JudikaturVfGH

E2242/2025 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz

Rechtssatz
Öffentliches Recht
11. September 2025
Leitsatz

Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander betreffend die Abweisung eines Antrags auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft mangels Nachweises der Identität durch unbedenkliche Urkunden; Prüfung der Eignung des libanesischen Freundes und der Möglichkeit der Befragung der Schwester des Beschwerdeführers zur Feststellung der "Verfahrensidentität" durch das LVwG geboten

Das LVwG Oberösterreich geht davon aus, dass eine Identitätsfeststellung nur dann die Anforderungen des §5 Abs3 StbG nach einer zweifelsfreien Feststellung der Identität erfülle, wenn diese Identität außerhalb einer – im Zuge eines Verfahrens auf internationalen Schutz (oder allenfalls nachfolgenden aufenthaltsrechtlichen Verfahrens) festgestellten – "Verfahrensidentität" des Beschwerdeführers festgestellt werden könne. Davon ausgehend sei weder der vom Beschwerdeführer vorgelegte Fremdenpass noch eine allfällige Abnahme der Papillarlinienabdrücke der Finger (weil sie nur zu einem Vergleich mit im Asylverfahren abgenommenen Papillarlinienabdrücken führen könnten) geeignet, eine zweifelsfreie Identität des Beschwerdeführers abseits einer Verfahrensidentität festzustellen. Vergleichbares gelte für die Aussagen der im Verfahren vor dem LVwG OÖ befragten bzw namhaft gemachten Identitätszeugen, weil auch sie den Beschwerdeführer erst nach seiner Einreise nach Österreich kennengelernt hätten.

Damit unterstellt das LVwG OÖ, wie sich aus der Rsp des VfGH ergibt, §5 Abs3 StbG einen verfassungswidrigen, weil dem aus ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz BGBl 390/1973 folgenden Gleichbehandlungsgebot zuwiderlaufenden Inhalt. Wenn es dem Beschwerdeführer tatsächlich objektiv nicht möglich ist, Nachweise über seine Identität zu erbringen, die nicht mit seiner Identitätsfeststellung im Verfahren auf internationalen Schutz (oder gegebenenfalls nachfolgenden aufenthaltsrechtlichen Verfahren) im Zusammenhang stehen, kann auch eine entsprechend zweifelsfreie Feststellung der solcherart für die Zwecke von Asyl- oder Aufenthaltsverfahren zweifelsfrei festgestellten Identität ("Verfahrensidentität") die Anforderungen des §5 Abs3 StbG erfüllen.

Der VfGH verkennt nicht, dass unter Umständen in einem Verfahren zur Verleihung der Staatsbürgerschaft die Identität eines Verleihungswerbers außerhalb (und zeitlich gesehen vor) seiner "Verfahrensidentität", wie sie sich aus Verfahren auf internationalen Schutz ergibt, von Bedeutung sein kann und daher diesbezügliche Ermittlungen – ungeachtet einer Identitätsfeststellung gemäß §5 Abs3 StbG auf Basis der "Verfahrensidentität" – erforderlich sein können. Dies setzt eine entsprechende Auseinandersetzung im Verfahren einschließlich deren Begründung voraus.

Das LVwG OÖ wird sich im fortgesetzten Verfahren mit der Frage auseinanderzusetzen haben, ob der vom LVwG OÖ als Identitätszeuge in Betracht gezogene Freund des Beschwerdeführers, mit dem dieser ausschließlich in Sozialen Medien Kontakt gehabt haben will, zur Feststellung der Identität des Beschwerdeführers abseits seiner "Verfahrensidentität" geeignet wäre und ob es dem Beschwerdeführer objektiv möglich ist, eine Befragung seiner Schwester als Identitätszeugin zu erwirken.

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