V339/2023 (V339/2023-7) – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz
Leitsatz
Aufhebung einer Verordnung des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Vöcklabruck betreffend die Erklärung zweier Straßenabschnitte zu einer Wohnstraße mangels Vorliegens der Voraussetzungen iSd StVO 1960
Gesetzwidrigkeit der Verordnung des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Vöcklabruck vom 10.07.1986, ZII‑1/640‑0‑1986-Sm/Ha, wegen Verstoßes gegen §76b Abs1 StVO 1960.
Gemäß §76b Abs1 StVO 1960 kann die Behörde, wenn es die Sicherheit, Leichtigkeit oder Flüssigkeit des Verkehrs, insbesondere des Fußgängerverkehrs, die Entflechtung des Verkehrs oder die Lage, Widmung oder Beschaffenheit eines Gebäudes oder Gebietes erfordert, durch Verordnung Straßenstellen oder Gebiete dauernd oder zeitweilig zu Wohnstraßen erklären. Nach dieser Bestimmung kann die Behörde eine bestimme Straßenstelle oder ein Gebiet daher nur dann zur Wohnstraße erklären, wenn neben anderen tatbestandlichen Voraussetzungen insbesondere die Sicherheit des Fußgängerverkehrs oder die Entflechtung des Verkehrs ein Verbot des Fahrzeugverkehrs (mit geringfügigen Ausnahmen, wie etwa für das Befahren zum Zweck des Zu- und Abfahrens) erfordern.
Die verordnungserlassende Behörde hat abgesehen von der angefochtenen Verordnung nur eine Niederschrift über die "5. Gemeinderatssitzung vom 10. Juli 1986" vorgelegt. Dieser Niederschrift lässt sich entnehmen, dass die angefochtene Verordnung zur verkehrsmäßigen Beruhigung des Wohngebietes erlassen wurde, weil das zu diesem Zeitpunkt bestehende Nachtfahrverbot für Mopeds im Bereich der Kaplanstraße dafür "offensichtlich" nicht ausreichend gewesen sei. Mit diesem Hinweis auf eine erwünschte (weitere) verkehrsmäßige Beruhigung eines Wohngebietes sowie dem – ebenfalls in der Niederschrift dokumentierten – Umstand, dass sich Teile der Wohnbevölkerung für die Einführung einer Wohnstraße ausgesprochen hätten, vermag die verordnungserlassende Behörde nicht darzulegen, dass die Erklärung der betroffenen Straßenstellen zur Wohnstraße – auf der das Betreten der Fahrbahn und das Spielen gestattet und der Fahrzeugverkehr (mit wenigen Ausnahmen) verboten ist – aus einem der in §76b Abs1 StVO 1960 genannten Gründe erforderlich ist.