G101/2025 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz
Leitsatz
Zurückweisung eines Parteiantrags auf Aufhebung einer Bestimmung des ZustellG betreffend die Zustellung eines zur Abholung bereitgehaltenen Dokuments wegen zu engen Anfechtungsumfangs
Unzulässigkeit eines Parteiantrags auf Aufhebung des §35 Abs5 ZustG idF BGBl I 104/2018.
Die antragstellende Partei erblickt einen Verstoß gegen Art7 B‑VG und Art6 EMRK darin, dass die ERV-Zustellung gemäß §89a GOG gegenüber der elektronischen Zustellung mit Zustellnachweis gemäß §35 ZustG in unsachlicher Weise begünstigt werde. Während Schriftstücke, die im Wege des ERV zugestellt würden, gemäß §89d Abs2 GOG immer erst am auf das Einlangen in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers folgenden Werktag als zugestellt gälten, gälten Schriftstücke bei der elektronischen Zustellung mit Zustellnachweis gemäß §35 Abs5 ZustG bereits mit der Abholung des bereitgehaltenen Dokumentes als zugestellt, wenn das Schriftstück vor dem ersten Werktag nach der Versendung der ersten elektronischen Verständigung abgeholt werde. Das habe zur Folge, dass die Rechtsmittelfrist bei der elektronischen Zustellung mit Zustellnachweis gemäß §35 Abs5 ZustG um (mindestens) einen Tag verkürzt werde. Der antragstellenden Partei geht es also darum, die nach ihrer Ansicht durch die Bestimmungen des §35 Abs5 ZustG und des §89d Abs2 GOG bewirkte Ungleichbehandlung von Empfängern gerichtlicher Schriftstücke, deren Zustellung fristauslösenden wirkt, zu beseitigen.
Vor dem Hintergrund ihrer Bedenken hätte die antragstellende Partei die Aufhebung beider (als Teil eines gesamten Systems anzusehenden) Regelungskomplexe kumulativ – also §35 Abs5 ZustG gemeinsam mit §89d Abs2 GOG – begehren müssen, um den VfGH im Falle des Zutreffens der Bedenken in die Lage zu versetzen, darüber zu befinden, auf welche Weise die Verfassungswidrigkeit beseitigt werden kann.