ist hervorzuheben, dass gemäß §48 Abs5 ORF-G der ORF als Arbeitgeber und der Zentralbetriebsrat des ORF kollektivvertragsfähig sind. Zwischen dem ORF und dem Zentralbetriebsrat abgeschlossene Kollektivverträge sind also keine – wie sonst grundsätzlich üblich – branchenweiten Kollektivverträge; die auf der Grundlage des §48 Abs5 ORF-G abgeschlossenen "Firmen-Kollektivverträge" gelten ausschließlich für das Unternehmen und jene Personen, die seit einem bestimmten Zeitpunkt in einem Arbeitsverhältnis zum ORF stehen.
Ein wesentlicher Ausgangspunkt ist auch die besondere Stellung des ORF, welche sich aus dem BVG-Rundfunk in Verbindung mit dem ORF-G ergibt. In diesem Zusammenhang ist vor allem die Art und Weise der Finanzierung des ORF (ORF-Beitrag und gesetzlich begrenzte Werbeerlöse) von erheblicher Bedeutung. Angesichts dieser besonderen Form der – verfassungsgesetzlich wesentlich bestimmten – Finanzierung des ORF, die in wesentlichen Teilen durch die Allgemeinheit erfolgt, unterscheidet sich der ORF grundsätzlich "von anderen 'Unternehmen' im weiteren Zusammenhang der öffentlichen Wirtschaft des Bundes", aber ebenso von (anderen) privaten Unternehmen.
Aus diesem Grund liegt ein legitimes Interesse iSd Art11 Abs2 EMRK vor, aus dem der Gesetzgeber in die für Dienstnehmer, deren Dienstverhältnis vor dem 01.01.2004 begann, geltenden Kollektivverträge eingreift.
Die in §50 Abs11 ORF-G statuierten Kürzungen bzw der Entfall der Wohnungs-, Familien- und Kinderzulage ist auch verhältnismäßig: Der Gesetzgeber hat in §50 Abs11 ORF-G eine schrittweise Vorgangsweise gewählt. Es erfolgt zunächst in den Jahren 2024 und 2025 eine Reduktion der Wohnungs-, Familien- und Kinderzulage um 50 vH; (erst) ab dem Jahr 2026 entfällt die Wohnungs-, Familien- und Kinderzulage zur Gänze. Zur Vermeidung eines unverhältnismäßigen Eingriffes – insbesondere für Personen mit geringem Einkommen – besteht gemäß §50 Abs11 dritter Satz ORF-G eine Deckelung der Kürzung (für die Jahre 2024 und 2025) bzw des gänzlichen Entfalls (ab dem Jahr 2026) der genannten Zulagen mit 10 vH des monatlichen Gesamtentgeltes. Der Gesetzgeber hat sich dabei offenkundig an der Rsp des VfGH orientiert und den ihm von Verfassungs wegen eingeräumten rechtspolitischen Spielraum nicht überschritten.
Dem Gesetzgeber ist auch nicht entgegenzutreten, wenn er durch die Kürzung der Wohnungs-, Familien- und Kinderzulage um 50 vH in den Jahren 2024 und 2025 sowie durch deren gänzlichen Entfall ab dem Jahr 2026 auch einen Beitrag zu einem angemessenen Ausgleich zwischen verschiedenen Kategorien von Dienstnehmern erreichen will. Durch die angefochtene Bestimmung werden jene Dienstnehmer erfasst, deren Dienstverhältnisse zum ORF vor dem 01.01.2004 begründet wurden und die im Verhältnis zu den später eingetretenen Dienstnehmern durchschnittlich günstigere Entlohnungskomponenten aufweisen.
Der VfGH kann dementsprechend dem Gesetzgeber im Hinblick auf die durch Art11 Abs1 EMRK gewährleistete Koalitionsfreiheit nicht entgegentreten, wenn er die Kürzung bzw den Entfall der Zulagen als erforderlich ansieht, um die (Personal-)Kosten des ORF im Rahmen einer grundsätzlichen Neuregelung dessen Finanzierung zu verringern. Es besteht zum einen ein gewichtiges öffentliches Interesse daran, dass der ORF zur Erfüllung seines öffentlich-rechtlichen Auftrages in angemessenem Ausmaß finanziert wird, gleichzeitig aber der ORF-Beitrag den Grundsätzen der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit entspricht. Zum anderen ist der Eingriff des Gesetzgebers, wonach die Reduktion um 50 vH in den Jahren 2024 und 2025 sowie der gänzliche Entfall der Wohnungs-, Familien- und Kinderzulage ab dem Jahr 2026 nicht mehr als 10 vH des monatlichen Gesamtentgelts ausmachen darf, angesichts des durchschnittlichen Gesamtentgeltes verhältnismäßig, weil dementsprechend die betroffenen Arbeitnehmer nicht übermäßig belastet werden.
Kein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz:
Für den VfGH ist nicht erkennbar, dass §50 Abs11 ORF-G insbesondere im Hinblick auf Eingriffe in Einzelverträge für die davon betroffenen Arbeitnehmer des ORF ein verfassungsrechtlich unzulässiges Sonderopfer iSd Rsp des VfGH begründet: Die Kürzung bzw der Entfall der Wohnungs-, Familien- und Kinderzulage ist Bestandteil eines umfassenden Maßnahmenpaketes innerhalb des ORF, das – unter Zugrundelegung einer sparsamen, wirtschaftlichen und zweckmäßigen Verwaltung des ORF – unterschiedliche Strukturmaßnahmen zur mittelfristigen substantiellen Reduktion der Kostenbasis vorschreibt. Die (verhältnismäßige) angefochtene Bestimmung soll – im Verein mit den anderen arbeitsrechtlichen Regelungen in §50 Abs8, 9 und 10 ORF-G – erreichen, dass die Arbeitnehmer des ORF zur nachhaltigen Reduktion der operativen Personalkosten einen Beitrag leisten.
Keine Verletzung im Recht auf Unversehrtheit des Eigentums:
Entgegen den Ausführungen der Antragsteller handelt es sich bei der Reduktion der Zulagen in den Jahren 2024 und 2025 und dem Entfall der Zulagen ab dem Jahr 2026 gemäß §50 Abs11 ORF-G um eine bloße Eigentumsbeschränkung. Nach Auffassung des VfGH verletzt die angefochtene Bestimmung nicht das Eigentumsgrundrecht, weil der durch §50 Abs11 ORF-G bewirkte Eingriff verhältnismäßig ist und im öffentlichen Interesse liegt.
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