G77/2025 ua – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz
Leitsatz
Zurückweisung eines Parteiantrags auf Aufhebung von Bestimmungen des StGB und VerbandsverantwortlichkeitsG mangels Zuständigkeit; Abweisung eines Antrags auf Einstellung des Ermittlungsverfahrens keine in erster Instanz entschiedene Rechtssache
Unzulässigkeit der Anträge auf Aufhebung des §168b StGB idF BGBl I 62/2002 sowie des §3 Abs2 und 3 VbG idF BGBl I 151/2005.
Im strafgerichtlichen Ermittlungsverfahren getroffene (rechtsmittelfähige) Entscheidungen führen nur dann eine eigenständige "in erster Instanz entschiedene Rechtssache" herbei, wenn das Gericht über eine Frage befindet, die im allfälligen Hauptverfahren von der Verfahrenspartei nicht mehr aufgerollt werden kann. Steht dieser hingegen die Möglichkeit offen, eine im Ermittlungsverfahren behauptetermaßen unterlaufene Rechtswidrigkeit auch noch durch Rechtsmittel gegen das im Hauptverfahren ergehende (kondemnierende) Urteil (nachträglich) zu bekämpfen, ist ein Parteiantrag im Stadium des Ermittlungsverfahrens unzulässig.
Mit der Abweisung eines Antrags auf Einstellung des Ermittlungsverfahrens gemäß §108 StPO wird nicht endgültig über eine Rechtssache abgesprochen, sondern lediglich die Fortsetzung des Verfahrens ermöglicht.
Die von den antragstellenden Gesellschaften ins Treffen geführte Verfassungswidrigkeit von §168b StPO sowie von §3 Abs2 und 3 VbVG wegen eines behaupteten Verstoßes gegen das in Art4 7. ZPEMRK normierte Doppelverfolgungsverbot kann sowohl im Hauptverfahren als auch in einem allfälligen Rechtsmittelverfahren gegen das erstinstanzliche Urteil geltend gemacht werden.